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September 2024


 



Buchtipp

Irina Wolf:
Das rumänische
Theater im 21. Jahr-
hundert. Freie Szene
und neue Wege.

Frank und Timme,
2022. 102. S.

Das rumänische Theater
erlebt seit 2010 zwei ent-
scheidende Veränderun-
gen: die rasante Entwi-cklung der freien Szene
und einen großen Innova-tionsschub im Bereich der
staatlich geförderten Kul-
tur. Die freie Szene Ru-
mäniens präsentiert sich
experimentierfreudig und
innovationsstark und über-
nimmt wesentliche Aufga-
ben des kulturellen Le-
bens. Dieser Band bietet
einen umfassenden Über-
blick zu Entstehung und
Entwicklung freier Thea-
tergruppen sowie zu Thea-
terneugründungen im
Land und zu inter- und
transdisziplinären Progr-
ammen an rumänischen
Universitäten. Darüber
hinaus stellt er wichtige
Vertreter der Generation
der in den 1980er-Jahren
Geborenen vor, darunter
die Regisseure Carmen
Lidia Vidu, Catinca Draga-
nescu, Bobi Pricop und
David Schwartz. Ihrer
Kreativität und Flexibilität
verdankt die neue rumä-
nische Theaterwelt wes-
entliche Impulse. Ein be-
sonderes Verdienst die-
ses Buches ist die Be-
rücksichtigung der unga-
rischen Minderheit sowie
eine ausführliche Besta-
ndsaufnahme des Roma-
Theaters in Rumänien.


Aus unserem Archiv



.

Das Auge des Hurrikans
.

An Chile wurde in den
1970er Jahren das Para-
digma des Freien Welt-
marktes getestet. An-
fang der 80er Jahre
wurde dieses Paradigma
auf rund 90 Ökonomien
in sogenannten 'Ent-
wicklungsländern' über-
tragen. Diese "Struktur-
anpassungs-Programme"
führten jedoch oft zu
noch mehr Ungleichheit,
Armut und Umwelt-
schäden. (Walden
Bello, 01. 05. 2007)




Was heißt Globalisierung?
...
Das Zeitalter der Glob-
alisierung ist gekenn-
zeichnet von rasanten
Veränderungen. Das
lässt sich leicht an
Indikatoren wie Welt-
handel und Auslands-
investitonen, der Ent-
wicklung im Verkehrs-
und Kommunikations-
wesen oder der Anzahl
von internationalen
Konzernen ablesen.
Begleitet werden diese
Veränderungen von
einem tiefen Unbehagen
darüber, dass die Kluft
zwischen Arm und Reich
immer noch größer wird,
die Zerstörung der Bio-
sphäre fortschreitet
oder sich der Einfluss
der Mediengiganten
kontinuierlich ausweitet.
(Reinhold Wagnleitner,
01. 03. 2003)
.
 

..
.

...
Neue Texte


  Kein Gut ohne Böse, kein Weiß ohne Schwarz
  "Das Leben ist in Farbe, aber Schwarzweiß ist realis-
  tischer", mit diesem Zitat aus einem Film des deut-
  schen Regisseurs und Fotografen Wim Wenders begin-
  nt das fast 400 (!) Seiten dicke Programmbuch der
  diesährigen 52. Ausgabe der Theaterbiennale von
  Venedig, die vom 15. bis 30. Juni stattfand. Es war
  die letzte des Kuratorenduos Stefano Ricci und Gianni
  Forte, die von Anfang an verschiedene Farben als
  Motto wählten. Nach Blau, Rot und Grün folgte absch-
  ließend "Schwarz und Weiß". Der Kontrast "zwischen
  Gut und Böse im ewigen Streben des Menschen nach
  Perfektion", aber auch "die Fähigkeit, Andersartigkeit
  zu akzeptieren" waren die Leitsätze, nach denen sich
  die Auswahl der Produktionen richtete.
  (Irina Wolf, 20. 08. 2024)




  Anregende Kuchenstücke für Kulturdiplomatie
  Der Empfang ist unglaublich: Mit schwarzem T-Shirt
  und rosa Sackerl sind Jugendliche auf zwei Reihen im
  Theaterfoyer verteilt, die sich gegenüberstehen. Ich
  schaffe es nicht lange, mich an den lächelnden Gesich-
  tern der jungen Freiwilligen zu erfreuen. Dass auf dem
  Boden zahlreiche Fotos verstreut liegen, bemerke ich
  erst, als ich fast ausgerutscht wäre. Mihai Nistor hat
  die Bilder letztes Jahr während des weltweit renom-
  miertesten Festivals d'Avignon aufgenommen, an dem
  das Matei-Vişniec-Stadttheater mit zwei Produktionen
  mitwirkte. Eine ausgefallene Art, eine Fotoausstellung
  zu organisieren. Auf diese abenteuerliche Weise star-
  tete mein kurzer Aufenthalt beim Festival "Die inter-
  nationalen Tage des Matei-Vişniec-Stadttheaters",
  das in diesem Jahr vom 11. bis 19. Mai stattfand.
  (Irina Wolf, 18. 07. 2024)



  Geheimnisse, Tänzer und blutende Herzen
  Die Bukarester Theaterszene besticht erneut mit ihrer
  enormen Vielfältigkeit. Vorgestellt werden drei Stücke,
  zum Thema haben sie unter anderem die Wahrnehmung 
  der Z-Generation, den Sporttanz als autobiografische
  Selbstreflexion sowie den Ödipus-Mythos. Schon die
  erste Aufführung beginnt visuell stark: Ein riesiges rotes
  Herz füllt die Bühne des Odeon-Theaters. Regisseurin
  Carmen Lidia Vidu und Bühnenbildner Adrian Damian
  entschieden sich für ein Gemälde von Roman Tolici, um
  Menschen der Z-Generation für die Aufführung Das
  zerbrechliche Gefühl der Hoffnung
zu gewinnen, da es
  darin um autobiografische Geschichten geht, die von
  Gleichaltrigen geschrieben wurden. Die Spannweite der
  Themen reicht von sexuellem Missbrauch und psych-
  ischen Erkrankungen über die Beziehung zur Religion
  oder zum eigenen Körper bis hin zum Verlust eines
  Elternteils und den Umzug in ein anderes Land vor
  dem Hintergrund der Wirtschaftsmigration...
  (Irina Wolf, 14. 06. 2024)




  O mei, o mei, o mei ... It's all about Konjunktiv Zwei
 
Thomas Mann hatte seinen "Zauberberg". Den Ort
  der "horizontalen Lebensweise". Jules Verne hatte
  seine "Geheimnisvolle Insel", Olaf Scholz hatte sein
  "Sondervermögen", Al Capone eine magnetische
  Geldbörse und Karl May den "Schatz im  Silbersee",
  den sich so mancher aneignen wollte. Jetzt ist er
  weg. Jetzt ist vieles weg. Aber nicht ganz...

 
(Vasile V. Poenaru, 20. 05. 2024)




  Erstklassiges ungarisch-rumänisches Potpourri
  In Sfântu Gheorghe war ich zu Gast bei der ersten
  Ausgabe des "SEPSI Theatre Showcase",  das vom 14.
  bis 27. März die bemerkenswertesten Produktionen aus
  dem Repertoire beider städtischer Theater in den Vor-
  dergrund stellte. Die abwechselnde Programmgestaltung
  an einem Abend im rumänischen und am nächsten im
  ungarischen Theater ermöglichte es auch den Schau-
  spielern, die Aufführungen ihrer Kollegen zu sehen.
  Gezeigt wurden 14 Produktionen, in zwei Sprachen
  übertitelt, von denen ich mir sechs angeschaut habe.
 
(Irina Wolf, 30. 04. 2024)



  Theater in Bukarest 2023
  Vielfältig, abwechslungsreich und lebendiger denn je.
  So könnte man die Theaterszene des letzten Jahres in
  der rumänischen Hauptstadt beschreiben. Hier sind vier
  Produktionen aus der Menge an Inszenierungen, an die
  man sich erinnern sollte.
(Irina Wolf, 20. 03. 2024)



  Wie ein Buch zum Buch wird
  Once upon a time, der Herr Mai war gekommen, stellte
  sich der kanadische Schriftsteller Yann Martel im Rah-
  men einer kurzen Lesung in der Chapters Buchhandlung
 
der anspruchsvollen Bayview Village Mall in Toronto den
  Fragen der "Menge", seines Lesepublikums.
Seit Martel
 
mit dem 2001 veröffentlichten Roman Life of Pi (Schiff-
  bruch mit Tiger) diesseits wie jenseits des Atlantischen
  Ozeans den Durchbruch schaffte, war Martel bereits
  nicht nur in Kanada ein Begriff. Dem vielfach ausgezei- 
  chneten Erfolgsautor durfte nun der Toronto-Durch-
  schnittsleser, die eine große Geschichte und die vielen
  kleineren, sie umkreisenden Geschichten im Sinn, mal
  so richtig auf den Zahn fühlen. "Bücher schreiben:
  Wie macht man das?", kam denn auch bald die unver-
  meidliche Frage. (Vasile V. Poenaru, 28. 02. 2024)




  Vielfalt feiern am Nationaltheaterfestival Bukarest
  Schon beim Betreten des Theatersaals wird uns ganz
  schnell klar: Das ist keine klassische Darbietung. Vor
  allem fallen die mit kleinen Lampen ausgestatteten
  acht Tische vor der Bühne auf. An einem davon nehme
  ich Platz. Zwischen uns spaziert die junge Schauspie-
  lerin Oana Jipa. Mit einer Frisur der Kabarettlandschaft
  im frühen 20. Jahrhundert und schwarzem Anzug eröf-
  fnet Jipa als Animatorin, vor einem geschlossenen roten
  Vorhang stehend, den Theaterabend. Das von Regis-
  seur Eugen Jebeleanu präsentierte Stück La Ronde füg-
  te sich gut in das vom Kuratorenteam für die diesjäh-
  rige 33. Ausgabe des Nationaltheaterfestivals vorge-
  schlagene Konzept. Mit "Laboratories of the Sensitive"
  traf es seine Auswahl im Zeichen aktueller thematisch-
  er Forschung, unkonventioneller künstlerischer Theat-
  ersprachen, neuer Formen der Dramaturgie und der
  szenischen Aufwertung des Körpers.
 
(Irina Wolf, 27. 01. 2024)




(c) Martin Dürrschnabel, Wikipedia  Sprachzauber an der Oos
  Ja, das ist, wenn man's recht bedenkt, ein bisschen
  wie falling in love with the careless man's careful
  daughter. "The best thing that's ever been mine."
 
Die Oos in Baden-Baden: ein Bächle once upon a
  time. Darüber der unwahrscheinlich spektrumreiche
  Regenbogen unserer in den schönen Mäandern des
  Konjunktivs wundersam destillierten Märchenwelt.
  Es war einmal ... Nu höret, wie es sich māret.
  (Vasile V. Poenaru, 03. 01. 2024)



  Theater in Iaşi: Weiblich, männlich oder...?
  Willkommen in Iaşi, lieber Besucher! Du bist wohl von
  weit her angereist, denn meine Heimatstadt liegt 20
  Kilometer westlich der Grenze zur Republik Moldau und
  etwa 400 km Luftlinie nördlich von Bukarest. Ach, ich
  habe vergessen, mich vorzustellen: Ich bin das Inter-
  nationale Festival für junggebliebenes Publikum (FIT
  PTI). Vor sechzehn Jahren kam ich auf die Welt. An-
  fang Oktober bin ich sieben Tage lang besonders aktiv.
  So bot ich auch dieses Jahr mehr als 150 Veranstal-
  tungen an 20 Orten, darunter Sprechtheater, Perfor-
  mances, VR-und Radiotheater, Lesungen, Buchvorstel-
  lungen, Ausstellungen, Workshops, Konferenzen, Debat-
  ten. Mit diesem vielfältigen Angebot fügt meine Mutter,
  die Theaterkritikerin Oltiţa Cîntec, künstlerischen An-
  spruch sowie Unterhaltung bestens zusammen und be-
  geistert auch mit Aufführungen im Freien das Publikum.

  (Irina Wolf, 10. 12. 2023)




Al Capone / (c) wikipedia, United States Bureau of Prisons  Kriegsteinsauf'nDeckel und Al Capone im Land der Oos
  Eins vorweg, meine hochverehrten, überdurchschnitt-
  lich belesenen Online-Scharen im Dickicht unserer
  Stick-and-Stones-Simulationfauchen des Daseins und
  der bisweilen damit sporadisch verbundenen Gedanken-
  züge. Es ist dies eine Geschichte, so wie sie, die Ge-
  schichten, heutzutage kaum je mehr erzählt werden.
  Sie stammt aus jenen fernen Zeiten, da Mythos und
  Wirklichkeit noch tief ineinander drangen. Jetzt läuft’s
  bekanntlich ungleich drastischer. Wirklichkeit ist das,
  was wir sagen, und Mythos, oh well, des is des, wos
  die anderen sog’n. Und nun mal gut zuhören!
  (Vasile V. Poenaru, 26. 11. 2023)



  Auf der Suche nach einem Zuhause
  Bereits zum 14. Mal fand heuer das Festival "dráMA"
  in Odorheiu Secuiesc statt. Die Stadt, deren Volkszäh-
  lung 2021 bei etwa 31.000 Einwohnern lag, ist eines
  der kulturellen Zentren des Széklerlandes in der rumä-
  nischen Region Siebenbürgen. Mit rund 27.000 Szék-
  lern, 3.000 Roma und nur 700 Rumänen stellt die un-
  garische Minderheit Rumäniens die Mehrheit der Bevöl-
  kerung in Odorheiu Secuiesc. Je zwei Produktionen pro
  Tag wurden vom 18. bis 23. September im Hauptsaal
  des lokalen Kulturhauses – der Spielstätte des orts-
  ansässigen "Tomcsa Sándor"-Theaters – und im kleine-
  ren Studiosaal gezeigt.
(Irina Wolf, 09. 11. 2023)



  Überlebensstrategien in der Sicherheitszone
  Vierzehn Tage lang wurde im rumänischen Piatra
  Neamţ das lokale Theater der Jugend zum Schauplatz
  kultureller Ereignisse. Sechs internationale Darbietun-
  gen, mehr als zwei Dutzend einheimische Produktionen,
  multimediale Installationen, Filmprojektionen, Tanz-
  und Outdoor-Performances, Buchvorstellungen und
  Ausstellungen gehörten zum abwechslungsreichen
  Programm.
(
Irina Wolf, 17. 10. 2023)




  Don Quijote in Flammen setzen

  Als wichtiges Zentrum für den Kulturtourismus in Italien
  ist Ravenna bekannt für seine einzigartigen Mosaiken,
  die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen. Doch ich ver-
  binde das Städtchen im Osten der italienischen Provinz
  Emilia-Romagna mit unvergesslichen Momenten und
  besonderen Menschen. Ermanna Montanari und Marco
  Martinelli, die Mitbegründer und künstlerischen Leiter
  des Teatro delle Albe/Ravenna Teatro, schaffen es
  immer wieder, sensationelle Theaterprojekte ins Leben
  zu rufen. Besonders bemerkenswert dabei ist, dass
  Hunderte von Bürgern der Stadt, ja sogar experimen-
  tierfreudige Theaterliebhaber aus anderen Regionen
  Italiens, an dem Unterfangen der beiden charismati-
  schen Künstler mitwirken.
(Irina Wolf, 08. 09. 2023)



  Dinosaurier & Komödien: Showcase in Großwardein
  Immer mehr Theater in Rumänien organisieren sechs-
  tägige Mikro-Saisonen, um ihre Produktionen zu be-
  werben. Dies gilt auch für das Szigligeti-Theater in
  Großwardein (Oradea). Zwischen dem 13. und 18.
  Juni zeigte die Mikro-Saison nicht weniger als zwölf
  Produktionen – bis zu drei pro Tag – in einer Art
  Präsentationsplattform für das lokale Publikum sowie
  für die zu diesem Anlass eingeladenen Fachleute.

  (
Irina Wolf, 13. 08. 2023)



  Theater für den Frieden im Nordosten Rumäniens
  Als eines der jüngsten Theater Rumäniens lässt sich
  die Einrichtung in Suceava, Zentrum der historischen
  Region Bukowina, bezeichnen. Höhepunkt der Saison
  des 2015 gegründeten und nach einem bekannten
  französischen Dramatiker rumänischer Herkunft be-
  nannten Stadttheaters ist das internationale Festival
  "Die Tage des Matei-Vişniec-Theaters". Vom 18. bis
  28. Mai vereinte die diesjährige Ausgabe 64 Veran-
  staltungen unter dem Motto "Frieden", ein Thema,
  das zumindest in diesem Teil der Welt in den letzten
  Jahrzehnten dringender denn je zu sein scheint.

  (
Irina Wolf, 17. 07. 2023)



(c) Sebastian Fröhlich
  "Ich will Wahrhaftigkeit erzeugen"
  Nikolaus Habjan ist Theater- und Opernregisseur, Pup-
  penspieler und -designer und genießt auch als Schau-
  spieler und Kunstpfeifer hohes Ansehen. Der 1987 ge-
  bürtige Grazer studierte Musiktheaterregie an der Uni-
  versität für Musik und Darstellende Kunst in Wien. Im
  Alter von fünfzehn Jahren sammelte Nikolaus Habjan
  bereits erste Erfahrungen im Bereich des Puppenthea-
  ters. Vom australischen Puppenspieler Neville Trantner
  erlernte er den Umgang mit sogenannten Klappmaul-
  puppen, die er in seinen Inszenierungen verwendet.
  2012 debütierte er am Burgtheater mit Fool of Love,
  eine Produktion nach Shakespeares Sonetten. Habjan
  wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Mit seinen
  Inszenierungen mit Puppen und Schauspielern war er
  an zahlreichen großen Bühnen zu Gast, unter anderem
  am Wiener Volkstheater, am Münchner Residenzthea-
  ter, im Schauspielhaus Zürich oder an der Oper
  Dortmund.
(Irina Wolf, 30. 06. 2023)



(c) Marcella Ruiz Cruz
  Kleine Bühne, furioses Trio
  Mehrfach wegen Corona verschoben, hat es Thomas
  Perles "karpatenflecken", sein 2019 mit dem Retzhofer
  Dramapreis ausgezeichnetes Stück, nun endlich zur
  österreichischen Premiere ins Burgtheater geschafft,
  nachdem es Ende 2021 am Deutschen Theater in Berlin
  uraufgeführt wurde. Drei Frauen aus drei Generationen
  – Großmutter, Mutter, Tochter – kommen in "karpaten-
  flecken" vor. Über 250 Jahre erstreckt sich ihre Famili-
  engeschichte: Von der Besiedlung Nordrumäniens durch
  Wischaudeutsche aus der Steiermark durch Maria The-
  resia und deren Zwangsmagyarisierung bis hin zum
  Ende der kommunistischen Diktatur unter Ceauşescu
  und einem Neuanfang in Westeuropa.

 
(Irina Wolf, 13. 06. 2023)




  Sechstätiger Showcase am Nord-Theater in Sathmar
  Höchst selten bekommen wir einen Hund auf der Bühne
  zu sehen, noch dazu einen wunderschönen Schäfer-
  hund! Mit dieser Überraschung hat das Publikum der
  Woyzeck-Aufführung der ungarischsprachigen Gruppe
  "Harag György" am
Teatrul de Nord im rumänischen
  Sathmar definitiv nicht gerechnet. Mit der auf der
  Bühne wiedergegebenen Beziehung zwischen dem Pro-
  tagonisten und dem Vierfüßler Paco wird das Trauma
  des von Brutalität gekennzeichneten Lebens von Woy-
  zeck besonders hervorgehoben. Dieses Stück, das
  durch seine einzigartige Ausdruckskraft besticht, ist
  aber nur eines von fünf
weiteren bemerkenswerten
  Produktionen, mit denen der Showcase des Nordthea-
  ters beeindruckte, welcher vom 28. März bis 2. April in 
  Sathmar (Satu Mare), der Hauptstadt des gleichnami-
  gen Kreises im Nordwesten Rumäniens, stattfand.
 
(Irina Wolf, 13. 05. 2023)



Kolorierte Postkarte von Kleinmünchen, Verlag F. Weber, um 1921
  In the heart of Kleinmünchen
 
Die Straßenbahn Nummer Eins hat den intelligentesten
  Strom Europas über die gerade mal nur mäßig befah-
  rene Nibelungenbrücke überquert und bahnt sich nun
  ihren ungefähren Weg durch die traute Dämmerung.
  Bald wird es regnen. Das Stadtbild hat sich verdunkelt.
 
Die Donau fließt weiter nach Wien und Budapest und
  dann noch weiter bis Bulgarien und Rumänien. Es dau-
  ert nur ein paar Tage bis zu den fröhlichen lieben Pe-
  likanen, Kormoranen und Mücken im Donaudelta, denn
  seit Heraklit wissen wir, dass jeder Fluss seiner Mün-
  dung entgegen strömt. Außer dem Fluss der Sprache,
  versteht sich. Der fließt in viele Richtungen. Je nach-
  dem. (Vasile V. Poenaru, 27. 04. 2023)



  Scheiternde Gesellschaft, blühende Poesie
  Bereits seit mehreren Jahren zeigt sich im deutsch-
  sprachigen Raum ein wachsendes  Interesse an der
  spanischen Gegenwartsdramatik. Einen wichtigen Bei-
  trag zur Bekanntmachung spanischsprachiger Theater-
  stücke leisten die Veröffentlichungen von Franziska
  Muche und Carola Heinrich in der Reihe "Drama Pano-
  rama" beim Berliner Neofelis Verlag. Nach der Heraus-
  gabe des Bandes Mauern fliegen in die Luft. Theater-
  texte aus Argentinien, Chile, Kolumbien, Kuba, Mexiko,
  Spanien und Uruguay
(2021), ist nur ein Jahr später
  pünktlich zur Frankfurter Buchmesse (mit Spanien als
  Gastland) die Anthologie Schattenschwimmer. Neue
  Theatertexte aus Spanien
erschienen.

  (Irina Wolf, 19. 03. 2023)




(c) Florin Ghioca
  Sinnstiftung und Entfremdung der Generationen
  Fünfzehn Personen auf der Bühne, eine Aufführungs-
  dauer von drei Stunden, eine Live-Kamera, eine Span-
  nung erzeugende Hintergrundmusik (Călin Ţopa) und
  ein ausgefeiltes Bühnenbild (Cosmin Florea): In der
  Inszenierung Exil von Alexandra Badea im National-
  theater Bukarest wird nicht gekleckert, sondern an-
  ständig geklotzt. Die in Rumänien geborene Theater-
  und Filmregisseurin hat sich in den letzten zwanzig
  Jahren in Frankreich als eine der interessantesten
  Stimmen der jungen Dramatik etabliert.
 
(Irina Wolf, 11. 02. 2023)



  Frau Hamlet, charmant und mehrdeutig
  "Es ist ein Versprechen, das ich mir selbst gegeben
  habe, als ich Hamlet zum ersten Mal inszenierte, näm-
  lich diesen Klassiker alle zehn Jahre neu zu betrachten,
  um zu verstehen, wo ich stehe, nicht nur in Bezug auf
  Shakespeares Text, sondern auch auf meinen Beruf als
  Theaterregisseur." Mit diesen Gedanken ging Antonio
  Latella ans Werk, Hamlet zum dritten Mal in seiner Kar-
  riere auf die Bühne zu bringen. Der international be-
  kannte italienische Regisseur wählte einen philologi-
  schen Ansatz und wagte es, das Stück in seiner vol-
  len Länge zu inszenieren. Dabei wurde er von einer
  originalgetreuen und zugleich modernen Übersetzung
  von Federico Bellini und der Dramaturgie von Linda
  Dalisi unterstützt. Das Ergebnis ist ein komplexes
  Werk, das es schafft, Shakespeares Geist wieder-
  zugeben.
(Irina Wolf, 20. 01. 2023)




(c) pixabay.com  Das Erbe von Bayview Village
  In einer kleinen Fabrik im nördlichen Teil von Toronto
  werden Träume konserviert. Der Jahresumsatz beträgt
  volle sieben Milliarden Dollar. Davon gehen drei Milliar-
  den an Electronic Dreams, die berühmte Firma aus Los
  Angeles, die per Eilpost Empfindungen und Gefühle in
  Binär Codes verwandelt, um aus diesen wiederum
  freundlicherweise in trauter Form von Lust und Unlust
  mehr Wert für die Menschen zu schöpfen. Mehr
  Genuss. Mehr Zeit. Mehr Sinn. Mehr Glückseligkeit:
  höhere Umsätze für Herz und Geschäft.
 
(Vasile V. Poenaru, 24. 12. 2022)



  Im roten Meer der Liebe
  Mit einer Aufzählung, welche Arten des Liebens es
  gibt, regt Pippo Delbono in seiner neuesten Produktion
  Amore zur Liebe an. Delbono ist dabei selbst eine Welt
  für sich. Eine Welt, die er mit Großzügigkeit auf der
  Bühne offenbart. Jede Wunde, jeder Schmerz, das Lei-
  den, die Depression, der Tod, die Intimität. All das
  wird in einer zugleich ausgefallenen und wunder-
  schönen Performance über Leben und Tod auf die
  Bühne gebracht. Das Publikum wird Zeuge einer in die
  Geschichte verstrickten Biografie. Der Künstler schafft
  es, den Zuschauern ein Gefühl von Freiheit, Improvi-
  sation, Unberechenbarkeit zu vermitteln.
  (Irina Wolf, 15
. 12. 2022)



  Trends im zeitgenössischen rumänischen Theater
  In seiner 32. Ausgabe zeigte das Nationaltheaterfes-
  tival Bukarest (NTF) vom 5. bis 13. November die bes-
  ten Produktionen der letzten Saison sowie mehrere aus
  dem Ausland eingeladene Performances. Das Kurato-
  renteam um Mihaela Michailov, Oana Cristea Grigores-
  cu und Călin Ciobotari brachte frischen Wind ins Pro-
  gramm – zum einen mit der Sektion "Fragile Grenzen",
  in deren Fokus die Thematisierung hybrider Ästhetiken
  stand. Zum anderen mit dem Themenkomplex der "Flie-
  ßenden Übergänge". Dieser sollte unser Verhältnis zur
  Geschichte neu beleuchten und die Gegenwart in
  Frage stellen. Dabei wurden kollektive und familiäre
  Erinnerungen aus subjektiven Blickwinkeln betrachtet
  und kontroverse Episoden der 'offiziellen' Geschichte
  hinterfragt. (Irina Wolf, 25
. 11. 2022)




(c) pixabay.com  Angekratzte Zukunft: The Toronto Connection
  Einen Handschlag. Ein freundliches Gesicht. Einen
  offenen Blick würde jeder gern erleben. Wir sind zivi-
  lisiert, verbergen unsere Gefühle. Wir sprechen ver-
  schiedene Sprachen, verwenden stets die eine. Wir
  lieben uns nicht. Wir hassen uns nicht. Wir fahren aus-
  einander. Wir gehen ineinander. Immer wieder. Vor uns
  liegt die spontane Zusammenfassung einer gewagten
  Deutung der weltoffenen Gesinnung, die den Begriff
  Großstadt ziert. Mitunter kommt es wie andernorts
  auch in Toronto vor, dass sich der Mensch kurzfristig
  zum Mitmenschen entwickelt. Dann entsteht so etwas
  wie ein Gefühl, dass man dazugehört, wo man nicht
  zugehört...
(Vasile V. Poenaru, 18. 11. 2022)



  Bunter Stoff für offene Herzen
  Mit genial-verschrobenen Kunststücken wie dem Auf-
  tritt eines Drachen lud die 15. Auflage des Internatio-
  nalen Theaterfestivals für junges Publikum vom 1. bis
  9. Oktober in Iaşi zur Zusammenkunft ein. Unter dem
  Motto "Konflikt-Konfrontation" startete Kuratorin Oltiţa
  Cîntec ein "Abenteuer der Rezeption unterschiedlichster
  Kunstformen". Das vielfältige Programm umfasste Schau-
  spiel- und Straßentheater, Clownshows, Radiotheater,
  Shows auf TikTok, Konzerte, Filme und Installationen.
  Ein dichtes Rahmenprogramm von Ausstellungen und
  Workshops, Konferenzen und Buchpräsentationen bis
  hin zu Debatten rundeten das abwechslungsreiche
  Angebot ab. (Irina Wolf, 02
. 11. 2022)
 


(c) pixabay.com
  Panta rhei Wasserkraft und Sprachgewalt for future
 
Der Main: "Das unentdeckte Österreich ist eine reine
  Erfindung. Das hat sich der Dichterling zusammenge-
  reimt, wie hieß er denn gleich, der Menasse." Vater
  Rhein: "Nein. Der Gauß." Die Donau: "Johann Strauß?
  Ach! Ein fescher Mann." Die Seine: "Sehr musikalisch
  veranlagt." Vater Rhein: "Gauß." Die Donau: "Ach so!"
  Der Main: "Stimmt. Der Gauß. Ich glaube, die Salzach
  erzählte einmal auf irgendeinem Hydraulik-Kongress,
  er sei der beste Schwimmer weit und breit." Vater
  Rhein: "Und ein redlicher Europäer." Die Donau: "Un-
  seren Gauß lese ich immer gerne. Der ist nämlich ein
  ganzer Kerl." Die Seine: "Ja, weil er mal von Ihnen
  behauptet hat, Sie seien der intelligenteste Fluss
  Europas." (
Vasile V. Poenaru, 23. 09. 2022)



  Die Liebe, die kreisen macht Sonne und Sterne
  "Was ist das Paradies? Wer lebt dort? Gibt es Bauern?
  Pflügen sie die Erde? Wissen sie, dass ich auch kom-
  men werde?" All diese Fragen und mehr stellt ein in
  weiß gekleidetes Mädchen, das sich im Garten Eden
  befindet. Tatsächlich handelt es sich um den Volks-
  garten in Ravenna, einen zauberhaften Ort, ausge-
  wählt von Ermanna Montanari und Marco Martinelli für
  ihre Umsetzung von Dante Alighieris Das Paradies. Mit
  dem letzten Teil der Göttlichen Komödie endet die
  Reise, die das 1983 von Martinelli und Montanari ge-
  gründete Teatro delle Albe 2017 mit der Hölle begon-
  nen und 2019 mit dem Fegefeuer fortgesetzt hat.
  (Irina Wolf, 24
. 08. 2022)



  Bande meiner Kindheit
  Ach! … Freunde! Gebt mir einen Stützpunkt, und ich
  hebe euch den Pöstlingberg aus den Angeln. Gebt mir
  ein Foto, ein Klassenfoto, und ich erzähle euch die Ge-
  schichte einer Kindheit. Lasst mir Luft, dass ich reden
  kann! Oberösterreich: der Mittelpunkt der Welt. Das
  haben schon die alten Kelten gemerkt. Oberbreiten-
  straße: Traun. Lunzerstraße: Linz. Die Schleife der
  Einser. Da: unmittelbar am Tatort. Drei Flüsse woh-
  nen, ach! in meiner Kindheit: Der Mühlbach, die Traun
  und unsere schöne blaue Donau. Und ich gehe zum
  Ring, den es nicht mehr gibt; und ich kaufe mir einen
  Doppellutscher, der mittlerweile freilich längst ge-
  schmolzen ist...
(Vasile V. Poenaru, 14. 08. 2022)



  Im Labyrinth unserer eigenen Verwundbarkeit
  Die 50. Ausgabe der Theaterbiennale von Venedig
  präsentierte vom 24. Juni bis zum 3. Juli einige der
  renommiertesten Namen der zeitgenössischen inter-
  nationalen Szene. Im zweiten Jahr seiner Intendanz
  setzte das Kuratorenduo Stefano Ricci und Gianni
  Forte seinen auf Farben basierenden Ansatz fort.
Auf
  das Motto "Blau" von 2021 folgte dieses Jahr "Rot",
  um 2023 mit "Grün" und schließlich ein Jahr später mit
  "Schwarz-Weiß" fortgeführt zu werden. Laut ricci/
  forte ist "die deutsche Sprache am besten geeignet,
  um das zentrale Thema auszudrücken", denn "ROT
  hat einen harten Klang."
(Irina Wolf, 24. 07. 2022)



  Theater in Kriegszeiten
  Mit der russischen Invasion der Ukraine am 24. Februar
  wurden alle Kulturveranstaltungen abgesagt. In den
  ersten Wochen versuchten die Künstler ehrenamtliche
  Arbeit zu leisten, doch mit der Zeit wurde ihnen be-
  wusst, wie wichtig es ist, "die künstlerische Front"
  wiederherzustellen: "Wir hatten alle Pläne. Nach
  dem 24. Februar kam es gar nicht in Frage, irgend-
  etwas mit Theater zu machen. Das Schlimme daran
  war, dass wir nicht wussten, wie lange dieser Zu-
  stand dauern wird", sagt Theatermacher Dmytro Nau-
  mets. Doch dann fing er an, Schauspiel-Trainings an
  der Ukrainisch-Katholischen Universität in Lemberg
  zu organisieren...
(Irina Wolf, 14. 07. 2022)



(c) www.pixabay.com  Eine duale Perspektive der Karpatenseele
  Münzen weisen jeweils zwei Seiten auf, Teilchen
  bestehen nur in Zusammenhang mit einer entsprech-
  enden elektromagnetischen Welle, und eine deftige
  Karpatensuppe ist ohne die dazugehörige Karpaten-
  seele nicht zu denken. You can take the girl out of
  the Carpathian Mountains, but you cannot take the
  Carpathian Mountains out of the girl. Dies ist die Ge-
  schichte einer großen Liebe am Berg. Ein Kristallisa-
  tionspunkt des Seins. A poetic discharge. Dessen bin
  ich mir sicher. Ich war an Ort und Stelle. (Vasile V.
  Poenaru
, 18. 06. 2022)



(c) Iulia Radu, pixabay.com
  Super-Karpaten-Kartenspiel
 
Ja, gepokert wurde auch mal gerne. Aber nur so zum
  Spaß. Um symbolische Einsätze. Der Stimmung wegen.
  Und möglicherweise wenigstens zum Teil auch der
  guten alten Wahrscheinlichkeitslehre zuliebe, was sich
  jetzt aber – nach all den vielen Jahren – freilich kaum
  mehr mit unerschütterlicher Bestimmtheit feststellen
  ließe, wenn man's recht bedenkt. Ja, möglicherweise;
  oder besser gesagt: wahrscheinlich. Aber was kann
  einer heutzutage, wo es ja bekanntlich eh zunehmend
  einzig und allein aufs Approximieren ankommt, denn
  überhaupt noch mit Bestimmtheit behaupten bzw. eru-
  ieren? Was darf heutzutage wirklich als "gecheckt"
  gelten? (
Vasile V. Poenaru, 10. 06. 2022)



  Eine dünne Linie trennt das Mögliche vom Unmöglichen
  Als ich Mitte Februar in Udine eintraf, um eine Theater-
  aufführung über die Arbeit von humanitären Organisa-
  tionen zu besuchen, dachte ich nicht, dass diese nur
  eine Woche später von großer Aktualität sein würde.
  Dass Vertreter von Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne
  Grenzen oder das Internationale Komitee vom Roten
  Kreuz (IKRK) romantische Charaktere sind oder Helden,
  die tatsächlich eine Veränderung in der Welt bewirken
  können, das dachte sich Tiago Rodrigues, bevor er
  die Arbeit an Im Rahmen des Unmöglichen ("Dans
  la mesure de l'impossible") begann.
(Irina Wolf,
  26. 05. 2022)



  Ist das Leben Gottes Geschenk?
  Er ist 78 Jahre alt, hat zwei erwachsene Kinder und
  drei Enkelkinder. Körperlich und geistig ist er kernge-
  sund. Trotzdem möchte er – Gärtner ist sein Name –
  vorzeitig sterben. Lebensfreude und -mut sind seit
  dem Tod seiner Frau vor zwei Jahren verschwunden.
  Obwohl ihn seine Kinder von seinem geplanten Selbst-
  mord abbringen wollen, haben sie es nicht geschafft,
  ihren Vater umzustimmen... Dem sensiblen Thema des
  assistierten Suizids nimmt sich Ferdinand von Schi-
  rach in seinem neuen Theaterstück GOTT an.

  (
Irina Wolf, 01. 05. 2022)



(c) pixabay.com
  Müller & Sohn: Eine Super-Gedankentour an der Rur
 
Dieses Gespräch wurde Anfang 2022 von einer meiner
  sprachlich begabten Assistentinnen back in the hood
 
aufgezeichnet. Right! In the old neighbourhood. Ich
  setze jetzt wie branchenübergreifend üblich noch kurz
  meinen Namen drauf, soweit es der g’schätzten Leser-
  schaft nichts ausmacht, und gelte ab sofort, thank
  your very much, als rechtmäßiger Urheber ever after
 
– oder doch jedenfalls solange das Copyright Bestand
  hat. Click, click, click. Copy and paste. Supi! …
  (Vasile V. Poenaru, 13. 04. 2022)



  Von den Grenzen in unseren Köpfen
  Seit 2018 werden mit der Reihe "Drama Panorama"
  des Berliner Neofelis Verlags Zugänge zu zeitgenös-
  sischen Theatertexten aus anderen Sprachräumen
  eröffnet. Die im November 2021 als fünfter Band in
  der Serie erschienene Anthologie Mauern fliegen in
  die Luft
der Herausgeberinnen Franziska Muche und
  Carola Heinrich versammelt neun Stücke aus dem
  iberoamerikanischen Sprachraum.
 (Irina Wolf,
  20. 03. 2022)



  Malagola – berauschender Innovationsraum
  Konzipiert und geleitet von Ermanna Montanari, ist
  Malagola eine Stimmtrainingsschule. Das Projekt hat
  seine Wurzeln in Montanaris vierzigjähriger, mehrfach
  preisgekrönter Forschungsarbeit zur Poetik der Stimme
  sowie in den über die Jahrzehnte kreierten soliden Part- 
  nerschaften auf nationaler und internationaler Ebene.
  Neben Montanari, Mitbegründerin und künstlerischer
  Leiterin des Teatro delle Albe/Ravenna Teatro, ist
  Enrico Pitozzi, Wissenschaftler und Professor an der
  Universität Bologna, der stellvertretende Direktor.

  (
Irina Wolf, 10. 03. 2022)



(c) pixabay.com  Karpatensuppe for future
  Ort der Handlung: deep Romania; etwa 20 km von der
  Bahnhaltestelle Bologa (unweit Großwardein) entfernt.
 
Zeitraum der Handlung: traumhafter Hochsommer im
  Vorfeld der Wende. Und die Handlung selbst? A bisserl
  lesen, a bisserl latschen, a bisserl klettern, a bisserl
  quatschen. So fing eine der zentralen Wanderungs-
  G’schichten meiner Jugend an: die Durchquerung des
  Apuseni-Massivs. Achtzig Kilometer. Eine Berghütte.
  Ein paar wenige Wanderer. Ein paar Schäfer. Und viele
  Höhlen. Die sogenannten Apuseni-Höhlen. Und wir?
  Drei Höhlenmenschen, die Taschenlampe stets zur
  Hand. How about it? (
Vasile V. Poenaru, 28. 02. 2022)



  Rettung für Mutter Erde
  Mutter (Madre) heißt Marco Martinellis neues zwei-
  teiliges Theaterstück. Auf den ersten Blick scheint es
  sich um einen Generationenkonflikt zu handeln: Nach-
  dem die in die Jahre gekommene Mutter in einen
  Schacht gefallen ist, plant ihr Sohn, sie aus dem Loch
  herauszuziehen, oder zumindest äußert er diese Ab-
  sicht. Wer aber mit Martinellis Werken vertraut ist,
  weiß, dass seine Texte mehrere Ebenen aufweisen
  und das Publikum vor unterschiedliche intellektuelle
  Herausforderungen stellen.
(Irina Wolf, 07. 02. 2022)
..

..

  Showcase aus Rumänien: Vorhang auf!
  Als erster rumänischer Showcase des vergangenen
  Jahres präsentierte sich INDEPENDENT EXTERIOR aus-
  schließlich online. Vom 3. bis 7. November 2021 stellte
  es fünfzehn herausragende Theater- und Tanzproduk-
  tionen der Bukarester unabhängigen Szene vor. Ein
  weiteres Vorhaben der Organisatoren war es, zehn
  Veranstaltungsorte und -institutionen der Freien
  Szene einem internationalen Publikum bekannt zu
  machen.
(Irina Wolf, 18. 01. 2022)

..

..
  Captain O'Mei in Laa an der Thaya
  "Herrschaften!", hatte der diensthabende Mast-Bursch
  auf WhatsItGonnaBe gepostet. "Aussteigen, bitte! Laa
  an der Thaya! Hurry up! Or else." Und eins war den
  erlauchten Fahrgästen der k. und k. Laaer Ostbahn
  auf Anhieb klar:
The Mastbursch meant business.
Ob
  der verehrte Gast denn auch hundertprozentig satis-
  fied
sei, wollte O’Lala wissen, nachdem O’Mei sich a
  bisserl in der kleinen, aber feinen Ortschaft am Rande
  des Seins umgeschaut hatte. Und in der Tat war Laa
  an der Thaya all Captain O’Mei ever dreamt of in his
  philosophy
. Und er sagte: "Rrr! …" (Vasile V.
  Poenaru
, 31. 12. 2021)



 
Zwischen Beständigkeit und Neuschöpfung
  Vielfalt, Kreativität, Innovationskraft: Das spiegelt
  sich in den aktuellen Performance-und Theaterpro-
  duktionen wider, die beim rumänischen Nationalthea-
  terfestival zu sehen waren. Pandemiebedingt mussten
  die Festspiele zum zweiten Mal in Folge ins Internet
  ausweichen, generierten dort aber eine bemerkens-
  werte Präsenz. Der Zugang zu den knapp vierzig
  Inszenierungen war bei allen Streams kostenlos, die
  meisten Aufzeichnungen für 48 Stunden mit englischen
  Untertiteln verfügbar.
(Irina Wolf, 18. 12. 2021)



 
Nationaltheaterfestival Bukarest 2021
  Eigentlich hätte die 31. Ausgabe des rumänischen
  Nationaltheaterfestivals Ende Oktober endlich wieder
  mit Publikum stattfinden sollen. Doch die Pandemie
  machte erneut einen Strich durch die Rechnung. Mit
  Blick auf die steigenden Infektionszahlen haben die
  Organisatoren im Eiltempo eine Online-Ausgabe auf
  die Beine gestellt, die sich als großer Erfolg entpuppte.
  Zum zweiten Mal in Folge wurden die Festspiele ins
  Internet verlegt, sodass Zuschauer aus aller Welt die
  Möglichkeit hatten, dem Festival vom 6. bis 14.
  November beizuwohnen.
(Irina Wolf, 24. 11. 2021)



 
Hochtrabendes Dingsbums-Imponiergehabe
  Making sense of history? Nichts weniger hatte
Jörn
  Rüsen mit seinem Werk "Zerbrechende Zeit. Über den
  Sinn der Geschichte"
im Sinn –
so meine Hoffnung. Und
  ich erhoffte mir auch, in diesen Seiten über eine zer-
  brechende Zeit ein leidlich durchdachtes Werk vorzu-
  finden. Man gewinnt aus diesem Buch keine Einsich-
  ten. Das Vorwort wirkt ebensowenig überzeugend
  und ungeschickt wie der Epilog.
Sprachlich unge-
  schliffen sind diese Texte auch noch oft genug.
  Außerdem entbehrt der Band einer begrifflich
  soliden Grundlage
. (Vasile V. Poenaru,
  18. 09. 2021)




 
Hinter den Kulissen lauert die Angst
  Franz Kafkas Erzählung Der Bau wurde im Winter 1923
  geschrieben, als der Autor bereits an fortgeschrittener
  Lungentuberkulose litt. Elena Bakirovas Inszenierung
  entpuppt sich als eine relevante Gefühlserkundung
  nach der pandemiebedingten sozialen Isolation. Die
  Virtual-Reality-Produktion des Schauspielhauses Graz
  überzeugt durch Tempo, starke Bilder und eine gran-
  diose schauspielerische
Leistung. (Irina Wolf,
  26. 08. 2021)



 
Brot backen für die Toten
  "Wie sich der Kolac dreht, soll sich all das Schlechte
  ins Gute drehen und wandeln" – mit diesen Worten
  fasst Tante Dragoslave den Kerngedanken der wich-
  tigsten Feier der Roma im serbischen Ort Boljevac  
  zusammen. Am "Fest der Tante", auch Bibijako Djive
  genannt, wird die mythologische Figur der Bibi Sara
  Kali, Schutzpatronin der Roma, geehrt. Dass dieses
  am 31. Januar begangene Fest mit der Befreiung der
  Roma-Überlebenden 1944 aus dem KZ übereinstimmt,
  ist kein Zufall, hat doch Simonida Selimović für das
  Theater-Film-Projekt Bibi Sara Kali im Vorfeld gründlich
  recherchiert. Gemeinsam mit dem syrischstämmigen
  Autor Ibrahim Amir entwickelte die Schauspielerin,
  Musikerin und Roma-Aktivistin ein Stück, in dem die
  Roma-Kultur und die Situation von Roma-Frauen
  beleuchtet werden.
 (Irina Wolf, 23. 07. 2021)



 
"Kunst soll das kritische Denken stärken!"
  Aurora-Interview mit der Theaterkritikerin und -kura-
  torin Cristina Modreanu:
"Unabhängige Organisationen,
  die Kulturprojekte produzieren, sind in Rumänien immer
  noch unsichtbar. Es werden weiterhin große Theater-
  häuser vom Staat subventioniert, die aus diesem Grund
  keine Probleme aufwerfen. Diese befassen sich nicht
  mit problematischen Themen, kritisieren nicht, nehmen
  keine Position ein, produzieren dafür aber leicht verdau-
  liche Kost und realitätsfremde Inszenierungen. All das
  scheint niemanden zu stören. Seit Beginn der Pande-
  mie haben unabhängige Künstler alle Unterstützungs-
  netzwerke verloren, mehrere unabhängige Theater
  haben sich aufgelöst, andere stehen kurz vor dem
  Verlust ihrer Spielstätte, weil sie die Miete nicht
  bezahlen können."
(Irina Wolf, 29. 06. 2021)



(c) Alexander Gotter
 
Verbrechen aus Ruhmsucht
  "Ich schaue mir den Rücken der Leute an und stelle
  mir vor, wie sie fallen würden, wenn ich auf sie
  schießen würde" – so denkt ein Amokläufer. Aber was
  bringt jemanden dazu, andere Menschen umzubringen?
  Den Versuch einer Reise zu den Motiven eines solchen
  Tobsüchtigen unternimmt der Philosoph Jean-Paul
  Sartre in seiner Erzählung "Herostrat". Ein sehr kom-
  plexer Stoff! Zu schwierig für das Theater? Kai Krösche
  ist entschieden anderer Ansicht, und das Ergebnis gibt
  ihm Recht: Dem in Wien lebenden deutschen Regis-
  seur ist eine außergewöhnliche Bühnenumsetzung
  von "Herostrat" gelungen!
(Irina Wolf, 27. 05. 2021)



(c) Nikolaus Ostermann / Volkstheater
  Ein Treffen mit den Geistern des Volkstheaters

  Seit über einem Jahr ist das Wiener Volkstheater ge-
  schlossen, zuerst wegen dessen Generalsanierung,
  dann wegen Corona. Mit "Black Box. Phantomtheater
  für 1 Person" lädt Stefan Kaegi, bekannt auch von der
  Gruppe Rimini Protokoll, auf einen Audiowalk durch
  mehrere Räumlichkeiten. Kostüm- und Maskenabtei-
  lung, Lichtbrücke und Unterbühne, Requisite und Auf-
  enthaltsraum, Souffleurkasten, Kühlraum, Inspizienten-
  pult, VIP-Lounge, Rote Bar – all das und vieles mehr
  ist begehbar. Überall kann man in die Theaterwelt hi-
  neinschnuppern und auch selbst auf der Bühne stehen.
  Der für seine ortsspezifischen Inszenierungen weltweit
  hoch geschätzte Schweizer Künstler landet auch
  diesmal einen Volltreffer.
(Irina Wolf, 10
. 05. 2021)



(c) pixabay
 
Sapere aude, wenn's recht ist   oder auch nicht
 
Früher hieß es ja noch "Dubito, cogito, sum." Jetzt
  werden alle, die den Mut haben, öffentlich von ihrem
  Verstand Gebrauch zu machen, bereits bei "Dubito"
  voller Hass und ohne Respekt für die Würde des Men-
  schen oder die theoretisch ja immer noch bestehende
  Meinungs- und Versammlungsfreiheit im Handumdrehen
  ausgeschaltet, gelöscht, gecancelt und als "Covidio-
  ten" diffamiert. Was für Tage kommen da auf uns zu,
  fragt man sich nun mit gutem Grund. Wer wird die
  neue Gesellschaftsordnung, wer wird das neue Narra-
  tiv kontrollieren bzw. gestalten, die neue Wahrheit,
  an die alle zu glauben haben, soweit sie nicht zu
  Freiwild erklärt werden wollen?
(Vasile V.
  Poenaru
, 26
. 04. 2020)




(c) Ioana Ofelia
  "Ohne Schauspieler bin ich eine Null!"

  Die rumänische Theaterregisseurin Leta Popescu im
  Aurora-Interview: "Ich habe Angst vor den Klassikern.
  Sie überwältigen mich. Ich bevorzuge die zeitgenös-
  sischen Dramatiker, weil wir die Bewegungen der heu-
  tigen Welt gemeinsam aufspüren. Ich lebe in der Ge-
  genwart und blicke in die Zukunft; ich spüre keine
  Nostalgie und denke, dass sich die Geschichte wieder-
  holt. Ich habe es vorgezogen, Produktionen mit Auto-
  ren 'zusammen zu schreiben', anstatt 'umzuschreiben'.
  Aber ich werde mich bald dieser 'Umschreibung' der
  Klassiker widmen, weil ich mich auch in die mensch-
  liche Finsternis meiner Vorgänger zu vertiefen ver-
  mag."
(Irina Wolf, 08. 04. 2021)



(c) Johanna Lamprech
  Mittels VR-Brille in die Apokalypse

  "Krasnojarsk: Eine Endzeitreise in 360°" – so der Titel
  der neuesten Premiere des Schauspielhauses Graz.
  Dass diese derzeit im Theatersaal nicht stattfinden
  kann, ist offensichtlich, sind die Theater wegen der
  Corona-Pandemie doch bis auf Weiteres geschlossen.
  Ein Online-Streaming-Event ist es aber auch nicht.
  Wo ist dann die Produktion zu sehen?

  (Irina Wolf,
21
. 03. 2021)




  Was bleibt?

  Carola Heinrichs Dissertation "Inszenierung von Ge-
  dächtnis und Identität im postsowjetischen Kuba und
  Rumänien
" ist für einen großen Kreis von Experten
  interessant. Die Autorin bietet neben fundierten theore- 
  tischen Überlegungen auch spannende konkrete Fall-
  studien. Das Ergebnis ergibt ein tieferes Verständnis
  der interkulturellen Verhandlungs- und Übersetzungs-
  prozesse zwischen der Sowjetunion als postkolonialem
  Zentrum und der Peripherie in Kuba und Rumänien. Die
  besondere Leistung besteht in der umfangreichen
  kritischen Auseinandersetzung mit den praktischen
  Beispielen und der Gegenüberstellung der beiden
  postsowjetischen Staaten.
(Irina Wolf, 01. 03. 2021)



  Tagebuch einer Revolution

  Knapp nach dem ersten coronabedingten Lockdown
  feierte am Nationaltheater Bukarest "Tagebuch
  Rumänien. 1989" der Künstlerin Carmen Lidia Vidu
  Premiere. Bekannt als Multimedia-Theater- und Film-
  regisseurin sorgte Vidu bereits in den letzten fünf
  Jahren für Aufsehen auf der nationalen und inter-
  nationalen Szene mit ihrem Projekt "Tagebuch Rumä-
  nien".
(Irina Wolf, 09
. 01. 2021)



  "Weitermachen, kreativ sein, nicht aufgeben"

  Das Pandemiejahr 2020 stellt Theatermacher auf der
  ganzen Welt vor fast unlösbar scheinende Herausfor-
  derungen. Was dies konkret für die rumänische Thea-
  terszene bedeutet, schildert Oltiţa Cîntec am Beispiel
  des im vergangenen Oktober in Iaşi veranstalteten
  Jugend-Theaterfestivals im Aurora-Interview:
  "
Es ist nicht die Angst vor einer Ansteckung, die
  Theaterliebhaber vertreibt, sondern die mangelnde
  Vorhersehbarkeit. Man plant das Wochenende, man
  kauft sich eine Theaterkarte, aber dann kündigen die
  Behörden von heute auf morgen die Schließung der
  Theater an."
(Irina Wolf, 22. 12. 2020)



  Wes Brot ich ess

  Es geht zunächst gar nicht darum, ob bzw. inwiefern
  die Bürger, die für die Grundrechte einstehen, in ihrer
  jeweiligen Auffassung von Gerechtigkeit, Recht,
  Staatsgewalt, Governance und Meinungsfreiheit recht
  haben. Es geht darum, dass sie nicht nur ein Anrecht
  darauf haben, ihren Senf zur Sache zu geben, son-
  dern geradezu verpflichtet sind, angesichts des zu-
  tiefst bedenklichen Dornröschenschlafs der Medien
  und der Legislative und der damit verbundenen Unter-
  minierung des Rechtsstaats an der Wiederbelebung
  unserer streithaften Demokratie mitzuwirken.

  (
Vasile V. Poenaru, 06. 12. 2020)




  Irgendwann kommen sie wieder

  Der 30. Oktober 1938 ist ein Meilenstein in der Ge-
  schichte des Radiotheaters. An dem Tag überzeugte
  Orson Welles' genial inszeniertes Hörspiel nach dem
  gleichnamigen Roman "Krieg der Welten" von H. G.
  Wells die Zuhörer von der Invasion der Außerirdischen.
  Diese Radiosendung geriet zum besten Beweis für die
  Kraft der Tonkunst. Auch wenn die Revolution der
  digitalen Technologie das Radio heute als Kommu-
  nikations und Manipulationsmedium umdefiniert hat,
  so steht doch außer Zweifel, dass das Hörspiel noch
  immer genug Magie besitzt, uns jederzeit wieder
  an "Marsmenschen" glauben zu lassen.
  (Oana Cristea Grigorescu, 06. 11. 2020)



  Auftritt für Italiens junge Theatergeneration

 
Nachdem die drei vorangegangenen, von Antonio La-
  tella kuratierten Treffen den internationalen Regis-
  seuren, Schauspielern und Dramatikern gewidmet
  waren, kamen bei der heurigen 48. Ausgabe der Thea-
  terbiennale von Venedig vor allem die jungen italieni-
  schen Künstler zum Zug. Unter dem zentralen Motto
  "Atto quarto: Nascondi(no)" wurden vom 14. bis 25.
  September insgesamt 28 Weltpremieren gezeigt, die
  sich ausschließlich mit einem Thema befassten: der
  Zensur. Das üppige Festivalprogramm umfasste inhalt-
  lich wie formal sehr unterschiedliche Arbeiten.

  (
Irina Wolf, 06. 10. 2020)




Bogdan Botas  Verlassene Zahnbürste sucht Mensch

  Während der reguläre Spielbetrieb in Rumänien mona-
  telang unterbrochen war, bemühten sich manche
  Theaterregisseure um neue Kunstformen. So auch
  Bobi Pricop. Zusammen mit sechs Schauspielern erar-
  beitete er das "performative Video-Gedicht" Exeunt.
  Installation, Performance, Film – die im Internet ge-
  zeigte Produktion ist vor allem kein Theater. Exeunt –  
  der lateinische Begriff bezieht sich auf den Abgang der
  Schauspieler von der Bühne – kreist um das Thema
  der Einsamkeit.
(Irina Wolf, 12. 09. 2020)



  Reisen in Pandemiezeiten

  Ich liebe Reisen, hätte aber nie gedacht, dass ein  
  viertägiger Aufenthalt in Bukarest so viel Stoff für
  Geschichten bieten würde. Aber beginnen wir am
  Anfang: Man nehme ein im April storniertes Flugticket
  und buche es um (österreichische Fluggesellschaft
  Austrian; Strecke Wien-Bukarest-Wien).

  (
Irina Wolf, 20. 08. 2020)




(c) Wikipedia
  Alle meine Flüsse

  Viele Flüsse haben was zu sagen. Flüsse schaffen Ver-
  bindung. Doch sie machen auch seit eh und je natür-
  liche Grenzen aus. "Lasst das Wasser fließen!", ver-
  langte Heraklit energisch. Und der gute alte Neptun
  war damit einverstanden. Unsere Flüsse haben den
  Kontinent, ja die ganze Welt strukturiert, organisiert,
  nach allen Regeln der Ästhetik und der Politikwissen-
  schaft. Die Ur-Flüsse meiner Kindheit sind die Donau,
  die Traun und der Mühlbach. Von der Unmittelbarkeit
  des Alltags her sind es freilich der Mühlbach, die Traun
  und die Donau. Doch jene kommen hierin nicht zu
  Wort, diese hingegen durchaus. Denn die Donau sei,
  so Karl-Markus Gauß, der intelligenteste Fluss
  Europas.
(
Vasile V. Poenaru, 06. 08. 2020)



leopoldmuseum.org
  Zwei Magier der Farben

  Im Rahmen einer seit Februar laufenden Ausstellung
  präsentiert das Leopold Museum 170 Exponate zweier
  herausragender österreichischer Künstler des 20. Jahr-
  hunderts: Friedensreich Hundertwasser und Egon
  Schiele. Das Bemerkenswerte daran: Hundertwasser
  verband eine lebenslange geistige Beziehung zu seinem
  großen malenden Vorbild, der eine Generation vor ihm
  lebte. Einige Gemeinsamkeiten im Werk der beiden
  Künstler sind offensichtlich, manches erschließt sich
  erst auf den zweiten Blick.
(Irina Wolf, 01. 07. 2020)



(c) Emil Mandanac  "Unabhängigkeit gebiert die wichtigsten Ideen"
  Vlaicu Golcea, Komponist und Arrangeur, Performer,
  Sound Designer und Produzent, im Aurora-Interview:
  "
Ich wünsche mir, dass die neue Generation rumäni-
  scher Künstler, die ihr Recht auf die Gegenwart bean-
  sprucht, die Kraft zum Reden und Tun finden wird und
  in der Lage ist, unseren rumänischen DNA-Code umzu-
  schreiben, eine echte Revolution anzuführen und eine
  Kunst zu schaffen, die im Einklang mit ihren wahren
  Bedürfnissen steht. Das sage ich aus der Perspektive
  eines Menschen, der seit 1995 mindestens zehn Jahre
  im Underground verbracht hat, zur Zeit als dies noch
  ein echtes Underground war, ohne Facebook, Twitter 
  und Instagram, die es augenblicklich zum Upperground
 
und cool machen.
" (Daniela Şilindean, 06. 06. 2020)

...


www.al-nasma.com  Eine Almani-Trilogie in Lower Saxony
  Aller guten Dinge sind drei. Und fünf ist ja auch keine
  schlechte Zahl. Es geht nämlich im Folgenden um fünf
  Freunde (furchtlose Superhelden allesamt) und ein
  Kamel, die sich aus dem fernen Irak bzw. aus Algerien
  oder eben aus dem Sudan auf den Weg nach Nieder-
  sachsen machten, um in Erfahrung zu bringen, ob in
  Hannover an der Leine tatsächlich das allerbeste
  Deutsch weit und breit gesprochen wird und ob der
  Brocken (im Harz) ein wahrhafter Sprachbrocken sei.
  Toc de mac! Tandaradei! (
Vasile V. Poenaru,
 
01. 05. 2020)



(c) Adi Bulbuoaca
  Theater: Spiegel zwischen Individuum und Gesellschaft
  Catinca Drăgănescu ist eine rumänische Regisseurin.
  Doch nimmt sie in diesem Beruf in ihrem Geburtsland
  eine Minderheitenposition ein. Als freischaffende Künst- 
  lerin hat sich Drăgănescu von Anfang an einem Regie-
  programm gewidmet, das Theater und Gesellschaft
  vereint. In den letzten Jahren hat sie es geschafft,
  als Gastregisseurin an Staatstheatern zu inszenieren.
  Im Einklang mit dem Programm ihrer Generation befasst
  sie sich mit Vergangenheitserkenntnis und -verständ-
  nis, Identitätsproblemen, Wirtschaftsmigration, Klisch-
  ees und Wahrnehmung von Minderheiten.
 
(Oana Cristea Grigorescu, 01. 04. 2020)



 
  Drei Tage zum Plündern
  Rumänische Parole aus dem Jahr 1989: "Hoch lebe die
  Revolution! Schlagt den Kerl zusammen! Zerstört alles,
  was ihr nicht mitnehmen könnt. Hoch lebe der wissen-
  schaftliche Sozialismus!" Als Ceausescu dann am er-
  sten Weihnachtstag hinterlistig erschossen wurde,
  hieß es: "Zu Weihnachten braten wir das Schwein."
  Die Würde des Menschen? Nie gehört. Drei Jahrzehnte
  mussten vergehen, bis die rumänische Öffentlichkeit
  wenigstens in etwa einsah, dass eine derartige, zu-
  tiefst menschenverachtende Einstellung weder mora-
  lisch noch heldenhaft oder gar demokratisch und recht-
  mäßig ist. Und die ausländischen Medien haben den
  Blödsinn gedankenlos gekauft. Stichwort Breaking
  News.
Na ja, fake news.
(Vasile V. Poenaru,
  01. 03. 2020)




Dragos Dumitru
  Botond Nagy, ein Philosoph des Bildes
  Trotz seiner erst 26 Jahre hat Botond Nagy schon
  14 Werke kreiert, darunter Inszenierungen nach Sha-
  kespeare, Gombrowitz, Tennessee Williams, Strindberg,
  Beckett und Ibsen. Nagy ist ein dynamischer Künstler,
  der an wichtigen Theaterhäusern in Rumänien arbeitet.
  Er hat sich vom Erfolg nicht blenden lassen, kümmert
  sich weiterhin um seine berufliche Weiterentwicklung,
  nimmt an Workshops und an Festivals teil. Wer ist
  Boty, wie er im Freundeskreis genannt wird?

  (
Oltița Cîntec, 04. 02. 2020)




  Die vielen Ichs der Tatiana Maslany
  Die Kanadierin Tat Maslany spielt im Serienfilm Orphan
  Black
so viele Klone, dass einer gar nicht mehr gut
  mitzählen kann. Sie spielt sie geradezu unglaublich
  differenziert. Und dennoch handelt es sich dabei letzt-
  endlich streng genommen jeweils um die eine Person:
  um dieselbe Person (also um die Schauspielerin), wenn
  man sich auf der Ebene der Realität bewegt, und um
  die gleiche Person, das heißt um ein wohlgemerkt
  jeweils anderes Individuum derselben "Marke", ja um
  ein jeweils anderes Individuum mit dem gleichen Erb-
  gut: um Klone; um gleichwertige Kopien ohne Original.

  (Vasile V. Poenaru, 23. 01. 2020)




(c) Radu Afrim
  "Die Beziehung zum Text ist eine Suche nach Wahrheit"
  Die rumänische Architektin und Bühnenbildnerin Irina
  Moscu im Aurora-Interview: "Es geht immer darum,
  das Wesentliche hervorzuheben: Schlüsselwörter, die  
  sich in Arbeitskonzepte verwandeln, Bilder, die die voll-
  ständige Bedeutung des Textes enthalten, visuelle
  Metaphern. Die Beziehung zum Text ist ein Suchpro-
  zess nach der Wahrheit. Gefühle und Emotionen regen
  meine Vorstellungskraft an. Sie werden auf Papier in
  bewusste und unbewusste Gesten umgesetzt. Alles
  inspiriert mich: ein Gemälde, ein Detail in einem Café-
  haus, ein Künstler, ein Spaziergang durch die Stadt
  usw. Im kreativen Prozess lässt man sich überraschen."
 
(Oltița Cîntec, 05. 01. 2020)




  Dreißig Jahre Theaterfreiheit
  Die 29. Ausgabe des Rumänischen Nationaltheater-
  festivals, welche vom 18. bis 27. Oktober in Bukarest
  stattfand, firmierte heuer unter dem Motto "Magische
  Momente der Geschichte". Präsentiert wurden die
  besten rumänischen Produktionen der letzten Theater-
  saison sowie vier internationale Gastspiele. Zusammen
  mit Buchvorstellungen, Workshops, sieben Ausstellun-
  gen, zahlreichen Radiosendungen und Konferenzen
  wurde ein umfangreiches Panorama der in den letzten
  dreißig Jahren seit dem Fall des Kommunismus gewon-
  nenen Freiheit geboten.
(Irina Wolf, 15. 12. 2019)



  "Wo wir stehen" oder "Unsere Standortbestimmung"
  Dass die kürzlich im Suhrkamp Verlag erschienene Rede
  Barack Obamas nicht gerade sinngemäß adäquat über-
  setzt wurde, passt zum gegenwärtigen Trend, aus der
  anspruchsvollen Tätigkeit des Übersetzers ein mecha-
  nisches Wörter-Pingpong zu machen. Bereits 2008
  wurde dessen "Yes, we can!" genau so in die deutsch-
  sprachige Öffentlichkeit geschmissen, wie es die eben
  mal nicht perfekten Übersetzungsprogramme ausge-
  spuckt hatten. Und auch jetzt kann einer neuerlich
  fragen: Wo sind die verlässlichen Übersetzer geblie-
  ben? Legen sie allesamt wieder mal eine kurze Pause
  ein? Oder wurden sie durch billige Copy-and-Paste
  Toy Soldiers ersetzt?
(Vasile V. Poenaru, 01. 12. 2019)




(c) Marius Mihai Ghita
  "Ich spreche nicht, wenn ich etwas ausdrücken will"
  Aurora-Interview mit Andrea Gavriliu: Die junge Rumä-
  nin hat es geschafft, ihren Namen bereits in den ersten
  Jahren ihrer Karriere bekanntzumachen. 1985 geboren,
  absolvierte sie 2008 die "Babeş Bolyai" Universität in  
  Klausenburg. 2013 machte sie ihren Master in Choreo-
  grafie an der Nationalen Universität für Theater- und
  Filmkunst in Bukarest. Ihre Abschlussarbeit, Zic Zac,
  eine Theater-Tanz-Produktion, ist im In- und Ausland
  rasch bekannt geworden. Derzeit ist sie außerordent-

 
liche Professorin an der Fakultät für Theater und Film
  der UBB und Choreografin am Nationaltheater "Lucian
  Blaga" in Klausenburg. Am meisten interessiert sie sich
  für "physisches" Theater.
(Luana Pleşea, 13. 11. 2019)



(c) FITPT
  Herzliche Grüße an das Luceafărul-Theater in Iaşi!
  Liebes Festival für Junggebliebene, Du hast immer
  großartig ausgesehen, aber in diesem Jahr hast Du
  Dich wirklich selbst übertroffen. Seit einem halben
  Jahrzehnt gehöre ich zu Deinen treuesten Besuchern,
  aber noch nie hast Du mich so begeistert. Puppen-
  theater für Kinder und Jugendliche, Performance und
  Sprechtheater für Erwachsene, eine Showcase des
  gastgebenden Theaters, Konzerte, Tanz- und Zirkus-
  aufführungen, szenische Lesungen, Buchpräsenta-
  tionen, Ausstellungen und vieles mehr. Eine fantas-
  tische Programmauswahl mit einem restlos neugieri-
  gen Publikum!
(Irina Wolf, 01. 11. 2019)



(c) Julien Javions
  "Wenn die Kultur spricht, verschwindet der Hass"
  Interview mit der rumänischen Regisseurin und Multi-
  mediakünstlerin Carmen Lidia Vidu: "
Ich war immer eine
  Außenseiterin sowohl im Theater als auch im Film. Aus
  meiner Position als freischaffende Künstlerin beobachte
  ich, dass Rumänien seit Jahren versagt hat, eine euro-
  päische Stimme zu werden. Es gibt eine chronische
  Isolation und ich kann sie mir nicht erklären. Dabei
  möchte ich doch in einer Welt ohne kulturelle Grenzen
  leben. Es sollte keine Grenze zwischen Rumänien und
  dem Rest der Welt geben, zwischen dem Publikum und
  den Künstlern, zwischen mir und dem Theater. Mein
  Wunsch ist es, eine internationale Künstlerin zu sein,
  die Rumänien in die europäische Gegenwart versetzt."
 
(Irina Wolf, 25. 10. 2019)



  Waschechte Kanadierin im Dickicht
  Meine Tochter Lavinia ist die einzige gebürtige
  Kanadierin in der Familie. The real deal. The one
  and only. From coast to coast to coast gibt es
  keinen einzigen Grizzly, keinen Bieber, keinen Moose,
  keinen Ahorn und keinen Fluss, der so sehr kana-
  disch sei wie meine Lavinia. Als sie geboren wurde,
  wohnten "wir anderen" schon seit fast zehn Jahren
  in Toronto. Anno 1998 hatte es mich nämlich mit
  Frau und Kleinkind nach Kanada verschlagen...

  (
Vasile V. Poenaru, 19. 10. 2019)

...



(c) Marius Sumlea
  Ein Jugendtheater, das sehr erwachsene Fragen stellt
  Strategisch bestens platziert in unmittelbarer Nähe
  des historischen Stadtkerns, bietet das Jugendtheater
  Piatra Neamţ einen wichtigen Bezugspunkt für Besucher
  und Einheimische zugleich. Seit über sechzig Jahren ist
  es das Wahrzeichen der von beeindruckenden Bergen
  und Wäldern umgebenen Stadt im Osten Rumäniens.
 
Unter dem postkommunistischen Motto "Erfolg!" fand
  in der traditionsreichen Spielstätte vom 18. September
  bis 2. Oktober die 31. Auflage der
Piatra Neamţer
 
Festspiele statt. (Irina Wolf, 12. 10. 2019)



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  "Wir dachten, den Sommer überleben wir nicht"
  Eines der weniger bekannten privaten Spielhäuser
  Bukarests ist das sogenannte "Unteatru", was sich
  schlicht mit 'Ein Theater' übersetzen lässt. Gegründet
  wurde es vor beinahe zehn Jahren von Andreea und
  Andrei Grosu. Beseelt vom starken Willen "das zu tun,
  was wir tun wollen", hat das Paar erfolgreich Krisen
  überstanden, dem berüchtigten rumänischen Behör-
  denirrsinn getrotzt und sich als feste kreative Größe
  in der freien Bukarester Theaterszene etabliert.
 
(Oltița Cîntec, 05. 10. 2019)


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(c) Andrea Avezzu
  Liebe Scheitern Gott
  Auch heuer wurde in Venedig wieder groß aufgekocht,
  pardon: Theater gespielt. Der Vergleich zwischen Küche
  und Bühne liegt im Genussland Italien zwar immer nahe,
  für
Antonio Lattella, zum dritten Jahr in Folge künstler-
  ischer Leiter der Biennale, gibt es anlässlich des heuri-
  gen Mottos "Dritter Akt: Dramaturgien" hingegen eine
  spezielle Verbindung: "Die Hand des Kochs kann, meta-
  phorisch betrachtet, mit der eines Dramatikers vergli-
  chen werden, der beim Schreiben eines Theaterstücks
  seine Inspiration dosiert, bevor er sie der Öffentlichkeit
  serviert." Zur Erklärung:
Nachdem die beiden vorange-
  gangenen Treffen den Regisseuren und Schauspielern
  gewidmet waren, fand die heurige 47. Ausgabe
unter
  dem Generalthema "Dritter Akt: Dramaturgien" statt.
  Unter dieser Vorgabe wurden vom 22. Juli bis zum 5.
  August insgesamt 23 neue Stücke in 28 Inszenierun-

 
gen, darunter sechs Weltpremieren, gezeigt.
 
(Irina Wolf, 04. 09. 2019)



(c) Gerhard Breitwieser  Autoreifen + Schokolade = Politik!
  Ob es wohl einen Zusammenhang gibt zwischen Orgas-
  mus und Umweltschutz? Oder zwischen Selbstbefrie- 
  digung und Afrika? Tatsächlich lässt sich eine kausale
  Beziehung nicht nachweisen. Dennoch gelingt es Mar-
  tin Grubers neuester Inszenierung "Wie geht es weiter
  – die gelähmte Zivilgesellschaft", das scheinbar Gegen-
  sätzliche auf ebenso humorvolle wie kritische Weise zu
  verbinden. Gleichauf mit dem 30-jährigen Jubiläum des
  aktionstheater ensemble fand die Premiere zwischen
  dem 12. und 16. Juni im Meidlinger Werk-X statt.
 
(Irina Wolf, 03. 08. 2019)



  Turin in Festkleidung
  Vierundzwanzig Produktionen, einundsechzig Vorstel-
  lungen, davon acht Erstaufführungen, neunzehn Tage
  volles Programm. So zeigte sich heuer das Turiner Fes-
  tial delle Colline Torinesi
in seiner vierundzwanzigsten
  Auflage.
"Strömungen, Deklinationen der Reisen" laute-
  te das diesjährige Motto. Es gibt viele Gründe, wes-
  halb man das Festival besuchen sollte. Hier werden
  zehn davon vorgestellt, die vielleicht die Neugierde
  für die nächsten Jahre wecken werden.
  (Irina Wolf, 15. 07. 2019)
 


  Thirty years a zombie
  Diesen Brief hab ich Anfang Juni in "Area 51" gefun-
  den. Ich glaube natürlich kein Wort von dem, was
  drin steht, doch es ist meine patriotische Pflicht,
  diese sogenannte Dracula-Bulle zwecks ihrer ja
  hoffentlich bald zu erfolgenden wissenschaftlichen
  Widerlegung in den so wundersam kreativen Raum
  unserer Geschichtsschreibung zu stellen.

  (
Vasile V. Poenaru, 01. 07. 2019)

...

(c) Czinzel Laszlo  Vorgetäuschte Vergangenheitsbewältigung
  Verwanzen von Wohnungen und Folterung der Regime-
  gegner standen bei Dominik und Alex auf der Tages-
  ordnung. Die beiden waren Mitarbeiter des berüch-
  tigten Geheimdienstes Securitate und schreckten
  auch nicht davor zurück, schwangere Frauen zu ver-
  prügeln. Eine dieser Schwangeren brachte damals
  eine behinderte Tochter zur Welt: Liza. Durch einen
  Zufall tritt die junge Liza heute plötzlich in das Leben
  von Dominik und Alex − und verändert es auf grund-
  legende Weise. "Ich bereue nichts", ein Stück unter
  der Regie von Lendvai Zoltán, ist ein couragierter,
  emotional bewegender Versuch, über Gerechtigkeit
  zu reflektieren in einem Land, das noch immer an den
  Spätfolgen seiner kommunistischen Vergangenheit
  leidet.
(Irina Wolf, 02. 06. 2019)

...

  Unlogisch-philosophisches Traktat
  Herrschaften! Zeit zum Auftauen. Die Eiszeit hat’s jetzt
  auch schon hinter sich. Kein Frost mehr in österreichi- 
  schen Landen.
Es ist toll, wieder so richtig da zu sein.
  Auf allen vier Buchstaben. Da: innerhalb der Sprache,
  innerhalb des Seins und all der wundersam artikulierten
  Dinge, die nun mal dazu gehören. Denn, jetzt
mal Hand
  aufs Herz:
Es geht um die Sprache. Um meine Sprache.
  Um die volle Sprache und um nichts als die Sprache.

  (
Vasile V. Poenaru, 08. 05. 2019)

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Thomas Perle, (c) Julia Grevenkamp  Der Urschrei der Freiheit
  "wir gingen weil alle gingen" – so heißt die erste
  Geschichte im gleichnamigen Band von Thomas Perle.
  Weihnachten 1989: Es ist die Zeit der Revolution in
  Rumänien, die Tage, in denen das Ceauşescu-Ehepaar
  entmachtet und hingerichtet wird. Wie gehen die
  Menschen mit der gewonnenen Freiheit um? Wie
  blicken sie auf das Leben während der kommunis-
  tischen Diktatur zurück?
(Irina Wolf, 15. 04. 2019)



  Lebensdokumentationen und Libertinage im Folk
  Crosby Tyler: perfekte Bläserarrangements und manch  
  markante Trompeten- und schwermütige Violinmelodie,
  ein Gespür für erstklassige Balladen; jeder Song ein
  Kleinod. Meiko: zuckersüß klingende Variationen frem-
  der Stücke, sparsam arrangiert; melodisch-schwere
  Bassmelodien und swingend-leichte Drums, sporadisch
  durchdrungen von fiepend-melancholischem Synthe-
  sizer. Lindi Ortega: Stilmischung aus Country, Folk,
  Rock, Jazz, Vaudeville, mit flatterhaften und tradi-
  tionalistischen Facetten.
(Tina Karolina Stauner,
   01. 04. 2019)



  Orientalische Impressionen: Syrien im Jahr 2006
 
Er hat mehrere Gläser an den Gürtel geschnallt. Am
  Rücken trägt er eine riesige orientalische Teekanne.
  Durch seinen roten Fez ist er schon von Weitem sicht-
  bar: der Teeverkäufer, eines der Markenzeichen von
  Damaskus. Sabah el noor: "Ich wünsche dir einen Mor-
  gen voller Licht, Schönheit und Blumen." Vor dreizehn
  Jahren, am 29. April 2006, war in Syrien die Welt noch
  in Ordnung.
(Irina Wolf, 09. 03. 2019)



  Diese Frauen setzen ein Zeichen!
  Gesellschaftskritische experimentelle Arbeiten sind
  das Spezialgebiet von Carmen Lidia Vidu. Die bekannte
  rumänische Regisseurin hat 2016 ein Dokumentar-
  Theaterprojekt namens Tagebuch Rumänien ins Leben
  gerufen, in dem sie mit viel Engagement und Wahr-
  heitsliebe über ihre Heimat berichtet, einem Land, das
  noch immer geprägt ist von ethnischen Spannungen,
  Korruption, politischen Machtkämpfen und vielfältigen
  sozialen Problemen.
(Irina Wolf, 07. 02. 2019)

 

(c) Daniel Danciu, www.akademikerverlag.de  Die mediale Blendung der rumänischen Wendung
  Die im August 2018 zur Schau getragene Zerrissenheit
  der rumänischen Gesellschaft, die repressive "state of
  mind" der Ordnungskräfte, die tiefgreifende moralische
  Unbeholfenheit, das ist alles auf die in den letzten drei
  Jahrzehnten
trotz aller demokratischen Bestrebungen
  eines Teils der Gesellschaft
nicht zur Reife gekom-
  mene Wende zurückzuführen. Schuld daran ist die
  Große Lüge der glorreichen Revolution, ja die Annah-
  me, dass überhaupt eine glorreiche Revolution statt-
  gefunden habe bzw. dass diese siegreich gewesen sei.
  (Vasile V. Poenaru, 23. 01. 2019)

 

  Rumänische Geschichte im Kleinformat
  Ein Land, vorgestellt als die Summe seiner Menschen:
  Unter dem Motto "Geschichte in Kleinschreibung" ge-
  staltete Cristina Modreanu die Landkarte Rumäniens
  neu. Das von ihr kuratierte Festival "Oh Europa" prä-
  sentierte anlässlich des hundertsten Jubiläums des

 
modernen rumänischen Staates Geschichten einfa-
  cher Bürger, die auf wahren Schicksalen verschie-
  dener Minderheiten oder Ethnien basieren.
 
(Irina Wolf, 12. 01. 2019)

.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Schwerpunkt
Science Fiction

...

...
Ist die Science Fiction
in der Krise? Ja, meinen
ihre Kritiker! Denn viele
der Probleme, mit denen
sich die SF beschäftigt
- Entwürfe von Über-
menschen, das Schicksal
ganzer Zivilisationen, der
Kontakt mit außerirdi-
schen denkenden Wesen
- müssten auf ganz außer-
gewöhnliche Weise darge-
stellt werden. Der "außer-
menschliche", "über-
irdische" Blick auf die
Menschheit wäre gefragt.
Doch daran scheitern
die meisten SF-Autoren.
Stattdessen überfluten
"sharecropping"-Produkte
den Markt, Masse kommt
vor Qualität ...
 

 


Schwerpunkt
Rumänisches Theater


...
Wollte man in den
1980er Jahren in Rumä-
nien ins Theater gehen,
musste man
damit rech-
nen,
keine Eintrittskarte
mehr zu bekommen. Trotz
winterlicher Temperatur-
verhältnisse im Zuschau-
erraum waren sämtliche
Aufführungen ausverkauft.
Nach dem Umsturz von
1989 war das Theater
wie gelähmt. Fast zwan-
zig Jahre danach ist auf
den rumänischen Bühnen
wieder Leben eingekehrt:
innovativ und provokativ
versucht eine junge Garde
von Theatermachern,
 wieder Menschen in die
Bühnenhäuser zu locken.
(
Noul proiect al revistei
Aurora
incearca sa schi-
teze o imagine a teatrului
romanesc contemporan.)
 

 


Buchtipps


Irina Wolf (Hg.)
Machtspiele.
Neue Theaterstücke
aus Rumänien
.
Theater der Zeit,
2015. 350 S.


Teresa Präauer.
Johnny und Jean.
Wallstein, 2014.
208 S.

 

Uwe Tellkamp.
Turnul.
(Übersetzung:
Vasile V. Poenaru).
Curtea Veche,
2013. 838 S.


       

 

Impressum: Aurora-Magazin (ISSN: 1994-9545), Mayerlehen 13a, 5201 Seekirchen. E-Mail: redakt.aurora [at] aon.at

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