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Gefährdung nuklearer Einrichtungen
durch den internationalen Terrorismus

Bloß einige Beispiele: Im Rahmen eines Sicherheitstests konnte eine militärische
Spezialeinheit aus einer Nuklearanlage in den USA genug waffenfähiges Uran für den Bau
mehrerer Atombomben stehlen. Oder: Die italienische Mafia hätte es fast geschafft, einen im
Kongo gestohlenen Nuklearbrennstab in den Mittleren Osten zu verkaufen. Und: Aus der Electrostal-
Maschinenbau-Fabrik, Rußlands größtem Hersteller von nuklearen Brennstoffen,
wurde schon mindestens dreimal atomwaffenfähiges Uran entwendet. Außerdem: Russische
Kommandotruppen waren im Zuge eines Übungsszenarios in der Lage, sämtliche
Sicherheitsbarrieren der gesperrten Atomstadt Sarov zu überwinden und den dortigen Reaktor
zu besetzen. Und schließlich: Im Jahr 1995 vergruben tschetschenische Kämpfer einen
Container mit radioaktivem Inhalt im Moskauer Ismailovsky-Park. Die Autoren kommen
nach all diesen und einer ganzen Reihe weiterer gefährlicher Zwischenfälle zu dem
Schluß, daß es dringend erforderlich ist, sämtliche atomaren Anlagen besser
vor potentiellen terroristischen Attacken zu schützen.

Von Chaim Braun, Friedrich Steinhäusler
und Lyudmila Zaitseva


O.Univ.-Prof. Dr.
Friedrich Steinhäusler
(geb. 1946), war bis 1999 Vorstand des Salzburger Instituts für Physik und Biophysik und arbeitet gegenwärtig am Institut für Internationale Studien der Universität Stanford (USA). Steinhäusler war dort von 2000 bis 2002 Projektmanager für nuklearen Terrorismus und Sabotage.

Chaim Braun
ist derzeit Stipendiat an der Universität Stanford und hat am dortigen "Zentrum für internationale Sicherheit und Zusammenarbeit" (CISAC) bereits an mehreren Studien im Bereich des nuklearen Terrorismus mitgewirkt.

Lyudmila Zaitseva
ist Mitarbeiterin des staatlichen Atomforschungszentrums in Kasachstan und arbeitet zur Zeit als Gastforscherin an der Universität Stanford. Seit 1999 ist Zaitseva mitverantwortlich für den Aufbau der "Datenbank für Nuklearschmuggel und unbekannte Strahlenquellen" (DSTO).

     Eine umfassende Diskussion über die vom Terrorismus ausgehende Bedrohung sollte sowohl die dahinter stehenden Motive, Fähigkeiten und Absichten als auch deren Schwachstellen und mögliche Gegenmaßnahmen miteinbeziehen. Wir selbst konzentrieren uns in diesem Artikel vor allem auf die Motivation, aber auch auf die tatsächlichen Fähigkeiten der Terroristen, geben einen Überblick über die jüngsten Berichte zum Schmuggel radioaktiver Substanzen und über Drohungen von Terroristen gegen Kernkraftwerke oder andere Anlagen im Bereich des nuklearen Brennstoffkreislaufs; schließlich folgt noch eine Analyse der vorliegenden Daten und deren Auswirkungen auf den Betrieb von Kernkraftwerken in den USA und weiterer Staaten.

Die Gründe, warum Kraftwerke – auch nuklear betriebene – angegriffen werden, verteilen sich im allgemeinen auf vier Kategorien: umweltbezogene Motive, Erpressung, persönlicher Groll und Vergeltungabsicht von zugehörigem Personal, nationalistische und rassistische Motive. Den Aufzeichnungen zufolge waren die vergangenen Attacken vornehmlich auf die ersten drei Motivkomplexe konzentriert; die terroristische Bedrohung, der wir heute gegenüberstehen, läßt sich dagegen eher mit der letzten Kategorie in Verbindung bringen, allerdings kann man auch hier – wahrscheinlich sogar besser – vom Begriff der Vergeltung sprechen.

    Sind beim Angriff auf eine Kraftwerkseinrichtung ökologische Motive im Spiel, gehen diese meist auf die Befürchtung von Schadstoffemissionen durch die betreffenden Anlagen zurück. Eine Attacke zielt folglich darauf ab, die Öffentlichkeit auf die Umweltverschmutzung aufmerksam zu machen, die von diesen Einrichtungen verursacht wird – wodurch wiederum die Anlagenbetreiber zu verstärkten Maßnahmen in der Reduzierung ihrer Emissionen angehalten sind und so letztlich die mit der Kontamination einhergehenden Schäden an der Natur und der gesamten Bevölkerung verringert werden sollen.

Kernkraftwerke als Ziel radikaler Umweltschützer

 

 

 

 

Erpressung und Sabotage

Zu den bekannteren Angriffen, die in diese Kategorie fallen, zählt etwa die Granatwerfer-Attacke des Pazifistischen und Ökologischen Komittees gegen die Superphoenix-Anlage in der Nähe von Lyon (Frankreich) im Januar 1982, die sich zu dieser Zeit gerade im Bau befand; außerdem der von Mitgliedern der Gruppe Earth First! (und verwandter Organisationen) verübte Anschlag auf Telekommunikationsleitungen zum Palo Verde Kernkraftwerk im Mai 1986.

Angriffe, die vornehmlich mit Erpressung oder individueller Aggression zu tun haben, werden gewöhnlich von Insidern ausgeführt, beispielsweise von früheren Angestellten oder Personen mit spezifischen Kenntnissen von Kraftwerkseinrichtungen, dem beschäftigten Personal oder der jeweiligen Sicherheitsvorkehrungen. Die geplante Sabotage der Stromleitungen zum Crystal River Kraftwerk (Florida) im Dezember 1999 kann als Beispiel für diese zweite Kategorie angeführt werden.

 

 

 

Der "neue" Terrorismus verübt Anschläge vor allem aus dem Motiv der Rache gegenüber "Verbrechen" des Westens an Nationen und Menschen der Dritten Welt

    Eine allgemeine Übersicht terroristischer Anschläge auf Kraftwerke und weiterer Infrastruktur ist von der Gemeinschaft der Energieversorger (Utility Energy Company, Anm. d. Ü.) zusammengestellt worden. Aktuell diskutiert wird dieses Problem – speziell die USA betreffend – bei Cameron. Wir versuchen hier die bisherigen Erfahrungen bezüglich des Diebstahls nuklearen Materials aus Kernkraftwerken oder anderen atomaren Anlagen mit der neuen Qualität des Terrorismus zu verbinden. Dies bedeutet etwa, daß die Gefahr des Terrorismus nicht mehr als die persönliche Kränkung einzelner Personen zu sehen ist, sondern vornehmlich im Rahmen eines nationalistischen oder rassistischen Bedürfnisses nach Rache und Vergeltung von "westlichen Verbrechen" gegen die Menschen und Nationen der Dritten Welt. Der Zweck solcher Angriffe besteht in einer größtmöglichen Schädigung der westlichen Gesellschaften und zielt auf ihre Vertreter ebenso ab wie auf ihre Ökonomie oder ihre Symbole. In einer jüngst vom US. Federal Bureau of Investigations (FBI) herausgegebenen Warnung liest sich dies so:

"...Entsprechenden Informationen zufolge wird El Quaida verdächtigt, bei der Auswahl ihrer nächsten Ziele aufsehenerregende Anschläge zu bevorzugen, die mehrere Kriterien erfüllen: hohe Symbolkraft, große Zahl an Opfern, schwerer Schaden an der US-amerikanischen Wirtschaft sowie maximales psychologisches Trauma. Besonders bevorzugte Ziele liegen damit nach wie vor in den Bereichen des Luftverkehrs, der Erdölindustrie und dem nuklearen Sektor; ebenso sind bedeutende nationale Wahrzeichen gefährdet."

 

Europäische Kernkraftwerke entsprechen noch nicht den US-Sicherheitsstandards

 

 

 

 

Die italienische Mafia hatte beabsichtigt, einen im Kongo gestohlenen Nuklearbrennstab in den Mittleren Osten zu verkaufen

 

 

 

 

 

Atomare Anlagen sind gegen Angriffe bestens trainierter und gut ausgerüsteter Selbstmordkommandos nur unzureichend geschützt

Diese Aussage läßt sich in gleicher Weise auch auf ähnliche Ziele in Europa anwenden und könnte dort sogar von größerer Bedeutung sein, da die Sicherheitsvorkehrungen einiger europäischer Kernkraftwerke noch nicht den US-Standards entsprechen; überdies ist ein Eintritt in terroristische Gruppen oder die Beschaffung von Waffen hier im allgemeinen einfacher als in den USA.

     Offensichtlich sind solche Bedrohungsszenarien mehr als nur leere Worte. So gibt es etwa Indizien dafür, daß eine im Aufbau befindliche US-amerikanische Terroristengruppe eine Art "Einsatzplan" für einen Autobomben-Anschlag auf das Three Mile Island Kraftwerk in Pennsylvania ausgearbeitet hatte, um sich die nötige theoretische Erfahrung für einen tatsächlichen Angriff auf eine vergleichbare nukleare Anlage zu holen. Mitglieder der italienischen Mafia wiederum wurden 1998 bei dem Versuch verhaftet, von einem kongolesischen Forschungsreaktor entwendetes, nukleares Brennmaterial in den Mittleren Osten bzw. an eine terroristische Vereinigung zu verkaufen. Schließlich wurde im Mai 2002 in Chicago ein mutmaßliches Mitglied von El Quaida unter dem Verdacht verhaftet, für die Planung eines Anschlags verantwortlich zu sein, der mit Hilfe einer "schmutzigen Bombe" ausgeführt werden sollte. Derselbe Verdächtige war im April 2002 nachweislich in ein zentralasiatisches Land gereist, um dort in den Besitz von radioaktivem Material zu gelangen. Weitere solcher und ähnlich gelagerter Fälle werden später noch genauer behandelt.

Die terroristisch motivierten Anschläge des 11. September haben deutlich gemacht, daß die verbesserten operativen Fähigkeiten neuer terroristischer Organisationen eine Gefahr für sämtliche momentan existierenden nuklearen Einrichtungen darstellen. Atomare Anlagen sind gegen Angriffe bestens trainierter und gut ausgerüsteter Selbstmordkommandos nur unzureichend geschützt; darüber hinaus läßt die Unterstützung der zuständigen nationalen Behörden in Fragen der Terrorismus-Abwehr gegenwärtig noch zu wünschen übrig.

    Unsere Kernaussage besteht darin, daß ein Angriff gegen eine nukleare Anlage an jedem beliebigen Ort der Welt mit einer Attacke auf alle ähnlichen Ziele vergleichbar ist. In einem späteren Abschnitt dieses Artikels schlagen wir deshalb Maßnahmen vor, wie angemessen auf die genannten Sicherheitsprobleme reagiert werden kann.

 

 

Diebstahl radioaktiven Materials

 

 

 

 

 

Die Zahl an Zwischenfällen den Nuklearschmuggel betreffend hat in den letzten Jahren stark zugenommen

Wer sich mit dem Risiko des Terrorismus und seiner Beziehung zu nuklearen Einrichtungen auseinandersetzt, sollte sich zudem bewußt sein, dass die Bedrohung nicht allein durch mögliche direkte Angriffe entsteht, sondern ebenso durch den Diebstahl radioaktiven Materials aus atomaren Anlagen. Derartige Substanzen bergen immer dann ein Risiko, wenn sie in eine Art "Streueinrichtung" (radiological dispersal device – RDD, Anm. d. Ü.) eingebaut werden. Die Detonation einer solchen "schmutzigen Bombe" könnte zu einer Unterbrechung der weltweiten Nuklearenergienutzung führen oder zumindest die Verpflichtung zu weitreichenden Betriebsbeschränkungen nach sich ziehen.

    Besonders beunruhigend erscheint in diesem Zusammenhang die Zunahme des illegalen Handels mit Nuklearmaterial aus Rußland und anderen früheren Sowjetrepubliken über den Kaukasus, die Türkei und Zentralasien. Die Anzahl nachgewiesener Zwischenfälle in diesem Gebiet, das sowohl an Länder grenzt, die unter dem Verdacht der Proliferation stehen als auch an solche, die terroristische Vereinigungen unterstützen, hat während des Zeitraums von 1999 bis 2000 stark zugenommen (18 bzw. 11 belegte Fälle) während zwischen 1992 und 1998 in derselben Region vergleichbar weniger Schmuggelware beschlagnahmt wurde (im Durchschnitt 4 Fälle pro Jahr). Alle diese Vorkommnisse umfassen jedoch nur einen Bruchteil des in Osteuropa oder in Rußland im selben Zeitraum (1999 – 2000) nachgewiesenen Schmuggels von Nuklearmaterial. Davon abgesehen, ist die Qualität der Schmuggelware (in Proliferations-Maßstäben) entlang der südlichen Verbreitungswege merklich höher.

 

Terrorismusabwehr ist teuer

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu hohe Aufwendungen für die KKW-Sicherheit können die Wettbewerbsfähigkeit einer Anlage herabsetzen

 

Auch wenn über die Stichhaltigkeit sowohl der verschiedenen terroristischen Bedrohungspotentiale als auch über die Dringlichkeit der zu deren Abwehr vorgeschlagenen Maßnahmen diskutiert werden kann, besteht kein Zweifel an der Tatsache, daß nicht zuletzt die vor kurzem getroffenen Vorkehrungen zur Terrorismusabwehr zu einer signifikanten Belastung für aktuell betriebene Kernkraftwerke geworden sind. Mehrere Anlagenbetreiber in den USA bestätigen, daß der finanzielle Aufwand für verstärkte Sicherheitsmaßnahmen die zunehmend geringeren Kosten für Reaktorbetrieb und Instandhaltung der Anlage (R&I) inzwischen nicht nur aufgewogen haben, sondern – verglichen mit den Jahren zuvor – 2002 bereits höher als bisher gewesen sind.

    Dr. R. Meserve, Vorsitzender der US-Atomregulierungsbehörde (NRC), hat angegeben, daß die von der NRC angesichts des 11. September auferlegten Maßnahmen zur Verstärkung der Sicherheit zu einer durchschnittlichen Kostensteigerung von fünf auf sechs Millionen Dollar pro Anlage geführt haben. Derartige Aufwandserhöhungen führen allerdings zu negativen Auswirkungen, was die Wettbewerbsfähigkeit nuklear betriebener KWs im Vergleich zu Gaskraftwerken betrifft, die mit relativ kostengünstigem Erdgas betrieben werden können. Dies trifft umso mehr zu, als der Preis für Erdgas auf Grund der langsamen Erholung der Wirtschaft und eines konstant niedrigen Anstiegs des Strombedarfs gegenwärtig auf einem sehr niedrigen Niveau liegt. Aus diesem Grund hat ein angemessener Ausgleich zwischen den steigenden Kosten für die Aufrechterhaltung einer adäquaten KKW-Sicherheit einerseits und dem Bestreben nach optimaler Konkurrenzfähigkeit der gegenwärtig in Betrieb befindlichen Anlagen auf der anderen Seite zu erfolgen. Ein solch neues Gleichgewicht ist darüber hinaus bedeutsam für das vom US-Energieministerium verankerte "Nuklearprogramm 2010", in dem ein neuerlicher Zuwachs des bisherigen atomaren Energieanteils in Aussicht gestellt wird.

In den folgenden Kapiteln diskutieren wir nun die von uns gesammelten und ausgewerteten Daten zur Terrorismusgefahr und werden anschließend – und im besonderen die USA betreffend – die daraus gewonnenen Schlußfolgerungen für aktuell betriebene Kernkraftwerke präsentieren.

 

 

 

Natururan und Uranoxid sind für Terroristen nicht besonders attraktiv

 

 

 

 

 

 

 

Der Iran wird beschuldigt, heimlich Uranerz abgebaut zu haben


Uranabbau- und Verarbeitungsanlagen

     Im Zusammenhang mit dem illegalen Handel einiger Gramm bis mehrerer Kilogramm Natururan und Uranoxid (U3O8; engl. "yellowcake", Anm. d. Ü.) kam es innerhalb der letzten zehn Jahre zu rund 70 Verhaftungen (1). Die Verbreitung von Uranerz im Anfangsstadium des nuklearen Brennstoffkreislaufs markiert – im Rahmen der Terrorgefahr – das geringstmögliche Bedrohungspotential, wenn man die beträchtlichen Mengen an Material ins Auge faßt, die unbemerkt an den endgültigen Bestimmungsort für die spätere Anreicherung transportiert werden müßten. Auch der Schmuggel von Uranoxid mit der Absicht, dieses als Ausgangsstoff für ein heimliches Nuklearwaffenprogramm heranzuziehen, würde mehrere hundert Tonnen Material erfordern, um daraus später eine primitive Nuklearbombe (crude nuclear device – CND, Anm.d. Ü.) zu entwickeln.

Nichtsdestotrotz scheinen die nachgewiesenen Vorfälle, welche im Zusammenhang mit der Weiterverbreitung von Natururan und Uranoxid stehen, schon deshalb tiefergehende Nachforschungen zu rechtfertigen, um damit die dem Schmuggel möglicherweise zugrunde liegenden, langfristigen Ziele aufdecken zu können. Als Beispiel sei hier etwa der Bericht einer Zeitung aus Aserbaidschan vom März 2000 angeführt, in dem der Iran beschuldigt wird, innerhalb der autonomen Republik Nakhichevan (Aserbaidschan) heimlich Uranerz abgebaut und dieses später zum Zweck einer anschließenden Anreicherung des Nachts über die Grenze in den Iran transportiert zu haben (2). Auch wenn dieser Bericht hochspekulativ ist, sollte er doch nicht als belanglos eingestuft werden, zumal der Iran verdächtigt wird, ein geheimes Nuklearwaffenprogramm zu betreiben. Schon in den 1980er-Jahren war der Iran gemeinsam mit Pakistan mit der Uranerzgewinnung im afghanischen Distrikt Darzab in Verbindung gebracht worden (3), und tatsächlich könnte das in Afghanistan gewonnene Uran bei der Herstellung der pakistanischen Atomwaffen mit im Spiel gewesen sein.

 

Nordkorea versuchte, sich Uranerz aus dem Kongo zu beschaffen

    Auch die Demokratische Republik Kongo war, einigen Hinweisen zufolge, am verdeckten Handel mit Uran beteiligt. Laut einem Artikel der Financial Times kam dieser Verdacht erstmals im Jahr 1999 auf, als nordkoreanische Montaningenieure in einen kongolesischen Bezirk gereist waren, der über reiche Uranvorkommen verfügt. Der Artikel nimmt im besonderen bezug auf einen im April 2001 erschienenen Bericht des UN-Sicherheitsrates, der zu dem Ergebnis kommt, daß die Norkoreaner für dafür bezahlt wurden, eine – überaus breit gefächerte – Abbaukonzession in Shinkolobwe zugestanden zu bekommen. (4)

 

 

 

Ein irakisches Atomwaffenprogramm?

Über Nordkorea war bisher lediglich vermutet worden, ein plutonium-basiertes Nuklearwaffenprogramm zu verfolgen, inzwischen wurde jedoch eingeräumt, auch an einem entsprechenden Uranprogramm zu arbeiten. Die Befürchtungen, der Kongo könnte am illegalen Handel mit Uran beteiligt sein, wurden überdies bekräftigt, nachdem aus England die Warnung kam, daß der Irak im Rahmen seines atomaren Waffenprogramms irgendwo in Afrika auf der Suche nach "signifikanten Mengen" von Natururan sei (5). Nach Angabe eines Militärexperten am Institut für Sicherheitsfragen in der südafrikanischen Hauptstatdt Pretoria, würde sich der Kongo auf Grund seiner politischen Instabilität am ehesten von allen anfrikanischen Ländern als Ziel für den Irak anbieten.

    Tatsächlich nahmen kenianische Sicherheitskräfte im November 2001 fünf irakische Männer unter dem Verdacht des Terrorismus fest, als diese versuchten, mit gefälschten Pässen in den Kongo zu reisen (6). Obwohl nichts über den Zweck ihrer Reise bekannt wurde, könnten Verhandlungen zum Erhalt von Uran aus dem Kongo eine mögliche Absicht der Verdächtigen gewesen sein. Auch deshalb, weil der Kongo als Land gilt, in dem de facto keine Grenzkontrollen existieren, sollte es durchaus möglich sein, mit genügend Geld und der nötigen Entschlossenheit Uran außer Landes zu schmuggeln (7).

 

 

Tadschikische Metallarbeiter stahlen 1,5 kg Uranoxid in der Absicht, dieses später weiterzuverkaufen

 

 

 

 

 

 

 

 

Offensichtlich nutzen Verbrecherringe die bereits existierende Logistik des Drogenhandels auch für den Schmuggel von radioaktiven Substanzen

Ein anderer Fall, der mit einer Verbreitung von Natururan und Uranoxid zu tun hat, ereignete sich bei der Vostokredmet-Gesellschaft (Vostochny Rare Metal Industrial Association) in Tadschikistan, die seit ihrer Gründung 1945 mit der Förderung und Verarbeitung von Uran aus Lagerstätten in Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan beschäftigt ist. Gegenwärtig bereitet Vostokredmet zwar immer noch kleinere Mengen an Uran auf, die Hauptgeschäftsfelder sind aber mittlerweile die Verhüttung von Gold, Silber, Vanadium und anderer Edelmetalle (8). Im April 2000 wurden sechs Einwohner aus Leninabad Oblast in Tadschikistan zu verschiedenen Freiheitsstrafen verurteilt, weil sie sich des Diebstahls und des versuchten Verkaufs von 1,5 kg Uranoxid schuldig gemacht hatten. Laut den tadschikischen Behörden war einer der sechs überführten Diebe als Arbeiter bei Vostokredmet beschäftigt. Die Untersuchung ergab außerdem, daß die Verurteilten das gefundene Material mit der Absicht entwendet hatten, dieses anschließend weiterzuverkaufen (9).

    Im März 2002 wurde in Tadschikistan ein weiterer Verbrecherring gesprengt, der sich im Besitz von 2 kg Uranerz befand, welches zuvor aus derselben Anlage gestohlen worden war. Die Verdächtigen hatten nachweislich schon seit dem Jahr 1998 mit radioaktiven Substanzen Handel getrieben (10). Von besonderem Interesse ist auch ein Fall vom Februar 2002, der die Verhaftung usbekischer Krimineller im südlichen Kasachstan betrifft, welche sich im Besitz von 1,5 kg Uranoxid und einer ansehnlichen Menge Heroin befanden; beides war zuvor von Tadschikistan aus ins Land geschmuggelt worden. Sämtliche dieser Vorfälle könnten ein Zeichen dafür sein, daß ein mögliches Interesse organisierter Verbrecherringe besteht, sich die bereits existierende Logistik des Drogenhandels auch für den Schmuggel von radioaktiven Substanzen zunutze zu machen.

 

 

 

 

"Schmutzige Bomben" verteilen mehr oder weniger stark verstrahltes Material über ein unterschiedlich großes Gebiet und verwenden dafür gewöhnlichen Sprengstoff

Bei einer (primitiven) "Atomwaffe" wird dagegen das nukleare Material (z.B. hoch angereichertes Uran) selbst als Sprengstoff verwendet, mit den allseits bekannten Folgen (Hiroshima...)


Anlagen zur Wiederaufbereitung, Anreicherung und Brennstofferzeugung

     Ob Terroristen die Möglichkeit zur Wiederaufbereitung, Anreicherung oder Herstellung nuklearer Brennstoffe haben, hängt – abgesehen von der jeweiligen Produktionsstätte –, davon ab, ob entweder umfangreiche Lagerbestände getrennt aufbewahrter Spaltprodukte, stark konzentrierte, verbrauchte Kernbrennstoffe oder, als Endprodukte, gering bzw. hoch angreichertes Uran (low enriched uranium – LEU bzw. highly enriched uranium – HEU, Anm.d.Ü.) oder Plutonium verfügbar ist.

An sich hat jede Wiederaufbereitung mit hochradioaktiven Substanzen zu tun (welche sich etwa für den Bau einer "schmutzigen Bombe" eignen), eine nukleare Anreicherung dagegen führt zu Substanzen, die für die Herstellung einer primitiven Atomwaffe (CND) ausreichen würden; höchst attraktiv für Terroristen wären jedenfalls sowohl die eine als auch die andere Variante.

     Was eventuelle terroristische Angriffe betrifft, stellen Anlagen zur Urananreicherung oder Brennstofferzeugung im allgemeinen ein sehr viel geringeres Risiko für die Öffentlichkeit dar als etwa eine Wiederaufbereitungsanlage, da es in den beiden erstgenannten Fällen zu einer nur geringen Anreicherung des nuklearen Materials kommt. Anders sieht dies allerdings bei Mischoxid-Brennstoffen (MOX) aus, deren Radiotoxizität signifikant höher liegt als jene von auf gewöhnlichem Uran basierenden Brennstoffen, und dies vor allem dann, wenn MOX – etwa durch einen terroristischen Anschlag – in der Luft zerstäubt und anschließend eingeatmet würde.

 

Niedrig angereichertes Uran (LEU) reicht noch nicht für den Bau einer echten "Atomwaffe" aus

 

 

 

 

 

 

Aus der Electrostal-Maschinenbau- Fabrik, Rußlands größtem Hersteller von nuklearen Brennstoffen, wurde schon mindestens dreimal atomwaffenfähiges Uran gestohlen 

Verglichen mit Natururan oder Uranoxid, die diesbezüglich weniger Gefahren bergen, ist durch die Verbreitung von niedrig angereichertem Uran (LEU) der Bau einer CND wieder einen Schritt näher gerückt. Das für eine derartige Waffe notwendige, hochkonzentrierte U-235 ließe sich jedoch erst dann aus dem LEU gewinnen, wenn es Terroristen gelänge, sich anschließend die Ressourcen einer Anreicherungsanlage zunutze zu machen.

    Der erfolgreiche Schmuggel von hoch angreichertem Uran (HEU) und Plutonium stellt eine sehr ernstzunehmede terroristische Gefahr dar, besonders deshalb, weil die technischen Erfordernisse für die kurzfristige Herstellung einer CND im Rahmen der Möglichkeiten mehrerer terroristischer Gruppen liegen – vorausgesetzt, eine dieser Gruppen wäre in der Lage, sich waffenfähiges radioaktives Material zu besorgen.

In der Vergangenheit sind mehrere Vorkommnisse dieser Art bekannt geworden (siehe Tabelle 1). Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß einige Nukleareinrichtungen regelmäßiger zum Zielobjekt von Dieben geworden sind als andere. Dies trifft zum Beispiel zu auf Rußlands größten Hersteller von Kernbrennstoffen für KKWs, Forschungs- und Antriebsreaktoren in der Marine – die Electrostal-Maschinenbau-Fabrik in Moskau Oblast. Allein dort kam es in mindestens acht Fällen zur illegalen Entwendung von nuklearem Material, darunter in drei Fällen zum Diebstahl von hoch angereichertem Uran. Obwohl Electrostal schon seit 1994 Teil des vom US-Energieministerium betriebenen Programms für Materialschutz, Kontrolle und Buchführung ist, wurde zunächst nur die dortige LEU-Produktionslinie mit verbesserten Sicherheitseinrichtungen versehen. Mit ähnlichen Maßnahmen für den HEU-Bereich konnte bis vor kurzem nicht begonnen werden, da dem US-Energieministerium der Zugang zu dieser Produktlinie bisher verweigert worden war.

 

 

 

 

 

Fast immer sind "Insider" an solchen Diebstählen beteiligt

     Auch aus der Metallurgischen Anlage von Ulba in Kasachstan, in der Brennstoffpellets für Kernkraftwerke hergestellt werden, verschwanden große Mengen an nuklearem Material. Dasselbe gilt für das Maschinenwerk Chepetsk in Udmurtia, bekannt als einer der größten russischen Produzenten von Produkten aus Natururan, wie z.B. Barren, Metallpulver, Uranoxid oder Uran-Tetraflourid.

Bei der Verbreitung von Material aus sämtlichen dieser Anlagen waren Insider beteiligt, die gut über die Verwundbarkeit der physischen Schutzeinrichtungen und internen Geschäftsabläufe bescheid wußten. So wurden etwa mehrere Vorfälle bekannt, in denen Angestellte jeden Tag eine vom Betreiber regulär einkalkulierte Menge an "Bestandsverlusten" von bis zu 4 % mitgehen ließen und dadurch nach einiger Zeit beträchtliche Uranvorräte angesammelt hatten. Bei zumindest 13 Verhaftungen in Verbindung mit schwach angereichertem Uran wurde die Metallurgische Anlage in Ulba als Quelle des sichergestellten Materials erkannt (11). Die Türkei behauptet, daß das meiste bei Razzien im eigenen Land aufgefundene Uran aus Kasachstan stammt (12). Außerdem wurden Teile der aus Chepetsk entwendeten Substanzen zwischen 1992 und 2002 bei sieben verschiedenen Gelegenheiten in Polen, Weißrußland, Litauen, Rußland und Tschetschenien sichergestellt.

 

 

 

 

 

 

 

Forschungsreaktoren besitzen nicht den bei normalen KKWs verwendeten Beton- Schutzmantel. Dies macht sie besonders verwundbar gegenüber Terroranschlägen


Forschungsreaktoren und Forschungseinrichtungen

     Die terroristische Gefährdung nuklearer Wissenschaftseinrichtungen, welche mit Forschungsreaktoren ausgestattet sind, ergibt sich aus drei Gründen:

  • Verbreitung von neu erzeugtem HEU
  • Verbreitung von bestrahltem HEU
  • Unkontrollierte Freisetzung von radioaktivem Material auf Grund eines direkten Angriffs oder Sabotage der Anlage

Größere Forschungs- oder Isotoperzeuger-Reaktoren mit einer Leistung von mehreren hundert Megawatt (thermisch) eignen sich besser für einen terroristischen Anschlag als solche, die vornehmlich an akademischen Instituten und mit dementsprechend geringeren (bis zu null) Energien betrieben werden. Dies ist bedingt durch die Tatsache, daß letztere Anlagen – im Vergleich zu gewöhnlichen Kernkraftwerken – ein besonders groß dimensioniertes Wasser-Kühlbecken und lediglich geringere Mengen an Nuklearbrennstoff verwenden. Trotz allem fehlt beiden Reaktortypen der zum Schutz normaler KKWs verwendete, schwere Stahlbetonmantel (das sog. "containment", Anm.), was diese wiederum verwundbar für Anschläge macht. Zum Teil wird diese Gefahr jedoch sowohl durch die großen Wassermengen im Reaktorbecken als auch durch einen hochgradig negativen Thermalkoeffizienten ausgeglichen. Außerdem ist es schwierig, verbrauchte hochradioaktive Brennelemente aus der Anlage zu entfernen.

 

In weltweit 345 Forschungsreaktoren befinden sich gegenwärtig 20.000 kg hoch angereichertes Uran

 

 

 

 

 

Große nukleare Forschungszentren sind besonders gefährdet

     Alles in allem befinden sich etwa 20.000 kg hoch angereichertes Uran in 345 Forschungsreaktoren auf dem Gebiet von 58 verschiedenen Staaten, darunter mindestens 28 Entwicklungsländern. 258 dieser Reaktoren sind zwar nicht mehr in Betrieb, allerdings wird in vielen HEU gelagert, welches noch immer nicht an den Hersteller retourniert worden ist. Im Hinblick auf die geringeren physischen Schutzvorkehrungen, die Forschungsreaktoren im Vergleich zu anderen Anlagen, die mit HEU zu tun haben, aufweisen, ist das dort verbliebene, hoch angereicherte Uran verwundbarer gegenüber Diebstahl und illegale Verbreitung. Zum potentiell attraktiven Ziel für Terroristen werden Forschungsreaktoren aber auch deshalb, weil nach wie vor keine internationalen Standards zu deren Schutz existieren.

Groß dimensionierte nukleare Wissenschaftszentren wie zum Beispiel die geheimen Atomstädte innerhalb der früheren Sowjetunion oder auch verschiedene nationale Forschungsstätten in den USA stellen im Rahmen des Terrorismus ein besonderes Problem dar, weil sie als spezifisch ausgewiesene Orte zur wissenschaftlichen Untersuchung – und teilweise auch Erzeugung – von umfangreichen Mengen an HEU und Plutonium bekannt sind. Aus diesen Gründen sind solche Anlagen der Gefahr ausgesetzt, zum Ziel von Dieben (nukleare Spaltprodukte und stark strahlende Materialien), Saboteuren oder eines bewaffneten terroristischen Überfalls zu werden.

 

 

In den USA gelang es einer militärischen Spezialeinheit, aus einer Nuklearanlage genug waffenfähiges Material für den Bau mehrerer Atombomben zu stehlen

 

 

 

 

 

Auch russische Kommandotruppen waren in der Lage, sämtliche Sicherheitsbarrieren der gesperrten Atomstadt Sarov zu überwinden

     Obwohl die Sicherheitsvorkehrungen laufend den neuesten Erfordernissen angepaßt werden, ist nicht auszuschließen, daß Terroristen sich Zutritt zu solch sensiblen Forschungsstätten verschaffen: In den USA zum Beispiel traten Bundesagenten wiederholt als "Kommandotruppen" in Aktion und waren dabei in der Lage, in mehr als der Hälfte aller von ihnen geführten Scheinangriffe die Sicherheitsbarrieren verschiedener nuklearer Forschungszentren zu durchbrechen (13). Während einer vom US-Energieministerium geleiteten Übung zur Zusammenarbeit unterschiedlicher Einsatzkräfte gelang es einer militärischen Spezialeinheit, aus einer nationalen Nuklearanlage genug an waffenfähigem Material für den Bau mehrerer Atombomben zu stehlen. In einem anschließenden simulierten Überfall von Terroristen auf die selbe Einrichtung waren die Angreifer in der Lage, sich soviel Nuklearmaterial zu beschaffen, daß gleich mehrere Staaten dem bei einer eventuell folgenden Explosion freigesetzten radioaktiven Fallout ausgesetzt gewesen wären.

Auch in Rußland konnten Kommandos der "Vympel"-Spezialeinheit in die gesperrte Atomstadt Sarov (Arzamas-16) eindringen, und das, obwohl die Sicherheitsorgane vom bevorstehenden Angriff informiert gewesen waren. Das Auskundschaften der Anlage durch die Spezialkräfte war möglich geworden, nachdem sich die Angreifer als Historiker ausgegeben hatten, welche die älteren Bereiche der Stadt und deren Umgebung studieren wollten. In der Stadt selbst konnte schließlich – nach einem vorgetäuschten Überfall auf eine weitere Reaktoreinrichtung – das eigentliche Reaktorgebäude in Beschlag genommen werden, nachdem zuvor sämtliche Sicherheitsbarrieren durchbrochen worden waren (14).

 

 

 

Selbst eine einzelne bewaffnete Person kann unter Umständen großen Schaden anrichten

     Tatsächlich kam es in Rußlands abgeschotteten Nuklearstädten schon des öfteren zu alarmierenden Zwischenfällen. So etwa, als sich im Oktober 2002 ein unter Drogeneinfluß stehender und mit einer Maschinenpistole bewaffneter Soldat in eine Anlage in Seversk (früher Tomsk-7) eingeschlichen hatte und wahllos um sich zu feuern begann. Die auf der Anlage befindlichen Sicherheitskräfte konnten die Situation jedoch nicht unter Kontrolle bringen. Dies gelang erst nach dem Eintreffen weiterer Einsatzkräfte, die den Soldaten von einem bewaffneten Truppentransporter aus erschossen (15). Obwohl bei diesem Zwischenfall keine Verletzten zu beklagen waren, zeigt er doch auf, wie einfach es für eine einzelne bewaffnete Person sein kann, in ein vermeintlich gut geschütztes Nukleargelände einzudringen. Insofern könnte auch eine Gruppe gut ausgebildeter Selbstmordattentäter, die entschlossen sind, den größtmöglichen Schaden anzurichten, am Ende erfolgreich sein. Ein besonders attraktives Ziel, sowohl für höchst folgenreiche Sabotageakte als auch den Diebstahl und die Verbreitung nuklearen Materials betreffend, wäre in dieser Hinsicht Seversk, das über Plutonium erzeugende Reaktoren, Urananreicherungs- und Plutonium-Wiederaufbereitungsanlagen verfügt.

 

 

 

 

 

 

Das organisierte Verbrechen ist offenbar zunehmend auch am Handel mit Uran interessiert

 

 

 

 

"Erbärmliche" Sicherheitseinrichtungen

 

 

In der Vergangenheit wurde die Verbreitung von nuklearem Material aus Forschungsreaktoren und weiteren atomaren Wissenschaftseinrichtungen in mehreren Ländern aufgedeckt (siehe Tabelle 2). So verschwanden beispielsweise knapp 2 kg hoch angereicherten Urans aus dem Sukhumi Institut für Physik und Technologie in Georgien während der bürgerkriegsähnlichen Zustände zwischen den Jahren 1992 und 1997. Als die russischen Behörden 1997 den Zugang zum Gelände erlaubten, war dort kein entsprechendes Material mehr auffindbar.

     1998 wurde ein auf 19,9% angereicherter Uranbrennstab in den Händen mehrerer Mitglieder der italienischen Mafia sichergestellt, die beabsichtigt hatten, das Uran an einen nicht näher bestimmten Interessenten aus dem Mittleren Osten zu verkaufen. Die Beteiligung des organisierten Verbrechens an diesem Schmuggel ist dabei besonders bedenklich, zeigt es doch, daß hier offensichtlich ein steigendes Interesse solcher Gruppen besteht, sich zusätzliche Geschäftsfelder auch im Bereich des illegalen Handels mit nuklearen Substanzen zu erschließen. Der entdeckte Brennstab war zuvor aus dem kongolesischen Forschungsreaktor in Kinshasa entwendet worden – der Diebstahl wurde jedoch erst bekannt, nachdem das Uran sichergestellt worden war. Die Sicherheitseinrichtungen der Anlage wurden dabei als "erbärmlich" beschrieben: rostige, nur mit Vorhängeschlössern abgesperrte Tore und im Hofbereich des Geländes verstreut liegende Berge verrosteter Autos. Eine Überprüfung des Reaktors durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) ist seit dem Putsch im Jahr 1997 nicht erfolgt, da die neue Regierung es bisher verabsäumt hat, einen IAEO-Beauftragten zu bestimmen (16).

Nach einem Bericht der Financial Times verhandelt die kongolesische Regierung schon seit mehr als einem Jahr mit US-Vertretern über die Rückgabe des ursprünglich von den USA zur Verfügung gestellten Urans aus einem Reaktor in Kinshasa (ein ähnlicher Vorgang wie jener im Sommer 2002, als etwa 50 kg HEU aus einem nuklearen Forschungsinstitut bei Vinca (Serbien) nach Rußland, dem Hersteller des Materials, zurückgeschickt worden sind.) (17). Der letzte Stand dieser Verhandlungen ist allerdings unbekannt (18).

 

 

Sehr oft stammt das geschmuggelte Material aus russischen Atomanlagen

     In mindestens drei weiteren HEU-Zwischenfällen, bei denen die Herkunft des Urans jedoch im Dunkeln blieb, könnte es sich um einen Diebstahl aus ähnlichen nuklearen Forschungseinrichtungen handeln. So fanden etwa bulgarische Zollbeamte im Mai 1999 10g von auf 76 % angereichertem HEU im Auto eines Türken, der angab, das Uran in Moldawien erworben zu haben. Der Zwischenfall ereignete sich am bulgarisch-türkischen Grenzübergang Dunav Most (19). Ein Jahr später, im April 2000, konnte nahezu ein Kilogramm (920g) Uran mit einem Anreicherungsgrad von 30 % von der georgischen Polizei am Schwarzmeerhafen Balumi sichergestellt werden (20). Und schließlich wurden im Juli 2001 drei Männer in Paris verhaftet, die im Besitz einer Probe von 5 Gramm 70 bis 80%igem HEU gewesen waren. In allen drei Fällen besteht der Verdacht, daß das aufgefundene Material seinen Ursprung in Rußland hat. (21).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Jahr 2000 wurden insgesamt neun Bombendrohungen gegen US-amerikanische Kernkraftwerke gerichtet


Kernkraftwerke

    Mögliche Mittel terroristisch motivierter Angriffe auf Kernkraftwerke sind:

  • Selbstmordanschlag mit einem vollbetankten, großen Passagierflugzeug;(22)
  • Selbstmordanschlag mit einer Serie von LKW-Bomben;
  • Selbstmordanschlag mit Hilfe mehrerer gecharterter und mit Sprengstoffen beladener Business-Jets;
  • Anschlag mittels ferngezündeter Autobombe(n);
  • Anschlag durch Raketen mit eingebautem Sprengkopf;
  • Bombenanschlag auf ein außer Betrieb befindliches KKW;
  • Geiselnahme von Schlüsselkräften und anschließende Erpressung;
  • Diebstahl von unbenutztem Nuklearbrennstoff;

Die Wahrscheinlichkeit, daß es dabei zu einer unkontrollierten Ausbreitung von Radioaktivität kommt, schwankt in einem relativ weiten Bereich zwischen geringem und hohem Risiko, und zwar abhängig von der Art des Angriffs, der Anlagen-Bauweise, den spezifischen Betriebseigenschaften sowie von den zum Zeitpunkt des Anschlags herrschenden Umweltbedingungen.

     Daß Kernkraftwerke zum Ziel von Bombendrohungen, Sabotage oder von anderen Zwischenfällen werden, die mit dem Überwinden von Sicherheitsbarrieren zu tun haben, ist ein weltweit registriertes Phänomen. So verzeichnete etwa die US-Atomregulierungsbehörde im Jahr 2000 neun Fälle von Bombendrohungen gegen US-amerikanische KKWs, die jedoch allesamt Falschmeldungen waren oder sich als unglaubwürdig herausstellten (23). In Rußland werden derartige Drohungen besonders ernst genommen, insbesondere deshalb, weil militante Tschetschenen inzwischen schon mehrere groß angelegte terroristische Anschläge im Süden Rußlands und in Moskau ausgeführt haben. Nach dem Ausbruch des ersten Tschetschienkriegs im Jahr 1995 richtete der dort ansässige Befehlshaber Shamil Basajev nachweislich Drohungen gegen Rußland, mit einem Anschlag auf eine der russischen Nuklearanlagen ein "neues Tschernobyl schaffen" zu wollen (24). Um sich gegen solche Attacken zur Wehr zu setzen, rief der Nationale Geheimdienst (FSB) eine speziell für Rußlands KKWs zuständige Antiterroreinheit – "Vikhr’-Antiterror" – ins Leben (25).

 

Anschläge von Umweltaktivisten

 

 

 

 

 

Weitere Drohungen

Unter den Drohungen oder tatsächlichen Aktionen gegen Kernkraftwerke finden sich weiters eine größere Zahl von Vorfällen, in denen Umweltaktivisten eine führende Rolle spielten. Dazu zählt beispielsweise der Abschuß von fünf panzerbrechenden Raketen auf den Creys-Malville Super Phoenix Reaktor in der Nähe von Lyon (Frankreich). Von der Gebäudemauer abgesehen, entstand bei dem Angriff jedoch kein wesentlicher Schaden, da der Reaktor sich zu diesem Zeitpunkt noch im Bau befand. Die Verantwortung für den Raketenbeschuß übernahm das Pazifistische und Ökologische Komittee (26).

     Anschläge auf Kernreaktoren sind zudem von politisch motivierten Terrorgruppen verübt worden. Kurz vor dem Angriff auf das World Trade Center im Jahr 1993 wurde etwa das Three Mile Island Kraftwerk in Alarmzustand versetzt, nachdem Terroristen – nur knapp 50 Kilometer vom KKW entfernt – den nächtlichen Überfall auf ein elektrisches Kleinkraftwerk geprobt hatten. Vier Tage nach der Bombenexplosion 1993 im World Trade Center richtete sich die terroristische "Befreiungsfront fünftes Batallion" in einem Brief an die New York Times, in dem angedroht wurde, mit 150 Selbstmordattentätern auch nukleare Zielobjekte angreifen zu wollen (27).

Die russische Atomkontrollbehörde Gosatomnadzor wiederum erhielt die Warnung, wonach sich eine Gruppe bewaffneter Tschetschenen auf das Balakovo Kernkraftwerk – eine Anlage mit vier WWER-1000 Druckwasserreaktoren in der Nähe von Saratov (Rußland) – zubewegen würde. Obwohl anschließend eine tschetschenische Gruppe aufgefunden wurde, die sich entlang der Wolga bewegt hatte, war die Bestätigung für einen tatsächlich geplanten Anschlag nicht möglich, da die Tschetschenen ihren Vormarsch schon weit vor Balakovo gestoppt hatten (28).

 

Sabotagefälle

 

 

 

Exzessive Sicherheitsmaßnahmen können die Gefahr zukünftiger Terroranschläge sogar erhöhen

 

    Wiederholt wurden außerdem Fälle von Sabotage an KKWs registriert, wie zum Beispiel die vorsätzliche Vermischung untauglicher mit gewöhnlichen UO2-Brennstoffpellets (in Hematite, Missouri – USA) oder die Durchtrennung von Kabeln zum ferngesteuerten Betrieb von Robotern, welche zum Befördern von hochradioaktivem Abfall verwendet werden (Sellafield – GB).

Letztlich hat aber auch die Ausdehnung der Schichtarbeitszeiten von Sicherheitsorganen an US-Kernkraftwerken von 8 auf 12 Stunden (und dies oft an sechs statt wie bisher an fünf Tagen die Woche) zu einer höheren Fehlerquote geführt(29). Die Erweiterung der Schichten ist dabei in erster Linie auf das gestiegene Sicherheitsbedürfnis nach den Anschlägen des 11. September 2001 zurückzuführen. Andererseits steigt durch eine solche Vorgangsweise aber die Wahrscheinlichkeit für erfolgreiche Terrorangriffe in der Zukunft.

Was Zwischenfälle mit niedrig angereichertem Uran (das normalerweise zum Betrieb von KKWs benutzt wird, Anm.) betrifft, wurden inzwischen schon mehrere Diebstahlsfälle bekannt (siehe Tabelle 4). Auffällig dabei ist, daß trotz erfolgreicher Verbreitung von KKW-Brennstoff die Diebe offenbar nicht in der Lage waren, Käufer für diese Substanzen zu finden.

 

 

 

 

 

 

Auch abgebrannte Brennstäbe könnten zum Ziel von Terroristen werden


Atomare Endlager

     Der überwiegende Teil des weltweit in großen Mengen anfallenden radioaktiven Abfalls wird in Kühlwannen am Rande von Kernkraftwerken aufbewahrt. Ursprünglich waren diese Becken jedoch nur für die kurzfristige Speicherung bedeutend kleinerer Materialmengen konzipiert. Insbesondere deshalb, weil die Frage der Endlagerung strahlender Substanzen nach wie vor ungelöst ist, stoßen die meisten Kühlbecken in den USA inzwischen an die Grenzen ihrer Aufnahmekapazität(30).

Verbrauchte Brennstäbe werden üblicherweise in industriell gefertigten Behältnissen aufbewahrt. Werden nun diese – mit hochkomprimiertem radioaktiven Material befüllten – Speichertanks teilweise aufgebrochen (mit der Absicht, den Kühlwasserstand abzusenken), könnte dies zu einer lokalen Kernschmelze und einem unkontrollierten Ausstoß von Radioaktivität führen (z.B. auf Grund eines Zirkoniumbrandes). Grundsätzlich bieten solche Tanks jedoch einen zehnmal stärkeren Schutz gegenüber langlebigen Radionukleiden als ein Reaktorkern (9). Trotzdem könnten Terroristen der gesamten Anlage und möglicherweise auch der Umwelt ernsthaften Schaden zufügen – vorausgesetzt, daß diese durch einen Insider Informationen über den Lagerort der Spaltprodukte (vor dem Verdichtungsprozeß) erhalten.

 

Tschetschenische Kämpfer wollten Zivilpersonen absichtlich einer erhöhten Strahlendosis aussetzen

 

 

 

 

 

In Moskau wurde 1995 ein Container mit radioaktivem Inhalt vergraben

 

 

 

 

 

 

 

Strahlendes Material aus Endlagerstätten wurde von Tschetschenen ausgegraben und vermutlich zum Bau einer "schmutzigen Bombe" herangezogen

     Von den bis jetzt bekannt gewordenen Vorfällen mit terroristischer Absicht erschien der überwiegende Teil im Zusammenhang mit tschetschenischen Rebellen in Rußland, von deren Seite zahlreiche Drohungen sowohl in atomarer als auch in radiologischer Hinsicht gekommen waren – Drohungen, die von angekündigten Angriffen auf KKWs bis hin zur Absicht reichten, Zivilisten vorsätzlich einer hohen Strahlendosis aussetzen zu wollen. Während des ersten Tschetschenienkrieges vom Dezember 1994 bis zum August 1996 verschwand etwa die Hälfte einer rund 900 Kubikmeter großen Menge an radioaktivem Abfall (mit Strahlungswerten von 1500 Curie) aus der Radon-Endlagerstätte in Grosny. Diesbezüglich kam es zu Spekulationen, daß unterbezahlte und demoralisierte russische Soldaten die radioaktiven Substanzen entwendet und dann auf dem Schwarzmarkt an Terroristen verkauft hätten, die dieses Material wiederum zum Bau einer "schmutzigen Bombe" benutzt haben könnten. Genauso hätte der Strahlenmüll aber auch von tschetschenischen Freischärlern gestohlen worden sein können, die schon gezeigt haben, daß sie durchaus bereit sind, derartige Substanzen tatsächlich zum Erreichen ihrer Ziele einzusetzen – so zum Beispiel im Jahr 1995, als im Moskauer Ismailovsky-Park ein Container mit radioaktivem Inhalt vergraben worden ist.

Ein weniger bekannter Zwischenfall ereignete sich im Dezember 1998, als ein weiterer im Boden versenkter Container mitsamt einer daran befestigten Mine neben einer Bahnstrecke in der Nähe der Stadt Argun aufgetaucht ist (31). Anschließende Spekulationen brachten diesen Vorfall immer wieder mit einem möglicherweise geplanten Sabotageakt in Verbindung.

     Eine größere Menge diverser Strahlungsquellen wurde schließlich seit Beginn des zweiten Tschetschenien-Feldzuges im Nobember 1999 in Grosny und anderen Bezirken Tschetscheniens sichergestellt; darunter waren in einigen Fällen auch Substanzen, welche im Verdacht stehen, von tschetschenischen Kämpfern zur Konstruktion einer "schmutzigen Bombe" verwendet worden zu sein. So wurden zum Beispiel im Dezember 1999 zwei 200-Liter-Kanister mit radioaktivem Abfall in der Region Gudermes entdeckt – identisch mit Substanzen, die 1983 in der Radon-Endlagerstätte in Grosny vergraben worden waren (32).

Im April 2001 tauchten zwei starke Radioquellen im Hof einer Schule in Grosny auf, welcher von tschetschenischen Kämpfern als Werkstätte zur Herstellung von Explosivstoffen genutzt worden war. Geheimdienstberichten zufolge hatten die Rebellen dort ab einem gewissen Stadium versucht, die von ihnen produzierte Munition zusätzlich mit radioaktiven Substanzen anzureichern, um damit größere Zerstörungswirkungen freizusetzen (33).

 

 

 

 

 

 

Die Abhängigkeit von nuklear erzeugter Energie ist in der Europäischen Union höher als auf US-Seite


Schlußfolgerungen

     Unter Berücksichtigung aller bisher auf Basis der DSTO (Database on Nuclear Smuggling, Theft and Orphan Radiation Sources) vorgestellten Fakten stellt sich die Frage nach den daraus zu erwartenden Konsequenzen für die im Moment aktiven Kernkraftwerke innerhalb der USA. Dieselben Konsequenzen gelten dabei zweifellos auch für alle anderen KKWs, allerdings sind die Chancen für eine frühestmögliche Umsetzung auf US-Seite höher, weil diese die weltweit größte Zahl an KKWs betreiben. Im übrigen wird auch die in Kürze erweiterte Europäische Union über eine ähnliche Anzahl an Kernkraftwerken verfügen wie die USA, jedoch mit dem Unterschied, daß die Abhängigkeit von nuklear erzeugter Energie in der EU höher ist als auf US-amerikanischer Seite. Konkret stammen etwa 30% des in der Europäischen Union erzeugten Stroms aus nuklearen Quellen, während es in den USA nur knapp über 20% sind. Ein koordinierter Terroranschlag auf mehrere Kernkraftwerke gleichzeitig könnte die EU-Wirtschaft deshalb stärker in Mitleidenschaft ziehen als jene in Amerika (nicht zuletzt deshalb, weil ein solcher Angriff möglicherweise zur befristeten Schließung weiterer KKWs führt, die erst dann aufgehoben würde, wenn dort zusätzliche Sicherheitsvorschriften umgesetzt sind).

 

 

 

 

Der neue Terrorismus stellt für Kernkraftwerke eine weitaus ernstere Bedrohung dar als bisher

Eine umfangreiche Auflistung an Vorschlägen, wie auf terroristische Drohungen reagiert werden soll, wurde kürzlich vom US-Forschungsrat (34), von Matthew Bunn (35) und von einem unserer Autoren (36) vorgestellt. Kurz gefaßt sind dabei jedenfalls folgende Punkte von besonderer Bedeutung:

     Der neue Terrorismus stellt für Kernkraftwerke eine weitaus ernstere Bedrohung dar als bisher. Die Absicht der Terroristen, spektakuläre Racheakte auszuführen, die schwere Sach- und Personenschäden zur Folge haben, ist ausgeprägter denn je. Terroristische Gruppen von heute verfügen über bessere technische Fähigkeiten, haben Erfahrung mit dem Internet und beherrschen Strategien zum Führen eines modernen Progaganda-Kriegs; ebenso beunruhigend erscheint deren allgemeiner Erfindungsreichtum – wie es sich besonders drastisch bei den Anschlägen des 11. September 2001 gezeigt hat –, oder auch deren Bereitschaft, sowohl das eigene als auch das Leben zahlloser Unschuldiger zu opfern, um ihre Ziele zu erreichen.

 

Schon ein einziger erfolgreicher Terroranschlag auf ein KKW würde sich unmittelbar auf alle anderen Anlagen auswirken

 

 

 

 

 

 

Die Terrorgefahr sollte jedoch auch nicht überbewertet werden - schon aus finanziellen Gründen

Jedes Kernkraftwerk weltweit ist derselben Bedrohung ausgesetzt, da terroristische Gruppen und deren Waffen jederzeit auch aus dem Ausland einsickern könnten. Schon ein einziger erfolgreich verübter Anschlag auf ein Kernkraftwerk oder eine andere nukleare Einrichtung würde sich unmittelbar – und weltweit – auf alle anderen vergleichbaren Anlagen auswirken. In gewisser Weise sind damit sämtliche Nukleareinrichtungen untrennbar mit den Sicherheitsvorkehrungen aller anderen Anlagen verbunden bzw. von ihnen abhängig.

     Unser Wunsch wäre, daß – sowohl auf seiten der USA als auch international – zumindest diese wenigen grundlegenden Tatsachen stärker beachtet und Maßnahmen gegen sie ergriffen würden. Gerade Positionen nämlich, die die Gefahr des Terrorismus schon zur Geschichte rechnen und die alle Sicherheitsvorkehrungen schon für ausreichend halten oder die der Ansicht sind, daß Anschläge wie die des 11. September in den USA nicht mehr vorkommen können, setzen alle Kernkraftwerke einem hohen finanziellen Risiko aus, falls sich trotz allem eine weitere terroristische Attacke ereignen sollte. Andererseits sollten wir die Terrorgefahr auch nicht überbewerten und keine Investitionen in den Sicherheitsbereich vollziehen, die nicht unbedingt notwendig sind. Ideal wäre hier jedenfalls ein möglichst ausgewogenes Verhältnis zwischen erhöhtem Sicherheitsbedarf und ökonomischer Konkurrenzfähigkeit. Auch sollte nicht vergessen werden, daß höhere Sicherheit schon aus wirtschaftlichen Gründen notwendig ist und eine zuverläßliche Maßnahme zum Schutz eines jeden Investments darstellt.

 

 

 

Eine stärkere Zusammenarbeit ist in vielen Bereichen notwendig

Es wäre wünschenswert, wenn die US-Nuklearindustrie ein Koordinations-Übereinkommen zur Zusammenarbeit in KKW-Sicherheitsfragen ins Leben rufen würde, das sowohl im Umfang als auch in Bereich der Führung oder der Organisation ähnlich strukturiert ist wie die in den frühen 1990er Jahren verwirklichte Initiative zur Senkung der Kosten für Reaktorbetrieb und Instandhaltung (R&I). Das Übereinkommen sollte besonders von bereits etablierten Organisationen wie dem Atomenergie-Institut, der INPO (Institute of Nuclear Plant Operators) oder dem EPRI getragen und forciert werden.

Von besonderer Bedeutung erscheint eine solche Zusammenarbeit auch im Rahmen der Gründung eines "Heimatschutz-Ministeriums" (Homeland Security Department – HSD), denn gerade weil das HSD in Zukunft wahrscheinlich weitere Sicherheitsbeschränkungen erlassen wird, sollte sich die Industrie auf einen gemeinsamen Aktionsplan zur Umsetzung dieser Richtlinien einigen.

 

Bedrohungsszenarien ?
Verwundbarkeit ?
Sicherheitsstandards ?
Gegenmaßnahmen ?
Trainingsprogramme ?

 

 

 

 

 

Die nuklearen Versorgungsbetriebe sind nicht dazu da, um die nationale Sicherheit aufrecht zu erhalten, sondern um den aktuellen Energiebedarf abzudecken

     Im besonderen werden die Vertreter der Industrie sowohl mit dem HSD als auch mit der Atomregulierungsbehörde einen Konsens hinsichtlich der Frage auszuarbeiten haben, was grundsätzlich unter einem terroristischen Bedrohungsszenario zu verstehen ist oder wie Verwundbarkeitsstudien für nukleare Anlagen auszusehen haben; außerdem sollte über geeignete Standards zur KKW-Sicherheit und ebenso über mögliche Gegenmaßnahmen bei Angriffen oder über Trainingsprogramme für das Sicherheitspersonal diskutiert werden.

Eine übergreifende Zusammenarbeit zwischen Industrie und Regierung sollte darüber hinaus die Bedingungen, Verfahrensweisen und Koordinationsrichtlinien festsetzen, die für einen verläßlichen Einsatz staatlicher Sicherheitskräfte auf privaten Betriebsgeländen benötigt werden.

Um die US-Administration zu überzeugen, noch stärker als bisher für jene Belastungen aufzukommen, die das erhöhte Sicherheitsbedürfnis der Privatwirtschaft gebracht hat, ist es wichtig, daß die Industrie eigenständig und geschlossen handelt. Die Versorgungsbetriebe sind nämlich nicht dazu da, um die nationale Sicherheit aufrecht zu halten, sondern um den aktuellen Energiebedarf abzudecken. Andererseits kann die Regierung umso eher zu Maßnahmen im Bereich der äußeren Sicherheit gedrängt werden, wenn der Nachweis erbracht wird, daß man selbst als jeweiliger Kraftwerksbetreiber alles getan hat, um den Schutz innerhalb der eigenen Anlage sicherzustellen.

 

 

 

 

 

 

Möglich wäre eine Reduktion der Versicherungsbeiträge für jene KKW-Betreiber, die sich exakt an die vorgegebenen Sicherheitsstandards halten

      Im konkreten Fall könnte die Industrie etwa mit dem Heimatschutz-Ministerium zusammenarbeiten, um den gegenseitigen Kräfteaustausch zu fördern und detaillierte Ablaufpläne hinsichtlich einer Interaktion zwischen dem jeweiligen KKW-Management und diverser anderer Organisationen (Sicherheitskräfte, lokale Justizbehörden, Nationalgarde, Bundesbehörden wie zum Beispiel die Bundesluftfahrtbehörde (FAA), die Küstenwache (wo einsetzbar), alle Seuchenkontrollzentren (CDC) und weitere Behörden des Justizministeriums, ebenso das Verteidigungsministerium) auszuarbeiten.

Die Industrie sollte mit dem Heimatschutz-Ministerium und verschiedenen Versicherungsunternehmen außerdem an einer Reduktion der Versicherungsbeiträge für Kernkraftwerksbetreiber arbeiten, welche sich exakt an jene Sicherheitsstandards halten, wie sie entweder von den jeweiligen Industrie-Zertifizierungsstellen (wie z.B. der INPO) oder vom HSD vorgeschrieben sind.

     Die KKW-Wirtschaft ist aufgerufen, Kontakte und Arbeitsbeziehungen zu regierungsnahen Forschungsstellen im Energie- und Heimatschutz-Ministerium zu erneuern, die sich mit modernen Sicherheitstechnologien befassen – insbesondere deshalb, weil sich eine ganze Reihe dieser Entwicklungen bereits in diversen US-Regierungseinrichtungen, aber auch in anderen besonders schützenswerten Bereichen bewährt haben.

Die US-Ernergieversorger sollten sich im eigenen Interesse und mit Hilfe von Freiwilligenverbänden wie etwa der WANO (World Association of Nuclear Operators) für verbesserte Sicherheitsprogramme einsetzen – im Einzelfall wäre etwa ein gegenseitiger Wissenstransfer in KKW-Sicherheitsfragen sinnvoll, so wie dies bereits erfolgreich in anderen, nicht nuklearen Kraftwerksbereichen eingeführt wurde.

 

Aufbau internationaler Forschungsprogramme

 

 

 

 

 

 

Besonders gefährlich für US-Einrichtungen dürften terroristische Gruppen in Südostasien sein

Eine weitere Forderung betrifft private US-Forschungsorganisationen wie z.B. das EPRI, das in Kooperation mit ähnlichen Instituten im Energieministerium den Aufbau internationaler Forschungsprogramme initiieren sollte, an welchen dann auch Organisationen wie die IAEO oder vergleichbare Institutionen innerhalb der EU beteiligt wären. Die Aufgabe derartiger (weltweit geltender) Programme bestünde unter anderem darin, für ein besseres Zusammenspiel sämtlicher Einsatzkräfte zu sorgen, technische Lösungen zum optimalen Anlagenschutz zu entwickeln und für eine Verstärkung der Sicherheitsvorkehrungen bei Forschungsreaktoren und anderen nuklearen Einrichtungen einzutreten, die waffenfähiges Material beherbergen.

     Die US-Industrie sollte alle Vorgänge, die etwas mit dem internationalen Schmuggel oder der illegalen Verbreitung von nuklearen Substanzen zu tun haben, ständig im Auge behalten. Während das über Zentralasien und den Kaukasus nach Europa geschmuggelte spaltbare Material für US-Einrichtungen weniger gefährlich sein dürfte, könnte der Transfer solchen Materials an terroristische Vereinigungen in Südostasien zu ernsthaften Konsequenzen für sämtliche verwundbaren Bereiche innerhalb der US-Infrastruktur führen.

Kernkraftwerksbetreiber in den USA können in Zukunft darauf drängen, daß Vertragsabschlüsse über den internationalen Handel mit nuklearen Brennstoffen erst zustande kommen, wenn zuvor entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit gesetzt worden sind. Dies sollte in erster Linie alle Transaktionen umfassen, in denen niedrig oder hoch angereichertes Uran mit im Spiel ist und sollte letzten Endes alles Material des gesamten Brennstoffkreislaufs mit einbeziehen. Sollte ein Teil des von US-Kernkraftwerken gehandelten spaltbaren Materials beim Transport abhanden kommen, in die falschen Hände geraten und letztlich für einen terroristischen Anschlag mißbraucht werden, könnte die US-Industrie rasch in die Situation kommen, sich gegen Haftungsansprüche Dritter verteidigen zu müssen.

 

 

 

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...
Aus dem Englischen von Franz Wagner

Die englische Version dieses Artikels ("International Terrorists Threat to Nuclear Facilities") ist zuerst erschienen in: Österreichische Militärische Zeitschrift. Sonderheft 2003 – "Nuclear Material Protection", S. 15-23. Die obige Übersetzung erscheint mit frdl. Genehmigung der ÖMZ.
Weitere Anfragen richten Sie bitte an: red.oemz@bmlv.gv.at


Anm.
Anmerkungen (im Original):

1) Database on Nuclear Smuggling, Theft and Orphan Radiation Sources (DSTO), Center for International Security and Cooperation, Institute of International Studies, Stanford University, 2002 (restricted access). DSTO is a collection of illicit trafficking incidents (thefts and seizures of nuclear and other radioactive material) and orphan source incidents (lost, abandoned or misplaced radiation sources) that have taken place worldwide. It includes the state-confirmed incidents presented in the IAEA Illicit Trafficking Database, as well as unconfirmed open source reports. A special parameter - reliability factor - was devised for the Stanford DSTO to define the degree of reliability of information presented in each particular case: high, medium or low. High denotes high credibility of data (confirmed by IAEA and/or confirmed by competent national authorities), medium denotes reasonable credibility of data (not confirrned to the IAEA, but confirmed by local authorities directly involved in the incidents, as referenced in mass media reports) and low denotes less credible or conflicting data. It should be noted that over 80% of the incidents recorded in the DSTO are in the reliability categories high or medium.

2) "Iran Mining Uranium in Azerbaijan, Baku Newspaper Reports", 26 March 2002. FBIS Document CEP20020326000134 (Orig. Src.: ..Soil Containing Uranium was Carried from Babak and Culfa Districts:' by E. Aliyev, Azadlyg, 26 March 2002).

3) "Pakistan secretly transporting Uranium ore from Afghanistan," BBC Summary of World Broadcasts, Part 1, July 26, 1988 (Orig. source: TASS in English 0624 gmt 25 Jul 88).

4) The Shinkolobwe mine, located near the southern Congolese town of Likasi, provided Uranium for the nuclear bombs dropped on Hiroshima and Nagasaki in 1945. It is currently under strict military control of Zimbabwean forces allied to the government of Joseph Kabila, president and son of the former Congolese leader. See Mark Huband, "Congo 'sought US help on Uranium", Financial Times (London), September 26, 2002, p. 10.

5) Michael Evans, Michael Dynes, Catherine Philp, Richard Beeston and Alice Lagnado, "Uranium heads secret shopping list," The Times (London), September 25, 2002, p.12.

6) Jane Flanagan and David Wasteil, "War-torn Congo is target in Baghdad's hunt for Uranium," Sunday Telegraph (London), September 29, 2002, p. 25.

7) Ibid.

8) See Newly Independent States (NIS) Nuclear Profiles Database, Center for Nonproliferation Studies, Monterey Institute of International Studies, Monterey. Website: http://www.nti.org/db/nisprofs/tajikis/facils.htm

9) Galina Gridneva, "A Group Is Convicted in Tajikistan For Attempting to Sell Contraband Uranium Oxide", ITAR-TASS, 19 April 2000; in DSTO.

10) Nazhmidin Azizov, "Criminal Ring Trading in Radioactive Substances Arrested in Tajikistan", RIA Novosti, March 26, 2002; in DSTO.

11) DSTO.

12) F. Yugel, A. Yilmazer, and N. Akta, "Efforts of Turkey in Combating With ["With" in title ok? - This is the original title oft he paper] illicit Trafficking of Nuclear Materials and Radioactive Sources," paper delivered to the IAEA Internatiaonal Conference, "Security of Nuclear Material-Measures to Prevent, Intercept and Respond to illicit Uses of Nuclear Material and Radioactive Sources", Stockholm, May 7-11, 2001. International Atomic Energy Agency, Proceedings, C&P Papers Series 12/P (Vienna, August 2002), p. 464.

13) Eric Pianin and Bill Miller, "Nuclear Arms Plants' Security Lax", Report Says, Washington Post, p. A 15, January 23, 2002

14) Sergey Voronov, "Terroristy’ v 'atomnom gorode’" [Terrorists in a Nuclear City], Soldat Udachi, No.2, 2001; available at Russia 's Federal Security Service website: http://fsb.ru/history/autors/voronov .html

15) "V Tomske vskrylsya fakt ChP na yadernom predpriyatii", Tomsk Yadernyi, October 18, 2002; available on Antiatom.Ru website: http://www.antiatom.ru/pr/pr021018_3.htm

16) "More Wreck Than Reactor", Michela Wrong, Financia1 Times, 21 August 1999, p. 8.

17) "Safeguards For Nuclear Fuel," New York Times, August 24, 2002, Section A, p.12.

18) Mark Huband, "Congo sought US help on Uranium", Financial Times (London), September 26, 2002, p. 10.

19) Mariya Nikolaeva, Bulgarian Weekly Reports on US Investigation Into Uranium Route, 168 Chasa (Sofia), 8 December 2000, pp.19, 22; in the NIS Nuclear Trafficking Database.

20) Mikhail Vignanskiy, "Iran otritsayet svoyu prichastnost k zaderzhannomu v Adzharii uranu [Iran Denies Involvement with Uranium Seized in Adzhariya], Segodnya, 29 April 2000; in the NIS Nuclear Trafficking Database.

21) "Uranium Seized in France Could Have Made Low-Grade Bomb", Agence France-Presse, October 21, 2001; in the DSTO.

22) Reactor owners "are not required to design against such things as . . . kamikaze dives by large airplanes. Reactors could not be effectively protected against such attacks without turning them into virtually impregnable fortresses at much higher cost", Atomic Safety and Licensing Board, US-NRC (1982); "Nuclear power plants were not designed to withstand (jet airliner) crashes", US-Nuclear Regulatory Commission, 21 Sept. 2001

23) U.S. Nuclear Regulatory Commission, Annual Safeguards Summary Event List (SSEL) 2000, Washington, D.C., May 2001

24) Alexander Kondrashov, "Zhivye bomby’ dlya AES" [Living Bombs for NPPs], Argumenty i Fakty, October 10, 2001.

25) Ibid. See also Alexander Zdanovich, "Bessiliy sily: amerikanskaya tragediya s tochki zreniya FSB" [Weakness of the Strong: American Tragedy As Viewed by FSB], Parlamentskaya Gazeta, 13 September 2001. http://www.fsb.ru/smi/article/zdanov9.html

26) Gavin Cameron, "Nuclear Terrorism: Reactors & Radiological Attacks After September 11", Paper presented at the International Atomic Energy Agency (IAEA) Special Session on Combating Nuclear Terrorism, IAEA, Vienna, Austria, November 2, 2002 p. 9. Website: http://www.iaea.or.at/worldatom/Press/Focus/Nuclear_Terrorism/cameron.pdf

27) "Terrorists Train Near Three Mile Island" on the website of an action group "Three Mile Island Alert" http://www.tmia.com/threat.html

28) William C. Potter, "Less Well-Known Cases of Nuclear Terrorism and Nuclear Diversion in the Former Soviet Union," Center for Nonproliferation Studies, August 1997; in the NIS Nuclear Profiles database http://www.nti.org/db/nisprofs/over/nuccases.htm

29) Matthew L. Wald, "Guards at Nuclear Plants Say They feel Swamped by a Deluge of Overtime," New York Times, October 20, 2002.

30) In the US 40,000 t of nuclear waste are stored at 110 operating and closed reactor sites. See Robert Alvarez, "What about spent fuel?" Bulletin ofthe Atomic Scientists, Jan./Feb.2002, p. 45.

31) "Container With Radioactive Substances Found in Chechnya", ITAR-TASS, 29 December 1998. See also "Radioactive Container with Bomb Found in Chechnya," Agence France Press, 29 December 1999. Both in DSTO.

32) "There Are No Collections of Substances on the Territory of Chechnya, Whose Leakage May Lead to Ecological Disaster, Says Head of the Ministry of Defense's Radiation Safety Department", RBK, December 15, 1999 (http://www.cry.ru).

33) "Radioactive Legacy of Basaev", Vremya Novostei, April 2, 2001; in DSTO.

34) Committee on Science and Technology for Countering Terrorism, National Research Council "Making the Nation Safer: The Role of Science and Technology in Countering Terrorism" National Academy Press, Washington DC, September 2002

35) Matthew Bunn, Harvard University "Preventing Nuclear Terrorism". Testimony for the Subcommittee on Nuclear Security, Committee on Government Reform, United States House of Representatives, Washington DC, September 24th, 2002

36) F.J. Steinhäusler, G. Bunn "Protecting Nuclear Material and Facilities: Is a New Approach Needed?", Paper Presented at the 46th Regular Session of the IAEA General Conference, Scientific Forum, Vienna, September 17-18, 2002

 

Tabelle 1:

Verbreitung nuklearer Substanzen aus Brennstoffanreicherungs-
und -produktionsanlagen

Ort und Zeitpunkt
der Tat

Substanz

Anmerkungen

Chepetsk
(1992)

Bis zu 300 kg HEU
(0,2 - 0,4%)
Russische Geheimdienstbeamte verhafteten eine Gruppe von Kriminellen, die Uran aus der Chepetsk-Anlage in Izhevsk gestohlen hatten; dabei wurden 140 kg an gering angereichertem Uran (LEU) sichergestellt. Das Material war von Agestellten aus der Anlage entwendet worden. Möglich wurde dies durch ein Warenabrechnungssystem, das einen "Bestandsverlust" von bis zu 4% erlaubt hatte. Nach Aufdecken dieses Vorfalls wurde bei einer nachträglichen Inventur festegestellt, daß insgesamt 300 kg LEU aus Chepetsk verschwunden waren. Weiteres LEU, welches zwischen 1992 und 2002 in Polen, Weißrußland, Litauen, Rußland und Tschetschenien aufgetaucht ist, könnte ebenfalls zum Teil aus der Anlage in Chepetsk gestammt haben.
Electrostal
(1993)
115 kg LEU Im Jahr 1993 gelang es einem bei Electrostal beschäftigten Metallarbeiter, insgesamt 115 kg an LEU-Pellets (bis zu 5 kg auf einmal) unbemerkt aus der Anlage zu schaffen. Er wurde 1996 während des Versuchs gefaßt, einen Käufer für das Material zu finden. Als Motiv für die Tat gab der Arbeiter Verzweiflung über die finanzielle Situation seiner Familie an; der Alleinverdiener hatte für drei Kinder zu sorgen und war schon seit Monaten nicht mehr bezahlt worden.
Electrostal
(vor 01/1994)
3,2 kg LEU
(3,6%)
Der Vizepräsident eines bekannten Obninsker Unternehmens wurde im Januar 1994 verhaftet, nachdem bei ihm ein Behälter mit niedrig angereichertem (offenbar aus der Electrostal-Anlage geschmuggeltem) Uran aufgefunden worden war. Der bei Electrostal beschäftigte Bruder des Mannes prahlte anschließend damit, sich zuvor schon insgesamt mehr als die 30fache Menge an Uran besorgt zu haben.
Electrostal
(vor 06/1994)
3 kg HEU
(90%)
Die St. Petersburger Polizei nahm drei Männer in Haft, die 3 kg 90%iges HEU verkaufen wollten; das hoch angereicherte Uran war zuvor von den selben Personen von Electrostal gestohlen worden.
Electrostal
(Mai 1994)
1,7 kg HEU
(21%)
Während einer Razzia in Moskau wurden im Juni 1995 drei Männer bei dem Versuch festgenommen, einen Abnehmer für 1,7 kg hoch angereichertes Uran zu finden. Einer der Verdächtigen, ein Metallarbeiter bei Electrostal, schaffte das Uran in einer gewöhnlichen, mit Äpfeln vollgepackten Einkaufstüte aus der Anlage; dies war möglich geworden, weil die Überwachungsmonitore am Eingangstor ausgefallen waren und in der Folge auch der Alarm ausblieb.
Electrostal
(1995)
Plutonium
(Pellet)
Im Jänner 1995 verschwand ein einzelnes Plutonium-Pellet aus der Electrostal-Anlage. Der Zwischenfall wurde allerdings offiziell nicht bestätigt.
Electrostal
(05/1995)
11 kg LEU
(3,6%)
Die russische Polizei und weitere Sicherheitskräfte verhafteten den Chefingenieur von "Mobrez", einer russischen Firma, und einen Maschinisten der "Technische Anlagen"-AG auf dem Electrostal-Brennstoffmontagewerk, nachdem diese 11 kg niedrig angereichertes Uran (das zuvor in einem Brennstab eingesetzt gewesen war) gestohlen hatten.
Ulba
(12/1995)

149,8 kg LEU
(3,3%)

Am 7. Dezember 1995 stoppte der kasachische Geheimdienst zwei Einheimische aus Ust-Kamenogorsk bei ihrer Absicht, 4,1 kg niedrig angereichertes Uran zu Käufern nach Rußland zu transportieren. Im Zuge der anschließenden Ermittlungen wurden außerdem 145,7 kg zusätzliches LEU im Besitz der beiden Männer aufgefunden.
Electrostal
(vor 05/2000)
3,7 kg HEU
(21%)
Im Mai 2000 wurde ein Mitarbeiter bei Electrostal beim versuchten Verkauf von 3,7 kg HEU aufgegriffen. Der Vorfall war von Gosatomnadzor, der russischen Atomkontrollbehörde, gemeldet worden. Dabei wurden neben Electrostal auch das Bochvar Institut (VNIINM) und die Firma Politech (Rußland) als mögliche Ursprungsorte des Materials genannt.

 

Tabelle 2:

Diebstahl und Schmuggel nuklearer Substanzen im Zusammenhang
mit Forschungsreaktoren und Wissenschaftszentren

Ort und Zeitpunkt
der Tat

Substanz Herkunft des Materials

Beschreibung des Vorfalls

Podolsk / Rußland
(5/92 - 9/92)
1,5 kg HEU
(90%)
Luch Forschungsgesellschaft
(Podolsk / Rußland)
Während eines Einsatzes, der nicht im Zusammenhang mit Uranschmuggel stand, verhaftete die russische Polizei im Oktober 1992 einen Mann im Bahnhof von Podolsk, der im Besitz von HEU gewesen war.
Vilnius / Litauen
(Anfang 1992)
100 g HEU
(50%)
Institut für Physik und Starkstromtechnik
(Obninsk / Rußland)
Im Tresorraum einer Bank in Vilnius wurden im Mai 1993 etwa 100 Gramm HEU entdeckt. Das Uran war dabei in Teilen einer Frachtsendung von insgesamt vier Tonnen Beryllium versteckt worden.
Tengen / BRD
(vor 05/1994)
6 g Pu-239 Unbestätigt (möglicherweise Arzamas-16 / Rußland) Im Zuge einer Hausdurchsuchung, die eigentlich wegen des Verdachts auf Geldfälscherei durchgeführt worden war, entdeckten Sicherheitskräfte im Mai 1994 ein Versteck in der Wohnung des Verdächtigen; darin befand sich eine geringe Menge Plutonium 239.
Landshut / BRD
(vor 06/1994)
800 mg HEU
(87,7%)
Unbestätigt
(wahrscheinlich
Obninsk / Rußland)
Verdeckt agierenden Beamten der bayrischen Polizei wurde im Mai 1994 eine Probe hoch angereicherten Urans angeboten, das vermutlich aus Rußland in die BRD geschmuggelt worden war.
München / BRD
(vor 08/1994)
363 g PU-239 Unbestätigt
(wahrscheinlich
Obninsk / Rußland)
Am Münchner Flughafen entdeckten deutsche Geheimdienstmitarbeiter im August 1994 363 g Plutonium 239, das zuvor mit einer aus Moskau kommenden Lufthansamaschine ins Land gebracht worden war.
Prag / Tschechien
(vor 12/1994)
2,7 kg HEU
(87,7%)
Unbestätigt
(wahrscheinlich
Obninsk / Rußland)
Nachdem die Prager Polizei einen entsprechenden Hinweis erhalten hatte, konnten am 14. Dezember 1994 zwei Kanister mit hoch angereichertem Uran sichergestellt werden. Das HEU war identisch mit dem in Landshut gefundenen und war in einem Auto nahe eines Restaurants deponiert worden. Darüber hinaus wurden zwei weitere HEU-Proben mit demselben Anreicherungsgrad (und mutmaßlich aus derselben Quelle stammend) im Juni 1995 innerhalb Tschechiens (Prag bzw. Budweis) aufgefunden.
Sukhumi / Georgien
(1992 - 1997)
rund 2 kg HEU
(90%)
I.N. Vekua Institut für Physik und Technologie
(Sukhumi / Georgien)
Aus dem Sukhumi Institut für Physik und Technologie verschwanden annähernd 2 kg an 90%igem HEU während des Bürgerkrieges zwischen Abchasien und Georgien von 1992 bis 1997.
Rom / Italien
(02/1998)
Brennstab
(190 g LEU; 19,9%)
TRIGA II Forschungsreaktor
(Kinshasa / Kongo)
Im Februar 1998 wurde ein im Besitz der italienischen Mafia befindlicher Uranbrennstab (Anreicherungsgrad 19,9%) entdeckt, der zuvor aus dem Kinshasa Forschungsreaktor im Kongo gestohlen worden war.
Chelyabinsk Oblast / Rußland (1998) 18,5 kg HEU
(Anreicherungsgrad unbekannt)
Unbekannt
(möglicherweise Mayak Produktionsgemeinschaft, Chelyabinsk-70 oder Zlatoust-36 / Rußland)
Der russische Geheimdienst berichtete im Dezember 1998 über einen vereitelten Versuch von Arbeitern der Nuklearanlage in Chelyabinsk Oblast, 18,5 kg Uran aus der Einrichtung zu schmuggeln. Ein Sprecher von Minatom bestätigte, daß es sich bei dem Material um HEU handelte.
Karlsruhe / BRD
(2001)
Pu Atomzentrum Karlsruhe
(Karlsruhe / BRD)
Ein Angestellter der früheren Wiederaufbereitungsanlage in Karlsruhe wurde im Juli 2001 festgenommen, weil er ein Glasröhrchen mit radioaktiver Flüssigkeit gestohlen hatte. Der Inhalt des Röhrchens bestand aus Spuren von Plutonium, Americium und Cäsium.

Quelle: DSTO. Detailliertere Informationen über die hier angezeigten Zwischenfälle sind in der NIS-Datenbank des Monterey Instituts für Internationale Studien aufgelistet (NIS steht für "Newly Independent States Nuclear Trafficking Database"). Website: http://www.nti.org/db/nistraff/index.html

 

Tabelle 3:

Tatsächliche oder geplante Anschläge auf nukleare Einrichtungen

Ort und Zeitpunkt der Tat

Beschreibung des Vorfalls

Lyon / Frankreich
(01/1982)
Beim Abschuß von fünf panzerbrechenden Raketen auf den Creys-Malville Superphoenix Reaktor bei Lyon entstand – abgesehen von der äußeren Sicherheitsmauer – kein besonders großer Schaden, da sich der Reaktor zu dieser Zeit noch im Bau befand. Die Verantwortung für den Anschlag übernahm das "Pazifistische und Ökologische Komittee". (1)
Three Mile Island / USA
(02/1993)
Kurz vor dem Angriff auf das World Trade Center im Jahr 1993 wurde das Three Mile Island Kraftwerk in Alarmzustand versetzt, nachdem Terroristen – nur knapp 50 Kilometer vom KKW entfernt – den nächtlichen Überfall auf ein elektrisches Kleinkraftwerk geprobt hatten. Vier Tage nach der Bombenexplosion 1993 im World Trade Center richtete sich die terroristische "Befreiungsfront fünftes Batallion" in einem Brief an die New York Times, in dem angedroht wurde, auch nukleare Zielobjekte mit 150 Selbstmordattentätern anzugreifen. (2)
KKW Balakovo bei Saratov / Rußland (Herbst 1996) Die russische Atomkontrollbehörde Gosatomnadzor erhielt die Warnung, daß eine Gruppe bewaffneter Tschetschenen sich auf das Balakovo Kernkraftwerk – eine Anlage mit vier WWER-1000 Druckwasserreaktoren in der Nähe von Saratov (Rußland) – zubewegen würde. Obwohl anschließend eine tschetschenische Gruppe aufgefunden wurde, die sich entlang der Wolga bewegt hatte, war die Bestätigung für einen tatsächlich geplanten Anschlag nicht möglich, da die Tschetschenen ihren Vormarsch schon weit vor Balakovo gestoppt hatten. (3)
KKW Kursk / Rußland
(Frühjahr 1997)
Fünf Männer wurden verhaftet, nachdem sie bis auf das Reaktorgelände in Kursk (das KKW selbst besteht aus vier RBMK-1000 Reaktoren) vorgedrungen waren. Die Verdächtigen gelangten bis zum Elektrizitätsgenerator der Anlage und hatten nachweislich geplant, zunächst die Schaltzentrale unter ihre Kontrolle zu bringen und anschließend den Reaktor außer Betrieb zu setzen. (4)
Saratov Oblast / Rußland
(vor dem Sommer 1999)
In einem Gerichtsverfahren vom Sommer 1999 erfuhr die Öffentlichkeit von einem 30jährigen Einwohner von Saratov Oblast, der angeklagt wurde, ein Attentat auf den Gouverneur seiner Heimatstadt geplant zu haben; im Zuge der vorhergehenden Ermittlungen war die Polizei bei dem Mann außerdem auf detaillierte Pläne gestoßen, die die Besetzung einer Nuklearanlage zum Inhalt hatten. (5)
Crystal River Plant / USA
(12/1999)
Im Sommer 2000 war ein Mann zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden, der im Dezember 1999 einen Anschlag auf die Elektrizitätsleitungen zum Crystal River Kraftwerk in Florida beabsichtigt hatte. Das Vorhaben war allerdings nachgewiesenermaßen nie über das Planungsstadium hinausgekommen; außerdem bestand nicht die Absicht, das Kraftwerk direkt anzugreifen. (6)

(1) Gavin Cameron: "Nuclear Terrorism...".
(2) "Terroristen üben in der Nähe von Three Mile Island", siehe dazu auch die Website der Aktionsgemeinschaft "Three Mile Island Alert": http://www.tmia.com/threat.html

(3) William C. Potter: "Less Well-Known Cases of Nuclear Terrorism and Nuclear Diversion in the Former Soviet Union", Center for Nonproliferation Studies, August 1997; in der NIS-Datenbank: http://www.nti.org/db/nisprofs/over/nuccases.htm
(4) Ebenda.
(5) Ivan Safranchuk: "Bud' gotov k yadernomu terrorizmu" [Be Prepared for Nuclear Terror], Itogi, 12. Oktober 1999.
(6) US-Atomregulierungsbehörde, Sicherheitsbericht 2000 (NUREG-0525, Vol.4).

 

Tabelle 4:

Fälle von Nukleardiebstahl aus Kernkraftwerken (1)

Ort und Zeitpunkt der Tat

Substanz

Beschreibung des Vorfalls

Ignalina / Litauen
(08/1992)
Brennstabbündel
(111 kg LEU; 2%)
Ein sieben Meter langes und 270 kg schweres Brennstabbündel (mit 111 kg darin enthaltenem LEU) wurde im August 1992 aus dem KKW Ignalina entwendet. Das Bauteil war dabei an der Unterseite eines Firmenbusses montiert worden und konnte so unbemerkt vom Betriebsgelände transportiert werden. Bei der Untersuchung des Vorfalls stellte sich heraus, daß firmeneigenes Personal und Sicherheitskräfte der Anlage verantwortlich für den Diebstahl gewesen waren. Angeblich sind inzwischen bei mehreren Einsätzen von 1992 bis 2002 rund 80 kg des gestohlenen LEU wieder aufgetaucht.
Tschernobyl / Ukraine
(10/1993)
7,62 kg LEU
(2%)
Aus dem KKW Tschernobyl verschwanden zwei Brennstäbe, welche zuvor aus einem Brennstabbündel herausgetrennt worden waren. Anscheinend konnte ein Teil (1,5 kg) des vermißten Urans im Jänner 2002 bei einem Schmugglerring in Minsk (Weißrußland) sichergestellt werden; ein Mitglied der gefaßten Gruppe war früher im KKW Tschernobyl als Vorarbeiter beschäftigt.
Khmelnitsky / Ukraine
(03/2000)
LEU Das ukrainische Fernsehen berichtete über die Aufdeckung einer Schmuggelbande, die im März 2000 versucht hatte, nukleares Material aus dem KKW Khmelnitsky zu stehlen und anschließend heimlich außer Landes zu schaffen. Im Bericht wurde die Verhaftung einiger Mitglieder der Gruppe erwähnt, jedoch kamen darüber hinaus keine weiteren Details – etwa über den Umfang des Materials oder ob Kraftwerksangestellte an dem Vorhaben beteiligt waren – zur Sprache.
Metzamor / Armenien (2)
(vor 12/2001)
300 g LEU Im Dezember 2001 verhafteten georgische Sicherheitskräfte einen armenischen Staatsbürger im Bezirk Samtskhe-Javakheti, der 300 Gramm LEU bei sich trug. Für die Polizei bestand der dringende Verdacht, daß das sichergestellte Uran aus dem armenischen Metzamor-Kernkraftwerk gestohlen worden war.

(1) Quelle: DSTO
(2) offziell nicht bestätigt

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