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FC Kleinsaming

Von Andreas Freinschlag


       
    Es war einmal ein Fußballklub, der nannte sich – was für eine Idee! - nach dem Dorf, aus dem seine Mitglieder stammten: der FC Kleinsaming. Auswärts glückte ihm zwar kein einziger Sieg, daheim jedoch, im eigenen Stadion, gab es eine regelrechte Flut von Siegen – über deren Umstände freilich gemunkelt wurde, dass sie regelwidrig wären. Denn in jedem Match geschah es zumindest einmal, dass ein unachtsamer Spieler den Ball weit über den Zaun kickte, ins dicht wuchernde Buschwerk oder gar in die Fluten des Flusses, welcher an der Westseite des Stadions vorüberströmte. Wer auch immer sich fand, den Ball zu suchen, der kehrte nie mehr zurück; und all jenen, die ausschwärmten, um den Suchenden zu suchen, erging es nicht anders.

Diese Ereignisse wurden im Volksmund sehr rasch mit Gerüchten angereichert und zu schauerlichen Horrorlegenden ausgebaut, so dass die Zuschauerzahl bald auf null sank, da jeder fürchtete, das nächste Mal selber an der Reihe zu sein, den Ball zu holen.

Dieser und jener Verschollene wurde in den Stand einer Naturgottheit erhoben: man verehrte ihn als Boten des glühenden Sonnengottes Helios, "der am Abend sich ins Meer senkt".

     Trotz der Aussicht auf eine so großartige Glorifizierung waren immer weniger junge Leute bereit, das Amt des Ballmädchens oder Balljungen auszuführen: Wenn sie nicht schon verschwunden waren, meldeten sie sich krank, oder sie erklärten, just an dem betreffenden Spieltag für die Schule zu lernen oder eine Tante besuchen zu müssen. Auch die Schiedsrichter wurden knapp: Der Platzwart vermochte keine mehr aufzutreiben, und bald verabschiedete sich der Platzwart selbst.

In der Folge kam es soweit, dass die Fußballspieler selbst um ihre verschossenen Bälle laufen mussten: Die Kader der Mannschaften schrumpften; und am Feld wagte niemand mehr so recht den Ball zu treten.

Mit der Zeit gaben sich viele Mannschaften kampflos geschlagen und zogen es vor, auf diese Weise lieber ein Spiel als einen Spieler zu verlieren.

Und auch wir halten das für die klügste Lösung.


(aus dem Textprojekt "Schwundgerüchte")

 


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