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Nestroys Jux im Wiener Volkstheater

Michael Schottenbergs "Jux" am Wiener Volkstheater wurde vom Publikum
einhellig bejubelt – eine Sache nicht ohne Witz.
 
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V
on Kristina Werndl
(19. 11. 2007)

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Kristina Werndl
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kristina.werndl [at] gmail.com

ist Redakteurin des
Aurora-Magazins.


 




(c) Lalo Jodlbauer
 

 

 


(c) Lalo Jodlbauer

 


 


(c) Lalo Jodlbauer

 


Linktipp

www.volkstheater.at
 

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Theaterbesprechungen

   Nestroy spielte selbst in seinen Stücken. Und das in einer Zeit, als das Theaterpublikum nicht mit kopflastigen, eine genaue Analyse erfordernden Stücken bei Laune zu halten war. Daher gibt es in seinen Werken, die ihr Grundgerüst meist bestehenden Stücken verdanken (im "Jux" ist das eine englische Farce von 1834), viel Humor, Szenenwitz und Slapstick, auch wenn sie mitunter tief schürfen. Solche theaterpraktischen Elemente im Auge zu behalten ist wichtig, auch wenn man diese Elemente nicht unbedingt inszenieren muss, wie es Martin Kušej in seiner abgedunkelten Interpretation von Nestroys Spätwerk "Höllenangst" gemacht hat.

Michael Schottenberg hat bei seinem "Jux" den traditionellen, scheinbar unmutigen Weg gewählt: Er inszeniert das Stück entlang seiner inneren Verwerfungslinien und gibt – bis auf einige Coupletstrophen – wenig Frischblut hinzu. Allein: Der eine oder andere Charakter wird leicht auf eine Eigenschaft hin fokussiert und ein Zug seines Gemüts etwas an die Sonne gerückt. Am effektvollsten geschieht das beim Krämergehilfen Weinberl, den man gemeinhin mit Josef Meinrad verbindet. Andreas Vitásek gibt ihn überzeugend: energievoll, witzig und bisweilen mit einer herrlichen Distanz zur Rolle.

   Weinberl, der nach seiner Beförderung zum Associe mit dem Lehrbuben Christopherl (überzeugend: Katharina Straßer) in die große Stadt aufbricht, um dort einen draufzumachen, fügt sich nach dieser Abreaktion gerne wieder in die ihm zugedachte Krämerrolle. Denn dieser Jux geht ihm ganz schön ins Geld und beinahe an den Kragen. Am Ende findet er sich mit einer drallen Witwe (Gabriele Schuchter) "beschenkt" und geheilt hinterm Tresen wieder.

Bereits zu Beginn deutet Vitásek an, wohin sich sein Weinberl entwickeln wird: zu einem Spießbürger wie sein Herr Zangler (köstlich: Thomas Kamper) einer ist. In dessen Sessel macht er es sich bequem und träumt von Herrschaft, die aber – wie man seit Hegel weiß – immer auch ein bisschen Knechtschaft bedeutet.

Fast scheint es, als hätte Nestroy mit Christopherl, Weinberl und Zangler eine Stufenleiter der Korruption, des Wegs in das Spießertum gezeichnet; anhand dreier Figuren und Generationen macht Schottenberg da eine innere Entwicklungslinie sichtbar. Infam der Schachzug, das Publikum sich mit dem juxenden Weinberl identifizieren zu lassen, der nach diesem letzten Aufbäumen, das zum künftigen Protzen vor der Handelsmannrunde bestimmt ist, in ein braves bürgerliches Leben einschwenken wird.

   Die Inszenierung besticht durch ein einfaches, funktionelles Bühnenbild (Hans Kudlich) und eine fast geschlossen gute Ensembleleistung, wo Erwin Ebenbauer und Andy Hallwaxx in Nebenrollen überzeugen. Schottenbergs Handschrift ist klar erkennbar: Diesem politischen Theatermacher ist die Lesbarkeit seiner Stücke ein zentrales Anliegen und so wird nichts verschlüsselt, alles ist deutbar; eine Fasanenfeder ist eine Fasanenfeder ist eine Fasanenfeder und diese gehört auf den Spießerhut, der auf dem Kopf des dickbäuchigen Krämers auf Freiersfüßen sitzt. Ein wenig zu lang ist die Inszenierung. Aber wenn am Ende die Diebe, die dabei sind, in den Krämerladen einzubrechen, gefasst werden, dann darf man sich getrost selbst ein wenig ans Kinn fassen und nachsinnen, wie weit der Weg vom Bengel zum Ehrenmann und Spießer ist.

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