Nestroy
spielte selbst in seinen Stücken. Und das in einer Zeit, als das
Theaterpublikum nicht mit kopflastigen, eine genaue Analyse erfordernden
Stücken bei Laune zu halten war. Daher gibt es in seinen Werken, die ihr
Grundgerüst meist bestehenden Stücken verdanken
(im "Jux" ist das eine englische Farce von 1834),
viel Humor, Szenenwitz und Slapstick, auch wenn sie mitunter tief schürfen.
Solche theaterpraktischen Elemente im Auge zu behalten ist wichtig, auch
wenn man diese Elemente nicht unbedingt inszenieren muss, wie es Martin
Kušej in seiner abgedunkelten Interpretation von Nestroys Spätwerk
"Höllenangst" gemacht hat.
Michael Schottenberg hat
bei seinem "Jux" den traditionellen, scheinbar unmutigen Weg gewählt: Er
inszeniert das Stück entlang seiner inneren Verwerfungslinien und gibt – bis
auf einige Coupletstrophen – wenig Frischblut hinzu. Allein: Der eine oder
andere Charakter wird leicht auf eine Eigenschaft hin fokussiert und ein Zug
seines Gemüts etwas an die Sonne gerückt. Am effektvollsten geschieht das
beim Krämergehilfen Weinberl, den man gemeinhin mit Josef Meinrad verbindet.
Andreas Vitásek gibt ihn überzeugend: energievoll, witzig und bisweilen mit
einer herrlichen Distanz zur Rolle.
Weinberl,
der nach seiner Beförderung zum Associe mit dem Lehrbuben Christopherl
(überzeugend: Katharina Straßer) in die große Stadt aufbricht, um dort einen
draufzumachen, fügt sich nach dieser Abreaktion gerne wieder in die ihm
zugedachte Krämerrolle. Denn dieser Jux geht ihm ganz schön ins Geld
–
und beinahe an den Kragen. Am Ende findet er sich mit einer drallen Witwe
(Gabriele Schuchter) "beschenkt" und geheilt hinterm Tresen wieder.
Bereits zu Beginn deutet
Vitásek an, wohin sich sein Weinberl entwickeln wird: zu einem Spießbürger
wie sein Herr Zangler (köstlich: Thomas Kamper) einer ist. In dessen Sessel macht er
es sich bequem und träumt von Herrschaft, die
aber – wie man seit Hegel weiß – immer auch ein bisschen Knechtschaft
bedeutet.
Fast scheint es, als hätte
Nestroy mit Christopherl, Weinberl und Zangler eine Stufenleiter der
Korruption, des Wegs in das Spießertum gezeichnet; anhand dreier Figuren und
Generationen macht Schottenberg da eine innere Entwicklungslinie sichtbar.
Infam der Schachzug, das Publikum sich mit dem juxenden Weinberl
identifizieren zu lassen, der nach diesem letzten Aufbäumen, das zum
künftigen Protzen vor der Handelsmannrunde bestimmt ist, in ein braves
bürgerliches Leben einschwenken wird.
Die
Inszenierung besticht durch ein einfaches, funktionelles Bühnenbild (Hans
Kudlich) und eine fast geschlossen gute Ensembleleistung, wo Erwin Ebenbauer
und Andy Hallwaxx in Nebenrollen überzeugen. Schottenbergs Handschrift ist
klar erkennbar: Diesem politischen Theatermacher ist die Lesbarkeit seiner
Stücke ein zentrales Anliegen und so wird nichts verschlüsselt, alles ist
deutbar; eine Fasanenfeder ist eine Fasanenfeder ist eine Fasanenfeder und
diese gehört auf den Spießerhut, der auf dem Kopf des dickbäuchigen Krämers
auf Freiersfüßen sitzt. Ein wenig zu lang ist die Inszenierung. Aber wenn
am Ende die Diebe, die dabei sind, in den Krämerladen einzubrechen, gefasst
werden, dann darf man sich getrost selbst ein wenig ans Kinn fassen und
nachsinnen, wie weit der Weg vom Bengel zum Ehrenmann und Spießer ist. |