"Merhaba" – das ist türkisch für
"Hallo". Welcher
Österreicher kennt diesen Gruß? Noch immer allzu wenige; ein untrügliches
Zeichen für das ausbleibende Interesse und die fehlende Kommunikation
zwischen der einheimischen Bevölkerung und den in Österreich lebenden
Türken. Letztere belegen mit rund 115.000 Menschen nach
Serben/Montenegrinern und Deutschen immerhin Platz 3 unter den Ausländern in
Österreich.
Solche und ähnliche Überlegungen zur (fehlenden)
Mehrsprachigkeit kommen einem zwangsläufig beim Betrachten von Peter
Waldenbergers Film "Peace Kicking Mission" in den Sinn, der im UN- und
nunmehr EU-Protektorat Kosovo gedreht wurde. Selbst wenn die Ursachen der
Sprachlosigkeit in Österreich und Kosovo historisch anders gelagert sind.
Die Peace Kicking Mission will, liest man auf der Website der Produzenten
name*it, den gefilmten Beweis antreten, dass "sprachliche und kulturelle
Barrieren über das gemeinsame Fußballspiel schnell ausgeräumt werden oder
gar nicht existieren."
Zu diesem Zweck reisen österreichische Amateurfußballer plus Reporter durch
den Kosovo und rekrutieren albanische und serbische Hobbyfußballer für ein
multiethnisches Fußballturnier in der Hauptstadt Prishtina. Die Kamera filmt
die Österreicher auf ihrem Streifzug durch das jüngste Land Europas, wo rund
90 % Albaner und 5 % Serben auf engstem Raum zusammenleben – und doch
meilenweit voneinander entfernt.
Wie anderswo in Europa ist unter der jungen Bevölkerung
die verbreitetste Fremdsprache Englisch. Aber auch Deutsch ist allerorts und
im Film zu hören. Der Kosovo – der ja sprichwörtlich für Rückständigkeit und
Korruption steht und vielen als etwas Entlegenes, Fremdes gilt – ist eben
mitten unter uns: schätzungsweise 30.000 Kosovo-Albaner leben aktuell in der
Alpenrepublik. Vor allem während des Milosevic-Regimes bzw. der
Kriegshandlungen im Kosovo Ende der 1990er Jahre flüchteten sie nach
Deutschland, Österreich oder in die Schweiz. Albanische Kinder sind hier
groß geworden, bevor sie – wie es Arigona Zogai bevorstehen könnte – in ein
Ihnen kulturell und nicht selten auch sprachlich entfremdetes Land
zurückkehrten oder abgeschoben wurden. Diese "Neokosovaren" sprechen die
komplexe Landessprache mit ihren etwa 100 Pluralklassen oft fehlerhafter
noch als die angestammte Bevölkerung.
Ernsthaft problematisch wird es freilich abseits
sprachlicher Feinheiten; da, wo die Kommunikation gänzlich fehlt. Die Rede
ist von der Koexistenz der Albaner und Serben. Bezeichnenderweise sind der
Hass und die Distanz da am geringsten, wo man traditionell eng zusammenlebt
und wirtschaftlich verwoben ist: in Städten wie Prizren und Peja zum
Beispiel. Diesen Umstand streift im Film ein junger serbischer Bauer, der
Seite an Seite mit albanischen Bauern lebt. Mit dem albanischen Übersetzer
des Österreicher-Teams allerdings redet er serbisch. Versteht er kein
Albanisch? Will er es nicht verstehen? Immerhin sprechen seine Nachbarn
diese Sprache. Hier hätte man sich als Zuseher – wie an anderen Stellen des
Filmes – ein forciertes Nachhaken und Hinterfragen gewünscht, das
potenzielle Risse einer scheinbar intakten bzw. funktionsfähigen Oberfläche
sichtbar macht.
Sprachpolitik ist ein hochinteressantes Diskussions-
und Betätigungsfeld, aus dem sich vieles über die Geschichte eines Landes
und seine Erinnerungskultur lernen lässt. Ein dezenter Hinweis auf den
Ortstafelstreit im Kärnten Jörg Haiders sei erlaubt, denn schließlich
hat der Wahnwitz auch im engsten geografischen Umfeld seinen festen
Wohnsitz. 900 Kilometer oder 13 Autostunden von Wien entfernt, im
Kosovo, weigern sich des Albanischen kundige Serben in dieser Sprache zu
kommunizieren. Umgekehrt gilt dasselbe; die Gründe sind zum Teil durchaus
nachvollziehbar:
Unter
Milosevic war die albanische Mehrheit im Kosovo gezwungen, auf Ämtern
serbisch zu reden, sie erlebte die Schließung albanischer Schulen und
Ausbildungsstätten, Repression und Terror. Heute sprechen die
kosovo-albanischen Teens und Twens nur noch selten Serbisch; man lebt – und
das gilt für die beiden Gruppen im ganzen Land – gewaltfrei, aber separiert
nebeneinander. Ununterbrochen die Gemüter erregt die Etablierung des
Serbischen als zweite offizielle Amtssprache – ein Zugeständnis der
Regierung von Hashim Thaçi an den Westen ganz auf der Linie des
multiethnischen Ahtissari-Plans. Ebenso abgelehnt wird die bei der
Unabhängigkeitserklärung im Februar 2008 eingeführte Landesflagge mit ihren
sechs weißen Sternen vor blauem Hintergrund – ein Stern pro Minderheit. Sie
weht bislang nur auf offiziellen Gebäuden, immer an Seite der ungleich
populäreren roten albanischen Adlerflagge.
Qualifizierte Informationen über Land und Leute hätten
dem Film Peace Kicking Mission gut getan und dem mit der komplexen Thematik
in der Regel wenig vertrauten westlichen Betrachter einen echten Mehrwert
verschafft. Anerkannte Expertinnen wie die im Kosovo tätige Tiroler
Historikerin Verena Ringler hätten zum Beispiel auf einer Meta-Ebene
Hintergrundinformation zu den gezeigten Bildern und Interviews vermitteln
können. Dem Einwand, keine Expertise sei objektiv, ließe sich dabei leicht
begegnen: auch die Auswahl der Filmszenen ist schließlich nicht neutral und
immer (unbewusst) lenkend.
Das zeigt sich eindrucksvoll an einer an sich harmlosen
Filmszene: Da spielen Kinder auf einem mistdurchwachsenen Feld zwischen
weidenden Kühen. Dieses "Idyll" ist mit einer flotten schrägen Musik
unterlegt. Man möchte gleich mitwippen. Aber dieses Bild vom fröhlichen
Hinterwäldlertum, das einem da suggeriert wird, ist doch problematisch.
Ebenso jene Einstellungen in diesem insgesamt bewusst amateurhaft gestalteten
Film, wo Kinder traubenförmig die Kamera umringen – man denkt notgedrungen
an jene Fernsehbilder von afrikanischen Kindern mit Hungerbäuchen und
heraustretenden
Augen. Eine Fährte, die nicht aufgegriffen wird.
Die
Journalisten Peter Waldenberger, Monika Kalcsics, Clemens Foschi, Thomas
Haunschmid und Christian Lerch befremden ein wenig; zu wenig eingearbeitet
in Gegenwart und Geschichte des Kosovo, schlicht zu naiv scheinen sie im
Film.
Diese Naivität als
Trumpf zu sehen und sich so "gewappnet" auf vermintes Gebiet zu begeben, war
die erklärte Vorgehensweise der Peace Kicking Mission. Allerdings wäre bei
dieser problematischen Strategie eine Sache unbedingt stärker zu beachten
gewesen: bei den Gesprächen vom Bauarbeiter bis zum Lokalpolitiker mehr
journalistischen Eifer und Hinterfragungswillen an den Tag zu legen. Denn
die verbale Übereinstimmung, dass Fußball die Menschen näher bringt, ist
schnell erzielt, diese "Weisheit" ist geradezu trivial. Ob sie eine Auswirkung auf
den konkreten Alltag hat bzw. wie das zu erreichen wäre, ist die Frage der
Stunde. Im Film äußert sich ein Teilnehmer des Turniers auf die Erkundigung, ob im
Zubringerbus politisiert worden sei, sinngemäß: Fußball ist Fußball, und
Politik ist Politik. Fußball ist kein Kommunikator. Oder nur am Rasen. Das
politische Feld kennt andere Spielregeln. So beweist der Film letztlich nur
eine Prämisse, die nicht wirklich in Zweifel stand: Fußball bringt die Leut‘
z’samm. Das ist als Ergebnis etwas dünn, wenn man von Zuschauerseite
argumentiert. Von Seiten der Organisatoren und Turnierteilnehmer gedacht ist
es ein Gewinn.
Schön, dass die Aktivitäten der Peace
Kicking Mission vor Ort fortgesetzt werden sollen und dass der Film einen
recht unbekannten Fleck Land an der Peripherie Europas ins Zentrum der
Aufmerksamkeit rückt – über die Euro 2008 hinaus, in deren Vorfeld die Peace
Kicking Mission losgetreten wurde.
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