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"Wie sich der Kolac
dreht, soll sich all das Schlechte ins Gute drehen und wandeln"
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Von Irina Wolf |
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Was aber ist ein Kolac? Diese Frage stellt sich auch Tanja (Ivana Nikolić), die jüngste der drei Töchter, die zusammen mit ihrer Mutter Jelena vor gut dreißig Jahren Serbien für Österreich verlassen haben. In ihrer neuen Heimat hielt Jelena ihre Identität als Romni geheim, um "überleben zu können, ohne vom Stehlen beschuldigt zu sein". Zu ihrer Familie in Serbien hatte sie kaum noch Kontakt. Umso verwunderlicher ist es, dass sie nach drei Jahrzehnten aufbricht, um in Boljevac noch einmal den Bibijako Djive zu feiern. Es sollte ihr letztes Fest sein, denn anschließend stirbt sie. Somit treffen die drei Töchter Snežana (Sandra Selimović), Melisa (Simonida Selimović) und Tanja in Serbien ein, um ihre Mutter zu beerdigen. So weit die Ausgangslage. In den eineinhalb Stunden Spielzeit tauchen zahlreiche Familienkonflikte auf. Charaktere und Ansichten prallen aufeinander. "Bibi Sara Kali" wechselt stetig zwischen Tragik und Komik, zwischen schmerzhaften Erinnerungen an Diskriminierungen in den Kindheitstagen vor der Migration und an die schwierige erste Zeit in Wien, erzählt von Identitätsverlust, Rassismus und Nationalismus. Der in Boljevac lebende Cousin Marcos ist besessen von der Vorstellung einer besseren Zukunft in der EU. Er sorgt für Serbiens Beitritt vor, indem er sein Landstück fortwährend erweitert und hofft auf eine Wertsteigerung, wenn es dann "EU-Boden" sein wird... Wenn es hart auf hart kommt, scheut er nicht davor zurück, seinen Besitz mit dem Gewehr zu verteidigen. Mit viel Humor beschreiben Simonida Selimović und Ibrahim Amir, welche Regeln während der Vorbereitungen für die Beerdigung zu befolgen sind. Dass die drei Schwestern mit unzähligen unbekannten Traditionen und Ritualen konfrontiert werden, ist nicht verwunderlich. Unter anderem weiht sie Tante Dragoslave ein, dass die Zahl der am Leichenschmaus Beteiligten eine ungerade sein soll – ein Gesetz, das man einfach so hinnehmen muss. Snežanas Ehemann Taiye wäre einer zu viel. Sukzessive machen die einander seit Jahren entfremdeten Geschwister unerwartete Entdeckungen über die Vergangenheit der Mutter, aber auch über sich selbst. Vor allem dann, wenn auf Jelenas letzten Wunsch hin Melisa das Zubereiten des Kolac übernehmen soll. Um die Tradition des Festtags der Bibi Sara Kali zu erhalten, wird das Backen des speziellen Brotes immer von jemandem anderen ausgerichtet. Dass dies der mittleren Schwester zugesprochen wird, kommt bei der ältesten Tochter Snežana überhaupt nicht gut an. Eifersüchtig fühlt sie sich von der Mutter im Stich gelassen. "113 Kartoffeln, 5 kg Zwiebeln und 137 Knoblauchzehen schälen", sollen ihr Anteil an der Vorbereitung des Leichenschmauses sein. Denn in Serbien feiert man ausgelassener. Am Ende führen Simonida Selimovićs Recherchen zu der hinduistischen Göttin Kali, einer Figur, die auf die Schattenseiten verweist, gilt sie doch als Göttin des Todes und der Zerstörung, aber auch der Erneuerung. Bei
Regisseurin Nina Kusturica setzt die Handlung am Busbahnhof in Wien Erdberg
ein. Doch dann wechselt die Kamera (Marie Zahir) von der realitätsbezogenen
Anschaulichkeit in den Theaterraum des Werk X-Petersplatzes.
Halbdurchsichtige Vorhänge verleihen dem Ambiente einen heimeligen und
behaglichen Charme. Außerdem erlauben sie Corona-konforme Berührungen oder
lassen sich leicht in ein Kopftuch verwandeln. Die vom
rumänisch-österreichischen Pianisten Adrian Coriolan Gaspar komponierte
Musik unterstreicht die Stimmung eines jeden Moments wundervoll; die subtil
eingesetzte Beleuchtung erzeugt eine mysteriöse Atmosphäre. Auf grandiose
Film- und Theatereffekte wird verzichtet. Obgleich wichtige sozialpoltische
Themen angesprochen werden, wirkt das Ganze verspielt charmant und poetisch
raffiniert verpackt. "Bibi Sara Kali" besticht durch präzise Darsteller,
einen klugen Text und eine bemerkenswerte Umsetzung. |