Disco Regret
Ein
attraktiver Titel, gleichzeitig ein sehr guter Text eines relativ neuen
Autors, 2021 Gewinner des vom freien Theater "Reactor" in Klausenburg
organisierten Schreibwettbewerbs "Drama 5". Die Handlung wird von einem
jungen Regisseur in Gang gesetzt. Geschieden, deprimiert und pleite, sieht
sich dieser gezwungen, in das Haus seiner Eltern in eine Kleinstadt
zurückzukehren. Um die Zeit totzuschlagen, schlägt er ein Familienprojekt
vor: einen Dokumentarfilm über die langjährige und scheinbar funktionierende
Ehe seiner Eltern. Doch unter die Lupe genommen wirkt ihre Beziehung sehr
fragil. "Das Erstaunlichste an Doru Vătavuluis Stück ist die Fähigkeit, den
Zuschauer in die Lage zu versetzen, sich seine eigenen Eltern als Menschen
vorzustellen, die Fehler machen – nicht aus Dummheit oder Bosheit, sondern
weil sie Entscheidungen treffen müssen", sagt Regisseurin Irisz Kovacs.
Im
Amphitheater-Saal des Metropolis-Theaters, der recht in die Breite geht,
spielt das Bühnenbild eine tragende Rolle für den Erfolg der Inszenierung:
Zwei durch einen transparenten Vorhang getrennte Räume bieten jedem
Zuschauer, unabhängig von der Sitzverteilung, eine einzigartige Perspektive,
dem Geschehen in beiden Zimmern gleichzeitig zuzusehen. Die als intimer
Ausflug in die 90er-Jahre konzipierte Show zieht Parallelen zwischen der
Gegenwart und der Vergangenheit. Disco Regret ist ein gelungener
Rückblick auf das Heranreifen von Beziehungen.
Probe für eine
bessere Welt
Über
Beziehungen einer besonderen Art spricht auch Probe für eine bessere Welt.
Der 2022 vom bekannten Satire-Journalisten Mihai Radu veröffentlichte Roman
ist das Werk "einer auf moralischer, politischer, ökologischer und
zivilisatorischer Ebene spürbaren Krise" – wie der Autor in einem Interview
erklärte. Die Geschichte über eine rumänische Familie spielt im heutigen
Bukarest, ist dennoch prägend für die gesamte westliche Zivilisation. Im
Zentrum steht der Protagonist Paul, ein zynischer, desillusionierter Mann
mittleren Alters ohne nennenswerte soziale Beziehungen, den das
bevorstehende Ende seines Vaters nicht besonders traurig zu machen scheint.
Nach mehrmaligen erfolglosen Versuchen bringt er seinen im Sterben liegenden
Vater aus dem Pflegeheim nach Hause. Seine Ex-Frau fleht ihn an, ihren
Welpen zurückzuholen, der von ihrem jetzigen Lebenspartner als Geisel
genommen wurde, und über all dem liegt der Schatten eines alten
Geheimnisses. "Es ist eine Geschichte über zahlreiche Trennungen: zwischen
Ehepartnern, Liebhabern, Eltern und Kindern, zwischen den Generationen,
Trennung von der Vergangenheit, von Hoffnungen, sogar von der Zukunft", sagt
Autor Mihai Radu, der zusammen mit Ionuţ
Sociu für die Dramatisierung verantwortlich zeichnet.
Dem arrivierten
Regisseur Radu Afrim schien diese Geschichte auf den Leib geschneidert zu
sein. Er entdeckte darin ein großes poetisches Potenzial und schuf einen
faszinierenden Bilderreigen, zu dem das von Irina Moscu entworfene
Bühnenbild maßgeblich beiträgt: Auf der riesigen Hauptbühne des
Nationaltheaters Bukarest werden auf beeindruckende Weise Lebensfragmente
wortwörtlich an einer Schnur gezogen oder auf eine außerordentlich große
Leinwand projiziert. Die Inszenierung entpuppt sich als turbulente Reise,
die durchaus Humor beweist. Probe für eine bessere Welt ist eine
Produktion, die alle Sinne anspricht.
Göttinnen der
Kategorie B
Die
neue Creart/Teatrelli-Produktion vom Typ Performance-Labor basiert auf einer
Idee des jungen geschätzten Regisseurs Andrei Măjeri. Alexandra Felseghis
Stück zielt darauf ab, Schauspielerinnen aus drei Städten und drei
verschiedenen rumänischen Theatern auf die gleiche Bühne zu bringen und sie
zu würdigen: Elena Ivanca (vom Nationaltheater "Lucian Blaga" Klausenburg),
Ioana Dragoş
Gajdó (vom Theater "Regina Maria" Großwardein) und Silvia Luca (vom Theater
"Mihai Eminescu" Botoşani).
Denn eigentlich gehören diese außerhalb der lokalen Städte wenig bekannten
Schauspielerinnen zur "Kategorie A".
Die halb-autobiografische
Performance konzentriert sich hauptsächlich auf die Härte des Theatersystems
und auf die nervenaufreibenden Gegebenheiten in der Karriere der drei
Schauspielerinnen, die zu bedeutenden Wendungen geführt haben. Geschickt
pendelt Măjeris Inszenierung zwischen Realismus und Fiktion, zwischen dem
öffentlichen Leben und den prägenden privaten Erlebnissen der drei
Künstlerinnen – ein Trio, das mit großartigem Schauspiel und Präzision den
Geschichten ein Gesicht gibt. Starke Emotionen werden hervorgerufen, gepaart
mit Ironie und Sarkasmus. Göttinnen der Kategorie B schafft es
spielerisch und zugleich tiefgreifend, das Publikum für Diskriminierungen
und Vorurteile jeglicher Art zu sensibilisieren.
Wir hatten
einen Kirschgarten
Einerseits
Tschechows Stück "Der Kirschgarten", adaptiert von Regisseur Eugen
Jebeleanu. Andererseits ein brandneuer Text, geschrieben von Yann Verburgh,
der in Rumänien im letzten Jahrzehnt des vorherigen Jahrhunderts spielt.
Acht Charaktere aus Tschechows Stück stehen in Wir hatten einen
Kirschgarten
sechs Charakteren aus der zeitgenössischen Fiktion gegenüber. Für Jebeleanu
– einer der am meisten geschätzten jungen Theater- und Filmregisseure in
Rumänien und in Frankreich – ist das nicht die erste Adaption eines Stücks
von Tschechow. Yann Verburghs moderne Geschichte über die Restitution
enteigneter rumänischer
Immobilien kommuniziert auf charmante und kluge Weise
mit Tschechows gesellschaftskritischer Komödie.
Zwei Charaktere dürfen
zwischen den beiden Welten navigieren; es gibt klarerweise auch ein
Bindeglied zwischen den Texten. Ein spannender Plot mit vielen Wendungen!
Mit klugem Geschick und genauem Empfinden für Stimmungen wechselt
Jebeleanus Inszenierung im Odeon-Theater zwischen den Geschichten hin und
her, die jede für sich alleine überzeugt und doch gerade im Zusammenspiel
besonders stark erscheint.
Die Musik von Remi Billardon trägt zur
konzentrierten Stimmung bei. Bekannt dafür, Grenzen zu verwischen, erkundet
Eugen Jebeleanu auch in Wir hatten einen Kirschgarten das Innere
einer Figur anhand eines Künstlers oder einer Künstlerin, die einer anderen
Generation oder einem anderen Genre angehört: (Junge) Schauspielerinnen
spielen (ältere) Männer bzw. Schauspieler übernehmen Frauenrollen. Darin
liegt eine der Stärken der Inszenierung.