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Die 29. Ausgabe des Rumänischen Nationaltheaterfestivals, welche
vom 18.
Von Irina Wolf |
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Eine lockere Aufzählung von Beobachtungen gestattet bereits tiefe Einblicke in die Vielfältigkeit des von der künstlerischen Leiterin Marina Constantinescu sorgfältig zusammengestellten Programms. Aus diesem soll auch deutlich werden, wie wichtig es ist, in der heutigen Welt ein Zeichen für Menschlichkeit und Gemeinschaft zu setzen. Erstens Rumänien bedeutet viel mehr als Theater in rumänischer Sprache. Dreißig rumänische, neun ungarische, eine jüdische, eine deutsche und eine mehrsprachige Produktion waren der beste Beweis für ein multikulturelles Land. Die Anwesenheit von Theatern aus Gheorgheni, Odorheiul Secuiesc oder Satu Mare, die in der Hauptstadt nur selten zu Gast sind, erwies sich als echter Gewinn für das Publikum. Das für seine experimentellen Kreationen bekannte ungarische Figura-Stúdió-Theater aus Gheorgheni präsentierte eine zeitgenössische Version von Tschechows "Drei Schwestern". Regisseur István Albu schaffte es, eine entzückende Wanderinszenierung durch vier Räume des riesigen Nationaltheatergebäudes vorzugeben, ohne den Originaltext zu ändern. Der Abend beginnt im Foyer des Erdgeschosses, durchzieht zwei Säle und endet zu guter Letzt im Freien, auf dem Dach. Doch das sind nicht die einzigen Spezifika dieser originellen Produktion. Durch die Türen der Eingangshalle treten Natascha und Werschinin direkt von der Straße kommend in das Theater ein. Während die eine mit einem gelben Taxi ankommt, steigt der andere von einem wunderschönen weißen Pferd. Diese und weitere geistreiche Ideen, wie ein aus Spielzeugmodellen nachgebautes Moskauer Miniatur-Bühnenbild, oder Hauswände, die sich wie eine verbrannte Haut schälen, wurden von Albus Regie geboten. Zweitens Starke visuelle Bilder setzte auch Andrei Măjeri in seiner Bühnenumsetzung eines Stücks des mexikanischen Autors Ernesto Anaya ein. "Las Meninas" erzählt die Entstehung von Velázquez' berühmtem Gemälde. Dem jungen Regisseur gelingt es, eine realitätsnahe Abbildung einer egozentrischen, von Ruhm besessenen Monarchie, zu rekonstruieren. Das wandelbare Bühnenbild und die farbenfrohen Kostüme versetzen die Zuschauer direkt an den Hof des spanischen Königs Philipp IV. Starke Soundeffekte und zahlreiche Gesangpassagen ergänzen die originellen Regieeinfälle stimmig. Hervorragend auch die Leistung des Ensembles des Ungarischen Staatstheaters aus Klausenburg. Drittens Eines der mit Spannung erwarteten Ereignisse war "Richard III". Zwei Fassungen, beide in der Regie von Andrei Şerban, wurden im selben Bühnenbild und mit identischen Kostümen, an zwei aufeinanderfolgenden Abenden, jedoch von unterschiedlichen Theatergruppen, gezeigt: vom Bulandra-Theater aus Bukarest und vom Radnóti-Miklós-Theater aus Budapest. Şerban ist bekannt für seine Neugestaltung von Klassikern. So gewinnt Shakespeares Stück in der Zeit von populistischen Führern wie Trump und Orbán an politischer Brisanz. Róbert Alföldi (ehemaliger künstlerischer Leiter des Nationaltheaters Budapest) beziehungsweise Marius Manole begeisterten in der Titelrolle. Die unterschiedlichen schauspielerischen Ansätze schaffen besondere Zugänge zu den Machtverhältnissen in der Gesellschaft und der Welt. Die zweifache Inszenierung erwies sich zugleich als verlockendes Publikumserlebnis und erstklassige Erfahrung für die Künstler.
"Hier ist Radio Freies Europa!" Zwei Stunden lang wurde der berühmte Rundfunkveranstalter, der als die einzige unzensierte Informationsquelle während des Kommunismus galt, während des Nationaltheaterfestivals wiederbelebt. Aus Angst vor Repressalien der berüchtigten Securitate-Geheimpolizei hörten die Menschen heimlich während der Ceauşescu-Diktatur den Sender auf Kurzwelle. Von Radio Freies Europa erfuhren die Bukarester 1989 über die begonnenen Unruhen in der westrumänischen Stadt Temeswar. Die von Marina Constantinescu organisierte Veranstaltung präsentierte sich als Hommage zur Erinnerung an die blutige Dezemberrevolution. Fünftens Das internationale Programm konzentrierte sich auf abwechslungsreiche Tanzdarbietungen, die auch an andere künstlerische Genres angrenzten und neue Ausdrucksformen schafften. "May B", die Produktion der Gruppe "Maguy Marin", entpuppte sich als eine Liebeserklärung an die Menschheit. Inspiriert vom beckettianischen Universum spiegelt die bereits vierzig Jahre alte Performance im Rahmen von szenischer Bewegung die Burleske und das Groteske der Existenz wider: Wesen, die mit einer dicken Kreideschicht bedeckt und in Lumpen gehüllt sind, versuchen über weite Strecken, das Chaos zu bekämpfen. Ein Erlebnis der besonderen Art war auch die Ballettaufführung "Eugen Onegin" aus Sankt Petersburg. In Boris Eifmans Tanzversion von Alexander Puschkins Roman in Versen verschmelzen Elemente des klassischen und des modernen Tanzes. Tschaikowskys Musik wechselt mit Alexander Sitkovetskys Rockbeats in einer mystischen, geheimnisvollen Atmosphäre. Sechstens Auch die inzwischen schon anerkannte rumänische unabhängige Theaterszene war im Programm vertreten. "Die Balladen der Erinnerung" widerspiegelte mehrere Überlebensgeschichten von Frauen in der Phase des Übergangs nach dem Fall der Diktatur. Dabei stand die Lebensgeschichte von Ionela Pop im Fokus, einer 70-jährigen Frau, die zum ersten Mal eine Bühne betrat. Das minimalistische Bühnenbild im intimen Raum des Replika-Bildungstheaterzentrums war mit Radios, Kassetten, Tonbandgeräten und Plattenspielern angefüllt. Geschickt bedienten zwei junge Künstler die Geräte aus einer anderen Epoche, um Audiodateien einer ganzen Generation von Frauen wiederzugeben, deren Träume nach der Revolution nicht in Erfüllung gingen. Mit seinen Archivierungsmechanismen und der Hoffnung, Erinnerungen neu dokumentieren zu können, gerieten die "Balladen der Erinnerung" zu einer poetisch-nostalgischen Reise in die Vergangenheit. Siebtens Nicht ganz so überraschend wurden die Festspiele mit einer der Bühnenbildnerin Doina Levintza gewidmeten Ausstellungsvernissage eröffnet. "2005 habe ich die ersten Veranstaltungen zur Schau von Kostümsammlungen begonnen, etwas, das bis dahin in Rumänien unbekannt war", sagt Festival-Kuratorin Marina Constantinescu. Weitere Ausstellungen präsentierten Werke der Bühnenbildner Dragoş Galgoţiu und Paul Bortnovski. Zusätzlich zu einer Retrospektive von Festivalplakaten erfreuten sich auch Grafiker der Aufmerksamkeit der künstlerischen Leiterin: "Gebrüll 5.0" hieß die Ausstellung des Duos Ciprian Isac und Carla Stefania. Achtens
Nicht
zuletzt durften sich die Zuschauer, anschließend an jede Aufführung, als
spezielles Schmankerl Autogramme ihrer bevorzugten Künstler holen. |