"Schöne
Sachen darfst du machen: sticken, weben, töpfern, aber eine Bildhauerin...".
Dass diese Worte
ausgerechnet von Camille
Claudel stammen, die mit dem
berühmten Auguste Rodin liiert war, ist nicht verwunderlich, galten doch
vor 100 Jahren ganz andere Rollenbilder von Frauen. Wie schwierig es damals
war, die Stellung der Frau zu verändern, bewiesen unter anderem die erste
promovierte Chemikerin Deutschlands, Clara Immerwahr-Haber, die
Schriftstellerin Virginia Woolf und die französische Bildhauerin Camille Claudel. Ihnen
widmet das Grazer Theater Asou das Stück mit dem doppeldeutigen Titel
Wahnsinnsfrauen. Denn die drei waren nicht nur außergewöhnlich begabt,
ihre Eigensinnigkeit sollte sie am Ende auch in den "Wahnsinn"
treiben: Claudel
verbrachte die letzten dreißig Jahre ihres Lebens nahezu vergessen in
psychiatrischen Anstalten, die beiden anderen begingen Selbstmord.
Die von der Regisseurin
Leni Lust konzipierte Inszenierung (sie zeichnet auch für den Text
verantwortlich) ist größtenteils durch Improvisationen der drei
Schauspielerinnen entstanden. Ursula Litschauer, Veronika Mayerböck und
Birgit Unger geben ihrem künstlerischen Potenzial leidenschaftlichen
Ausdruck: Sie tanzen, stellen allgemeine Stereotypen über Frauen
pantomimisch dar und spielen mit überzeugender Glaubwürdigkeit. Unterhaltsam
und gleichzeitig tiefgründig erzählen sie die Lebensgeschichten dieser drei
herausragenden weiblichen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Monologe
werden immer wieder geschickt durch Tanz- und Bewegungsszenen unterbrochen.
So zum Beispiel, wenn Camille Claudel aus Virginia Woolfs Körper eine Statue
"baut".
Dabei
leisten die Kostüme (Barbara Häusl) einen wichtigen Beitrag zur
einzigartigen Atmosphäre der Performance. Auch das wiederkehrende
Grammophon-Geräusch trägt ausschlaggebend zum Flair der vergangenen Epoche
bei. Dass die Regisseurin auch eine musikalische Ausbildung hat, wird nach
und nach erkennbar. Denn die Show entwickelt ihren eigenen Rhythmus.
Unmerklich erfolgt der Übergang zu Depression und Wahnsinn. Das
minimalistisch gehaltene und gleichzeitig effektvolle Bühnenbild (Christina
Weber), bestehend aus drei "Zimmern" mit Wänden aus Vorhängen, erlaubt
Schattenspiele und Simulationen von Selbstmordversuchen. Obwohl Virginia
Woolf den aus einem Vorhang selbst gebastelten Galgen nicht verwendet,
spaziert sie letztendlich auf Büchern in den nassen Tod.
Solche originellen
Regieeinfälle machen durchaus Lust auf mehr. Spätestens als die
Darstellerinnen durch die
Reihen spazieren und "psychiatrische"
Fragen direkt an das Publikum richten, erstarrt einem das Lächeln auf den
Lippen. Hatten denn die drei wirklich "einen Vogel, einen Knall, einen
Huscher"? Dass dies nicht stimmt, bewiesen Clara Immerwahr-Haber, Virginia
Woolf und Camille Claudel durch ihren unglaublich hohen persönlichen
Einsatz, ihre Zielstrebigkeit und Ausdauer, mit denen sie ihre beruflichen
Visionen verfolgten. Und wie schwer es ihnen die damaligen
gesellschaftlichen Regeln machten, ist nicht zu leugnen. Mit
Wahnsinnsfrauen ist es den Produzenten gelungen, all dies optimal zu
widerspiegeln.
Fazit: Eine großartige
Ensemble-Leistung, eine Inszenierung, die man mehrmals sehen sollte.