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Wahnsinnig weiblich

Leidenschaftlich, einfühlsam und herausragend durch seine pantomimische Raffinesse,
bringt die Wiener Regisseurin Leni Lust ein von ihr selbst geschriebenes Stück über drei der
bedeutendsten Frauen des frühen 20. Jahrhunderts auf die Bühne:
Clara Immerwahr-Haber,
Virginia Woolf und Camille Claudel. Alle drei starben auf tragische Weise.

Von Irina Wolf
(05. 03. 2016)

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Irina Wolf
irinawolf10 [at] gmail.com

Irina Wolf wurde in
Bukarest geboren. Nach
Abschluss ihres Informatik-
studiums und mehreren
Jobs im Telekommunikations- und Forschungsbereich
wechselte sie 1993 in den
Außenhandelsdienst. Seit
2007 schreibt sie freiberuflich
für mehrere rumänische und
deutschsprachige Kultur-
zeitschriften.






(c) Eva Buchinger




Linktipp

www.theaterasou.at

   "Schöne Sachen darfst du machen: sticken, weben, töpfern, aber eine Bildhauerin...". Dass diese Worte ausgerechnet von Camille Claudel  stammen, die mit dem berühmten Auguste Rodin liiert war, ist nicht verwunderlich, galten doch vor 100 Jahren ganz andere Rollenbilder von Frauen. Wie schwierig es damals war, die Stellung der Frau zu verändern, bewiesen unter anderem die erste promovierte Chemikerin Deutschlands, Clara Immerwahr-Haber, die Schriftstellerin Virginia Woolf und die französische Bildhauerin Camille Claudel. Ihnen widmet das Grazer Theater Asou das Stück mit dem doppeldeutigen Titel Wahnsinnsfrauen. Denn die drei waren nicht nur außergewöhnlich begabt, ihre Eigensinnigkeit sollte sie am Ende auch in den "Wahnsinn" treiben: Claudel verbrachte die letzten dreißig Jahre ihres Lebens nahezu vergessen in psychiatrischen Anstalten, die beiden anderen begingen Selbstmord.

Die von der Regisseurin Leni Lust konzipierte Inszenierung (sie zeichnet auch für den Text verantwortlich) ist größtenteils durch Improvisationen der drei Schauspielerinnen entstanden. Ursula Litschauer, Veronika Mayerböck und Birgit Unger geben ihrem künstlerischen Potenzial leidenschaftlichen Ausdruck: Sie tanzen, stellen allgemeine Stereotypen über Frauen pantomimisch dar und spielen mit überzeugender Glaubwürdigkeit. Unterhaltsam und gleichzeitig tiefgründig erzählen sie die Lebensgeschichten dieser drei herausragenden weiblichen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Monologe werden immer wieder geschickt durch Tanz- und Bewegungsszenen unterbrochen. So zum Beispiel, wenn Camille Claudel aus Virginia Woolfs Körper eine Statue "baut".

   Dabei leisten die Kostüme (Barbara Häusl) einen wichtigen Beitrag zur einzigartigen Atmosphäre der Performance. Auch das wiederkehrende Grammophon-Geräusch trägt ausschlaggebend zum Flair der vergangenen Epoche bei. Dass die Regisseurin auch eine musikalische Ausbildung hat, wird nach und nach erkennbar. Denn die Show entwickelt ihren eigenen Rhythmus. Unmerklich erfolgt der Übergang zu Depression und Wahnsinn. Das minimalistisch gehaltene und gleichzeitig effektvolle Bühnenbild (Christina Weber), bestehend aus drei "Zimmern" mit Wänden aus Vorhängen, erlaubt Schattenspiele und Simulationen von Selbstmordversuchen. Obwohl Virginia Woolf den aus einem Vorhang selbst gebastelten Galgen nicht verwendet, spaziert sie letztendlich auf Büchern in den nassen Tod.

Solche originellen Regieeinfälle machen durchaus Lust auf mehr. Spätestens als die Darstellerinnen durch die Reihen spazieren und "psychiatrische" Fragen direkt an das Publikum richten, erstarrt einem das Lächeln auf den Lippen. Hatten denn die drei wirklich "einen Vogel, einen Knall, einen Huscher"? Dass dies nicht stimmt, bewiesen Clara Immerwahr-Haber, Virginia Woolf und Camille Claudel durch ihren unglaublich hohen persönlichen Einsatz, ihre Zielstrebigkeit und Ausdauer, mit denen sie ihre beruflichen Visionen verfolgten. Und wie schwer es ihnen die damaligen gesellschaftlichen Regeln machten, ist nicht zu leugnen. Mit Wahnsinnsfrauen ist es den Produzenten gelungen, all dies optimal zu widerspiegeln.

Fazit: Eine großartige Ensemble-Leistung, eine Inszenierung, die man mehrmals sehen sollte.

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