Der Eichmann-Prozess

Von Barbara Brank

Lehrveranstaltung: SE: Mythos und Realität der Sechzigerjahre
Lehrveranstaltungsleiter: Reinhold Wagnleitner / Reinhard Krammer
Universität: Universität Salzburg, Institut für Geschichte
Semester: WS 1996/97

 

Inhaltsverzeichnis


A. Einleitung: 


1. Biographie eines Angeklagten:


    1.1. Wie alles begann 1906-1938:

          1.1.1. Die Kindheit

         1.1.2. Der Parteibeitritt

         1.1.3. Zum Sicherheitsdienst nach Berlin

 

    1.2. Die Karriere 1938-1945:

          1.2.1. Leiter der Zentralstelle für jüdische Auswanderung

         1.2.2. Leiter des Amtes IV B 4 "Juden- und Räumungsangelegenheiten"

         1.2.3. Eichmann und die "Wannsee-Konferenz"

         1.2.4. Ein dringlicher Einsatz - Ungarn 1944

 

    1.3. Die Flucht 1945-1960:

2. Eichmann in Israel:


    2.1. Israel fordert Gerechtigkeit:

          2.1.1. Die Festnahme

         2.1.2. Israel und die Quadratur des Kreises

         2.1.3. Die BRD und die Debatte um Eichmanns Auslieferung

 

    2.2. Der Gerichtshof:

          2.2.1. Beth Hamispath - Haus der Gerechtigkeit

         2.2.2. Die Anklage

         2.2.3. Die Verteidigung

         2.2.4. Der Angeklagte

 

B. Schlußbetrachtung:

 


 

A. Einleitung:

     Adolf Eichmann wurde am 31. Mai 1962 in Israel gehenkt, seine Leiche verbrannt und seine Asche verstreut.
"Keine Spur sollte übrig-, seine Schuld aber unvergessen bleiben.
Adolf Eichmann wurde vom israelischen Gericht schuldig gesprochen des Verbrechens am jüdischen Volk und des Verbrechens an der Menschheit. Adolf Eichmann machte sich am Tod von über fünf Millionen Menschen schuldig, deren Deportation in den Todeslagern und Gaskammern des NS Reiches endete und unter seiner Leitung organisiert wurde. Seine Schuld ist unbestritten. 
Was war das für ein Mensch, der beinah sechs Millionen Menschen auf die grausamste und demütigendste Art in den Tod schicken konnte? Diese Frage soll im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen. 
War er ein Mörder, der Lust am Töten hatte, lag es in seinem Wesen verankert Menschen zu ermorden? Oder war er vielmehr einer von jenen Bürokraten, die phantasielos, pflichterfüllt und ehrgeizig ihre Aufgabe erledigten, im vollen Bewußtsein, daß dies den Tod ihrer Opfer bedeutete. Es herrschte eine erstaunliche Übereinkunft bei all jenen, die während des Prozesses Kontakt zu Eichmann hatten, daß er völlig "normal", geradezu "vorbildlich" sei. 

War Adolf Eichmann ein guter Schauspieler der seine Bosheit gut verbergen konnte? Hatte er sich in den Jahren von 1945-1960 vom brutalen Massenmörder zum braven Mitbürger gewandelt, oder aber entsprach es seinem Wesen, sich der äußeren Situation, den momentan herrschenden Normen zu fügen?
 Adolf Eichmann war ein Verbrecher und ein Massenmörder, trotzdem hatte er keine perverse, sadistische Persönlichkeit in einem medizinischen Verständnis, Eichmann wurde nicht von unersättlicher Mordgier getrieben. Er handelte als Bürokrat, der Befehle empfängt, Befehle austeilt, der sich einem System bedingungslos unterworfen hat. Er hinterfragte nie die Befehle seiner Vorgesetzten, er hinterfragte nie das System, auch dann nicht, als man von ihm forderte, Millionen Menschen in den Tod zu transportieren.
Und genau dieser Hang zur bedingungslosen Unterordnung machte ihn so nützlich für das "Dritte Reich". Diese Charaktereigenschaften sind Teil des Wesen des Faschismus, der durch Leute wie Eichmann so perfekt funktionieren kann.

 "Wer dies bejaht, muß eines Tages mit einem neuen Eichmann rechnen, Werkzeug austauschbarer Gewaltherrschaft, die auf solche Figuren angewiesen ist."

 Der Völkermord des Zweiten Weltkrieges konnte nur mit einer Masse von Tätern geschehen. Täter, Frauen wie Männer, die noch zum Großteil in einer Gesellschaft aufwuchsen, in der Töten als "Verbrechen", als "Sünde" galt und bestraft wurde. Was konnte diese Menschen dazu bringen, an der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie mitzuwirken? Was war ihre Motivation? Handelten sie aus einem glühenden Antisemitismus heraus, oder taten sie "einfach" was von ihnen verlangt wurde. Hätte jeder von ihnen Eichmann ersetzen können?

 "Von den Verbrechen die in Hitlers Machtbereich begangen wurden, behaupten die Neonazis (nicht Eichmann): Es sind Lügen. Die Deutschen behaupten: Es waren die Nazis. Die Europäer behaupten: Es waren die Deutschen. Die Amerikaner behaupten: Es waren die Europäer.(...). Und einmal wird man sagen es waren die Menschen. Niemals jedoch dürfen wir sagen: Es war Eichmann."

 Was Eichmann von einem Massenmörder unterscheidet, der innerhalb eines Rechtssystem seine Morde begeht, in welchem Mord als Verbrechen gilt, ist die Tatsache, daß Eichmann in einem System mordete, in welchem der Mord zu einem formaljuristisch legitimen politischen Mittel wurde. Er wähnte sich also in der Vorstellung, daß seine Handlungen "korrekt und rechtmäßig" waren. So konnte er seine Verbrechen vor sich selbst rechtfertigen und "seine Hände in Unschuld waschen". Es ist unwahrscheinlich, daß ein "Technokrat" wie Eichmann in einem anderen "nichtverbrecherischen" System zu einem Verbrecher geworden wäre. 
Trotzdem kann Eichmann sich nicht darauf berufen, daß nicht er sondern das System verbrecherisch war. Denn jeder und jede ist "verantwortlich" für das was er oder sie tut, sofern bei Verweigerung nicht der eigene Tod zu erwarten ist. Nach diesem Grundsatz wurde in den Nürnberger Prozessen und auch im Eichmann Prozeß gerichtet.


1. Biographie eines Angeklagten:


1.1. Wie alles begann 1906-1938:


1.1.1 Die Kindheit

Adolf Eichmann wurde am 19. März 1906 in Solingen im Rheinland als ältester Sohn einer siebenköpfigen Familie geboren. Adolf Eichmann, Sohn des Adolf Karl Eichmann stammte aus "gutbürgerlichen" Verhältnissen. Der Vater war in Solingen Buchhalter der dortigen Straßenbahn- und Elektrizitätswerke. 1914 siedelte die streng protestantische Familie ins oberösterreichische Linz , wo Adolf Karl zur Linzer Straßenbahn- und Elektrizitätsgesellschaft versetzt wurde und dort bis 1924 als Kaufmännischer Direktor tätig war.
 Adolf Eichmann war kein sonderlich begabter Schüler. Er besuchte vier Jahre die Volksschule, und danach die "Franz Joseph Oberrealschule" (dieselbe Schule hatte übrigens wenige Jahre zuvor auch Adolf Hitler absolviert). Eichmann brach das Gymnasium vier Jahre später ab. Seine Schulkarriere beendete er anschließend im Polytechnikum, ohne dort je einen Abschluß gemacht zu haben.
 Sein Vater, der mittlerweile Hauptaktionär der Salzburger Untersberg-Bergbaugesellschaft geworden war, brachte seinen lernunwilligen Sohn dort als einfachen Arbeiter unter. 1928 bekam Eichmann, mit Hilfe von "guten jüdischen Beziehungen" seiner Stiefmutter, bei der Vacuum Oil Company eine Anstellung als Vertreter, und betreute den Raum Oberöstereich und Salzburg. 


1.1.2. Der Parteibeitritt

1932 wird er von der Vacuum Oil entlassen und noch im selben Jahr Mitglied der NSDAP. Sein Beitritt zur NSDAP geschah auf Anraten eines alten Freundes der Familie Ernst Kaltenbrunner: "Ernst Kaltenbrunner also forderte mich kategorisch auf: >Du kommst mit zu uns!< Wie das eben damals so ging, burschikos, da wurde nicht viel herumundsoweiter. Ich sagte dann: >Ja, gut!< So kam ich zur SS." Am 19. April 1932 trat Eichmann gleichzeitig zur NSDAP und der SS (Schutz Staffel) bei (Parteinr.: 889 895, SS-Nr.: 45326). Daß Eichmann nur und beinah willenlos auf Anraten von Ernst Kaltenbrunner zur SS ging, ist sicherlich von ihm stark übertrieben und mit dem Hintergrund verstehbar, daß er diese Aussage im Polizeiverhör in Israel zu Protokoll gab, wo er sich bemühte, möglichst wenig "Fanatismus" und "Eigeninitiative" als Grund für seinen Parteieintritt zuzugeben. Allerdings deutet in Eichmanns Lebenslauf doch einiges daraufhin, daß er sich gerne "führen" ließ. Er war kein Mensch mit großen Ideen, und zeigte relativ selten Eigeninitiative.: Dreimal zeigte er diese: Beim Madagasker, beim Nisko-Plan (nachdem die zwangsweise Ausweisung der jüd. Bevölkerung zum Erliegen kam, gab es Pläne wie Madagaskar und Nisko, wo das dt. und eur. Judentum eine Art "Reservat" bekommen sollten. Sie scheiterten am Unwillen der Nazi Elite und nicht zuletzt an ihrer Undurchführbarkeit, da diese Gebiete ohnehin viel zu klein gewesen wären), und letztlich bei der Deportation der ungarischen Juden, 1944 aus Ungarn, gegen den Befehl von Heinrich Himmler. Was für 400.000 ungarische Juden unvorstellbares Leid und schließlich den Tod bedeutet hat.

 Die NSDAP wurde in Österreich am 19. April 1933 verboten, woraufhin es Eichmann seiner weiteren Karriere für dienlicher hielt, nach Deutschland auszuwandern und der SS hauptamtlich beizutreten. Die SS schickte ihn nach Kloster-Lechfeld und nach Auflösung dieses Trainingslager im Dezember 1934 in ein weiteres paramilitärisches Ausbildungslager in der Nähe des KZ Dachau, wo er für den Straßenkampf ausgebildet wurde.


1.1.3. Zum Sicherheitsdienst nach Berlin

Nach eigener Aussage trieb Eichmann die "Langeweile" dazu, sich beim Sicherheitsdienst (SD), unter der Leitung von Reinhard Heydrich, in Berlin zu bewerben. Eichmann behauptete während seiner Verhöre und des Prozesses, es wäre ein "Mißverständnis" gewesen, daß er sich beim SD und nicht beim Reichssicherheitsdienst beworben hatte. Ob dies eine dreiste Lüge war oder nicht läßt sich nicht mehr feststellen. Sicherlich war er enttäuscht darüber noch einmal von "ganz von Vorne beginnen zu müssen". Als er seinen angeblichen Irrtum erkannte, behob er ihn nicht sondern blieb beim SD. Sein neues Tätigkeitsfeld im SD war die Kartothek für den Bereich Gegnererforschung und -bekämpfung.
1935 wurde Eichmann erneut versetzt und er war begeistert: "Juden! In der Abteilung >Juden< kam ich in ein völlig neues Aufgabengebiet" Ein neues Aufgabengebiet, eine neue Abteilung! Eichmann konnte zu Recht gute Aufstiegsmöglichkeiten für sich erhoffen. Er bemühte sich seinem österreichischen Vorgesetzten Leopold von Mildenstein seinen Eifer zu zeigen und las sogar den "Judenstaat" von Theodor Herzl. Dies war neben Adolf Böhms "Geschichte des Zionismus" das einzige Buch, das Eichmann je ernsthaft gelesen hat. In diese Zeit fallen auch seine Bemühungen die hebräische Sprache zu lernen. Er brachte es zur Erlernung der hebräischen Lettern, damit konnte er "Jiddisch" lesen und verstehen. Er avancierte in nur vier Jahren zum anerkannten "Fachmann" für Judenfragen. 

SS-Untersturmbannführer Dieter Wisliceny schlug seinen Mitarbeiter und Freund Adolf Eichmann nach dreijähriger Beobachtung am 17.9.1937 mit folgenden Worten zur Beförderung vor: "SS-Hauptscharführer Eichmann ist Referent in der Abteilung II 112 des SD-Hauptamtes. Seine Leistungen in dieser Dienststelle können unbedenklich als gut bezeichnet werden. Rasche Auffassungsgabe und Gewissenhaftigkeit haben seine Arbeit ausgezeichnet. Eichmann hat sich eine umfassende Kenntnis der Organisationsformen und Weltanschauung des Gegners Judentum angeeignet. Seine dienstliche Haltung gegenüber Kameraden und Vorgesetzten war einwandfrei. Eichmann führt privat ein zurückgezogenes Leben. Sein Familienleben ist sauber und anständig ..."


1.2. Die Karriere 1938-1945:


1.2.1. Leiter der Zentralstelle für jüdische Auswanderung

Als Österreich im März 1938 ans Deutsche Reich angeschlossen wurde, war Eichmann "qualifiziert" genug um die "forcierte" Auswanderung der österreichisch-jüdischen Bevölkerung von Wien aus zu organisieren. Das große Problem der Nazis war nicht, das reiche Judentum des Landes zu verweisen, sondern die Mittel und das Geld zu besorgen um allen Juden die kostenspielige "Auswanderung" zu "ermöglichen". Die Idee der Nazis ist typisch für ihre grausame Logik und Methode die "Judenfrage zu lösen": Es wurde ein Fiskus eingerichtet, in welchen die reichen Juden für die armen Juden bezahlen mußten. Eichmann "verhandelte" mit den jüdischen Funktionären, denn ohne deren "Mitarbeit" wäre die Organisation der "Auswanderung" für die Nazis unmöglich gewesen. Ein weiteres Problem ergab sich durch den komplizierten Behördenweg, welcher von den "Auswanderern" beschritten werden mußte, um in den Besitz der gültigen Papiere zu gelangen. Eichmann wurde davon unterrichtet und entwickelte ein höchst erfolgreiches "Fließbandsystem", daß ungefähr so aussah:

 "... es ist wie ein automatisch laufender Betrieb, wie eine Mühle, in der Getreide zu Mehl zermahlen wird und die mit einer Bäckerei gekoppelt ist. Auf der einen Seite kommt der Jude herein, der noch etwas besitzt, einen Laden oder eine Fabrik oder ein Bankkonto. Nun geht er durch das ganze Gebäude, von Schalter zu Schalter, von Büro zu Büro, und wenn er auf der anderen Seite herauskommt, ist er aller Rechte beraubt, besitzt keinen Pfennig, dafür aber einen Paß, auf dem steht: >Sie haben binnen 14 Tagen das Land zu verlassen, sonst kommen sie ins Konzentrationslager< ."

 Adolf Eichmann versuchte später im Prozeß seine Leitung des Auswanderungsbüros so darzustellen, daß er hunderttausenden Juden dadurch ihr Leben gerettet hätte. Diese Haltung war in doppelter Hinsicht inkonsequent: Die Inkonsequenz wird dadurch klar, daß er in seinem Verhör auf die Frage des israelischen Hauptmanns, wie er auf die Panik reagierte die in der jüdischen Bevölkerung entstand (Eichmann wurde davon wiederholt vom jüd. Funktionär 
Dr. Löwenstein unterrichtet) antwortete: "Ja, da habe ich auch wieder nur zu sagen: Ich habe nicht veranlaßt, daß sie ausgewiesen und verhaftet werden." Wie hätte er dann aber die Rettung der ungarischen Juden auf "sein Konto verbuchen" können?
 Andererseits, war die "forcierte Auswanderung der Juden" keine Rettung, da Eichmann 1938/39 nicht wissen konnte, daß die "physische Vernichtung" des Judentums kurz bevorstand. Eichmann konnte und wollte den Zusammenhang seiner Handlungen und die damit einhergehende Verantwortung die er dafür trug, nicht erkennen. Aber es gab noch andere Gründe, warum Eichmann sich nicht schuldig fühlte: " (...) seine nahezu totale Unfähigkeit, jemals eine Sache vom Gesichtspunkt des anderen her zu sehen. So hatte Eichmann in den acht Monaten, in denen er beinahe täglich einem Juden aus Deutschland beim Verhör gegenüber saß, niemals die geringsten Hemmungen, diesem lang und breit immer wieder auseinanderzusetzen warum er es trotz größter Anstrengungen und beim besten Willen in der SS zu keinem höheren Rang hatte bringen können.

Adolf Eichmann hatte sich angestrengt, und er hatte veranlaßt. Er leitete diese neu gegründete Zentralstelle für jüdische Auswanderung und er konstruierte mit seinen Mitarbeitern sogar ein System, wie die "forcierte" Auswanderung mit Fließbandtechnik "besser, schneller und effizienter" funktionieren konnte. Und Eichmann war erfolgreich. So erfolgreich, daß er 1939 nach Prag geschickt wurde, um dort die "österreichischen Erfolge" zu wiederholen. Doch die "Kanäle der Auswanderung" waren bald "verstopft". Die Ausweisung der Juden wurde immer schwieriger. Im Oktober 1939 einen Monat nach Kriegsausbruch, wurde Eichmann nach Berlin zurückbeordert. 


1.2.2. Leiter des Amtes IV B 4 "Juden und Räumungsangelegenheiten"

Im neu errichteten Reichssicherheitshauptamt (RSHA) wurde Eichmann die Leitung des Amtes IV B 4 "Juden- und Räumungsangelegenheiten" übertragen. (Das RSHA wurde nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich 1942 von Eichmanns altem Bekannten seiner "Linzer Zeit" Dr. Ernst Kaltenbrunner geleitet.) Obwohl Eichmann "nur" den Rang eines Obersturmbannführer der SS inne hatte, war die Befehlskette bis zu ihm sehr kurz:

 Die Befehle wurden von Heinrich Himmler (Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei) an Ernst Kaltenbrunner (Chef der Sicherheitspolizei und des SD) über Adam Müller (Leiter des GESTAPO-Amtes IV) zu Adolf Eichmann (Leiter des Amtes IV B 4 ) weitergeleitet. Den Rang eines Obersturmführers teilte Eichmann mit 1146 SS-Offizieren. Während des Krieges waren die 12 Hauptämter der SS organisatorisch in Ämter und diese wiederum in Sektionen und Referate unterteilt. Das RSHA war als Hauptamt der SS in sieben Büros unterteilt, eines davon war der SD, Amt IV des SD war die GESTAPO, und Abteilung IV B zuständig für Gegnerbekämpfung, deren Unterabteilung IV B 4 befand sich unter Eichmanns Leitung. Seine Stellung innerhalb der Nazihierarchie war demnach keine sehr hohe: "(...) sein Posten erwies sich nur deswegen als so entscheidend wichtig, weil die letztlich rein ideologisch bestimmte Kriegsführung des Dritten Reiches der >Judenfrage< eine immer größere Bedeutung zumaß, bis sie schließlich in den Jahren der Niederlage, von 1943 an, wirklich phantastische Proportionen annahm."
Eichmanns Einflußbereich war bis zu Kriegsende 1946 enorm angewachsen.


1.2.3. Eichmann und die "Wannsee-Konferenz"

Am 20. Jänner 1942 kamen am Stadtrand von Berlin 15 der hohen und höchsten Beamten des "Dritten Reiches" zusammen. Sie vertraten die Reichsministerien, die Justiz für die besetzten Ostgebiete, die Reichskanzlei und die Parteikanzlei der NSDAP und das Auswärtige Amt. Bei dieser sogenannten "Wannsee-Konferenz" wurde die bereits beschlossene "physische Vernichtung" der Juden im nachhinein besprochen, und die damit verbundenen "organisatorischen Probleme" erörtert. Adolf Eichmann, keineswegs der kleine Befehlsempfänger für den er sich in Israel so gerne ausgab, war einer dieser 15 hohen Beamten. Er nahm als Judenreferent und Mitarbeiter von Reinhard Heydrich in der etwa zweistündigen Konferenz eine Schlüsselposition ein. Heydrich verwies im Übersendungsschreiben (mit dem er die Ausfertigung des Protokolls an die Teilnehmer der Konferenz übersandte) alle weiteren Fragen und Detailbesprechungen an seinen zuständigen Judenreferenten Adolf Eichmann.


1.2.4. Ein dringlicher Einsatz - Ungarn 1944

Der "Höhepunkt" in Eichmanns Karriere war seine Abkommandierung nach Ungarn im Frühjahr 1944. Es war sein erster persönlicher Einsatz außerhalb des "Großdeutschen Reiches" um den "vernichtenden Schlag" gegen die letzte noch existierende größere jüdische Gemeinde Zentraleuropas zu führen. In Ungarn lebten 1941 noch 700 000 Menschen jüdischer Glaubensgemeinschaft und etwa 100 000 Personen christlichen Glaubens, die nach Definition der ungarischen Gesetze von 1938, 1939 und 1941 als Juden galten. Eichmann wurde von einem Stab Mitarbeiter begleitet, unter anderen Hermann Krumey, Dieter Wisliceny, Alois Brunner, Franz Novak, Franz Abromeit, Otto Hunsche, Theo Dannecker, Siegfried Seidl, Ernst Girzick, Richard Hartenberger, Rolf Günther und Alfred Slawik. Dieses SS-Sondereinsatzkommando war unter höchster Dringlichkeit nach Ungarn geschickt worden. Eichmann verlor, pflichtbewußt und eifrig wie er war, keine Zeit. Noch am Abend der Ankunft wurden die führenden Mitglieder der ungarisch-jüdischen Gemeinde zusammengerufen, um nach dem bewährten "Vorbild von Wien" (siehe Kapitel 2.1.) einen Judenrat unter Vorsitz von Samuel Stern zu bilden. 1944 wußte die ganze Welt, was Deportation in der Praxis bedeutete. Die jüdische Gemeinde in Ungarn führte einen verzweifelten und sinnlosen "Kampf" ums Überleben. Die bessergestellten und reichen jüdischen Familien versuchten durch Bestechung von korrupten Beamten wenigstens das nackte Leben zu sichern. Dieter Wisliceny, Eichmanns ehemaliger Vorgesetzter und nun sein Stellvertreter, war für seine Bestechlichkeit bekannt. Auch Eichmann, dem Bestechlichkeit zwar nie nachgewiesen werden konnte, lebte auffallend luxuriös.
Kurz vor Beginn der Deportationen einigten sich Eichmann (der dieses mal nur widerwillig auf Befehl Himmlers handelte) und das zionistisch orientierte jüdische Rettungskomitee auf einen Tausch eine Million Juden gegen Lieferung von 10.000 LKW's. ( Himmler benötigte diese dringend an der Ostfront). Dieser Handel "Leben gegen Ware" schlug fehl. 
Eichmann wurde im Prozeß dann zweierlei vorgeworfen: Einerseits habe er sich durch mitmachen an diesem Geschäft endgültig als Mord- und Raubbeamter entpuppt, andererseits beteiligte er sich nur widerwillig an dieser Abmachung, die immerhin einer Million Menschen das Leben gerettet hätte.
Die Deportation der Juden wurde in den Monaten März bis Juli 1944 "forciert" vorangetrieben. Die Eisenbahnlinie endete direkt vor den Gaskammern von Ausschwitz, wo Eichmann darauf achtete, daß genügend "Aufnahmekapazität" vorhanden war. Hinter diesem Wort verbirgt sich die schreckliche Tatsache, daß täglich zwischen 6.000 und 12.000 Menschen ermordet wurden.
Doch die Weltöffentlichkeit war jetzt endlich "alarmiert". Die Alliierten setzten Hitlers Marionettenregierung von Horthy unter Druck, so daß dieser schließlich am 6. Juli 1944 den Befehl gab, die Deportation sofort zu stoppen. Das Horthyregime hatte sich außerdem dazu aufgerafft, den sofortigen Abzug von Eichmanns SS-Sondereinsatzkommandos zu verlangen. Eichmann blieb bis Ende August. Mitte Oktober schlug die Situation noch einmal abrupt um. Während in Ausschwitz die Gaskammern auf Befehl Himmlers demontiert wurden (Himmler erhoffte sich durch diesen späten Abbruch der Vernichtungsmaschinerie eine Verhandlungsbasis mit den Alliierten schaffen zu können, was ihm nicht gelang) organisierte Eichmann zusammen mit anderen deutschen Gesandten die berüchtigten "Todesmärsche", die im November 1944 begannen und erst kurz vor Kriegsende zu Beginn 1945 durch einen ausdrücklichen persönlichen Befehl von Himmler, daß kein Jude mehr getötet werden darf, beendet wurden. Eichmann organisierte Todesmärsche, bei welchen zwischen 250.000 bis 350.000 Menschen (etwa 30-50%) durch Erschöpfung, Hunger, Erfrierungen und Erschießung ums Leben kamen. Dies geschah zu einer Zeit, als Himmler die "Vernichtungsmaschinerie" zu stoppen versuchte. Eichmann verschanzte sich in der Berliner Wilhelminenstraße, wo sich sein Amt befand, und traf Vorkehrungen. Er wollte es den Alliierten so schwer wie möglich machen, ihn zu fassen.
Noch einmal wurde er im April 1945, zu seiner Enttäuschung, von Himmler aus Berlin fortgeschickt. Er sollte 200 oder 300 prominenter Juden aus Theresienstadt nach Österreich in Hotels unterbringen: " Ich wurde auf einmal plötzlich zu Himmler befohlen (...). Himmler sagte mir, er hätte die Absicht, mit Eisenhower zu verhandeln, wünsche, daß ich unverzüglich hundert, zweihundert, jedenfalls alle prominente Juden aus Theresienstadt nach Tirol in Sicherheit zu bringen hätte, damit er sie als Geiseln habe, für seine Verhandlung." Eichmann kehrte nicht mehr nach Berlin zurück, sondern floh ins oberösterreichische Salzkammergut nach Altaussee. Auch sein Vorgesetzter Ernst Kaltenbrunner hatte sich dorthin abgesetzt und versuchte vergeblich, "Verhandlungen" mit den Alliierten aufzunehmen. Eichmann hielt er dabei für hinderlich, er "sah für den Mann keine Chance mehr". Seine eigene war allerdings auch nicht sehr gut, er wurde in den Nürnberger Prozessen zum Tode verurteilt und gehängt.


1.3. Die Flucht 1945-1960:

Im Mai 1945 wurde Eichmann von einer amerikanischen Patrouille festgenommen, und gab sich als "Adolf Barth" aus. Später wurde im Internierungslager seine Blutgruppe, eintätowiert unterhalb seiner Achselhöhle (diese Tätowierung hatten alle SS-Angehörigen), gefunden. Er mußte nun seine Zugehörigkeit zur SS gestehen. Wieder gab er einen falschen Namen an, allerdings hatte dieser nun einen ähnlichen Klang wie sein eigener "Adolf Eckmann". Es konnte durchaus sein, daß ihn Mithäftlinge verraten. Eichmann hatte dann immer noch die Möglichkeit, sich auf einen Schreibfehler seitens der Amerikaner zu berufen. Vom Internierungslager Ansbach kam er nach Oberdachstetten, seine Lüge flog nicht auf.
Der Name Adolf Eichmann tauchte seit dem Beginn der Nürnberger Prozesse im November 1945, immer öfter auf. Eckmann alias Eichmann beschloß zu fliehen, da seine Lage immer gefährlicher wurde. Er bekam Unterstützung von SS-Führern im Lager die seine wahre Identität kannten. 
Die Flucht gelang und kurz darauf begann er als Holzhacker Otto Hening in einem Dorf der Lüneburger Heide seine Arbeit. Zu Beginn des Jahres 1950 verschwand Otto Hening plötzlich. Adolf Eichmann gelang es während seiner Lüneburger Zeit sich mit der Nazi Organisation ODESSA (Organisation der ehemaligen SS Angehörigen) in Verbindung zu setzten. Er wurde über Österreich nach Italien geschleust. In Rom erhielt er mit Hilfe eines Franziskanerpaters im Juni 1950 neue Papiere auf den Namen Ricardo Klement. Nicht viel später folgte das Visum das ihn zur Einreise nach Argentinien berechtigte. Noch im Juni 1950 reiste er ins "gelobte Land" Argentinien. 
In Argentinien lebte Eichmann als Ricardo Klement ein ruhiges Leben in relativ ärmlichen Verhältnissen. 1952 verschwand Eichmanns Familie aus Altaussee und reiste ebenfalls über Italien nach Buenos Aires. Dort lebte Veronika Liebl de Eichmann (offiziell war sie von Eichmann geschieden) mit Ricardo Klement und ihren Söhnen zusammen, bis dieser nach jahrelanger Suche vom MOSSAD, im Auftrag der israelischen Regierung, am 11. Mai 1960 verhaftet werden konnte.

 

2. Eichmann in Israel:


2.1. Israel fordert Gerechtigkeit:


2.1.1. Die Festnahme

Ricardo Klement alias Adolf Eichmann wurde am 11. Mai 1960 um 18.30 Uhr in Buenos Aires / Argentinien von drei Agenten der israelischen Geheimpolizei MOSSAD verhaftet. Er stieg wie üblich aus dem Autobus aus, mit welchem er werktags von der Arbeit nach Hause fuhr..
Kurz darauf wurde seine Identität durch Röntgenaufnahmen überprüft und festgestellt, daß es sich bei der festgenommenen Person eindeutig um Adolf Eichmann handelt. Eichmann machte keinen ernsthaften Versuch seine Identität zu leugnen. Er hatte sofort erkannt, daß er von Israelis festgenommen worden war, obwohl keiner der Entführer vorher hebräisch gesprochen hatte. Dies deutet daraufhin, daß Eichmann bereits geahnt hatte, daß ihm Israel auf der Spur war. Acht Tage später wurde er aus Argentinien nach Israel entführt. Mittels Drogen versetzten ihn die Israelis in Tiefschlaf. Im Morgenmantel brachten sie ihn dann in einer ELAL Maschine nach Israel . 
Die "Entführer" gaben Eichmann als einen "alten kranken Juden" aus, der Israel vor seinem Tod noch einmal sehen möchte. So gelangten sie ohne Probleme an der argentinischen Grenzpolizei vorbei.


2.1.2. Israel und die Quadratur des Kreises

Am 23. Mai 1960 verkündet der israelische Ministerpräsident David Ben Gurion vor der Beifall jubelnden Knesset: Adolf Eichmann einer der größten Nazikriegsverbrecher sei ausfindig gemacht worden und befinde sich zur Stunde bereits in Israel. In Kürze werde er nach dem Gesetz gegen Nationalsozialisten und Kollaborateure vor Gericht gestellt. Doch Adolf Eichmann hatte sich nicht freiwillig weder in Israel noch in Deutschland oder Argentinien den Gerichten gestellten, er war ganz im Gegenteil gewaltsam festgenommen von Argentinien nach Israel entführt worden. Argentinien war "in keinster Weise" davon informiert worden. Israel hatte dadurch einerseits das Hoheitsrecht des argentinischen Staates verletzt, wodurch die Rechtmäßigkeit Israels diesen Prozeß führen zu dürfen, schon von Beginn an in Frage stand. Andererseits stellte sich die Frage, da Adolf Eichmann noch immer im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft war, ob nicht Deutschland das Recht in Anspruch nehmen müßte, den "Nazikriegsverbrecher" Eichmann selbst zu richten. Ein Auslieferungsantrag Deutschlands an Israel wurde allerdings nie gestellt.
Argentiniens territoriale Hoheitsgewalt war durch Eichmanns Entführung mißachtet worden. Da Israel eine Rückführung Eichmanns nach Argentinien verweigerte, eskalierte der Fall Eichmann. Auch ein sehr persönlicher Brief Ben Gurions an den argentinischen Präsidenten Frondizi brachte keine Einigung. Die Angelegenheit wurde schließlich von der argentinischen Regierung dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorgebracht. In einer Sondersitzung am 22. und 23. Juni 1960 wurde der Fall Eichmann debattiert und "salomonisch" entschieden: Israel wurde aufgefordert geeignete "Reparationen" zu leisten.
Es entspann sich ein diplomatischer Kleinkrieg zwischen den beiden Staaten der zwei Botschaftern ihre Stellung kostete, aber schließlich am 3. August 1960 mit folgenden gemeinsamen Kommuniqué gütlich beigelegt wurde: "In dem Wunsch, der Resolution des Sicherheitsrates vom 23. Juni 1960 und der darin geäußerten Hoffnung nachzukommen, die herkömmlich freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern zu födern, haben die Regierung von Israel und der Republik Argentinien beschlossen, den Zwischenfall als erledigt zu betrachten, der durch die Handlungen israelischer Staatsbürger hervorgerufen wurde, die dabei fundamentale Rechte des argentinischen Staates verletzten."
Argentinien hätte auf das Recht der Rückholung nicht so leicht verzichtet, wäre Adolf Eichmann alias Ricardo Klement argentinischer Staatsbürger gewesen. Da er aber unter falschen Papieren als Ricardo Klement in Argentinien lebte, entzog er sich dem Schutze der argentinischen Regierung und war somit für diese offiziell "staatenlos" geworden. 
Israel begründete das Recht auf diesen Prozeß grundsätzlich damit, daß "Israel offiziell der Staat des jüdischen Volkes" sei, und daß sich die Eichmann zur Last gelegten Verbrechen hauptsächlich gegen das jüdische Volk gerichtet hätten. Es wurden Präzidenzfälle zitiert, in welchen Nazikriegsverbrecher in den Nürnberger Prozessen an Polen und andere Länder ausgeliefert wurden, da sie ihre Verbrechen hauptsächlich in diesen Ländern begannen haben. Ins Wanken konnte diese Erklärung nur dadurch geraten, daß Deutschland (BRD wie DDR) den Anspruch auf Eichmanns Auslieferung erheben würden. Die breite öffentliche Meinung war übereinstimmend darin, daß Israels faktisches Recht diesen Prozeß zu führen möglicherweise strittig sei, unbestritten sei jedoch das moralische Recht der Juden Eichmann zu richten.


2.1.3. Die BRD und die Debatte um die Auslieferung Eichmanns 

Am 25. Mai 1960, nur zwei Tage nachdem Ben Gurion Eichmanns Festnahme vor der Knesset verkündet hatte, wurde im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik über eine Auslieferung Eichmanns nach Deutschland debattiert. Da kein Rechtsabkommen zwischen Israel und der BRD existierte, welche die Auslieferung von Rechtsverbrechern vorsieht, war sich das Auswärtige Amt und das Bundesjustizministerium einig darin, keinen Antrag zu stellen:

 "Ein Auslieferungsersuchen an Israel verspricht keinen Erfolg, da nach Art. 2 Ziff. 1 des israelischen Auslieferungsgesetzes vom 1. September 1954 eine Auslieferung aus Israel in den ersuchenden Staat nur zulässig ist, wenn zwischen beiden Staaten ein Übereinkommen besteht, welches die Gegenseitigkeit bei der Auslieferung von Rechtsbrechern vorsieht. Ein solcher Auslieferungsvertrag besteht mit Israel nicht. Übereinstimmend wird daher im Bundesjustizministerium und im Auswärtigen Amt die Auffassung vertreten, daß ein Auslieferungsersuchen nicht gestellt werden soll.".

 Es bleibt nach dieser Begründung allerdings noch immer die Frage offen, warum nicht wenigstens der Versuch gemacht wurde, einen Auslieferungsantrag zu stellen. Die Kritik kam auch prompt aus den eigenen Reihen vom hessischen Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer. Er wollte prüfen ob ein spezielles Auslieferungsabkommen zwischen Israel und Deutschland möglich sei und bat telefonisch die Pressemitteilung noch so lange zurückzuhalten. Dieser Antrag wurde aber vom Auswärtigen Amt mit der Begründung, es gäbe keine diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel, sofort verworfen. Wie würde die Öffentlichkeit darauf reagieren wenn kein Auslieferungsantrag gestellt würde, immerhin konnte diese Vorgangsweise so ausgelegt werden, daß die BRD kein Interesse an einer Bestrafung Eichmanns hätte. Zumindest war es kein geeigneter Weg "den guten Willen" zur Vergangenheitsbewältigung zu demonstrieren. So zeigten sich die israelischen Juristen verwundert, daß die Bundesregierung keinerlei Versuch unternahm eine Auslieferung Eichmanns zu bewirken.
Ein weiteres Erklärungsmodell der Bundesrepublik war es, zu behaupten Eichmann hätte die deutsche Staatsbürgerschaft verloren, als er mit seiner Familie ins österreichische Linz ausgewandert war. Das ist nicht richtig, da Adolf Eichmann seine deutsche Staatsbürgerschaft nie aufgegeben hatte.
Immerhin konnte die Bundesrepublik nachweisen, daß gegen Adolf Eichmann seit 1956 ein Haftbefehl vorlag, wenn sich dieser auch aus einem Haftbefehl aus Wien vom 18. Juni 1946 herleitete, den die österreichischen Behörden im Juli 1956 nach Bonn weiterleiteten. So war die Existenz eines Haftbefehls, im Zusammenhang mit der Verweigerung einen Auslieferungsantrag zu stellen, ungeheuer wichtig. Die BRD konnte wenigstens beweisen, daß sie an einer Strafverfolgung von Adolf Eichmann ein Interesse hatten. Der Eichmann-Prozeß hatte eine andere, viel wichtigere Wirkung auf die Justiz der Bundesrepublik. Der Prozeß entfachte ein ernsthaftes Interesse, endlich diejenigen Naziverbrecher vor Gericht zu bringen, die direkt an den Morden beteiligt waren. 
Sieben Monate nach Eichmanns Ankunft in Jerusalem wurde, sehr spät aber doch, Richard Baer (Rudolf Höss' Nachfolger als Kommandant im KZ Ausschwitz) verhaftet. In rascher Folge wurden dann die Mitarbeiter des Eichmann Kommandos gefunden und verhaftet: Franz Novak, Otto Hunsche, Hermann Krumey, Gustav Richter und Willi Zöpf, alle waren direkt an der "Endlösung" beteiligt und lebten bis 1960 ein unbehelligtes, braves bürgerliches Leben unter ihrem eigenen Namen in Österreich und Deutschland. 
Es folgte eine Welle von Nazikriegsverbrecher-Prozessen und die deutschsprachigen Zeitungen waren erstmals voll von Berichten über diese Prozesse. Allerdings wurden aufgrund des deutschen Verjährungsparagraphen nur noch "Massenmörder" verurteilt. Und auch bei diesen Urteilen gab es geradezu "beschämend milde" Strafen. So wurde Otto Bradfisch, ein ehemaliges führendes Mitglied der SS Einsatzgruppen dem die Beteiligung an der Ermordung von 15 000 Juden und Beihilfe an der Ermordung von 22 000 Juden nachgewiesen werden konnte, zu lediglich 13 Jahren Zuchthaus verurteilt.


2.2. Der Gerichtshof:


2.2.1. Beth Hamishpath - "Haus der Gerechtigkeit"

Die Strafsache 40/61, der Eichmann-Prozeß wurde am 11. April 1961 eröffnet. Als Ort des Eichmann-Prozesses suchte Israel das Beth Hamispath, das "Haus der Gerechtigkeit" in Jerusalem aus. Zu seiner Verteidigung wählte der Angeklagte aus drei Vorschlägen den Kölner Anwalt Dr. Robert Servatius. Dieser war ihm von seiner Familie empfohlen worden, und er hatte schon in den Nürnberger Prozessen Nazikriegsverbrecher verteidigt. Die Kosten der Verteidigung übernahm der Staat Israel. Sie wurden allerdings lächerlich niedrig mit 20 000 US Dollar angesetzt, ein weiterer Betrag von 15 000 DM bezahlte Eichmanns Familie in Linz. Dr. Servatius verteidigte mit seinem Assistenten Wechtenbruch den Angeklagten während des beinah zwei Jahre dauernden Prozesses mit sehr wenig Hilfe, wenn man bedenkt daß der Anklage ein Heer von Beamten zur Verfügung stand. Eichmann äußerte dazu folgende Bedenken: "(...) wenn dieser Prozeß (...) materiemäßig eine globale Form annimmt, so könnte es sein, daß es ein Monsterprozeß werden könnte, (...) ob in diesem Fall ein Verteidiger die Materie überhaupt verkraften kann?" Zusätzliche Probleme ergaben sich für die Verteidigung durch die Unmöglichkeit Verteidigungszeugen vorzuladen, da ihnen nach israelischem Gesetz ebenfalls eine Verhaftung und Anklage gedroht hätte. Die Möglichkeit Israels den Zeugen freies Geleit zu sichern wurde von israelischer Seite abgelehnt.
Die drei Richter Mosche Landau (Vorsitz), Benjamin Halevi und Itzchak Raveh wurden für ihre sachliche Prozeßführung allerseits gelobt. Die Tatsache das alle drei aus Deutschland stammten und vor 1933 nach Israel emigriert waren, beeinträchtigte deren Unvoreingenommenheit nicht, im Gegenteil es half, wenn sie den Angeklagten und die Verteidigung in deutscher Sprache ansprechen konnten und Übersetzungsfehler in der Synchronisation korrigierten.
Sosehr das Gericht und die Richter auch um fairen Prozeß bemüht waren, wurde vor allem durch den Staatsanwalt Gideon Hausner, die politische Absicht deutlich, die hinter dem Prozeß stand. Der israelische Ministerpräsident David Ben Gurion wollte diesen Prozeß zu politischen Zwecken benutzen, schließlich waren die Festnahme und Entführung von ihm veranlaßt worden und er war es auch der Eichmanns Festnahme vor der Knesset verkünden konnte.
Der Fall Eichmann war ein idealer Anlaß um die Vernichtung des europäischen Judentums und die damit verbundenen Schrecknisse der ganze Welt darstellen zu können. Ben Gurion erkannte diese Möglichkeit schon sehr bald und der Staatsanwalt Gideon Hausner agierte voll in seinem Sinne. Ben Gurions Erwartungen sollten sich erfüllen, der Fall Eichmann weckte das Interesse der Medien aus aller Welt. Die Wirkung Eichmanns in der Weltöffentlichkeit beruhte nicht zuletzt in seiner Unscheinbarkeit und Unsichtbarkeit vor dem Krieg war Eichmann ein unsichtbarer SD-Beamter, während des Krieges war er ein unsichtbarer SS-Offizier, nach dem Krieg ein untergetauchter Nazi und bis zum Prozeßbeginn ein unsichtbarer Gefangener Israels.
Eichmann war nicht nur lange Zeit ein unscheinbarer Verbrecher gewesen, er war in seiner ganzen Erscheinung durch und durch unscheinbar: "Mit seinem schütteren, sich immer mehr und mehr lichtendem grau gelockten Haar und seiner Hornbrille sah er (...) aus wie ein subalterner Angestellte einer kleinen, schwer kämpfenden Firma, der sich verzweifelt bemüht, den Eindruck eines erfolgreichen Geschäftsführers zu machen."
Die Anklage führte einhundert Belastungszeugen auf, die in 62 Sitzungen über die Greuel der "Endlösung" berichteten. Eichmann selbst stand vom 20. Juni bis 24. Juli 1961 also 33½ von insgesamt 121 Sitzungen hindurch im Zeugenstand. Viele der Belastungszeugen hatten nichts zu berichten was im Fall Eichmann von Bedeutung gewesen wäre. Das so viele Zeugen zu Wort kamen und ungehindert ausschweifend erzählen konnten wird nur durch die schon erwähnte politische Absicht, die sich hinter diesem Prozeß verbarg, verstehbar.


2.2.2. Die Anklage

Die Grundlage der Anklage bildete das israelische Gesetz vom 1. August 1950 über Nationalsozialisten und Kollaborateure. Es enthält siebzehn Artikel, der wichtigste davon ist Artikel 1:


a) Mit dem Tod werden folgende Handlungen bestraft:

1. Verbrechen gegen das jüdische Volk, begangen während der Naziherrschaft in einem feindlichen Land;

 2. Verbrechen gegen die Menschlichkeit, begangen während der Naziherrschaft in einem feindlichen Land.


b) In diesem Artikel und mit den folgenden Bestimmungen bedeutet:

 "Verbrechen gegen das jüdische Volk" eine der folgenden Handlungen, die begangen mit der Absicht, das jüdische Volk in seiner Gesamtheit oder teilweise zu vernichten:

 1. Tötung von Juden;

 2. schwere körperliche oder seelische Mißhandlung;

 3. Verbringung von Juden in Lebensbedingungen, die ihre physische Vernichtung herbeiführen sollen;

 4. Durchführung von Maßnahmen, die auf Geburtenverhinderung bei Juden gerichtet sind.

 5. Zwangsweise Überführung von jüdischen Kindern in eine andere nationale oder religiöse Gemeinschaft.;

 6. Zerstörung oder Entweihung von jüdischen, religiösen und kulturellen Vermögen und Werten;

 7. Anstiftung zum Judenhaß.


"Verbrechen gegen die Menschlichkeit" eine der nachfolgenden Handlungen:

Ermordung, Ausrottung, Versklavung, Aushungerung oder Verschleppung und andere unmenschliche Handlungen, begangen gegen Zivilbevölkerung, sowie Verfolgung aus nationalen, rassischen, religiösen oder politischen Gründen;


"Kriegsverbrechen" einer der folgenden Handlungen:

 Mord, Mißhandlung oder Verschleppung der Zivilbevölkerung von oder in besetzte Gebiete zum Zwecke der Zwangsarbeit oder aus anderen Gründen, Mord oder Mißhandlung von Kriegsgefangenen oder Personen auf hoher See; Plünderung von öffentlichem oder privatem Eigentum, sinnlose Zerstörung von Städten, Ortschaften oder Dörfern sowie durch militärische Notwendigkeit nicht gebotene Verwüstung.
Artikel 10: Dieses Gesetz sah vor, daß bei Verbrechen gemäß Artikel 1 der Wegfall der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nicht auf Einwendungen wie Zwang, Notstand und höherer Befehl gestützt werden konnte; allerdings konnten solche Umstände eine Milderung des Strafmaßes bewirken. In Israel stand auf die im Artikel 1 beschriebenen Verbrechen die Todesstrafe, nicht jedoch auf Mord!
Diesem Gesetz liegen dieselben Grundsätze zugrunde nach welchen auch in den Nürnberger Prozessen gerichtet wurde. Die Anklage selbst umfaßte 15 Anklagepunkte und wurde von Generalstaatsanwalt Gideon Hausner am 12. Februar 1961 zusammen mit 1600 Beweisdokumenten beim Jerusalemer Bezirksgericht eingereicht: 

1. Ermordung von Millionen von Juden.

 2. Herbeiführung von Lebensbedingungen für Juden, die dazu angetan waren, ihre physische Vernichtung zu verursachen.

 3. Organisation von wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen und Zufügung von seelischem und körperlichen Schaden.

 4. Sterilisierung von Juden und Verhinderung von Geburten und Schwangerschaft.

 5. Versklavung, Aushungerung und Deportation.

 6. Verfolgung von Juden aus rassischen, religiösen und politischen Gründen.

 7. Raub des Vermögens, unmenschliche Maßnahmen von Zwangsenteignung, Terror und Gewalttätigkeit.

 8. Kriegsverbrechen.

Die Anklagepunkte neun bis zwölf beinhalten einzelne Maßnahmen gegen nichtjüdische Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft. Sie beziehen sich daher hauptsächlich auf "Verbrechen gegen die Menschlichkeit":

9. Deportation von 500 000 Polen

10. Deportation von 14 000 Slowenen

11. Deportation von zehntausenden Roma und Sinti

12. Deportation und Ermordung von ca. 100 Kindern aus dem Dorf Lidice.

Anklagepunkt 13-15 beschuldigte Eichmann der Mitgliedschaft in Organisationen, die in den Nürnberger Prozessen als "verbrecherisch" eingestuft wurden: Dem SD (Sicherheitsdienst), der SS (Schutzstaffel) und der GESTAPO (Geheime Staatspolizei).

Unverständlich ist, daß der Anklagepunkt 11, die Deportation von zehntausenden Roma und Sinti nach Ausschwitz, fallengelassen wurde: "(...) da uns nicht bewiesen wurde, daß dem Angeklagten bekannt war, daß die Zigeuner zur Vernichtung transportiert wurden." Dies ist um so merkwürdiger, weil Eichmann im Polizeiverhör diesen Tatbestand gestand:

 "Zigeuner hat der Reichsführer selber bestimmt. Ja, und die - die Richtlinien bei Zigeunern, die waren einfach gewesen. Die weiß ich. Nämlich nichts! Das hatte der Reichsführer!" Eichmann kannte zwar nicht die Richtlinien denen "Zigeunern" unterlagen, aber er wußte daß sie deportiert wurden, da er es selbst organisierte. So wurde außer dem Schuldspruch "Verurteilung am jüdischen Völkermord" keine Verurteilung wegen "Völkermord" ausgesprochen. Und das, obwohl der Völkermord an den Roma und Sinti eine längst bekannte Tatsache war. Und obwohl Eichmann nach eigenem Geständnis daran beteiligt war! All dies deutet wieder auf die Absicht, die hinter diesem Prozeß stand: Es sollte vor allem das Unrecht, welches am jüdischen Volk begangen worden war, in aller Öffentlichkeit dargestellt werden.
Eine viel diskutierte und sehr kontroverse Figur in diesem Prozeß ist Gideon Hausner, der israelische Generalstaatsanwalt. 
Gideon Hausner gab außerhalb der Gerichtssitzungen Fernsehinterviews in denen er Dinge sagte wie: "es hinge ihm zum Halse heraus, Eichmann ins Kreuzverhör zu nehmen, der ja doch auf alle Fragen mit Lügen antwortete." Zusätzlich wandte er sich sehr häufig dem Zuschauerraum zu, dem er eigentlich auf Grund seines Platzes den Rücken zukehren müßte. Er ließ Zeuge um Zeuge aufrufen um Dinge auszusagen, die zwar schrecklich und wahr waren, aber mit den Verbrechen des Anklagten so gut wie nichts zu tun hatten. All dies diente lediglich dazu, daß "Bild des Grauens" welches durch die Nationalsozialistische Herrschaft am jüdischen Volk verbrochen wurde, vor der Weltöffentlichkeit zu zeigen. Gideon Hausner handelte somit im Sinne seines Ministerpräsidenten Ben Gurion. 


2.2.3. Die Verteidigung

Nachdem kein israelischer Anwalt die Verteidigung von Adolf Eichmann übernehmen wollte, wählte Eichmann Dr. Robert Servatius und dessen Assistenten Dr. Dieter Wechtenbruch, aus drei Vorschlägen aus.

Die Strategie der Verteidigung war dieselbe, die schon bei den Nürnberger Prozessen so wenig erfolgreich gewesen war: Hauptsächlich baute sie darauf auf, daß Adolf Eichmann nach den Gesetzen des "Dritten Reiches" nicht verbrecherisch gehandelt hätte. Eichmann selbst hatte nach diesen Gesetzen als gesetzestreuer Bürger gehandelt, nicht Adolf Eichmann sei für seine Handlungen zur Verantwortung zu ziehen, sondern der "souveräne Staat des Dritten Reiches". Die Rechtswissenschaft verwendet dafür den Begriff des " gerichtsfreien Hoheitsaktes". In den Nürnberger Prozessen wurde daher ausdrücklich festgelegt, daß jede Person für seine und ihre Taten zur Verantwortung zu ziehen ist. Hätte man Eichmanns Handlungen als gerichtsfreien Hoheitsakt betrachtet, dann hätte keiner seiner Vorgesetzten, nicht Himmler, nicht Kaltenbrunner , nicht einmal Hitler selbst gerichtet und verurteilt werden können. Der Führerbefehl hatte im "Dritten Reich" Gesezteskraft, diese Tatsache konnte durch ein dutzend Rechtswissenschaftern des Dritten Reiches belegt werden.. Im "Dritten Reich" war aber Recht zu Unrecht gemacht worden. Die Nationalsozialisten pervertierten die liberale Gesetzgebung, indem sie den meisten ihrer Verbrechen eine formale Rechtsgrundlage gaben. Die Bürger und Bürgerinnen in Hitlerdeutschland haben dies zugelassen, es gab nur wenige die von Anfang an gegen die Nationalsozialisten und deren Gesetzgebung protestierten. Die logische Frage die sich dadurch stellt ist:"Wer hatte Schuld?", da ich den Begriff der Kollektivschuld ablehne, weil er mir nicht zweckmäßig erscheint, sind all jene Personen schuldig, die durch ihre Handlungen anderen Menschen körperlichen oder materiellen Schaden zugefügt haben. Es ist unerheblich, ob es tausende andere gegeben hat, die an Stelle der tatsächlichen Täter genauso gehandelt hätten. Es ist außerdem unerheblich ob auf Befehl gehandelt wurde oder nicht. Würden wir den Menschen die Eigenverantwortlichkeit für ihr Tun absprechen, dann würde Rechtsprechung einen "theologischen" Charakter annehmen und sich erübrigen. "Was wir in diesen Prozessen fordern, ist, das Menschen auch dann noch Recht von Unrecht zu unterscheiden fähig sind, wenn sie wirklich auf nichts anderes mehr zurückgreifen können als auf das eigene Urteil,(...)."


2.2.4. Der Angeklagte

Wer war dieser Adolf Eichmann?- Ich habe versucht in meinem relativ ausführlichen Kapitel über seine Biographie darauf schon etwas einzugehen. Adolf Eichmann, Sohn des Adolf Karl Eichmann war nicht das Ungeheuer im Form einer brutalen mordgierigen Person wie ihn die Anklage darstellen wollte. Der israelische Generalstaatsanwalt Gideon Hausner reihte ihn "Dank seiner Verbrechen" in die Reihen der historischen Größen wie Nero, Attila und Dschingis Khan ein. Über Eichmanns Position im "Dritten Reich", sagte Hausner, kam er direkt hinter Adolf Hitler und war ein Intimus von Heinrich Himmler. Sechzehn Jahre zuvor hätte ihn eine solche Zuweisung sicherlich sehr gefreut, er wäre geschmeichelt gewesen. In Israel stand hinter diesen Worten die Todesstrafe.
Adolf Eichmann bekannte sich zu allen fünfzehn Anklagepunkten nichtschuldig im Sinne der Anklage. Vor allem die Anklage des Mordes sei falsch: "Ich hatte mit der Tötung von Juden nichts zu tun. Ich habe niemals einen Menschen getötet, aber ich habe auch keinen Nichtjuden getötet - Ich habe überhaupt keinen Menschen getötet. Ich habe auch nie einen Befehl zum Töten eines Juden gegeben, auch keinen Befehl zum Töten eines Nichtjuden ...Habe ich nicht getan,"

Das dies nicht sein Verdienst war, sondern Zufall wußte er selbst: " Es habe sich eben so ergeben." Eichmann hatte die Deportationen der jüdische und anderer Volksgruppen zu organisieren, diese Tätigkeit war bereits Teil der Tötung. In seinem Polizeiverhör wurde er dann von Avner Less den verhörenden israelischen Polizeihauptmann zu diesem Punkt befragt:

Less: " Sie haben dienstlich gewußt, daß vergast wurde?"

Eichmann: " Das habe ich gewußt, selbstverständlich, das wußte ich."

Eichmann: "(...) ich war heilfroh gewesen in den ganzen Jahren, daß ich mit der Vernichtung nichts zu tun gehabt hab'. Ich hab' mit der Vernichtung nichts zu tun gehabt."

Less: " War nicht aber die Deportation der Vernichtung gleichgesetzt?"

Eichmann: " Herr Hauptmann, ich sagte schon, wer in den Arbeitsprozeß eingeschaltet wurde, wer nicht - das oblag nicht meiner Zuständigkeit. Ich hatte Befehl gehabt zu deportieren. (...)."

Less : "Und das heißt, dann war Ihre Einstellung nicht dagegen?"

Eichmann: "Ich habe gehorcht. Egal was man mir befohlen hätte, ich hätte gehorcht. Sicherlich hätte ich gehorcht. Ich habe gehorcht, ich habe gehorcht. Ich kann aus meiner Haut nicht heraus, Herr Hauptmann."

Adolf Eichmann hätte auch, wie er sich ausdrückt "direkt" an der Vernichtung mitgewirkt, wenn ein Befehl dazu erfolgt wäre. Aber er war froh, dies nicht tun zu müssen. Er war "hinter" dem Schreibtisch und am Verhandlungstisch mit "jüdischen Funktionären" viel besser zu gebrauchen. Relativ weit entfernt von den tatsächlichen Ermordungen, agierte er und tat sein Bestes, Millionen Menschen in den sicheren Tod zu schicken. Mehrere Male mußte er die Mordvorgänge direkt mit eigenen Augen mitansehen. Einmal, als er von seinem Vorgesetzten Müller zur Beobachtung in die Lubliner Gegend geschickt wurde, beschrieb er in Jerusalem seine Eindrücke dann wie folgt: "(...) Als ich hinkam sah ich aber gerade noch, wie junge Schützen ... mit dem Totenkopf auf dem Spiegeln hier in eine Grube schossen ... Schossen hinein und ich sehe noch wie eine Frau, Arme nach rückwärts, und dann sind auch mir die Knie abgewankt und ich bin weg."

 (...) wie kann man denn? Einfach dahier hineinknallen - auf eine Frau und Kinder? Wie ist denn das möglich? sag ich. Es kann doch nicht. Die Leute müssen entweder wahnsinnig werden oder Sadisten. Unsere eigenen Leute." So fürchterlich, oder besser ekelerregend, er diese Erschießungen auch fand, das Wohl der "eigenen Leute" stand im Vordergrund, nicht die Ermordung unschuldiger Zivilisten. 

Schon im ersten Personalbericht vom 17.9.1937 wurde dem SS -Hauptscharführer Eichmann ausdrücklich bescheinigt: " überzeugter Nationalsozialist ... Seine Nationalsozialistische Weltanschauung ist die Grundlage seiner Haltung in und außer Dienst." Zwei Jahre später hieß es in der Rubrik " Einstellung zur NS-Weltanschauung: bedingungslos." Sein langjähriger Dutzfreund Dieter Wisliceny, zuerst sein Vorgesetzter, später Mitarbeiter beschuldigte Adolf Eichmann in seinen Verhören zu den Nürnberger Prozessen (1946) schwer. Er kannte Eichmann sehr gut und seine Zeugenaussagen sind aufschlußreich für Eichmanns Persönlichkeit: Eichmann empfand "nicht den leisesten Zweifel in bezug auf das, was Himmler oder Hitler an Befehlen und Anordnungen erließen. Ebenso waren ihm die Befehle seiner Vorgesetzten absolut heilig. Und er verlangte dasselbe von seinen Untergebenen..." Er wußte was er getan hatte, er hatte "Kraft seines Amtes" die Ermordung von über fünf Millionen Menschen ermöglicht, ohne je einen Tötungsbefehl zu unterschreiben. 

"Perfekter Bürokrat und rabiater Nazi - diese Kombination ergab den bedingungslosen Funktionär, den das Regime, der SS-Staat im Staate, brauchte und ohne den die Totalität des Unrechts nicht möglich gewesen wäre. Es gab - wenn sie auch nicht alle so nah an den Hebeln der Macht saßen - viele Eichmanns: gewissenhafte Werkzeuge der Gewissenlosigkeit."


B. Schlußbetrachtung


Adolf Eichmann war der Prototyp einer neuen Art von Täter die das 20. Jahrhundert kennzeichnen: Der rechtschaffende Bürokrat waltet seines Amtes im Büro und hinter dem Schreibtisch. Er mordet ohne die Ermordeten überhaupt zu Gesicht zu bekommen. Er handelt im Rahmen eines Systems, dem als legitim einmal anerkannt, es später nichts mehr zu widersetzten gibt. Das tragische an der Figur Eichmann ist, daß er nie wirklich verstanden hat, was jetzt eigentlich seine große Schuld war.
In Jerusalem wurde er für etwas zu Tode verurteilt, wofür er sechzehn Jahre zuvor noch einen Orden erwarten konnte. Woran es ihm komplett zu mangeln schien, war die eigene Urteilskraft. Er ordnete seine Meinung kompromißlos den äußeren Normen unter. Dies tat er nicht nur in Nazideutschland, auch in Argentinien und letzlich sogar in Jerusalem. Adolf Eichmann wäre in einer anderen Zeit mit anderen Umständen ein unbescholtener Bürger geblieben.
Die Banalität des Bösen wird gerade darin deutlich, daß Eichmann und viele andere zu Werkzeugen eines Gewaltregimes werden konnten, während sie unter anderen, "normalen" Umständen die unbescholtenen Bürger und Bürgerinnen geblieben wären, die wir alle so gut kennen.

 

Literaturverzeichnis



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Benz, Wolfgang: Der Holocaust, München 2. Auflage 1995.

Buchacher, Robert/ Lackner, Herbert: Flucht aus dem Walhalla; in: Profil Nr. 50, 9. Dez. 1996, S. 42-46.

Deutschkron, Inge: Israel und die Deutschen. Das besondere Verhältnis, Köln 1983.

Goldhagen, Daniel Jonah: Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, Berlin 1996.

Große, Christina: Der Eichmann-Prozeß zwischen Recht und Politik, Frankfurt/Main 1995.

Lamm, Hans (Hg): Der Eichmann-Prozeß in der deutschen öffentlichen Meinung. Eine Dokumentensammlung, Frankfurt/Main 1961.

Lang, Jochen von (Hg.); Eichmann, Adolf: Das Eichmann-Protokoll: Tonbandaufzeichnungen der israelischen Verhöre, Wien 1991.

Malkin, Peter Z./ Stein, Harry: Eichmann in my Hands, New York 1990.

Mulisch, Harry: Strafsache 40/61. Eine Reportage über den Eichmann-Prozeß

Nymphenburger Verlag (Hg.): Die Kontroverse Hannah Arendt / Eichmann / und die Juden, München 1964.

Pearlman, Mosche: Die Festnahme des Adolf Eichmann, Frankfurt/Main 1961.

Safrian, Hans: Die Eichmann-Männer, Wien 1993.

Wiesenthal, Simon: Ich jagte Eichmann. Tatsachenbericht, Gütersloh 1961

Wucher, Albert: Eichmanns gab es viele, München/Zürich 1961.


 

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