Zur Problematik von Sport und Politik in den 60´er Jahren - dargestellt anhand von ausgewählten Problemfeldern
Von Christian Flandera
Lehrveranstaltung: | SE: Mythos und Realität der Sechzigerjahre |
Lehrveranstaltungsleiter: | Reinhold Wagnleitner / Reinhard Krammer |
Universität: | Universität Salzburg, Institut für Geschichte |
Semester: | WS 1996/97 |
Inhaltsverzeichnis:
Ist Sport nur Sport oder auch Politik?
Let us declare frankly that sport has something to do with politics
In South Africa the races do not mix on the sports field
Dianabolika aller Länder, vereinigt euch!
Die Zuschauer sind nur mehr Komparsarie für das Fernsehen
In den 60´er Jahren begannen in vielen Bereichen des Sports Entwicklungen, deren Auswirkungen für uns heute oft fälschlich als Errungenschaften oder Probleme des heutigen "Medienzeitalters" betrachtet werden. Sei es die große Anzahl von "Live"- Übertragungen von Sportveranstaltungen oder der Umstand, daß viele Frauensportarten in den Medien heute noch immer nicht beachtet werden.
Um nicht dem Trugschluß zu erliegen, daß es sich beim Sport um eine Insel der Seligen handelt, die erst in den letzten Jahren durch den zunehmenden Medieneinfluß und die Werbung zerstört wurde, sollte man kurz einige grundlegende Erörterungen über das Verhältnis von Sport und Politik anstellen, die dann im weiteren Verlauf des Beitrages Richtung Sport und Ost/Westverhältnis, Apartheid, Schwarze, Frauen, Doping und Medien erweitert werden.
Die Darstellung der ausgewählten Problembereiche erfolgt von mir nur exemplarisch und punktuell. Die Entwicklung bis zum Beginn der 60´er Jahre stelle ich nur stark verkürzt dar, ebenso wie ich bei den einzelnen Themenbereichen nur mir als relevant für die zukünftig Entwicklung erscheinde Ereignisse näher beleuchten werde. Die Gliederung in die einzelnen Themenbereiche soll nur zur groben Orientierung dienen, das heißt, sie wird auf keinen Fall den diversen Interdependenz-verhältnissen (z.B.: zwischen Kaltem Krieg und der Apartheid oder ersterem und der Frauenförderung) gerecht, diese werden aber an gegebener Stelle behandelt.
Ist Sport nur Sport oder auch Politik?
Die folgenden Ausführungen sind nur dann verständlich, wenn man unter Sport nicht alleine die Ausübung einer Köperbewegung versteht, sondern auch das gesamte institutionelle und administrative System, das angefangen vom Profisportler bis zum Freizeitsportler eines Kegelclubs alle umgibt. Oft sind die politischen Verbindungen zu den FreizeitsportlerInnen noch viel größer, da sie ein größeres Wählerpotential darstellen als Spitzensportler.
Zwischen Sport und Politik besteht meist eine eo ipso Interdependenz - unabhängig von der geltenden Ideologie. Die Politik hat die Funktion eines (von vielen) umverteilenden Transmissionsriemen.Die Sportpolitik eines Staates ist meist "als Teil einer integralen Gesellschaftspolitik"zu verstehen."Aufgrund der Stellung des Sports im Gesamtfeld gesellschaftlicher Mächte kann man global feststellen, daß Sport überwiegend, aber keineswegs ausschließlich Objekt, begrenzt jedoch auch selbst Subjekt politisch vermittelter gesellschaftlicher Entwicklungen ist."
Das heißt, der Sport ist nicht nur in den Sensationsfällen der Presse, wie beim Sieg der eigenen Nationalmannschaft über die eines anderen Staats ein Objekt, sondern vielmehr, intensiver und weitreichender in der alltäglichen Politik, wenn es um den Bau bzw Umbau von Sportplätzen und Stadien, der Subventionierung von Veranstaltungen oder der Vermietung von Schulturnhallen an lokale Sportvereine geht. Auch sollte man nicht den Stellenwert der Politik bei diversen Eröffnungszeremonien, Siegerehrungen und Pokalspenden vergessen, auch das Phänomen der "Ehrenpräsidentschaft" ist hierzu zu zählen. Für GÜLDENPFENNIG kann der Sport ein politisches Symbol sein, der Gegenstand oder das Feld politischen Handelns und ein politisches Mittel.
"Sport als Medium der Politik ist auch deshalb so attraktiv, weil der Schlagabtausch quasi auf einem Nebenschauplatz stattfindet, der gute Rückzugsmöglichkeiten offenhält, wobei sich neue Taktiken relativ risikolos erproben lassen und obendrein die Massenmedien für ein großes Publikum sorgen."
Alle diese Funktionen des Sports sind in den 60´er Jahren erstmals oder in einer bisher nicht gekannten Qualität, sei es nun zur Durchsetzung von ideologischen Ansichten oder um die Gleichbehandlung von "Rassen" zu erreichen, verwendet worden.
Let us declare frankly that sport has something to do with politics
Wenn im folgenden Abschnitt hauptsächlich oder jedenfalls sehr oft die politischen Ereignisse und Entwicklungen der Politik im Kontext mit dem Sport anhand der Olympischen Spiele dargestellt werden, so liegt dies in erster Linie an der globalen Bedeutung des IOC (International Olympic Committee), die sich sowohl im finanziellen als auch im politischen Ausmaß seiner Entscheidungen manifestiert.
Als 1952 die Sowjetunion erstmals an den Olympischen Spielen teilnahm, eröffnete sie damit eine neue Front im Kampf gegen den Kapitalismus. Der Sportler kämpft nun nicht mehr um der Ehre willen oder um sich selbst zu bestätigen (Profis waren zu den Olympischen Spielen nicht zugelassen), sondern um zu beweisen, daß seine Ideologie die Bessere sei. Auch wenn sich das IOC mit allen Kräften gegen eine politische Vereinnahmung wehrte, so wurde es im Laufe der 50´er Jahre und in noch viel stärkerem Ausmaß in den 60´er Jahren zu einem politischen Instrument von Ost und West. (Was aber nicht heißt, daß die Spiele für politische Zwecke nicht schon vorher, beispielsweise von den Nationalsozialisten, instrumentalisiert wurden.)
Dies begann bei der von den kommunistischen Ländern eingeführten - und nicht der Satzung des IOC entsprechenden - Gepflogenheit, im Block mit der Sowjetunion zu stimmen und endete mit dem Boykott der Spiele durch China von 1958 bis 1980, nachdem die Teilnahme Taiwans genehmigt wurde. Letzteres zog dann auch noch einen Konflikt innerhalb des IOC zwischen der Sowjetunion und den westlichen Staaten nach sich. Im IOC wurde ab dieser Zeit nicht mehr allein Sportpolitik, sondern Weltpolitik gemacht.
Je größer die Kluft zwischen Ost und West wurde, desto mehr stieg das Zuschauer-interesse an den Olympischen Spielen. Jede Disziplin wurde zu einem "kalten Kriegsschauplatz" oder zu einem "zivilisierten Weltkrieg" zwischen Ost und West ("Erdteilwettkämpfe" oder "Länderwett-kämpfe").
Gab es anfangs (seit 1952) nur den "Kampf" der beiden Supermächte gegeneinander mit sportlichen Mitteln, so kam in den 60´er Jahren der, von den immer wichtiger werdenden Medien hochstilisierte, "Kampf" der DDR gegen BRD und Kubas (vor allem im Boxen) gegen die USA hinzu.
Durch den erstmaligen Verkauf der TV-Rechte bei den Olympischen Spielen 1960 und der daraus resultierenden qualitativen, finanziellen und quantitativen Steigerung, bekam der "Kalte Krieg" im Sport eine neue Dimension. Die Spiele von Rom legten die Richtung für die Zukunft endgültig fest, die den Sportler den nationalen Interessen der einzelnen Staaten und Blöcke unterordnete.Als bestes Beispiel für die "Nationalisierung" des Sports dient meiner Meinung sowohl "die offizielle Handreichung zur politisch ideologischen Immunisierung der an den Olympischen Spielen teilnehmenden DDR - Sportler" als auch die noch heute (auch in Österreich) vorhandene Gepflogenheit, die Sportler vor ihrer Teilnahme an olympischen Spielen - wie Soldaten - zu vereidigen. Aber die ´Verstaatlichung´ des Sportes schuf auch eine neue Kategorie des Sportlers, die des ´Staatsamateurs´. Auch wenn der IOC die Fahne des Amateurismus wacker hochhielt, (das wohl bekanntes Beispiel für Österreich ist Karl Schranz - hier zeigte sich auch die neue Macht des Fernsehens), so kann man, nach Eric Dunning, den ´Shamateurism´ doch in Kategorien einteilen. Im Ostblock wurden die Sportler vor allem durch Ämter in Armee, Polizei oder im direkten Staatsdienst versorgt (in Österreich übernimmt die HSNS diese Rolle). Aber auch in der Privatwirtschaft können arbeitslose ´Jobs´ für die Sportler geschaffen werden (bis in die 60´er Jahre die Rugby Union und County Cricket in England; ähnlich gelagert ist der Fall der japanischen Volleyballdamen, die 1964 Olympiasieger wurden). In den Vereinigten Staaten passiert das gleiche nur über den Umweg der College- oder Universitätsteams (das Santa Monica - track - team stellte in den 80´er und 90´er Jahren die weltweit beste Sprintstaffel). Die weiteren Möglichkeiten wie die finanzielle Unterstützung der Sportler durch Werbung etc. entwickelten sich seit den 60´er Jahren.Ein Problem stellte für das IOC vor allem dar, inwiefern und ob es als Sportorganisation auf Ereignisse in der Tagespolitik reagieren sollte. Am längsten belastete das IOC die deutsch - deutsche Frage. 1952 waren aufgrund von Differenzen nur westdeutsche Athleten zu den Spielen gefahren, für die Olympiade in Melbourne 1956 konnte man sich nach langen Verhandlungen auf Beethovens Ode "An die Freude" als gemeinsame Hymne der gesamtdeutschen Mannschaft einigen. Doch als zum 10. Jahrestag der DDR, am 7. Oktober 1959, auf die schwarz - rot - goldene Fahne Hammer und Zirkel gesetzt wurden, konnte nur ein Schiedsspruch des IOC - Präsidenten Avery Brundage, der 5 weiße olympische Ringe auf schwarz - rot - goldenen Grund vorschlug, zu einem gemeinsamen deutschen Team verhelfen. In den Augen der westdeutschen Politiker waren nämlich zwei verschiedene Staatsfahnen der Grundstein zur Legitimierung von zwei eigenständigen deutschen Staaten. Dies erklärt auch, warum ab 2. Februar 1961 das Zeigen der ostdeutschen Fahnen in der BRD untersagt war, ebenso wie keine westdeutschen Sportler an Wettkämpfen teilnehmen durften, bei denen die Fahne der DDR akzeptiert wurde. Im weiteren Verlauf der 60´er Jahre kam es - bedingt durch das angespannte Verhältnis zwischen den beiden Staaten - zu einer Reihe von Problemen (sportliche Überläufer, politische Agitationen der ostdeutschen Sportler), die nur bedingt durch die Schiedsprüche des IOC bereinigt werden konnten. Den politischen Schlußstrich und gleichzeitig einen Neuanfang bildeten erst die Spiele von München 1972 mit zwei deutschen Mannschaften, Hymnen und Fahnen, denn die sportliche Eigenständigkeit hatte die DDR schon in Mexiko 1968 geschafft, als sie erstmals besser bei einer Olympiade abschnitt als die viermal größere BRD (Später möchte ich versuchen zu beantworten, ob dies nicht ein Pyrrhussieg auf Kosten der Gesundheit der einzelnen SportlerInnen war.)
Besonders die sozialistischen Länder protestierten gegen die Wahl (26.4.1966) Münchens als Austragungsort, da für sie München, die "Propaganda - Zentrale der amerikanischen Radio - Dienste (Radio Free Europe und Stimme Amerikas; Anmerk.d.A.) gegenüber Ost - Europa" war.
Um Probleme, vorallem wegen der Hoheitszeichen der DDR, zu vermeiden, mußte die westdeutsche Bundesregierung bereits 1968 dem IOC garantieren, daß diese der ostdeutsche Mannschaft in München gestattet sein werden.Die Auswahl Tokyos als Olympiastadt 1964 stellte - wie die Wahl jedes Olympischen Austragungsortes - einen politischen Akt dar, da er die Rehabilitation Japans nach dem zweiten Weltkrieg darstellte. Aber das IOC provozierte 1962 mit dem Ausschluß Indonesiens von den Olympischen Spielen (Grund war die Nichteinladung Taiwans und Israels zu den IV. Asienspielen) auch noch die Abhaltung von einer asiatischen Gegenolympiade 1963. Die GANEFO (Games of the New Emerging Forces) standen im Zeichen eines Protests gegen die aus Sicht der asiatischen und afrikanischen Staaten zu große Westlastigkeit und Scheinheiligkeit des IOC´s.
Auch wenn viele Staaten nur ein inoffizielles Aufgebot schickten - aus Angst vor Sanktionen des IOC´s - so nützte Frankreichs Charles de Gaulles die Chance durch die Entsendung eines offiziellen Teams, um die Souveränität und Unabhängigkeit seiner Politik zu demonstrieren.
Der Beweis, daß aus einer Konfrontation auf sportlicher Ebene aber auch ein handfester Krieg entstehen kann, lieferten sowohl Kongo - Brazzaville und Gabun 1962 mit der "Fußballrevolte" als auch 1969 El Salvador und Honduras mit dem "Fußballkrieg". Beim Fußball - WM - Qualifikationsspiel der Nationalmannschaften von El Salvador und Honduras (8.6. und 17.6.1969) kam es zu schweren Ausschreitungen der Anhänger beider Mannschaften. Das Eingreifen der salvadorianischen Armee löste in Honduras eine Mobilmachung aus und führte zum "Fußballkrieg", der ungefähr 5000 Menschen das Leben kostete. Waren in diesem Fall auch latent vorhanden soziale Ungleichheiten die Triebfeder, so ging es beim Konflikt zwischen dem Kongo und Gabun schlicht um das rohstoffreiche Gebiet des Oberlaufs des Flusses Ogooué. In diesen - wenn auch extremen Beispielen - wurde der Sport zu politschen Zwecken instrumentalisiert, was meiner Meinung noch Brisanz gewinnt, da die beteiligten Staaten jeweils ein und demselben Machtblock zugerechnet wurden.
In South Africa the races do not mix on the sports field
Bis 1960 in Rom nahm Südafrika immer nur mit einer "reinweißen" Mannschaft bei den Olympischen Spielen teil. Die von außen kommende Kritik an dieser Praxis wurde immer mit dem Verweis auf mangelnde Leistungen der farbigen Athleten abgetan. Doch dies war nur ein "Scheinargument", denn es gab sehr wohl farbige südafrikanische Sportler, die im internationalen Sport reüssierten. Die Apartheid wies aber wesentlich mehr Facetten auf als das bloße Antrittsverbot für "Farbige".
Die Apartheid in Südafrika wurde seit 1948 (Herrschaftsbeginn der National Party) kontinuierlich auf alle Lebensbereiche der Farbigen ausgedehnt. So war bis 1991 auch im Sport eine strenge Rassentrennung vorgeschrieben. Das hieß, daß die Gründung von gemischtrassischen Sportorganisationen untersagt war, daß weiße Sportler nicht mit oder gegen nichtweiße Sportler spielen durften - egal welcher Nationalität die nichtweißen Athleten waren. Zwar gab es ab dem Ende der 50´er Jahre bei Auftritten von südafrikanischen Sportlern schon vereinzelt südafrikafeindliches Zuschauerverhalten, aber erst das Engagement der 1958 gegründeten anti-rassischen SASA (South African Sports Association) und ab 1963 auch des South African Non-Racial Olympic Committee (SANROC) lenkten die internationale Aufmerksamkeit auf diese Problematik. Vorerst wurde die SASA kaum in internationale Verbände aufgenommen, in denen schon eine weiße südafrikanische Sportorganisation vertreten war, doch 1961 konnte mit dem Ausschluß Südafrikas aus der FIFA ein erster großer Erfolg gelandet werden. Der Ausschluß Südafrikas von den Olympischen Spielen 1964 und 1968 wäre jedoch ohne die weitere Unterstützung durch andere Staaten kaum durchzusetzen gewesen, da das IOC eine äußerst konservative Politik verfolgte.Das IOC verstand sich aus seiner Tradition heraus als ein elitäres (wenn möglich aristokratisches), westlich orientiertes, männliches, weißes Gremium. Bedingt durch die Präsidentschaft des Amerikaners Avery Brundage (1952 - 1972) war man Südafrika gegenüber positiv eingestellt. Erst durch den massiven Druck der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder begann das IOC ab 1959 halbherzig mit einer Apartheiddiskussion, bei der es ausreichte, daß der südafrikanische NOC (National Olympic Committee) Vertreter beteuerte, daß keine Diskriminierung erfolge. Daß sich bei einer Abstimmung über diese Frage im März 1962 nur 5 NOC Vertreter für einen Ausschluß aussprachen, verwundert nicht, wenn man bedenkt, daß der afrikanische Kontinent nur durch 2 Weiße (Südafrika, Kenia) vertreten wurde.
Abb. 1
Erst durch den Druck der neuentstandenen afrikanischen Staaten und ihren olympischen Ambitionen (siehe Abb.1) und dem Beharren Südafrikas auf der Rassentrennung wurde es, wie bereits erwähnt, von der Teilnahme in Tokyo ausgeschlossen. 1968 wiederholte sich wiederum das peinliche Schauspiel um diverse Fristsetzungen (bis zu denen eine gemischtrassische Mannschaft aufgestellt werden sollte) durch das IOC für Südafrika, um doch noch eine Teilnahme durchzudrücken. Erst durch eine Drohung von 50 Staaten und den schwarzen US - Athleten, die Spiele in Mexiko zu boykottieren, wenn Südafrika oder Rhodesien teilnehmen sollten, konnte die Teilnahme beider Staaten verhindert werden. Zwar versuchte Südafrika durch "rein-weiße" Spiele 1969 in Bloemfontein aus der sportlichen Isolation auszubrechen, aber durch diverse gegenseitige Boykottdrohungen nach dem Dominoprinzip (z.B.: wenn die BRD teilnehmen sollte, würden alle afrikanischen Staaten die Olympiade in München boykottieren etc) wurden diese Spiele zu einem finaziellen Fiasko. Den vollständigen Ausschluß aus der olympischen Bewegung und aus den meisten anderen internationalen Sportorganisationen löste das Einreiseverbot für den schwarzen US - Tennisspieler Arthur Ashe 1970 aus. Die neugegründete Berufsspielervereinigung lehnte eine öffentliche Verurteilung des Vorfalls ab (Hintergrund dafür dürften die zahlreichen, gutdotierten, südafrikanischen Tennisturniere in der europäischen Winter-pause gewesen sein).
Der definitive Ausschluß trug endlich den diskriminierenden Umständen für die "Farbigen" (von der Rassentrennung waren alle Nichtweißen wie z.B.: auch die Inder betroffen) in Südafrika Rechnung. Denn die Apartheidpolitik verhinderte nicht nur eine Teilnahme der Sportler bei Wettkämpfen, sondern sie setzte schon viel früher an, indem sie die Sportausübung von Farbigen nahezu ganz unterband bzw einfach keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellte."Lediglich die großen Minenunternehmen stellten den von ihren Familien getrennt lebenden schwarzen Minenarbeitern gute Sportanlagen zur Verfügung, damit sich diese durch den Sport regenerieren und sexuelle Engergien sublimieren (hervorh.d.A.) konnten."
Weiters sollte man sich vor Augen halten, daß die Nichtweißen in Südafrika ungefähr 87 % der Bevölkerung stellen und sich um weitere Betroffene der Diskriminierung vermehren, die keine Südafrikaner waren, sondern z.B.: Portugiesen (sie galten in Südafrika als Farbige) oder Maori - Spieler des neuseeländischen Rugbyteams, die bei der in regelmäßigen Abständen stattfindenden Tournee durch Südafrika nicht spielberechtigt waren. Die wirtschaftlich wichtigen Japaner wurden allerdings pauschal zu "Ehrenweißen" erklärt, um ihnen bei ihrem Aufenthalt in Südafrika keine Unannehmlichkeiten zu bereiten.
Jack Olsen (Journalist) stellte 1968 in seiner Kolumne:
"Every morning the world of sport wakes up and congratulates itself on its contributions to race relations. The litany has been repeated so many times that it is believed almost universally."
Mit diesen Worten im Hinterkopf sollte man den folgenden Überblick und alles was man bisher zur "integrativen Kraft des Sports" gehört hat sehen. Auch in den Vereinigten Staaten war man in den 50´er und in den 60´er Jahren nicht nur bei den Bürgerrechten, sondern auch in der Sportausübung von einer Gleichbehandlung noch weit entfernt, auch wenn es partiell zu großen Fortschritten kam. Man sollte sich daher immer vergegenwärtigen, daß man von der kleinen priviligierten Gruppe der Profisportler keinen Rückschluß auf die Situation einer ganzen Bevölkerungsgruppe ziehen kann, auch wenn man in den Vereinigten Staaten einzelne Paradesportler wie Jesse Owens (vierfacher Olympiasieger in Berlin 1936) gerne als Beispiel für die Chancengleichheit der Schwarzen ausgibt - wenigstens im Sport.
Für die Schwarzen stellte der Sport den einzigen Lebensbereich dar, in dem sie durch harte körperliche Arbeit ab der Mitte der 50´er Jahre nahezu die gleichen Chancen hatten, sich mit den Weißen im sportlichen Wettkampf zu messen.
Die generellen Diskriminierungen der Schwarzen im Sport wurden bis in die 50´er Jahre hinein mit ihrem mangelndem Fleiß und dem Unwillen zur körperlichen Arbeit begründet. Als aber ihre Leistungen in den verschiedenen Sportarten - trotz der miserablen Trainings- und Lebensbedingungen vor allem im Süden - nicht mehr zu ignorieren waren und vorallem der Umstand, daß man jede Goldmedaille in der olympischen Statistik im Kampf gegen die Sowjetunion benötigte zum Tragen kam, wich man auf eine physische Argumenationslinie aus. Das heißt,"der Glaube, Schwarze seien aufgrund ihres natürlichen, biologischen "Wesens" - einer spezifischen Muskelzusammensetzung, Anatomie oder Reaktionsfähigkeit - für bestimmte Sportarten besonders geeignet, hat sich tief ins Alltagsbewußtsein eingeschrieben."
Der ungeheure Trainingsfleiß, trotz meist widrigster Bedingungen, bleibt unbeachtet als Argument für schwarze Spieler. In der Spielmacherposition wurde ihre angebliche geistige Rückständigkeit angeführt, "da diese Position schnelles Denken und Führungseigenschaften erfordert." . COAKLEY konnte diese spezifische Art der Diskriminierung auch noch für den Beginn der 80´er Jahre anhand der Aufstellungen im Football, Baseball und Basketball glaubhaft statistisch nachweisen. Auf der Spielmacherposition sind schwarze Spieler deutlich unterrepräsentiert. PLASSMANN stellte den selben Befund auch noch für die 90´er Jahre aus. ROBERTS und OLSON untermauern ebenfalls die Gültigkeit der These vom "mangelnden geistigen Potentials", denn ihren Angaben zufolge gab es den ersten schwarzen Trainer in der NBA 1966 (´Bill´ Russell), im Baseball 1975 und im Football gar erst 1989.
"Als Gesellschaft betrachten wir daher das Thema der rassischen Eignung im Sport noch immer mit den Augen des 19. Jahrhunderts."
Der erste schwarze Sportler, der für kurze Zeit auch für Weiße ein Idol darstellte, war Jesse Owens, der 1936 viermal Gold bei der Olympiade in Berlin gewann, erst 10 Jahre später, 1946, gelang es Jackie Robinson als erstem Schwarzen in der Major Baseball League bei den Brooklyn Dodgers einen Profivertrag zu erlangen. Um der Rassentrennung zu entgehen mußte die Mannschaft sogar ihr Trainingscamp von Florida nach Kuba verlegen. Wie die Graphik (Abb. 2) zeigt, konnten die Schwarzen im Laufe der 50´er und verstärkt durch die Bürgerrechtsbewegung in den 60´er Jahren in den drei angeführten Sportarten Fuß fassen - inwiefern die in Abbildung 2 verwendeten Daten vergleichbar sind, bleibt aber dahin gestellt, da die Quellen teilweise nicht angeben, ob sich die Zahlen auf die Schwarzen je Verein oder nur auf die tatsächlich während der Saison eingesetzten beziehen (näheres dazu findet sich unten bei ´stacking´).
Das heißt aber nicht, daß für gleiche Leistung auch ein gleicher Lohn bezahlt wurde, denn für die Schwarzen fielen auch lange Zeit die lukrativen Werbeverträge weg, die bei ihren weißen Teamkollegen für ein Zusatzeinkommen sorgten, weil keine Firma einen schwarzen Werbetäger verpflichten wollte. Auch zeigt die Abbildung nicht ob es innerhalb der einzelnen Sportarten ein schwarzenfreundliches Klima gegeben hätte. Jim Brown (Nr. 4 der Ewigenliste der NFL; Schauspieler in: Das dreckige Dutzend) machte bereits in der ersten Hälfte der 60´er Jahre auf die Ungleichbehandlung der schwarzen Spieler aufmerksam.Abb. 2
Das niedrigste Gehalt, das Ende der 50´er, Anfang der 60´er Jahre in der Major League bezahlt wurde betrug $ 750, wenn man nun dazu in Relation setzt, das nur 0,5 % der Schwarzen zur selben Zeit über $ 5000 verdienten, so nehmen die 85 Schwarzen, die 1962 zusammen $ 2 Mio. in der major league verdienten, eine herausragende soziale Stellung in der Gesellschaft der Schwarzen ein.Der Trend schwarze Spieler von den Vereinen der Negro National League für wenig Geld an die weiße Major League zu verkaufen, hatte jedoch auch seine Schattenseiten. Einerseits wurden die Stars zu Dumpingpreisen verkauft, dies führte andererseits zu einem Nachlassen des Zuschauerinteresses in der Negro League, was wiederum die Vereine zwang mit den Verkaufserlös nur den laufenden Spielbetrieb zu finanzieren - Investitionen blieben somit aus. 1961 waren die Negro Leagues schließlich praktisch tot.
Vergleicht man die drei amerikanischen Paradesportarten Football, Basketball und Baseball miteinander, so fällt auf, daß im Baseball, dem weißen Nationalsport schlechthin, der Anteil der schwarzen Spieler über den gesamten in Abbildung 2 beobachteten Zeitraum am niedrigsten ist. In Basketball hingegen stellten die Schwarzen ab dem Ende der 60´er Jahre die Mehrheit, was dazu führte, daß sich für das überwiegend weiße Publikum anscheinend Identifikations-schwierigkeiten einstellten und es somit den Veranstaltungen fernblieb (auf die Rolle des Fernsehens komme ich später noch zu sprechen). Im Football hingegen hatten die Schwarzen schon vor dem zweiten Weltkrieg vereinzelt die Möglichkeit, in einer weißen Mannschaft mitzuspielen (zwischen 1920 und 1933 kamen 13 Schwarze in den Genuß in der NFL zu spielen. In dieser Zeit gab es auch mit Frederick Fritz Pollard den ersten schwarzen Head Coach überhaupt."Ab 1934 ...herrschte... stillschweigende Übereinkunft, keine schwarzen Spieler mehr zu beschäftigen. Ließen sich die Veranwortlichen überhaupt zu einer Begründung herab, so hieß es beispielsweise, es seien zu harte Abwehrattacken zu befürchten..."
Erst durch die Gründung der Konkurrenzliga AAFC (hier waren Schwarze von Beginn an spielberechtigt) 1946, sah man sich aus geschäftlichen Gründen genötigt, schwarze Spieler wieder zu zulassen.). ROBERTS und OLSON sehen die Erklärung für diesen Umstand darin, daß bedingt durch das große Spielfeld, der Distanz zu den Zuschauern und der Ritterrüstung ähnlichen Ausrüstung im Football die Zuschauer eher gewillt sind, Schwarze zu akzeptieren, als im "typisch protestantischen" Basketball oder Baseball, wo man vorallem einen Schwarzen eindeutig als solchen identifizieren kann. Basketball wird deslhalb als "typisch protestantisch" bezeichnet, weil die heutigen "körperlosen" Spielregeln von James Naismith am Springfield College 1891 entworfen wurden.
Wenn man die gewaltigen Umsatzsteigerungen der verschiedenen amerikanischen Major Leagues in den 60´er Jahren mit der Attraktivitätsteigerung durch schwarze Spitzenathleten in Beziehung setzt, so liegt der Schluß nahe, daß lediglich finanzielle Erwägungen die Rassentrennung effektiv beseitigen können.
Daß diese These aber nicht nur für den Profisport gilt, zeigt der Umstand, daß sowohl das Basketballteam der Mississippi State University (dreimal) als auch der Auburn University (einmal) zwischen 1959 und 1962 im NCAA (National Collegiate Athletic Association) - Finale nie antraten, da Schwarze im gegnerischen Team spielten. Zum ersten Finalspiel einer Südstaatenmannschaft gegen eine Mannschaft, die aus Schwarzen und Weißen bestand, kam es erst 1966. Es war dies auch das letztemal, daß eine "reinweiße" Mannschaft bis ins Finale vordrang. Aber auch in der NFL wurde in das letzte "reinweiße" Footballteam erst 1962 ein schwarzer Spieler aufgenommen und den ersten schwarzen Spieler (Marion Motley) in der Hall of fame gab es 1968.
Ein großes Problem für die schwarzen Sportler in allen Disziplinen war und ist ´stacking´, dies ist nichts anderes als die verborgene Diskriminierung von Schwarzen zum ´Schutz´ von - meist schlechteren - weißen Sportlern. Konkret heißt dies, daß mehrere schwarze Athleten um nur einen Mannschaftsplatz, egal in welcher Sportart, einen Ausscheidungswettkampf bestreiten müssen. Ebenso war es bis in die 60´er Jahre üblich durch eine sportartspezifisches ´Gentlemen´s agreement´ der Trainer oder Klubeigentümer die Anzahl der Schwarzen, die pro Spiel oder Wettkampf eingesetzt werden dürfen, zu beschränken.
Als letztes möchte ich mich noch kurz mit dem "Olympic Project for Human Rights" beschäftigen. Ziel dieses schwarzen (und männlichen) Projekts war es unter der Leitung von Harry Edwards mittels Boykottdrohungen den Ausschluß der rassistischen Staaten Südafrika und Rhodesien von den olympischen Spielen in Mexiko 1968 und das Verbot des ´stackings´ zu erreichen. Das vom IOC ausgesprochene Teilnahmeverbot für Südafrika, das von Mexiko verhängte Einreiseverbot für Personen mit rhodesischem Paß und das Engagement von Jesse Owens (er war zu dieser Zeit US - NOC - Mitglied) zugunsten einer Teilnahme der schwarzen Athleten nahm der Bewegung den Elan. So erschöpften sich die Protestaktionen in Mexiko im symbolischen Tragen von schwarzen Socken und dem Black Power - Gruß von Tommie Smith und John Carlos bei der Siegerehrung des 200m Laufs (dies zog für beide den Ausschluß aus der US - Mannschaft nach sich, ebenso wie vernichtende Pressemeinungen in den USA, auf ihre weitere Karriere hatte es jedoch keinen Einfluß). Eine Nichtteilnahme hätte vermutlich eine Sperre nach sich gezogen, die die sportliche und wirtschaftliche Zukunft der Schwarzen zerstört hätte.
Zu einem wirklichen Problem wurde die inferiore Situation des Frauensports im Westen - vor allem für die USA - erst mit dem Auftreten der Sowjetunion bei den olympischen Spielen 1952. Die Leistungen der US - Athletinnen ließen sich nicht mehr mit dem amerikanischen Patriotismus und mit dem Anspruch als Supermacht vereinbaren. Die dramatischen Erfolge (Abb. 3) der DDR - Athletinnen führten ab der Mitte der 60´er Jahre in den westlichen Nationen zu einer verstärkten Frauenförderung (z.B.: Title IX 1972 in den USA), dieser Schritt war allerdings politisch und nicht ethisch motiviert.
Abb. 3
Die Abbildung 3 stellt den Versuch dar, diese Überlegenheit der Sportlerinnen des Ostblocks in Zahlen zu fassen. Es wird dabei auf die Anzahl der Weltrekorde in den Disziplinen der Leichtathletik zurückgegriffen, die im gesamten Beobachtungszeitraum ausgeübt wurden. Sicher bestünde auch die Möglichkeit andere Parameter zu verwenden, wie z.B.: die Zeitdauer, die die einzelnen Länder Weltrekorde innehatten oder die Anzahl von Olympiamedaillen. Letzteres ist meines Erachtens jedoch zu punktuell, während ersteres nicht dem Umstand Rechnung trägt, daß immer wieder verbesserte Weltrekorde ein größeres Medienecho auslösen als ´Ewigweltrekorde´. Zwar können einige Paradeathleten auf beiden Seiten (Ost/West) die Statistik verzerren, aber gerade diese Aushängeschilder des Sports sind es, die politisch ´verwertbar´ sind. Die Daten sind in drei chronologische Blöcke eingeteilt.
Doch egal, welche westliche Nation man herausgreift, nirgends entsprachen sportliche Ambitionen der Frauen den herrschenden Konventionen. Der Platz der Frauen wurde in erster Linie im häuslichen Bereich gesehen "our girls should be educated in terms of their main social function - which is to make for themselves, their husbands a secure and suitable home and to be mothers" (aus dem amerikanischen "Newsome Report" 1963). Weiters wurde der Frauensport als ´unweiblich´ und ungesund verdammt. Alle Sportarten hatten (und haben) mit dem Problem fertig zu werden, daß die Definition, was ´unweiblich´ ist, von Männern in den leitenden Positionen der Sportorganisationen bestimmt wird. Die konservativen Werte, der Rollenzwang bzw die Rollenklischees und irrationale Argumente, wie die Ästhetik (so konnte William Barry Furlong in der New York Times 1960 ohne weiters feststellen, daß er ein Autowrack schöner fände als muskulöse Frauen), wurden immer wieder bemüht, um Frauen, wenn nicht allgemein, so doch wenigstens vom ´Heiligtum des Sports´, den Olympiaden, fernzuhalten. Durch besonderen Konservativismus in dieser Hinsicht zeichnete sich das IOC - der Olymp des Sports - aus, dem eine Art gate-keeper - Funktion zukommt. Denn wenn eine Sportart bei den olympischen Spielen präsent ist, eröffnen sich für die Akteure eine Vielzahl an finanziellenQuellen (Werbung, Verkauf der TV-Rechte bei Weltmeisterschaften etc.), was gerade für den finanziell wesentlich schlechter gestellten Fauensport - im Vergleich zum Männersport - der 60´er Jahre unerläßlich war. Wie der SASA und dem SANROC, die gegen südafrikanische Apartheid kämpften, so bereitete auch den Athletinnen die soziale (elitär, weiß, westlich orientiert) und die geschlechtsmäßige (männlich) Zusammensetzung sowie die Vergreisungstendenzen des IOC Probleme. 1994 betrug das Durchschnittsalter im IOC 62 Jahre und in den 60´er Jahren wurden die IOC - Abgeordneten sogar noch auf Lebenszeit gewählt. Die Exklusivität dieses Kreises konnte, laut Reed und Howell MAXWELL bis 1972 bewahrt werden. Inwiefern die Generalsekretärin des IOC, Monique Berlioux (1969 - 85), der von manchen Autoren eine wichtige Rolle eingeräumt wird (Schlagwort der ´einzige Mann im IOC´), bei der im administrativen und bürokratischen Bereich die Fäden zusammenliefen, die Sportpolitik hinter den Kulissen beeinflussen konnte, ist nur approximativ erfassbar und geht über den zu behandelnden Zeitraum weit hinaus.
Als besonders ´unweiblich´ wurde die Leichtathletik angesehen, auch wenn sie durch die drei Goldmedaillen Wilma Rudolphs (Rom 1960) eine gewisse Imageverbesserung erfuhr. Doch diese Korrektur beruhte nicht auf der außerordentlichen körperlichen Leistung, sondern resultierte aus dem ansprechenden Äußeren (´Schwarze Gazelle´) der Athletin, das dem vorherrschenden Geschmack entsprach, die große Masse der Athletinnen wurden aber immer noch als unweibliche, muskulöse und wilde Amazonen betrachtet. Trotz Wilma Rudolph bevorzugten die Medien generell weiße und blonde Sportlerinnen, in den Vereinigten Staaten stand die Leichtathlethik somit vor dem Problem, aus dem Popularitätsghetto zu gelangen, ohne gleichzeitig auf die schwarzen Sportlerinnen verzichten zu müssen.Bezeichnend für die Ignoranz gegenüber den Frauen und insbesondere den schwarzen Athletinnen gegenüber ist der Umstand, daß auf ihre Hilfe bzw ihre Kenntnis beim Olympic Project for Human Rights 1968 einfach verzichtet wurde. Die Anerkennung des weiblichen Sports lief also vordringlich über das Aussehen der Sportlerinnen, das anhand einer männlichen Werteskala beurteilt wurde, in der - unter anderem - weibliche Muskeln als unattraktiv galten. Aber auch unter den sportbetreibenden Frauen gab es Unstimmigkeiten, welche Bewerbe sich nun für Frauen geziemen und welche nicht. So plädierte das "Women´s Board of the US Olympic Development Committee" für die Entfernung des Kugelstoßens und des Diskuswurfbewerbes aus dem olympischen Programm, da "often the femine self - image is badly mutilated when women perform in these two sports". Die Akzeptanz von ´weiblichen´ Sportarten (wie Gymnastik) war also anscheinend auch bei den Frauen selbst schneller erreicht als die von ´männlichen´ Disziplinen, für die Muskeln und Ausdauer benötigt wurden.
Neben den bereits erwähnten ästhetischen Argumenten wurden immer wieder eine Gesundheitsgefährdung der Frauen durch den Sport ins Spiel gebracht. Dies ging über das grundlegende Argument, daß das weibliche Skelett zerbrechlicher sei als das männliche und somit eine größere Verletzungsgefahr bestünde, hin zur Behauptung, daß der Leistungssport zu Problemen bei der Geburt führe (beide Argumente entbehren jeglicher medizinischen Grundlage) und endete bei der schlichten Aussage des IOC "a little too strenous for women" - mit dem bis 1972 sämtliche Laufbewerbe für Frauen über 800m abgelehnt wurden. Die Liste der Sportarten, die Probleme mit einer Anerkennung der weiblichen Leistungen hatten, ließe sich nahezu beliebig lang fortsetzen, sei es nun das Teilnahmeverbot bei Marathonläufen oder der Umstand, daß Frauen im Basketballspiel erst seit 1971 auf der normalen Feldgröße spielen dürfen.
Aber insgesamt gesehen erwiesen sich vor allem die Olympischen Spiele, beginnend beim Geschlechterverhältnis (siehe Abb. 4), über die Anzahl der Frauenbewerbe bis hin zur Anzahl der möglichen Goldmedaillen für Frauen als Männerdomäne. Zwar werden für Frauen nahezu gleichviele Sportarten angeboten, jedoch mit wesentlich weniger Wettbewerben. So waren in Atlanta 1996 zwar in 21 von 26 Sportarten Frauen vertreten, jedoch konnten sie - neben den 11 gemischten Disziplinen - nur 97 Goldmedaillen gewinnen, die Männer hingegen 163 Stück.Abb.4
In den 60´er Jahren wurde auch die Pionierarbeit geleistet, damit es heute Sportlerinnen in einigen Sportarten möglich ist, sehr gut zu verdienen, auch wenn es im Sport keine gleiche Honorierung der männlichen und weiblichen Sportler gibt. Es bestand und besteht jedoch die Gefahr, daß von einigen Disziplinen die schon relativ früh mit relativ hohen Preisgeldern für Frauen aufwarten konnten, falsche Rückschlüsse auf die generelle Lage gezogen werden. Das Paradebeispiel, das Damentennis, ist auch am Besten erforscht.
Die Differenz bei der Ausschüttung von Preisgeldern im Tennis begann, als 1968 in Wimbledon erstmals solche ausgeschüttet wurden. So erhielt der Sieger im Herrenbewerb 1000 Pfund und die Siegerin bei den Damen nur 750 Pfund.Abb. 5
Wie die Abbildung 5 verdeutlicht, wuchs die Kluft beim Preisgeld innerhalb von nur 2 Jahren extrem an. Aber nicht nur beim Preisgeld bestand eine Disparität, auch bei der zur Verfügung gestellten Infrastruktur und bei den - unter der Hand - bezahlten Antrittsgeldern waren die Männer besser gestellt. Der Streit eskalierte und endete 1970 mit der Austragung des ersten All-Women Professional Tournament und der Gründung des Virginia Slims Circuit mit Philip Morris als Hauptsponsor (Werbesolgan: "You´ve come a long way, baby").
Im Frauensport konnte in den 60´er Jahren erst der Grundstein für die explosive Zunahme der weiblichen (Freizeit-)Sportlerinnen in den 70´er Jahren gelegt werde. Mit ein Grund dafür war, daß der Feminismus den Sport erst Anfang der 70´er Jahre als weibliches Betätigungsfeld ´entdeckte´. Erst dadurch konnte die sportliche Betätigung der Frauen - abseits der traditionellen Formen wie dem Turnen oder der Gymnastik - für eine größere Gruppe zugänglich gemacht werden. Die Pionierarbeit liegt weniger in der Erschließung von neuen Geldquellen als im generellen Tabubruch und dem Beweis, daß auch Frauen zum Leistungssport fähig sind. Erst als der Feminismus den Frauensport unter seine Fittiche nahm, wurden die ´Errungenschaften´ der 60´er Jahre, wie der ´Sextest´ der 1968 bei den olympischen Spielen erstmals eingesetzt wurde, vehement - aber bis heute ergebnislos - bekämpft. Wie so vieles im Sport (siehe oben), so hat auch die Einführung dieses umstrittenen Tests zu einem Gutteil einen politschen Hintergrund. Denn um die Gerüchte über manche ´Mannweiber´ in den Kadern der sozialistischen Ländern zu untersuchen, wurde 1968 erstmals eine visuelle Begutachtung der sekundären Geschlechtsmerkmale der Athletinnen von einer ´Expertenkommission´ durchgeführt. Auch wenn diese Methode bald durch einen Chromosomentest ersetzt wurde, so kritisieren vor allem die Feministinnen dieses Weiblichkeitszertifikat. Die 60´er Jahre brachten aber nicht nur positive Errungenschaften für den Frauensport, die Praxis, immer jüngere Sportlerinnen zu Wettbewerben zu schicken, wurde ausgehend vom Ostblock in diesem Zeitraum erstmals professionell praktiziert. Durch ein straff organisiertes System wurde in der DDR (es ist dies das einzige Land, das aufgrund der Quellenlage, seit der Vereinigung, erforscht werden konnte) schon im Kindesalter mit der Talentesuche und dem professionellen Training begonnen. Der einzige Zweck war, durch die sportlichen Erfolge die größere Leistungsfähigkeit und die Überlegenheit der sozialistischen Länder zu demonstrieren.
Dianabolika aller Länder, vereinigt euch!
Folgende Schwierigkeiten bei der Behandlung der Dopingthematik aus heutiger Sicht ergeben sich. Der heutige Dopingbegriff ist mit jenem der 60´er Jahre nicht ident bzw die Anwendung von heute verbotenen Substanzen waren in jener Zeit entweder legal (anabole Steroide stehen erst seit 1976 auf der Dopingliste des IOC) oder sie waren noch gar nicht erfunden. Aber auch heute gibt es widersprüchliche Ansichten was Doping darstellt und was nicht. Womit ich bei einem weiteren Problem wäre, denn Doping muß zweifelsfrei nachgewiesen werden, durch den wissenschaftlichen Aufwand, den die verschiedenen Staaten, Institutionen und Firmen in der Vergangenheit betrieben, hinkten und hinken die `Dopingjäger´ dem neuesten Stand der ´Dopinglehre´ nach. Das Haupthindernis dieser Materie stellt jedoch das Stillschweigen und die Geheimhaltung dar. Und schließlich sollte nicht vergessen werden, daß die meisten Dopingmittel auch noch ´Nebenwirkungen´ haben, die sie auch zu Medikamenten in der Schulmedizin machen (alles nur eine Frage der Dosierung).
Bedingt durch die Brisanz des Themas existieren zur Thematik des staatlichen Dopings nur Daten aus der ehemaligen DDR (ungefähr 150 Quellen konnten vor der Vernichtung nach der Wiedervereinigung erhalten werden). Es kann jedoch angenommen werden, daß es in allen sozialistischen Ländern staatlich subventioniertes Doping gab, da die Entwicklung und die Produktion in einer staatlich überwachten Wirtschaft sonst schwerlich möglich gewesen sein dürfte. Aber auch im Westen wurde gedopt, freilich nicht so organisiert und professionell, dies belegen einerseits die ertappten Dopingsünder und andererseits - viel drastischer - die Todesfälle von westlichen Spitzensportlern.
Doping war zwar schon am Ende des 19. Jahrhunderts im englischen Pferdesport bekannt und wurde später auch bei Menschen angewandt, aber erst seit Beginn der 60´er Jahre wurde es von einer immer größer werdenden Menge von Sportlern regelmäßig verwendet. Während am Beginn des 20. Jahrhunderts meist mit natürlichen Substanzen wie Kokain oder Koffein gedopt wurde, kamen in den 60´er Jahren die, im Laufe der 50´er Jahre entwickelten, synthetischen Dopingmittel zum Einsatz."Im Jahre 1960 waren diese anabolen Steroide bei den Männern, speziell in den USA, weit verbreitet, besonders das 1959 eingeführte Dianabol®."
Das berühmteste aller Dopingmittel war und ist Dianabol® (auch bei den olympischen Spielen 1996 wurde eine positive Probe entdeckt). Dabei handelt es sich um ein synthetisch anaboles androgenes Steroid, das 1958 von der Firma CIBA - GEIGY zum Patent (A.P. 2929763 4/6) angemeldet wurde. "Die anabole Wirkung äußert sich in einer Vermehrung der Muskelmasse sowie einer Wachstumsstimulierung... Aufgrund der androgenen Wirkungskomponete kann es bei Frauen zu Virilisierung (tiefe Stimme, Behaarung, Akne) kommen."
Als beginn der anabolen ´Dopingära´ wird meist das Jahr Jahr 1954 angeführt, als Dr. John Ziegler, der Mannschaftsarzt der amerikanischen Gewichthebermannschaft, bei der WM in Wien einen Testosteroneinsatz im sowjetischen Team diagnostizierte und dieses bald selbst den Sportlern verabreichte. Erst seit 1976 sind die Anabolika verboten. In entsprechender Dosierung wird Dianabol® im ´zivilen´ Bereich zur Linderung von Kreuzschmerzen im Klimakterium eingesetzt. Die am meisten vom Doping betroffenen Sportarten waren das Gewichtheben, das Radfahren und die Wurfsportarten. Aber das Doping hatte - besonders im damaligen Ostblock - auch eine politisch-ideologische Komponente.
In der DDR waren die, bereits am Anfang geschilderten, Querverbindungen zwischen Sport und Politik besonders stark ausgeprägt. Neben den sportspezifischen Stellen kam dem Ministerium für Staatssicherheit bald eine entscheidende Rolle zu. Von diesem wurde die Zuverlässigkeit der Trainer, Sportler und Funktionäre überprüft, aber auch Sportspionage, vor allem in den westdeutschen Sportforschungsstätten (Köln und Frankfurt), betrieben. Die Hauptaufgabe aber wurde bald, das Dopingprogramm der DDR zu verheimlichen. Die zentralisierte Leitung durch die Sektion Sport des ZK ermöglichte eine optimale Koordination der Talentesuche als auch von Wissenschaft, Forschung und Industrie.
Ab 1967 läßt sich Doping in der DDR auch schriftlich belegen. In diese Zeit fällt auch die Forderung der Politik, daß die leistungsteigernden Mittel kostengünstig, geeignet und vor allem in der DDR erzeugt werden sollten (dies helfe Devisen sparen). Die Wahl fiel auf ein Chlorderivat (Oral - Turinabol) des bereits mehrfach erwähnten Dianabols®. Dieses Steroid wurde im VEB Jenapharm hergestellt. In den folgenden Jahren wurde Doping gezielt - auf wissenschaftlicher Basis - verbessert.Als "entscheidenden ethischen Barriere - Durchbruch im Sport der DDR" bezeichnet Franke den Einsatz von männlichen Hormonen bei Frauen und weiters meint er "im Westen galt und gilt...(die) Gabe von androgenen Hormonen medizinisch und rechtlich als völlig unvertretbar." Die Erfolgsquote im Doping bei den Frauen bzw die scheinbar bessere Förderung des Frauensports in der DDR liegt laut Franke in der "für Androgen - Doping typisch wesentlich höheren Erfolgsrate im Frauensport." Das was in der DDR immer wieder als ´Männerproblem´ - das Fehlen eines 100%igen Dopingmittels für Männer - bezeichnet wurde, schlägt sich auch in der Statistik nieder. Offensichtlich wird dieser Umstand bei einem Vergleich der Abbildungen 3 und 6. Denn während die DDR - Frauen von 1960 bis 1969 13 Weltrekorde in der Leichtathletik aufstellten, waren es bei den Männern nur 5 (bei wesentlich mehr möglichen Disziplinen), im Zeitraum 1970 bis 1979 lautete das Verhältnis dann gar 61 zu 4.
Abb. 6
Während also im Osten das Doping in den 60´er Jahren als staatliches System aufgebaut wurde, wurde es im Westen meist auch vom Sportler mitgetragen, dieser stand jedoch unter dem enormen öffentlichen Druck, sein Land, wenn möglich erfolgreich, bei Vergleichswettkämpfen zu vertreten. Diese gesellschaftliche Erwartungshaltung und die Unterstützung durch Politiker und die zuständigen Stellen in der Weise, daß doping freundliche Trainer und Ärzte eingestellt wurden und konkrete Vorwürfe demonstrativ nicht aufgeklärt wurden, führten auch im Westen zu einer ´Dopingkultur´.
Dies erklärt vielleicht auch, warum die Internationale Dopingkommission des Europarates zwar 1963 eine erste offizielle Dopingdefinition verfaßte, die Medizinische Kommission des IOC 1967 aber wesentlich weniger Stoffe als Dopingmittel deklarierte als der Europarat (so fehlte unter anderem die gesamte Gruppe der Hormone, in die auch das allseits beliebte Dianabol® fällt).1961 sollen 94% aller italienischen A-Ligaspieler im Training Dopingmittel verwendet haben und 17% auch während des Spieles, alle diese beschriebenen Erscheinungen wurden auch oder vor allem durch den seit Beginn der 60´er Jahre wachsenden medialen Druck nur noch gefördert. Doping war also nicht nur im Ostblock üblich, denn "Die Schweizer Eidgenössische Sportschule Magglingen (ESSM) hatte bis 1975 die Verwendung von Steroiden heimlich finanziert, somit ein Jahr nach dem Verbot durch die IAAF und das IOC." Und bereits 1973 gab es in den USA ein Hearing before the Subcomittee to Investigate Juvenile Delinquency of the Comittee on the Judicary zum Thema Proper and Improper Use of Drugs by Athletes. Dieses Hearing hatte aber "wenige Konsequenzen und war schnell vergessen."
Die Zuschauer sind nur mehr Komparsarie für das Fernsehen
Durch den technischen Fortschritt (Magnetbandaufzeichnung, Satellitenüber-tragung), der Möglichkeit der Live - Übertragungen und der Kommerzialisierung der Sportveranstaltungen, war der Sport in den 60´er Jahren, wie auch andere Lebensbereiche, von der zunehmenden Medialisierung geprägt und verändert worden. Die Sportveranstaltungen wurden nicht mehr primär für den Wettkampfbesucher, sondern für den Fernsehkonsumenten inszeniert. Sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa war seit dem Ende des zweiten Weltkriegs ein stetiger Besucherrückgang in nahezu allen Sportarten zu beobachten, der ab dem Beginn der 60´er Jahre einen Stand erreichte, der viele Klubs in ihrer Existenz gefährdete. Die schwindenden Einnahmen konnten nur durch lukrative Werbeverträge, die wiederum aber TV - Verträge voraussetzten, kompensiert werden. Der Grund für die Besucherrückgänge wird einerseits in einem geänderten Freizeitverhalten und andererseits in eben diesen TV-Übertragungen gesehen.
Das Vorbild der Vereinigten Staaten war prägend für die organisatorische und die technische Qualität der Wettkämpfe und auch der Übertragungen. ROBERTS und OLSON bezeichnen diese Veränderungen als "Roone revolution", benannt nach dem Sportchef von ABC, Roone Arledge. Er führte 1961, nach seinem Wechsel von NBC zu ABC, bei den Sportübertragungen zahlreiche technische Neuerungen durch, wie Handkameras, Krankameras, geteilter Bildschirm, Instant Replay und eine neuartige Tonübertragung (Richtmikrophone). All diese hatten den Zweck, dem Fernsehzuschauer die Stadionatmosphäre direkt nach Hause zu liefern. Auch die Show rings um das Sportereignis wurde eingefangen und eher langatmige Spielpassagen mit den sogenannten "T and A shots" überbrückt, das heißt, es wurden weibliche Besucher gefilmt, um den (männlichen) Fernsehzuschauern eine "Abwechslung" zu bieten. Bewußt wurden Effekte, die bisher nur aus dem Olympiafilm Leni Riefenstahls bekannt waren, auch bei Liveübertragungen genutzt. Der technische Aufwand, mit dem ABC unter Arledge´s Leitung die olympischen Spiele übertrug, bescherte besonders den europäischen Wintersportorten einen Gästezuwachs aus Übersee. Nicht nur die TV - Rechte für die olympischen Spiele (Abb. 7) verteuerten sich in den 60´ er Jahren enorm, auch die Übertragungsrechte für Football, Baseball und Basketball in Amerika und für Fußball in Europa wurden immer teurer. In den USA resultierten diese enormen Steigerungsraten aus dem Sports Antitrust Broadcast Act des Senats und des Repräsentantenhauses, das der NFL als einziger Sportorganisation - trotz Kartell - zugestand, die Fernsehrechte im Pakete an den Bestbieter zu verkaufen.Abb. 7
Die Möglichkeit, neben Nationalen Prestige an den Olympischen Spielen auch Geld zu verdienen, verstärkte die Bemühungen der einzelnen Regierungen, die Veranstaltung in ihr Land zu holen. In den 60´er Jahren begannen die Sponsoren, auch ihre Zahlungen an die Länge der Übertragungszeiten zu binden. Je nach Land verschieden, halfen die Sportübertragungen - mit entsprechender Berichterstattung - auch das Nationalgefühl teilweise bis zum Chauvinismus hin zu steigern.
Aber in der zunehmenden militärischen Rhetorik, die sich z.B.: auch im Begriff des Kampf am Spielfeld äußerte, sehen DUNNING/MURPHY/WILLIAMS einen negativen Einfluß, der sich stimulierend auf die Gewaltbereitschaft der (Fußball-)Fans auswirkt. Auch wenn sie betonen, daß Hooliganism schon viel früher vorhanden war, so wirkt das neue Medium TV doch enthemmend.
Durch den Leistungssportler an seiner Seite hofften und hoffen die Politiker, sowohl Anteil am sportlichen Image des Athleten zu nehmen, als auch dessen Erfolg als Erfolg ihrer Politik darzustellen. Plakativ ausgedrückt heißt dies, daß die Goldmedaille eines Sportlers gleichzeitig als Goldmedaille einer bestimmten Ideologie interpretiert werden soll.
Waren die 60´er Jahre besonders von einem Zweikampf der beiden Blöcke gekennzeichnet, so gewinnt heute durch das weitgehende Wegfallen dieses Konflikts, bei den gleichzeitig immer stärker werdenden nationalistischen Strömungen, jeder noch so kleine Wettkampf mit noch so unbedeutenden Ländern durch die Omnipräsenz der Medien einen großen Stellenwert für die Selbstdarstellung jedes einzelnen Staates. Die durch die Medien und die Werbung geschaffenen Charaktere und die ständig neuen Superlative, sei es in Hinsicht auf Leistungen oder Preisgelder, begünstigen meiner Meinung nach diesen Prozeß, der mit den ersten Satellitenübertragungen 1968 begonnen hat.
Die Sportereignisse werden immer mehr vom jahreszeitlichen Rhythmus losgelöst, um den Medienkonsumenten ein ganzjähriges Sportprogramm bieten zu können. Dieser Prozeß hat in den 60´er Jahren seinen Urspung, in diesem Zusammenhang hätte auch die seit ebendieser Zeit boomende Sportindustrie erwähnt werden müssen, die erst durch die zunehmende Freizeit in den Industriestaaten (z.B.: in der BRD gab es 1960 17 Urlaubstage, 1990 aber bereits 29 Tage) einen solchen Aufschwung nehmen konnnte. BOHUS meint, auf Deutschland bezogen, daß der Leistungssport in seiner heutigen Dimension erst durch die Änderung der geistigen Einstellung in den 60´er Jahren möglich wurde. Die Orientierung löste sich in dieser Zeit von der reinen Lebenssicherung und ging hin zu einer leistungs- und konkurrenzorientierten Werteordnung. Erst durch den ökonomischen Aufschwung war das wirtschaftliche und geistige Potential für den (Leistungs-) Sport frei. Andererseits wirkte sich die Wohlstandsgesellschaft gerade bei Neuerungen (z.B.: Frauensport) als nachteilig aus. Der hohe Lebensstandard führte auch zur Tendenz am Bewährten festzuhalten. Im Frauensport konnten die 60´er Jahre erst die Vorbereitung für die explosive Zunahme von weiblichen Freizeitsportlern in den 70´er Jahren treffen.
In den Fehler einer Pauschalierung darf man aber auch beim Sportverständnis der 60´er Jahre nicht verfallen, denn noch viel mehr als heute wurde bei der Ausübung beachtet, ob das Sozialprestige mit dem Klassenprestige konform geht. So hatte z.B.: in Deutschland Handball, Leichtathletik und Fussball ein niedriges Prestige, Tennis, Hockey und Schifahren hingegen ein sehr hohes Sozialprestige, was diese Sportarten für viele Frauen leichter zugänglich machte.
Die langsam beginnende Loslösung des Sports von den Vereinsstrukturen hätte ebenso näher betrachtet werden können, wie der wichtige Bereich des Schulsports, denn gerade letzterer ist wie kein anderes Sportgebiet mit der ideologischen Ausrichtung eines Staates verbunden. In diesem Zusammenhang sollte man auch das Rekrutierungsverfahren der sozialistischen Länder näher untersuchen - sofern dies die Quellenlage erlaubt.
Es soll nicht der Eindruck entstehen, als wären alle Erfolge der sozialistischen Sportler nur durch die Zuhilfenahme von teilweise verbotenen oder geächteten Hilfsmitteln zustande gekommen, schließlich wurde das ´Blutdoping´ 1972 im Westen entdeckt. Besonders das Sportsystem der DDR wurde in den westlichen Medien genauso als Vorbild gesehen, wie der große finanzielle und personelle Einsatz der Sowjetunion (1968 soll es in der Sowjetunion 1300 hauptamtliche Schwimmtrainer, in der DDR 130 und in der BRD einen gegeben haben.)
Alleine die Gegenstrategien und die verschiedenen Erklärungsmuster des Westens für die großartigen Erfolge der Ostblocksportler würden Bände füllen. Sei es nun der Goldene Plan in der BRD oder Sports for all in Großbritannien. Alle diese Modelle gingen von der Formel je größer die Breite - umso höher die Spitze aus, die sie als Grund für die Erfolge des Ostens sahen. HOBERMAN spricht in diesem Zusammenhang auch von "der Schaffung des Mythos von der kommunistischen Sportwissenschaft." Er meint:"einige unserer Legenden vom unerlaubten Umgang mit der menschlichen Natur in der Sowjetunion und in der ehemaligen DDR waren Projektionen unserer eigenen Wünsche, Experimente durchzuführen, zu denen uns selbst der Mut fehlte."
Mit diesen Mythen war aber auch eine Abgrenzung zum Osten möglich. Viele Komponenten, die neben dem von mir besprochenen Doping ebenfalls zu Rekordsteigerungen in den einzelnen Disziplinen führten, konnte ich nicht mehr näher anführen. Es sind dies Entwicklungen am Gerätesektor (z.B.: der Stab im Hochsprung wurde nunmehr aus Metall gefertigt) oder bei den Wettkampfanlagen (Tartanbahn), aber natürlich auch bei den Trainingsmethoden (in den 60´er Jahren wurde das Intervalltraining eingeführt) oder beim technischen Ablauf (Fosburyflop). Viele dieser kosten- und zeitintensiven Entwicklungen konnten nur durch die finanzielle Unterstützung der Industrie, der Armee, der staatlichen Einrichtungen oder der Universitäten durchgeführt werden.
Die Liste der Sportbereiche und -arten, die aufs engste mit der Politik verknüpft sind, ließe sich nahezu beliebig lange fortsetzen. Die Karriere Muhamad Alis könnte ich ebenso noch als Beispiel für die Verquickung von Sport und Politik anführen, wie die Besetzungspolitik um das Präsidentenamt des ÖFB (Fußball).
Aber es sollte nicht vergessen werden, daß in den 60´er Jahren auch Positives geschah, wie- um ein Beispiel herauszugreifen - die Koppelung der Paralympics an die Olympischen Spiele. 1960 wurden diese Spiele erstmals in der Olympiastadt ausgetragen, wenn auch erst nach Beendigung der "großen" Olympiade.
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