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Gandhi
Oder: Die Macht des Individuums
Von Hermann Maier
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Manchmal
bezeichnet das Lesen eines bestimmten Buches den Beginn eines neuen Lebensabschnitts:
Mahatma Gandhi etwa haben sich die Worte Henry David Thoreaus in
Über
die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat während seines Gefängnisaufenthaltes in
Südafrika tief und unauslöschlich eingeprägt. In dieser, seiner Meinung nach
meisterhaften
Abhandlung (Fischer, Mahatma Gandhi, 36), findet er die Bestärkung und Bestätigung
für seine Auffassung, dass der Einzelne nicht abdanken darf, wenn es um die Gestaltung
der Gesellschaft geht.
Thoreau schien Gandhi diesbezüglich ein annehmbares Vorbild zu
sein: Zweifellos hat Gandhis Dasein Spuren hinterlassen: Es erinnert zumindest an die Macht des moralischen Individuums und der Zivilcourage (Fischer, Mahatma Gandhi, 37) und sollte davor bewahren, das Individuum in seiner Funktion als "moralische Instanz" abzuweisen. Wenn heute immer noch versucht wird, das gesellschaftliche bzw. politische Engagement von Individuen oder Minderheiten in Bausch und Bogen abzuqualifizieren, etwa durch Bezeichnungen wie "Verrat", "Neinsagerei" oder "Querulanz", so ist das ziemlich billig. Dass Autoritäten und Mehrheiten auch irren können, so viel steht doch immerhin fest. An ihnen läge es, einen Teil ihrer Macht abzutreten, und das heißt: einzuräumen, dass das Individuum durchaus im Recht sein kann. An ihre Adressen seien also die folgenden Zeilen gewendet: Muss der Bürger auch nur einen Augenblick, auch nur ein wenig, sein Gewissen dem Gesetzgeber überlassen? Wozu hat denn dann jeder Mensch ein Gewissen? Ich finde, wir sollten erst Menschen sein, und danach Untertanen. Man sollte nicht den Respekt vor dem Gesetz pflegen, sondern vor der Gerechtigkeit. Nur eine einzige Verpflichtung bin ich berechtigt einzugehen, und das ist, jederzeit zu tun, was mir recht erscheint. (Thoreau, Über die Pflicht..., 15) |
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