Ein
mittelloser Bettelstudent läuft durch den Park. Ich laufe mittellos durch den Park und
bin ein Bettelstudent. Absurd. Und mittellos. Und vergessen was ich studiere. Schade.
Fällt mir einfach nicht mehr ein. Auch nicht so wichtig. Hauptsache ich lern was. Ich
frage nach der Uhrzeit - um 1. Wieder was gelernt.
Wer nicht fragt, lernt nichts. Soll ich Chronometrie studieren? Ach nein, das ist
langweilig. Ranzig langweilig immer nur Sekunden zählen. Und ab und zu freuen, weil ein
Jahrtausend vorbei ist.
Ich will lieber Geld für Eis.
Um mich rum ist ein Park. Den Park kann man aber nicht sehen, weil er mit lauter nackten
Menschen ausgelegt ist. Schwer denen Geld aus den Taschen zu ziehen.
Eine rumlungernde Familie hat ein Kind und eine Polaroidkamera dabei. Die Kamera wird
nicht mehr gebraucht. Das Kind auch nicht, es bewegt sich nicht mehr. Die Eltern laden es
in der Sonne wieder auf. Ich überlege und nehme die Kamera. Denn, was soll ich mit dem
Kind?
10 Meter weiter brutzelt eine Frau aus weißem Fleisch in 300 Nanometer ultraviolettem
Licht. Noch ist das Fleisch weiß, aber eine Stunde und es ist milka lila und noch eine
und es wird Ultra Violett. Das will ich sehen. Soviel Zeit muß sein. Ich setze mich
unauffällig zwanzig Zentimeter von der Frau weg.
Das weiße Fleisch sieht Klasse aus. Alles dran und
nicht zu viel, und sie sieht nichts weil sie schläft. Niedlich, wie im Streichelzoo. Aber
ich trau mich nicht, anzufassen. Macht man nicht, wegen der Intimsphäre.
Um die Intimspäre rum ist ein schlüpfriges Detail. Ein Schlüpfer. Scheinheilig weiß
mit kleinen rosa Punkten. Wenn man nah ran geht, erkennt man, daß es Blümchen sind.
Ekelig, das schlüpfrige Detail. Läßt sich aber mit dem Taschenmesser entfernen. Zwei
Schnitte und man sieht ein kleines Hitlerbärtchen. Oh, oh, das ist verboten. Tragen von
Zeichen verbotener Organisationen, strafbar mit Zuchthaus. Ich bin gegen Rechtsradikale
und mache ein Foto. Zur Beweisaufnahme. Die Polaroidkamera macht Krach und ein Bild. Der
Krach weckt die lila Frau. Sie will das Foto haben.
Kann sie. Ich bin nicht so. 1.000 Mark. Nur 1.000 Mark für ein Klasse Farbfoto. Die Frau
will das Bild nicht. Nun, sie muß das Bild nicht kaufen. Dann kauft es eben die Zeitung.
Ich denke laut über den Text zum Bild nach:
Eva braun - wie die Haselnuß, aalt sich im Park.
Die Frau mit Hitlerbärtchen sieht nach, wieviel Geld
sie dabei hat. Ich mach noch ein Foto. Vielleicht gefällt ihr das besser. Gestochen
scharfe Konturen, alles gut ausgeleuchtet, auch kleinste Falten gut zu erkennen.
Wir spielen Einkriegezeck. Schwierig, dabei zu fotografieren. Aber nicht unmöglich.
Knips, noch ein Bild. "Eva, 20, tobt ausgelassen durch den Park." Knips, knips,
"Eva, süße Zahnarzthelferin aus Berlin auf der Jagd nach Männern."
Und dann bleib ich stehen und mir wird klar: Ich habe es geschafft. Vom mittellosen
Bettelstudenten zum berühmten Fotografen, dem im Monbijoupark nackte Frauen
hinterherrennen. Aber nur kurz, dann wird es Nacht, denn Eva, 20, steht auf mich. Mit
beiden Beinen. Und tanzt mir auf dem Kopf herum. Und hüpft, immer auf die Nase. Das ist
ungesund. Fotografieren im Park ist ungesund.
E-mail:
klaus.schwarz@sietec.de
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