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Motto: Wir machen uns breit.
Zueignung
Die
Mehrheit der Schweizer stimmte im Februar 2014 für die SVP-Initiative
gegen Masseneinwanderung. Weil aber jede Münze auch eine Kehrseite hat, sei
hier mal kurz (nicht mit rechtlichen, sondern bloß
mit künstlerischen Mitteln) auf die andere Seite der
brenzligen Kantönli-Frage der Freizügigkeitsplage hingewiesen. Dies ist die
wahre Geschichte eines deutschen Mannes in Switzerland, die Geschichte von
Dr. Tobias Schwab, einem gutmütigen Gastforscher mit begrenzter Haftung und
unbegrenzter Alpensucht.
PERSONEN
PROFESSOR ÜTTLI
Dekan der Quantentechnischen
Hochschule Zürich
URS BRUNO
Austauschstudent aus Südtirol
DR.
TOBIAS SCHWAB
Deutscher Gastforscher mit
begrenzter Haftung
WILHELM TÜBLI
SVP-Aktivist, Leiter der
Aktionsgruppe "Filz weg!"
***
DR. SCHWAB
Unsereiner hat’s nicht leicht.
Wir schuften hier den ganzen lieben Tag an der Eidgenössischen…
PROFESSOR ÜTTLI
Den ganzen Tag?
DR. SCHWAB
Wollte sagen: Wir schuften
jeden Tag...
PROFESSOR ÜTTLI
Wirklich?
DR. SCHWAB
Oder doch immerhin fast jeden Tag...
PROFESSOR ÜTTLI
Na ja.
DR. SCHWAB
...an der Eidgenössischen
Quantentechnischen Hochschule, sozusagen von Quantensprüngli zu
Quantensprüngli...
TÜBLI
Aufhören mit dem Unsinn! Sofort aufhören!
PROFESSOR ÜTTLI
Nicht so laut! Wir haben ’ne
Sitzung.
DR. SCHWAB
Ja doch...Mann!
TÜBLI
Sprachverderber!
PROFESSOR ÜTTLI
Wie bitte?
DR. SCHWAB
Spaßverderber?
TÜBLI
Das auch, aber vor allem: Sprachverderber!
PROFESSOR ÜTTLI
Wer will denn jetzt gleich...?
DR. SCHWAB
Ja. Wer will...?
PROFESSOR ÜTTLI
Das heißt, weshalb...?
DR. SCHWAB
Genau.
TÜBLI
Ich will’s!
DR. SCHWAB
Was? Wer? Es ist so
dunkel, und das Treppenhaus hat nicht einmal...Aha! Zwei Augen!
TÜBLI
Verflixter Deutschli!...
DR. SCHWAB
Wer ruft da?
TÜBLI
Ich bin’s! Der Tübli!
DR. SCHWAB
Der Tübli? Hallo! Wollte
sagen: Grüezi!
TÜBLI
Jawohl! Ich bin’s! Der Tübli! Bin deinesgleichen!
DR. SCHWAB
Meinesgleichen...
TÜBLI
Und doch nicht deinesgleichen, du hässlicher Teutone!
DR. SCHWAB
Was? Teutone? Mann!...Ich?
TÜBLI
Wer sonst? Marschierst mit deinem ganzen Trupp akademischer Hungerleider
rein in unsere friedfertigen Kantone! Und all die guten Jobs? Hin.
Verpfuscht. In deutscher Hand.
DR. SCHWAB
Wie stillos! Das will ich mir
aber...
TÜBLI
Verbitten?
DR. SCHWAB
Und ob!
PROFESSOR ÜTTLI
Leute! Leute!...Liebe, liebe, liebe Leute! Was soll’s denn?
DR. SCHWAB
Das Übliche
– der Tübli von der Schweizerischen Volkspartei.
PROFESSOR ÜTTLI
Ach so!... Der Tübli von der Rechtspartei.
DR. SCHWAB
Mit seinem rechtskonservativen
Mist – und dem erfundenen Einmarsch der Deutschen.
TÜBLI
Mir das!...Arroganter Schwabe! Wir
erfinden keine Probleme! Werden schon sehen, wer hier Mist baut.
PROFESSOR ÜTTLI
Also ich muss schon sagen, dass diese ausgesprochen anti-deutsche
Einstellung der Volkspartei...
TÜBLI
Was heißt hier anti-deutsch? Wir sind eben ein anderes Volk. Und wir
allein sollten entscheiden, was in unserem Haus klassisches Latein ist.
PROFESSOR ÜTTLI
Frisch?
TÜBLI
Dürrenmatt.
PROFESSOR ÜTTLI
Der Besuch?
TÜBLI
Romulus...
PROFESSOR ÜTTLI
... der Große! Hab‘s doch gewusst!
DR. SCHWAB
Ja doch! Wir: die Leute. Und
in unserem Häusli...
TÜBLI
Wir Schweizer! Genauer gesagt, wir Eidgenossen.
PROFESSOR ÜTTLI
Natürlich Schweizer. Ja, ja, Schweizer. Was sonst? Denn im Geist der
Alpen –
DR. SCHWAB
Confoederatio...
PROFESSOR ÜTTLI
Schweizer. Eigenossen. Freunde. Aber doch wohl im weitesten Sinne
definiert, als eine Art Sammel...
TÜBLI
...begriff?
PROFESSOR ÜTTLI
Ja. Schweizer Pass, ergo
Schweizer. Schweizer, ergo Eidgenosse. Denn schon Ferdinand–
DR. SCHWAB
Quod erat demonstrandum.
Confoederatio Helvetica. Trinken wir ein Schweppes drauf!
TÜBLI
Schweppes? So eine Schweinerei! Schwäbische Schwindler!
DR. SCHWAB
Hurra Helvetia! Rund ums
Matterhorn die eine Gesinnung: das Eidgenossenschaftliche in purer Form.
PROFESSOR ÜTTLI
Dazu frische Luft, gesunde
Lungen und ein klarer Kopf.
TÜBLI
Genau. Doch wohlgemerkt im engeren Sinne. Schweizer Pass, ergo
Schweizer, aber eben nicht Eidgenosse. Denn ein echter Eidgenosse, ein
sauberer Eidgenosse, ja ein waschechter Eidgenossse, also ein
tatsächlicher und authentischer ...
DR. SCHWAB
Quatsch! Im engeren
Sinne!...Damit ich nicht lache! Gerade jetzt, wo überall
hochqualifizierte Fachkräfte von nah und fern gefragt sind! Kein Wunder,
dass es da ’nen Engpass gibt.
TÜBLI
Den Engpass habt ihr Schwaben
verursacht. Und Schweizer kann ja meinetwegen jeder hergelaufene Teutone
werden, soweit die Voraussetzungen gegeben sind und der Kerl gefälligst
seine Steuern zahlt –
DR. SCHWAB
Steuern? Gerne. Passt. Geht in
Ordnung.
PROFESSOR ÜTTLI
Werden sowieso automatisch
abgezogen.
TÜBLI
Abgezogen? Find ich gut. Denn bei diesen Vettern kann man ja nie wissen.
Und wenn die nicht zahlen...
PROFESSOR ÜTTLI
Die zahlen.
TÜBLI
Die zahlen?
PROFESSOR ÜTTLI
Die zahlen.
DR. SCHWAB
Stimmt. Ich hab schon immer
brav gezahlt. Es darf auch gerne mal mehr sein. Hier! Steht in meiner
deutsch-schweizerischen Handelsbibel: Gebt dem Schweizer, was des
Schweizers ist. Oder um es mit den Kollegen aus dem Donauland zu sagen:
Herr Haberer, wir zahlen doch!
TÜBLI
Na dann. Aber Eidgenosse? Nie und nimmer!
PROFESSOR ÜTTLI
Das steht zur Debatte.
TÜBLI
Keine Debatte. Wir werden uns
verteidigen. Wir werden... wir... also wenn ihr... oder besser gesagt
wenn wir...Wenn alles, was in unseren Tälern lebt und leibt und... lebt
und leibt und...
DR. SCHWAB
Wie gesagt: Zum Lachen ist
das. Besser: zum Weinen.
PROFESSOR ÜTTLI
So, so... Im engeren Sinne...Aber ist das zeitgemäß? Können wir uns das
auch wirklich leisten?
TÜBLI
Natürlich ist das zeitgemäß! Sonst gäbe es in zwanzig Jahren keine
Schweiz mehr. Oder jedenfalls keine Eidgenossenschaft.
PROFESSOR ÜTTLI
Doch wenn wir unsere nationale Identität im Zeichen demokratischer
Grundwerte definieren...
DR. SCHWAB
Sozusagen als
korporatistische Hi-Tech-Demokratie?
PROFESSOR ÜTTLI
Mit begrenzter Haftung. Und
selbstverständlich unter Berücksichtigung der kantonal-menschlichen
Dimension.
DR. SCHWAB
Sonnenklar.
Kantonal-menschliche Dimension. Kanton ist Kanton. Mann ist Mann.
TÜBLI
Anders gesagt, Verrat am der Eidgenossenschaft. Das anmaßende deutsche
Verständnis der anti-kantonalen korporatistischen Identität unserer
Forschungseinrichtungen ist ein Skandal! Und das wird man doch
hoffentlich noch sagen dürfen.
PROFESSOR ÜTTLI
Es dreht sich also schon wieder mal um Volkstümlichkeit, Sprachkultur
und corporate identity. Wenn das keine Sackgasse ist...
TÜBLI
Es reicht! Deutsche und weitere x-beliebige Möchtegern-Topverdiener
haben auf unseren Gipfeln nichts verloren!
DR. SCHWAB
Selber x-beliebig!
PROFESSOR ÜTTLI
Also ich muss schon sagen, unsere multikulturelle Grundeinstellung
lautet: Brudervolk, immer nur her! Das hat den Kantonen noch nie
geschadet.
TÜBLI
Quatsch! Brudervolk...Die machen sich breit! Schaut sich einer um, ohne
etwas Böses zu ahnen, und was muss er sehen? Überall Schwaben!
DR. SCHWAB
Na und?
TÜBLI
Filz!
DR. SCHWAB
Überhaupt nicht! Fleiß,
Erwerbstrieb, Häuslichkeit, Eigenbrötelei, Grundsatztreue,
Freiheitsliebe? Ja!
PROFESSOR ÜTTLI
Gut gesagt!
DR. SCHWAB
Vernetzung? Meinetwegen.
Filz? Nein!
TÜBLI
Ach was!
DR. SCHWAB
Der Schwabe ist die beste
Gabe. Denn schon bei Mörike hieß es unter anderem eben ...
PROFESSOR ÜTTLI
Vernetzung? Ja, ja...
DR. SCHWAB
Mist? Nein! Ich meine,
abgesehen von der Rechtspartei.
TÜBLI
Mir das!
DR. SCHWAB
Schwaben treiben die Schweiz voran. Ohne geht’s nicht. Kurz und bündig.
PROFESSOR ÜTTLI
Was ich nur bestätigen kann. Und sind wir denn strenggenommen nicht alle
sozusagen mehr oder weniger Schwaben?
TÜBLI
Faulenzer! Halsabschneider! Nepotismus!
PROFESSOR ÜTTLI
Grundsatztreue, Freiheitsliebe, eidgenössische Redlichkeit! Beim
Kollegen Schwab alles reichlich vorhanden.
TÜBLI
Einschließlich der Redlichkeit?
PROFESSOR ÜTTLI
Will ich meinen.
DR. SCHWAB
Danke schön.
TÜBLI
Sind Sie ganz sicher? Denn die
allermeisten Schwaben...
PROFESSOR ÜTTLI
Bitte schön. Hundertprozentig – oder sogar ein bisschen mehr!
TÜBLI
Übertreiber!
PROFESSOR ÜTTLI
Nein, echt!
DR. SCHWAB
Sie sind zu gütig.
PROFESSOR ÜTTLI
Was wahr ist, darf man auch sagen. Und ich glaube, schon Schiller, ein
Schwabe par excellance und im weitesten Sinne, wenn man mich fragt...
DR. SCHWAB
Der Schelling und der Hegel.
Der Schiller und der Hauff. Das ist bei uns die Regel. Das fällt uns gar
nicht auf.
TÜBLI
Es fragt keiner.
PROFESSOR ÜTTLI...
hat einmal gesagt, dass nur derjenige im wahren Sinne des Wortes frei
ist, der sich wirklich, aber auch wirklich in äußerster Innerlichkeit,
das heißt, einfühlsam und ausdrucksstark und so...
TÜBLI
...an den Befreiungskriegen beteiligt
hat?
PROFESSOR ÜTTLI
Wie bitte?
TÜBLI
Oder gar am Schwabenkrieg?
PROFESSOR ÜTTLI
Nein. Überhaupt nicht. Der war ganz im Gegenteil immer so über
dergleichen erhaben, unter anderem natürlich auch, weil das Ganze ja
schon damals weit in der Vergangenheit lag...aber, ich meine, der war
auch überhaupt so erhaben...
DR. SCHWAB
Und im Briefeschreiben
gewandt.
PROFESSOR ÜTTLI
Stimmt. Ich kann mich noch gut daran besinnen, wie er einmal einem alten
Geheimrat geschrieben hat, dass...
TÜBLI
Genug mit der Geheimnistuerei! Schwäbischer Filz macht sich breit!
PROFESSOR ÜTTLI
Fangen Sie nicht schon wieder damit an!
DR. SCHWAB
Genau.
TÜBLI
Es gibt eindeutige Belege! Fotos. Briefe. Zeitungsausschnitte. Und zwar
nicht nur in unserem Archiv.
PROFESSOR ÜTTLI
Belege? Beschimpfungen!
TÜBLI
Einer der jüngeren Lektoren des Germania-Kollegs zum Beispiel, ein
überaus verdächtiges Element der schwäbischen Spezies, hat vor Jahren
die Kulturkolumne des Allgemeinen Zürcher Tagesblatts gekapert –
DR. SCHWAB
Übernommen.
TÜBLI
– und will seitdem die einheimischen Talente nicht mehr zum Wort kommen
lassen, verdammt noch mal!
DR. SCHWAB
Wir sind halt sprachlich
begabt. Der Schelling und der Hegel. Der Schiller und der Hauff.
Das ist –
TÜBLI
Gekapert!
PROFESSOR ÜTTLI
Also machen Sie jetzt nicht so ein Aufhebens...Wegen einer armseligen
Kolumne...
DR. SCHWAB
Das ist ein Neffe von mir. Und
der schreibt sehr gut. Wie sollte er auch nicht? Im guten alten
Stuttgart aufgewachsen. Redlichkeit und Fleiß und Eigen–
TÜBLI
Aha! Nepotismus! Und die deftige Vergütung....
DR. SCHWAB
Von wegen Vergütung. Der
schreibt fast umsonst.
PROFESSOR ÜTTLI
Zeilenhonorar?
DR. SCHWAB
Oder so was. Jedenfalls ganz
wenig. Kriegt noch einen Zuschuss vom Kanton.
TÜBLI
Der Kanton muss wohl für alles herhalten.
DR. SCHWAB
Und natürlich auch was von der
Hochschule. Seine Frau ist Schweizerin. Die hat ihm die Sprache so gut
beigebracht, dass er morgens in aller Früh immer mitsamt seinen
Studenten hoch oben auf der Alm jodelt, was das Zeug hält.
TÜBLI
Eingeheiratet. Das sind die allerschlimmsten.
DR. SCHWAB
Ein guter Junge. Promoviert,
habilitiert, von der Bundeskanzlerin dreimal dekoriert.
PROFESSOR ÜTTLI
Gold?
DR. SCHWAB
Silber und Bronze. Wie gesagt:
Guter Junge. Kann mit jedem, ob nun Mozart oder Bushido.
TÜBLI
Der frisst wohl...
DR. SCHWAB
Morgens immer Müsli.
PROFESSOR ÜTTLI
Find ich sehr gesund. Denn der
Mensch ist nur da ganz Mensch, wo...
TÜBLI
...er Müsli isst?
DR. SCHWAB
Und dann geht’s in Lederhosen
zum Unterricht. Immer wohlgelaunt und frisch rasiert. Freilich:
kräftiger Schnurrbart. Hat was Ewig-Knabenhaftes an sich.
TÜBLI
Wann geht er denn nach Hause, der ewige Knabe? Oder will er bis auf
Widerruf bei uns herumlaufen wie der ewige Jude?
PROFESSOR ÜTTLI
Tübli! Klappe zu!
TÜBLI
Selber Klappe zu, Herr Professor! Meine Redefreiheit lass ich mir von
euch akademischen Schmarotzern auf keinen Fall...
PROFESSOR ÜTTLI
Tübli!...Solche Attacken
werden hier nicht geduldet! Deswegen haben wir ja auch die Anzeige im
Tagesblatt geschaltet.
TÜBLI
Dreizehntausend Franken! Dem
Steuerzahler wieder mal ganz gewaltig in die Tasche gegriffen.
PROFESSOR ÜTTLI
Stimmt überhaupt nicht. Jeder
von uns hat etwas beigesteuert, damit man den Extremisten...
TÜBLI
Von uns Schweizern?
PROFESSOR ÜTTLI
Von uns Professoren.
DR. SCHWAB
Vivat academia!
Den Extremisten hier am See sollte
man ein für alle Mal klarmachen, dass der Zufluss hochqualifizierter...
TÜBLI
Ach!...Du hässlicher Teutone! Ich kann dich nicht ausstehen! Fast will
sich einer da an die alte eidgenössische Tagsatzung vom elften März 1499
halten und die Eindringlichen allesamt abtun.
DR. SCHWAB
Selber hässlich! Abtun?
TÜBLI
Niedermachen!
PROFESSOR ÜTTLI
Leute!... Leute!...
DR. SCHWAB
Rechtsradikal.
TÜBLI
Ich reiche eine Klage ein.
PROFESSOR ÜTTLI
Aber... Aber...
TÜBLI
Keine Ausflüchte!
PROFESSOR ÜTTLI
Schon Einstein sagte mal…
TÜBLI
Nein! Ich klage. Was eure selbst
ernannte Classe élitaire dazu zu sagen hat, kann mir erspart bleiben.
PROFESSOR ÜTTLI
Das ist ja völlig...Aber jetzt mal im Ernst...Wollen wir’s nicht elegant
– und das heißt hier vor allem anständig akademisch und vorzüglich
intertextuell – ins Reine bringen? Schon Goethe, desen Farbenlehre wir
an der Hochschule übrigens allesamt wirklich fabelhaft finden...
DR. SCHWAB
Danke schön.
TÜBLI
So aktuell ist der auch wieder nicht.
Und wissenschaftlich zulässig? Hmm...
PROFESSOR ÜTTLI
Nichts zu danken. Denn der
wissenschaftliche Wert der Lehre an sich mag zwar immer noch durchaus
umstritten sein, aber ich persönlich, und das will jetzt heißen, wir
alle, wir...
TÜBLI
Klartext, bitte! Sie oder alle?
PROFESSOR ÜTTLI
Ja, ja...Klartext...Versteht
sich...Tja...Wo war ich geblieben?
DR. SCHWAB
Schon Goethe ...
PROFESSOR ÜTTLI
Stimmt, schon Goethe, genauer
gesagt, schon der jüngere Goethe sagte nämlich einmal...
DR. SCHWAB
Ach!...
TÜBLI
Neische, du Schmerzensreische.
PROFESSOR ÜTTLI
Nicht doch! Ach, neige, du
Schmerzensreiche!
TÜBLI
Unsinn. Das hat der gar nicht so gesagt. Das hat mir der Dings aus
Dresden mal erklärt: Neische, du –
DR. SCHWAB
Abscheulich! Unser Goethe hat auf gut Hochdeutsch gedichtet, nicht in
diesem Kauder–
TÜBLI
Auf gut Sächsisch-Hochdeutsch.
DR. SCHWAB
Ach so.
TÜBLI
Ja. Und zwei Äpfel wohnen...
PROFESSOR ÜTTLI
Ach!
TÜBLI
Genau.
DR. SCHWAB
...in meiner Brust.
TÜBLI
Genau.
PROFESSOR ÜTTLI
Thematisierte Zweisamkeit.
DR. SCHWAB
Der eine Apfel will sich von dem anderen trennen.
PROFESSOR ÜTTLI
Stimmt schon wieder. Selbst
wenn Goethe ja im engeren Sinne eigentlich kein Schweizer war, streben
wir doch allesamt unentwegt danach, das Unzulängliche, wie der ältere
Goethe zu sagen beliebte, ein wahrhaftes Ereignis werden zu lassen.
TÜBLI
Gemeinplatz. Wertlos. Unnütz.
DR. SCHWAB
Durch die binäre
Anschauungsweise der Dinge?
PROFESSOR ÜTTLI
Durch unsere Hingabe an die
Quantenphysik und an das eidgenössische Prinzip der Redlichkeit.
TÜBLI
Sie verstoßen ja geradezu gegen
jegliche wissenschaftliche und intellektuelle Redlichkeit!
Und die binäre
Anschauungsweise der Dinge? Unser Ferdinand de Saussure war es ja, der
darauf kam, nicht Ihre Deutschen!
PROFESSOR ÜTTLI
Binär ist alles, was wir tun.
Saussure? Freilich. Und schon Leibniz...
DR. SCHWAB
Null, eins. Meins, deins.
TÜBLI
Eins, keins. Hand aufs Herz: für uns
waschechte Eidgenossen wohl eher keins.
PROFESSOR ÜTTLI
Wobei man freilich so mir
nichts, dir nichts...
TÜBLI
Besser gesagt mir keins, dir eins!
PROFESSOR ÜTTLI
Ach was! Es gibt doch
stets die gemeinsamen Nenner. Ich hab viele deutsche Freunde, die an
sich gar nicht so hässlich sind. Echt!
TÜBLI
Was deutsch denkt, kann nicht
schweizerisch empfinden! Und schon gar nicht eidgenössisch!
DR. SCHWAB
Ich und nicht schweizerisch
empfinden! Mein ganzes Herz, mein Gemüt, ja meine Seele...!
TÜBLI
Damit ich nicht ...
PROFESSOR ÜTTLI
Und sehr viele Autoren der
Empfindsamkeit, wiewohl an und für sich strenggenommen eigentlich
deutscher Volkszugehörigkeit,...
TÜBLI
Schwäbischer Filz macht sich breit!
DR. SCHWAB
....empfinden nichtsdestoweniger sehr stark. Ich zum Beispiel denke
immer: Eins, zwei, drei! So wie die Deutschen. Doch bisweilen wird mir
dabei so jodlerisch zumute...Wie den Schweizern.
TÜBLI
Von wegen jodlerisch! Die
Deutschen wissen nicht einmal, was ein Mödeli Anke ist.
PROFESSOR ÜTTLI
Was hat das mit dem Empfinden
zu tun? Schon der frühe Clinton sagte ja: It’s the economy, mein Lieber!
Ob nun Deutsche oder Schweizer, das Ewig-Unvermeidliche zieht uns hinan.
TÜBLI
Schweizer Franken?
DR. SCHWAB
Nicht nur, aber natürlich
auch. Und dabei weiß ich ganz genau, was ein Mödeli Anke ist.
PROFESSOR ÜTTLI
Speck und Butterbrot: keine
Hungersnot. Wie etwa bei uns an der Quantentechnischen...
DR. SCHWAB
Stimmt! Todsicher!
Hundertprozentig!
TÜBLI
Was soll denn stimmen? Gar nichts stimmt.
DR. SCHWAB
An der Quantentechnischen
Farbentheoretischen Wahrscheinlichkeitslehre lässt’s sich einwandfrei
nachvollziehen: It’s the economy! Und wir Deutsch-Schweizer
erwirtschaften nun mal...
TÜBLI
Goethe hin und her: Gottfried Keller! Haller! Frisch und Dürrenmatt! Das
sind mir Begriffe! Kleider machen Leute! Lesen statt klettern! Ein
tüchtiges Stück Biographie! Und Tunnel!...Soweit der Blick reicht!
PROFESSOR ÜTTLI
Ein kleines Zitat aus den schwarzen Wäldern gefällig? Mann ist Mann!
TÜBLI
Mann ist was?
DR. SCHWAB
Mann!
PROFESSOR ÜTTLI
Mann ist Mann!
DR. SCHWAB
Kannst du nicht verstehen.
Kommutierbar san ma.
TÜBLI
Mutierbar?
PROFESSOR ÜTTLI
Kommutierbar! Austauschbar.
TÜBLI
Ach so...
PROFESSOR ÜTTLI
Schweizer. Deutsche. Ja sogar Österreicher. Nach Belieben austauschbar.
Steckst den Kerl in eine Uniform, und er wird Soldat. Reichst ihm einen
Alpenstock, und er wird Gebirgler.
TÜBLI
Anders gesagt, Kleider machen Leute.
PROFESSOR ÜTTLI
Liebe Studenten! Alle Welt bitte...
TÜBLI
Wir sind keine Studenten.
PROFESSOR ÜTTLI
Liebe Landsleute!
TÜBLI
Wir sind...
PROFESSOR ÜTTLI
Liebe Leute! Alle Welt bitte sofort Augen schließen und sich die eine
Frage stellen: Ja sind wir denn strenggenommen nicht alle ein Teil von
jener Kraft?
DR. SCHWAB
Die stets das Gute will?
PROFESSOR ÜTTLI
Ja so ungefähr...
TÜBLI
Sie denken jetzt wohl, Sie seien in
Ihrem blöden Seminar und können das Studentenvolk nach Gutdünken
herumkommandieren. Meine Augen schließ’ ich keineswegs. Sonst würde ich
ja nichts sehen. Dazu finde ich Ihre These äußerst zweideutig.
PROFESSOR ÜTTLI
Und es ist gerade diese Zweideutigkeit der inneren Berglandschaft, wenn
man’s recht bedenkt, diese Zwei...nach der Eins, doch vor der Drei...
DR. SCHWAB
Aha...Meinesgleichen...Nicht
meinesgleichen. Da geht einem ein Licht auf. Ein Teil von jener Kraft…
PROFESSOR ÜTTLI
Ja...Wie die Verselbstigung einer Partikel.
TÜBLI
Die ver... – was? Verdammt nochmal!
DR. SCHWAB
Verselbstigung.
TÜBLI
Blödes Wort. Genauer gesagt: Unwort.
Mag ich nicht. Gibt’s nicht. Muss weg.
PROFESSOR ÜTTLI
Die Aufgehobenheit nationaler Identität.
DR. SCHWAB
Klasse!...Unabdingbar...Aufgehobenheit...
TÜBLI
Du bist Deutscher. Ich bin Schweizer.
Keine Aufgehobenheit. Gar keine.
DR. SCHWAB
Ich bin ein deutscher
Schweizer, ja fast würd’
ich schon sagen: ein deutscher Eidgenosse.
TÜBLI
Gibt’s nicht.
PROFESSOR ÜTTLI
O ja! Für den Kollegen Schwab lege ich jederzeit mein Quäntchen ins
Feuer.
TÜBLI
Muss weg.
DR. SCHWAB
Total eingeschwitzt.
TÜBLI
Ach was!
DR. SCHWAB
Im Kantönli.
TÜBLI
Völlig daneben.
DR. SCHWAB
Deutscherli-Schwiizerli.
TÜBLI
Unsinn. Hör mal gut zu! Man sagt nicht eingeschwitzt! Man sagt nicht
Kantönli! Man sagt nicht Sprüngli! Man sagt nicht Fränkli! Man sagt
nicht Soldatli! Man sagt nicht Schwiizerli! Verstanden?
PROFESSOR ÜTTLI
Tübli! Lassen Sie’s doch nur
...
TÜBLI
Sagt man einfach nicht! Und der Üttli
war nie ein guter Eidgenosse.
PROFESSOR ÜTTLI
Wir haben den
Teilchenbeschleuniger neu eingebaut. Morgen geht’s noch schneller.
DR. SCHWAB
...wie gesagt, von Quantensprüngli zu Quantensprüngli......und keiner,
aber wirklich auch keiner scheint sich auch nur im geringsten...
TÜBLI
Man sagt nicht Sprüngli! Man sagt nicht Hündli! Man sagt nicht...
PROFESSOR ÜTTLI
Psst!...Still da!
DR. SCHWAB
...ich meine, auch nur im geringsten...
PROFESSOR ÜTTLI
O ja! Am Zürcher See
zählt jedes Quäntchen, ob nun deutsch oder schwytzerdeutsch. Und die
Leute wissen…
TÜBLI
Die Leute haben’s satt! Überall
Deutschli!...Machen sich an unseren Unis und in den Spitälern breit!
Ausländische Ellbögler! Mord und Totschlag auf den Straßen der Stadt!
DR. SCHWAB
Man sagt nicht Deutschli.
PROFESSOR ÜTTLI
Genau.
TÜBLI
Aha! Nicht Deutschli! Aber man sagt wohl Sprüngli, was? Und natürlich
auch Schwiizerli!
PROFESSOR ÜTTLI
Geben Sie mal Ruhe! Wie
gesagt, deutsche Fachkräfte erwirtschaften unermesslich viel in den
Kantonen.
DR. SCHWAB
Das will ich meinen! Allein im
letzten Quartal fünfundvierzig Milliarden Fränkli.
PROFESSOR ÜTTLI
Und die armen Unglückspilze
tun ja nur...
TÜBLI
Fränkli? Filz weg! Ausländische Ellbögler!
PROFESSOR ÜTTLI
Jetzt mal im Ernst, Tübli:
Filz...
Wir Akademiker wehren uns ganz
entschieden gegen Ihre Wortwahl.
Der Ausdruck ist beleidigend
und sachlich falsch.
DR. SCHWAB
Und rassistisch.
TÜBLI
Der spinnt wohl. Es ist lächerlich,
unseren Filzvorwurf als rassistisch zu bezeichnen.
PROFESSOR ÜTTLI
Was haben Sie denn eigentlich
gegen deutsche Gastforscher? Die armen Unglücks–
TÜBLI
Von wegen Unglückspilze! Vielleicht meinen Sie Unglücksfilze!
PROFESSOR ÜTTLI
Aber nein...
TÜBLI
Viele davon sind in Wirklichkeit gefühlslose Schlägerkinder.
DR. SCHWAB
Ganz im Gegenteil! Ich zum
Beispiel bin wie gesagt empfindsam und zärtlich.
TÜBLI
Ein Mann aus deutschen Landen? Unmöglich! Das hier ist unser
Switzerland! Halt dich raus, deutscher Mann mit dunkler Seele! Hurra
Helvetia! Zürich den Zürchern! Die Schweiz den Schweizern!... Der
Emmenthaler den...
DR. SCHWAB
Aber was ist das denn
eigentlich? Ein Schweizer... Und was ist ein Deutscher? Gar nicht so
weit entfernt. Deinesgleichen? Meinesgleichen. Wie gesagt:
Quantensprüngli.
TÜBLI
Geh doch heim ins Reich!
DR. SCHWAB
Hab keine Lust. Mir gefallen die Bergli.
TÜBLI
Bei euch gibt’s freilich nur Plattland. Kein Wunder, dass ihr gar nicht
anständig sprechen könnt.
DR. SCHWAB
Wir sprechen Hochdeutsch.
Frisch wie Quellwasser. Kommt aus den Bergen. Ist gut.
TÜBLI
Hochdeutsch?...Abscheulich!...
DR. SCHWAB
Zweite Lautverschiebung.
TÜBLI
Unerträglich!
BRUNO
Was für eine Verschiebung?
DR. SCHWAB
Lautverschiebung. Die zweite.
BRUNO
Ach so!…Wir nehmen hierzulande schon
eher mit der ersten vorlieb.
DR. SCHWAB
Aber nein! Lautverschiebung
ist, wenn…
TÜBLI
Bruno!
BRUNO
Zu Befehl!
TÜBLI
Na endlich. Alles in Stellung?
BRUNO
Bis auf den letzten Mann.
TÜBLI
Achtung, Achtung! Eindringliche in Sicht! Deutscher Gastdozent mit
begrenzter Haftung!
BRUNO
Mit ganz besonders begrenzter
Haftung. Nichts für ungut, Herr Doktor.
TÜBLI
Kurz: Ausländer aus dem Norden! (Brüstet sich) Rechtschaffene Mitglieder
der Aktionsgruppe „Filz weg"! Alarmstufe Rot! Mord und Totschlag in den
Schluchten, in den Tälern, ja auf der Alm!
BRUNO
Mord und Totschlag auf der Alm?
TÜBLI
In den Schluchten! In den Tälern! Auf
der Alm!
BRUNO
Das ist aber wirklich ein Skandal.
PROFESSOR ÜTTLI
Lassen Sie doch endlich diese
alberne Propaganda! Wir wählen Sie ja sowieso nicht.
TÜBLI
In den Schluchten!...
DR. SCHWAB
Und zurück wollen wir auch
nicht.
TÜBLI
In den Tälern!...
PROFESSOR ÜTTLI
Wer will denn gleich ans
Weggehen denken? Ist doch sonnenklar! Herr Doktor Schwab, Sie
gehören zu uns! Bleiben Sie! Bleiben Sie! Deutsche Fachkräfte
erwirtschaften unermesslich viel...
DR. SCHWAB
Aber natürlich!
PROFESSOR ÜTTLI
Und was die Ausstattung
anbelangt...
TÜBLI
Was heißt denn hier
Ausstattung? Diebstahl! Raub! Unterschlagung! Ein Heidengeld kriegen die
Kerle!... Und Deutsche stellen nur Deutsche an! Weiß ja jeder.
DR. SCHWAB
Mit der Ausstattung ist
alles in bester Ordnung, danke sehr. Und mein Vetter aus Stuttgart lässt
grüßen. Er sei gerne bereit, die insgeheim, wollte sagen im Vertrauen
ausgelobte Professur schleunigst anzutreten.
PROFESSOR ÜTTLI
Prima! Richten Sie ihm bitte
aus, er möge doch mal bei Gelegenheit kurz...
TÜBLI
Das ist was für die Aktionsgruppe!
PROFESSOR ÜTTLI
A ja, bevor ich es noch
vergesse. Übermorgen Gehaltserhöhung und Empfang beim Rektor. Sind Sie
übrigens hungrig? Noch eine Tafel Lindt?
DR. SCHWAB
Gehaltserhöhung? Empfang? Lindt? Ja! Ja! Ja! Sie wissen doch, das
deutsche Regiment der Schweizer Garde steht seinen Mann! Unser Leben ist
den Alpen verschrieben. Und der Forschung. Und der intermenschlich
multi… der multi…
PROFESSOR ÜTTLI
Brav so! Denn ohne die
Alpen...
DR. SCHWAB
Ohne die den hiesigen höheren Gefilden sozusagen anhaftende horizontale
Lebensweise ihrer bezaubernden Berge, wie der Dichter sagen würde...
TÜBLI
Alpen, Alpen, Alpen... Damit ist es
nicht getan. Schnee und frische Luft? Danke sehr, aber wir brauchen
jetzt mal vor allem mehr Kultur. Mehr Identität. Reine Kultur. Ureigene
Kultur! Authentische Kultur! Gute Kultur!
PROFESSOR ÜTTLI
Lesen statt klettern?
TÜBLI
Jawohl! Jawohl! Und
noch einmal Jawohl!
DR. SCHWAB
Jawohl? Ist das schweizerisch?
TÜBLI
Warum nicht?
DR. SCHWAB
Klingt doch recht deutsch.
TÜBLI
Freudige Bejahung! Lesen statt klettern! Bildung und Wissen! Kultur und
Zivilisation! Um zu erfahren, was die Welt...
DR. SCHWAB
...im Innersten zusammenhält?
TÜBLI
Aber ja doch! Will ich meinen.
DR. SCHWAB
Und wohl schon wieder mal Jawohl! Sie scheinen wirklich ganz
dichterisch veranlagt zu sein.
TÜBLI
Bin ich. Ein poeta doctus des alten Schlags. Mit regionalem und
überregionalem Bezug.
BRUNO
Wir nennen das hierzulande auch
poeticus.
DR. SCHWAB
Und haben Sie denn nicht auch irgendwelche allgemein-deutschsprachige…?
TÜBLI
Alles garantiert kantonal. Immer rein schweizerisch! Nirgendwo ein
scharfes „S"! Lesen statt klettern! Morgenessen und Überg’wandli!
Kultur! Kultur! Nichts so Kultur als Hallers Berge!...
BRUNO
Was heißen will: Zivilisation!...
TÜBLI
Immer und ewig! Land der Tunnel, Land der Wonne!…
DR. SCHWAB
Lesen... Stimmt! Close reading, wie wir es hier nennen. Denn Studieren
geht über...
PROFESSOR ÜTTLI
Nein, Probieren geht
über...oder..nein!...Moment!...
DR. SCHWAB
Experimentieren?...
PROFESSOR ÜTTLI
Zuerst quantisches Ermesen /
Und dann kommt die Moral! Schwarzwald-Gedangengut.
TÜBLI
Nie gehört.
PROFESSOR ÜTTLI
Das stand ja auch irgendwo im
Lehrplan...
DR. SCHWAB
Lehrplan? Hab ich hier! Stets in Reichweite. Ales klar. Zweisprachig.
TÜBLI
Deutsch-Schweizerisch?
DR. SCHWAB
Ja. Und immer vorzüglich akualisiert.
PROFESSOR ÜTTLI
Oder stand das im Fahrplan...?
DR. SCHWAB
Fahrplan? Hab ich hier! In der Luxusausgabe des Akademieverlags! Und auf
der letzten Seite? Dürrenmatts Tunnel zum Einstudieren. Denn wie
gesagt: Mater studiorum.
TÜBLI
Est?
DR. SCHWAB
Natürlich. Wenn nicht gar Alma Mater Studiorum. Freut mich übrigens,
dass Ihr Latein so weit reicht.
TÜBLI
Dulce et decorum…
DR. SCHWAB
Also wir Gastforscher aus deutschen Landen bekunden hiermit mal
sozusagen ganz feierlich und aus tiefster Seele...wo hab ich bloß die
Tafel hingelegt?...
TÜBLI
Die Schweiz den Schweizern!...
DR. SCHWAB
...dass wir jederzeit bereit
sind, den Eid abzulegen.
TÜBLI
Ohne Hintergedanken?
DR. SCHWAB
Ohne Hintergedanken.
PROFESSOR ÜTTLI
Und die Leute wissen das
durchaus zu schätzen.
DR. SCHWAB
Denn manchmal fragt man sich,
rundherum all die Uhren und Schokoladen und Partikelbeschleuniger und
Menschenrechtsparagraphen: Ja bin ich denn nicht strenggenommen
letzendlich doch ein reiner Schweizer? Als zum Beispiel Wilhelm Tell auf
der Hohlen Gasse sozusagen einen historischen Bogen spannte...
BRUNO
Warum war die Gasse denn hohl?
DR. SCHWAB
Kein Asphalt.
BRUNO
Aha.
TÜBLI
Alles veruntreut.
PROFESSOR ÜTTLI
Schweizerische Vorfahren?
DR. SCHWAB
Meine Mutter. Aber mit sechs
zog sie mit der Familie nach Düsseldorf.
PROFESSOR ÜTTLI
Einmal Schweizer, immer
Schweizer.
DR. SCHWAB
Das hatte ich mir auch gedacht. He! Tübli! Hier! Nimm schon. Ein Stück
Lindt von einem Landsmann!
TÜBLI
Halt! Timeo teutonicos et euros
ferentes! Keinen Schritt weiter! Im Namen der Eidgenössischen...
BRUNO
Keinen Schritt weiter!
PROFESSOR ÜTTLI
Haben die Kerle die Straße
gesperrt?
DR. SCHWAB
Sieht ganz so aus. Habt ihr
die Straße gesperrt?
TÜBLI
Was sonst?
BRUNO
Im Namen der...
PROFESSOR ÜTTLI
Aha! Eine Barrikade.
DR. SCHWAB
Polizei anrufen?
TÜBLI
Weg mit dem verdammten Hut!
BRUNO
Hut weg! Besser: Hut ab! Ist das ein Filzhut?
TÜBLI
Filzhut weg! Die Bürger aus Uri,
Schwyz und Unterwalden...
PROFESSOR ÜTTLI
Polizei? Aber nicht
doch…Versuchen wir’s mal zuerst intern.
DR. SCHWAB
Ach so...Intern...
PROFESSOR ÜTTLI
Ja…Landsleute! Bürger!
Eidgenossen!...
DR. SCHWAB
Achtung! Der hat eine
Wasserpistole.
PROFESSOR ÜTTLI
Nicht schießen!
DR. SCHWAB
Brüder! Bürger aus Uri, Schwyz
und Unterwalden...Nicht schießen! Bin ja einer von euch.
TÜBLI
Einer von uns? Ha! Damit ich nicht
lache!
BRUNO
Anders gesagt: persona non grata.
DR. SCHWAB
Aber ich bin ja...ich war ja...meine Mutter...Meine..
PROFESSOR ÜTTLI
Platz da! Wer nicht weicht,
hat’s mit der Alma Mater zu tun!
BRUNO
Mit der Alma?
TÜBLI
Mater studiorum.
BRUNO
O je!...Schlimmstmögliche Wendung!
Fürchterlicher Zufall! Groteske Dramatik!
TÜBLI
Achtung, Achtung! Volle Deckung! Die Deutschen kommen!...
DR. SCHWAB
Wir kommen?
PROFESSOR ÜTTLI
Jawohl! Platz da! Wir kommen!
DR. SCHWAB
Aber Sie sind ja gar kein
Deutscher.
PROFESSOR ÜTTLI Macht nichts. Wir kommen trotzdem. Zweihundert Mann
stark! Und das ist nur die Spitze der Lanze!
BRUNO
Die Professoren mit ‘ner Lanze! Alles weg! Verhüllt eure Gesichter!
Macht schon! Die Professoren!
TÜBLI
Zweihundert Mann stark! Alarm!...Alarm...
BRUNO
In voller Rüstung?
TÜBLI
Und ob!
BRUNO
Amtlich?
TÜBLI
Mit dem Banner der Uni!
BRUNO
Mein Gott! Ein Gegenangriff! Was tun?
TÜBLI
Zurück in den Keller! Es sind ihrer zu viele! Blas! Blas!
BRUNO
Zum Angriff?
TÜBLI
Zum Rückzug.
BRUNO
Aber natürlich. (Bläst zum Rückzug). Sauschwaben.
DR. SCHWAB
Hab ich gehört.
BRUNO
O! Tschuldigung. Hmm...War eher so
eine Art Selbstgespräch.
DR. SCHWAB
Ist schon gut.
BRUNO
Eine innere Debatte. Eine äußere Standortbestimmung.
DR. SCHWAB
Ein Klischee.
BRUNO
Sie sagen es. Gar nicht böse gemeint, aber alle Welt weiß ja: Wer mit
den Wölfen essen will...
DR. SCHWAB
Ja, ja, ja...Ich weiß...
BRUNO
Morgen um zehn im Seminar?
DR. SCHWAB
Viertel nach.
BRUNO
Prima. Ich hab gehört, dass
die Österreicher beim neuen Einstein-Projekt mitmachen dürfen. Kann ich
als Italiener?...
DR. SCHWAB
Österreicher... Bayern...Sachsen...Wird ja alles internationalisiert.
BRUNO
Noch mehr als bisher?
DR. SCHWAB
Total internationalisiert.
BRUNO BRUNO
Und darf ich dann als
Italiener?...
DR. SCHWAB
Also Bozen gehört ja
strenggenommen immer noch zu Österreich. Und Österreich ist irgendwie,
also wenn Sie mich fragen...
TÜBLI
Total internationalisiert? O je, o je!... Alles drin? Sogar Italiener?
Als nächstes kommen Sie mir dann wohl mit den Franzosen.
DR. SCHWAB
Sind mit dabei. Zwei
Privatdozenten aus dem Elsass und ein Gelegenheitsphilosoph aus Wien.
Der sagt nicht Gehsteig, sondern Trottoir. Aber Wien ist eben Wien.
BRUNO
Trottoir?
DR. SCHWAB
Richtig!
BRUNO
Und die aus dem Elsass?
DR. SCHWAB
Die sagen Gehsteig.
BRUNO
Gehsteig? Nicht Bürgersteig?
DR. SCHWAB
Gehsteig. Aber
Mensch!...Können die trinken! Sowas von Trinkenkönnen...
BRUNO
Wein oder Bier?
DR. SCHWAB
Wein auch, aber vor allem
Bier. Das Elsass gehört ja strenggenommen...
TÜBLI
Und ich sag Ihnen: Was hier am Zürcher See unterrichtet, soll mir ein
waschechter Zürcher sein!
PROFESSOR ÜTTLI
Schenken Sie sich die Hetz.
Ohne Ausländer geht’s eben nicht.
TÜBLI
Die Deutschen lieben unsere Jobs. Aber lieben sie auch unsere
geistige...wie sagt man denn gleich? unsere kulturelle...unsere
multi...?
DR. SCHWAB
Wir lieben sie.
TÜBLI
...unsere geistige...
DR. SCHWAB
Wir lieben sie.
TÜBLI
... unsere zivilisatorische...
DR. SCHWAB
Wir lieben sie.
TÜBLI
Dann sind Sie hier willkommen.
DR. SCHWAB
Danke schön.
TÜBLI
Bitte schön. Es hätte aber auch ganz anders kommen können. Wer zum
Beispiel nicht weiß, was ein Mödeli Anke ist...
DR. SCHWAB
Ich weiß, was ein
Mödeli Anke ist.
TÜBLI
Ja, aber wer’s nicht weiß...
BRUNO
Der soll wieder nach Hause.
TÜBLI
Genau.
BRUNO
Im weiten Bogen.
TÜBLI
Jawohl. Und unterrichtet werden muss natürlich auf jeden Fall stets in
althergebrachter schweizerischer Art und Weise.
BRUNO
Denn Switzerland is Switzerland.
TÜBLI
Und nicht etwa das sogenannte Good
Old Germany, von dem manche hier schwärmen.
BRUNO
Und wo man nicht einmal mehr diskret
Geld anlegen kann, ohne dass gleich die Spürhunde herumschnüffeln.
DR. SCHWAB
Mir soll’s recht sein. Denn
das Kapital ist da, um vermehrt zu werden.
BRUNO
Und nicht etwa umgekehrt.
TÜBLI
Sprichst mir aus der Seele!
BRUNO
Und ich darf dann wohl wie gesagt als
Italiener...
TÜBLI
Bist ja Schweizer.
BRUNO
Ja, klar...Schweizer...
TÜBLI
Denn Switzerland...
BRUNO
...ist Switzerland. Aber politisch korrekt, linguistisch korrekt,
stilistisch korrekt betrachtet wäre ich wohl irgendwie schon eher
sozusagen eine italienischstämmige Person deutschsprachiger
Ausdrucksweise.
TÜBLI
Ja, ja, ja. Um es mit Hugo Loetscher zu sagen, einem Autor, der sich
übrigens mehr als nur im wörtlichen Sinne gegein Eindimenisonalität
impfen ließ.
BRUNO
Ja, klar...Der Immune....
TÜBLI
Gegen das Deutschtum und so.
BRUNO
Ja, klar...
TÜBLI
Also wenn mich wer fragt: Forza Helvetia!
BRUNO
Und Hurra dazu!
TÜBLI
Versteht sich von selbst. Kurzum: Wer so jodeln kann wie du, ist mir
willkommen.
BRUNO
Danke schön. Grazie!
TÜBLI
Und dazu hast du ja längst den Eid abgelegt.
BRUNO
Hab ich.
TÜBLI
Wie war das denn eigentlich? Du
wolltest doch am Anfang eigentlich ins Reich, oder?
BRUNO
Ja, ganz am Anfang schon, aber die
Deutschen haben mich immer angegafft wie einen Bären, obwohl Deutsch
meine Muttersprache ist.
TÜBLI
Wohl vor allem auch wegen des Namens.
BRUNO
Irgendwie wird einem dabei so eng zumute, man fühlt sich ja wie
geächtet.
TÜBLI
Kenn’ ich. War auch schon mal droben.
Arrogant wie der Steinbrück. Falsch wie der Guttenberg. Doof wie die
Mer–
BRUNO
Ja, klar...In Deutschland ist es nun
mal so. Und heißt einer Urs, so muss er auch gleich mal einen Bärentanz
vorführen.
TÜBLI
Urs Widmer berichtete mir Ähnliches.
BRUNO
Höchstpersönlich?
TÜBLI
Ähm...Na ja...Also...In dem Sinne wohl doch eher...Hmm...Und dann
Österreich, was?
BRUNO
Ja ich wollte eigentlich über die
Grenze, doch ein paar Schäfer versperrten mir kurz vor Passau den Weg,
weil sie meinten, mein Pelzunternehmen sei angeblich ungefähr so was wie
ein Raubtier mit begrenzter Haftung.
TÜBLI
Was ja gewissermaßen wohl schon seine
Richtigkeit gehabt haben mag, denn „Homo homini lupus", wie unser
Friedrich Dürrenmatt mal vollkommen richtig feststellte.
BRUNO
Genau. Und da ging’s eben in die
Schweiz, wo sich zufälligerweise auch mein bisschen Erspartes gut
unterbringen ließ, ohne dass die Kerle vom Fiskus gleich ihre Nase...
DR. SCHWAB
Ja, mich hat das auch
angesprochen. Denn in der Schweiz kann jeder, egal ob Filzhut, Kappe
oder Mütze auf dem Deckel, in Anbetracht seines sozusagen ureigenen
schweizerischen Selbstbewusstseins, eine Tafel Lindt in der Hand und das
deftige Geheimkonto auf der Bank, seinem wohlsubventionierten
Forschungsvorhaben frönen und dabei insgeheim oder doch in aller
Öffentlichkeit...
TÜBLI
Das klingt wieder mal sehr deutsch.
DR. SCHWAB
Wollte sagen, ein Tafeli
Lindtli...
TÜBLI
Pff!...
DR. SCHWAB
Ein Mödeli Lindtli?
TÜBLI
Auch nicht. Also passen Sie mal gut auf, Herr Doktor mit begrenzter
Haftung. Wer im Kanton bleiben will, muss sich kantonal verhalten.
DR. SCHWAB
Das weiß ich! Das weiß ich!
Und ich sag auch meinen Studenten immer wieder, dass ein einwandfrei
kantonales Verhalten im weitesten Sinne wie im engeren Sinne...
TÜBLI
Aha! Studenten! Die Zukunft des Kantons. Da mach ich mir aber Sorgen.
Denn schon Pestalozzi...
DR. SCHWAB
Keine Ursache! Wir gehen
äußerst kantonspezifisch vor.
TÜBLI
Das sagen alle. Und am Ende? Die gesamte Jugend verblödet,
eingedeutscht, entwurzelt. Deutschtum? Nein, danke. Am besten, Sie
gestehen ohne jedwelche weitere Verzögerung, was Sie heute unterrichtet
haben. Ich warne Sie: Wir finden’s sowieso heraus.
DR. SCHWAB
Unterrichtet? Also in dem Sinne würd’ ich es eigentlich ja
strenggenommen gar nicht...
TÜBLI
Gelehrt.
DR. SCHWAB
Gelehrt? Ja kann man
heutzutage denn noch wirklich was lehren? Nein. Ich sehe immer wieder,
dass wir nichts lehren können.
TÜBLI
Zum besten gegeben.
DR. SCHWAB
Tja...hmm...Wohl auch nicht. Das sind eher so Aktivitäten, die wir
machen...
TÜBLI
Machen ist ein schlechtes Wort.
BRUNO
Stimmt. Sollte man meiden. Weiß ich von meiner Mutter.
TÜBLI
Ein deutsches Wort.
BRUNO
Total unangebracht.
PROFESSOR ÜTTLI
Quantenteam-Sitzung in
fünfzehn Minuten!
DR. SCHWAB
Ich komme schon!...Tübli, wir
haben übrigens noch eine Stelle übrig.
TÜBLI
Im Quantenteam?
DR. SCHWAB
Im Quantenteam.
Multikulturelles
Toleranz-Departement.
TÜBLI
Na dann. (Räuspert sich)
Ähem...(Leise) Landsleute. Demonstration abbrechen.
BRUNO
Widerstand aufgeben?
TÜBLI
Ja. Widerstand aufgeben. Das heißt natürlich, bis auf weitere Befehle.
Denn am besten...
BRUNO
...auf der Hut bleiben. Klar!
TÜBLI
Und Stellung beziehen! Und Ausschau halten. Und Einhalt gebieten. Und
Umsicht gewähren. Und Ansicht...
BRUNO
Bis auf weitere Befehle alle Welt weiterhin im Versteck bleiben! Doch
keinen Laut von sich geben!
TÜBLI
Nicht einmal einen Umlaut! Denn jetzt sind wir wieder gut mit den
Schwaben.
DR. SCHWAB
War ja alles nur ein
Missverständnis...
TÜBLI
Schwamm drüber.
BRUNO
Wie gut, dass wir wieder gut sind! Es ist also doch möglich!
Deutsche, die Nicht-Deutsche anstellen!
DR. SCHWAB
Es ist mir ein Vergnügen.
TÜBLI
Deutscher Mann in Switzerland, lass
dich umarmen! Du hast es ehrlich gemeint.
BRUNO
Hier! Einen Kuss auch von mir, Herr Doktor. Muss ich die Arbeit dann
trotzdem noch schreiben oder...?
PROFESSOR ÜTTLI
Aber nicht doch! Wir machen
das intern.
DR. SCHWAB
Ja von mir aus gerne.
TÜBLI
Intern! Das nenn’ ich ein Wort! Ach wären doch alle Schwaben...!
DR. SCHWAB
Ach wären doch alle
Schweizer...!
BEIDE
So wie Sie...
BRUNO
Toleranz, Toleranz! Mein
Praktikum für mehr Toleranz!
TÜBLI
Wie einst ein Dichter aus den Bergen sagte....
PROFESSOR ÜTTLI
Leute!... Leute!...Falls man
diesen poetischen Erguß unterbrechen darf: Ich hab zufälligerweise die
jüngste Erklärung der Professoren in der Hosentasche.
DR. SCHWAB
Zweihundert Unterschriften?
PROFESSOR ÜTTLI
Zweihundertzwanzig. Es
geht darin um Rechte und Freiheiten.
BRUNO
Voller Treffer!
TÜBLI
Ja, ja...Find ich durchaus passabel.
PROFESSOR ÜTTLI
Machen wir doch was ab! Von
nun an hat jeder Mensch Anspruch auf eine soziale und internationale
Ordnung, in welcher die in der vorliegenden Erklärung angeführten Rechte
und Freiheiten...
TÜBLI
Und so weiter. Abgemacht!
DR. SCHWAB
Freunde! Landsleute! Kollegen!
Mehr noch, Eidgenossen! Lasst uns darauf anstoßen!
BRUNO
Prost!
PROFESSOR ÜTTLI
Cheers!...Das „Rechte und
Freiheiten"-Programm wird nämlich international abgewickelt.
DR. SCHWAB
Yep, yep, yep! Hurra
Switzerland! Hurra Germany! Hurra Europe!
ALLE
Hurra Switzerland!
Hurra Germany! Hurra
Europe!
PROFESSOR ÜTTLI
Meine Herrschaften! Mit diesem
einen wohlformulierten Paragraph wurde hiermit ein jahrhundertelang
andauernder historischer Streit beigelegt.
BRUNO
Zwischen?
TÜBLI
Total beigelegt. Was übrigens
auch dem Geschäft nicht schaden kann.
DR. SCHWAB
Wir sind ja schließlicht eine
große Familie am See. Denn alle Menschen werden Brüder...
TÜBLI
...wo ein Eidgenosse weilt.
PROFESSOR ÜTTLI
So mag ich’s am besten!
Rechte, Freiheiten und Bruderschaft. Regional wie überregional.
BRUNO
Bruderschaft? Eine einzige Währung?
Von Bozen bis Bern und von Berlin bis Athen? Du, das will ich mir
gefallen lassen.
TÜBLI
Ich auch. Euro-Wings für jedermann!...
BRUNO
Bellissimo! Vor allem, wenn die
Piloten auch wollen.
TÜBLI
Was? Die wollen nicht? Verflixte Deutschli!
PROFESSOR ÜTTLI
Leute! Leute! Liebe, liebe,
liebe...
TÜBLI
Liebe was? Verflixte Deu–
PROFESSOR ÜTTLI
Die wollen.
DR. SCHWAB
Und chicken wings.
TÜBLI
Aber von nun an bitte so ganz ohne Streik.
PROFESSOR ÜTTLI
Die wollen.
BRUNO
Da kommt man nämlich am besten ans Ziel.
TÜBLI
Am allerbesten. Doch jetzt mal meine eigene Erklärung dazu!
BRUNO
Eine Parallelerklärung? Toll!
TÜBLI
Ganz parallel. Als kleines Extra. Und als Dankeschön. Und als
Nichtaufhören. Und als Weitermachen. Und...
BRUNO
Speech!... Speech!...
TÜBLI
Los geht’s! Dixit!...An euch alle! Egal ob Schweizer oder
Deutsch-Schweizer: Was immer auch am Zürcher See lebt und leibt, soll
mir von nun an so lieb sein wie mein neuer Job!
PROFESSOR ÜTTLI
Bravo!
BRUNO
Bellissimo! Beigelegt. Bogenschießen.
Sanfter Flügel. Egal. Lieb sein.
PROFESSOR ÜTTLI
Sehr analytisch. Freut mich.
Prost.
BRUNO
Job...Hmm...Schmeckt! Forza Italia! Hurra Helvetia! Prost!...Wollte
sagen: Cheers! Darf ich noch ein bisschen…?
PROFESSOR ÜTTLI
Aber selbstverständlich! Jeder
Mensch darf dürfen.
TÜBLI
Und kein Mensch muss müssen.
PROFESSOR ÜTTLI
Und jeder ist ein ewiger
Knabe.
DR. SCHWAB
Abgemacht.
TÜBLI
Wirklich?
DR. SCHWAB
Ehrenwort, Eidgenosse.
Hand drauf.
TÜBLI
Hier.
DR. SCHWAB
Forschungsstandort
Switzerland? Totaler Erwartungshorizont. Unendliche Bewegungsfreiheit.
BRUNO
Cool! Bellissimo!
PROFESSOR ÜTTLI
Und jeder kann tun, was er
will.
BRUNO
Und jeder kann wollen, was er will?
PROFESSOR ÜTTLI
Das auch. Denn der freie Wille
wird hier an der Uni seit je groß geschrieben. Oder?
TÜBLI
In Bildung und Forschung mehr als fünfzig Prozent Ausländer.
DR. SCHWAB
Internationale Fachleute.
TÜBLI
Entschuldigung. Wie dem auch sei...Jawohl! Groß!
PROFESSOR ÜTTLI
Unter uns, wir bauen jetzt
einen neuen, dazu beträchtlich längeren, aber dieses Mal ganz, ganz
sicheren Teilchenbeschleuniger.
DR. SCHWAB
Ausgezeichnet! Beim alten
wurde einem nämlich immer bange, wenn all die Geräusche...
PROFESSOR ÜTTLI
Verwechseln Sie möglicherweise
mit der Tomographie.
BRUNO
Magnetresonanztomographie?
Unheimliche Geräusche! Und ein bisschen komisch sind sie auch.
TÜBLI
Jawohl! Sicherheit ist gut. Das
brauchen wir in den Kantonen. Besonders bei den Beschleunigern. Der gute
alte Pauli besagte übrigens in seinem Ausschließungsprinzip, dass von
nun an in der Schweiz ein jedwedes technisches oder inter-menschliches
Versagen ausgeschlossen sei. Was ja bekanntlich mit dem Tübli-Prinzip
durchaus vereinbar ist.
BRUNO
Und dann geht alles ein bisschen dalli?
PROFESSOR ÜTTLI
Will ich meinen.
DR. SCHWAB
Vor allem wohl auch die
Integration der Fachkräfte.
PROFESSOR ÜTTLI
Das auf jeden Fall. Denn
deutsche Fachkräfte...
BRUNO
Und italienische Fachkräfte...
DR. SCHWAB
Was in diesem Kontext freilich
strenggenommen österreichische Fachkräfte heißen will...
PROFESSOR ÜTTLI
...erwirtschaften unermesslich
viel in den Kantonen.
BRUNO
Kurz, es ist ein gutes Land.
TÜBLI
Natürlich ist es ein gutes Land! Und
so wollen wir es auch bewahren, weswegen ja unsere Aktionsgruppe, wollte
sagen, unser multikulturelles Toleranz-Departement....
PROFESSOR ÜTTLI
Leute, bin ich aber durstig!
DR. SCHWAB
Noch eine Runde?
PROFESSOR ÜTTLI
Ich muss darauf bestehen! Für
die deutsch-schweizerische Freundschaft...
TÜBLI
... und technische Zusammenarbeit.
DR. SCHWAB
Prost!
TÜBLI
Prost!
PROFESSOR ÜTTLI
Ganz gemütlich ohne Hetz, was?
TÜBLI
Will ich meinen. Apropos: Darf ich auch gleich einmal mein neues Büro
sehen?
PROFESSOR ÜTTLI
Bitte schön! Jeder Mensch hat
Anspruch auf ein eigenes Büro, in dem die Rechte und Freiheiten...
TÜBLI
Und so weiter. Recht vielen Dank!
DR. SCHWAB
Jetzt machen wir uns gemeinsam
breit, gell?
TÜBLI
Ich bin so frei.
***
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