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Menschliches Leid
und die bedrohten Heilkräfte der Natur

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Zu René Steiningers neuem Lyrik- und Erzählband "tremolando".

Von Dagmar Kostalova
(29. 04. 2011)

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Dagmar Kostalova
Dagmar.Kostalova [at]
fphil.uniba.sk


geboren 1950, Studium
der Germanistik und Anglistik
in Bratislava, ist Universitäts-
dozentin für Neuere Deutsche
Literatur und Beiratsmitglied
des Wiener
Instituts zur Erforschung und Förderung regionaler und transnationaler Kulturprozesse (INST).

 


 

René Steininger.
tremolando. Gedichte &
Geschichten II.
Bucher Verlag, 2010.
ISBN:
3990180185

   Der neue Textband des in Wien lebenden Dichters und studierten Philosophen René Steininger ist ein filigranes Stück poetischer Weltbetrachtung. Das dem Band vorangestellte Motto: Der "Gewinn, irgendwo anders zu sein" zeichnet in erster Linie ihn selbst als einen im besten Sinne besessenen Wanderer aus, der auf seinen Reisen zum untrüglichen Zeitdiagnostiker wird. Der im wahrsten Sinne des Wortes "unterwegs" zur Welt Gekommene (geboren 1970 in einem Pariser Taxi) bleibt seinem Ort "dazwischen" auch in seinen Gedichten stets verhaftet. Er durchläuft darin mit fotografischem Blick und viel Talent für intensive Situativität in sparsamst hingeworfenen Zeilen die kleinen und gedanklich doch großen Odysseen von heute. Von Marrakesch über Wien nach Lettland geht der poetische Wanderweg, dann weiter von Serbien über die Slowakei nach Mexiko und New York.

Steininger ist kein explizit politischer Autor, eher einer, der unterschwellig Engagement hervorblitzen lässt: Seine Bilder und Assoziationen sind meisterhaft poetisch zugespitzte, bissig melancholische Reflexionen über zivilisatorische Verfehlungen, historische Verwerfungen und Kulturbrüche, über menschliches Leid oder die bedrohten Heilkräfte der Natur. Eingehüllt ist dies alles in eine wohltuend asketische Sprache, durchsetzt von einfallsreichen Pointen und bezaubernder Magie des Augenblicks. Man fühlt sich beinahe genötigt zu behaupten, dass Steiningers tiefblickende Reise durch die Welt heutzutage umso mehr gerechtfertigt ist angesichts der steigenden Zahl menschengemachter ökologischer Krisen.

   Gerade wo man als Leser und Kritiker oft mit der Frage konfrontiert ist, worin der Sinn unzähliger neu erscheinender geschwätziger Bücher besteht, wirkt die Lektüre von Gedichten René Steinigers geradezu beglückend. Er schafft es – apodiktisch klingender in seinen Gedichten als in der thematisch vielfältigen, nicht weniger kritischen und auch sprachlich erfinderischen Prosa –, uns die in der Erinnerung aufgehobene, vergängliche Erdenwelt in einem kunstvoll gewobenen Sprachnetz synchroner und diachroner Blickwinkel vor Augen zu führen. Mit einer gedanklichen und poetischen Anmut, die ästhetischen Anspruch und ethischen Ernst gekonnt zusammenzuführen vermag.

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