Der
neue Textband des in Wien lebenden Dichters und studierten Philosophen René
Steininger ist ein filigranes Stück poetischer Weltbetrachtung. Das dem Band
vorangestellte Motto: Der "Gewinn, irgendwo anders zu sein" zeichnet in
erster Linie ihn selbst als einen im besten Sinne besessenen Wanderer aus,
der auf seinen Reisen zum untrüglichen Zeitdiagnostiker wird. Der im
wahrsten Sinne des Wortes "unterwegs" zur Welt Gekommene (geboren 1970 in
einem Pariser Taxi) bleibt seinem Ort "dazwischen" auch in seinen Gedichten
stets verhaftet. Er durchläuft darin mit fotografischem Blick und viel
Talent für intensive Situativität in sparsamst hingeworfenen Zeilen die
kleinen und gedanklich doch großen Odysseen von heute. Von Marrakesch über
Wien nach Lettland geht der poetische Wanderweg, dann weiter von Serbien
über die Slowakei nach Mexiko und New York.
Steininger ist
kein explizit politischer Autor, eher einer, der unterschwellig Engagement
hervorblitzen lässt: Seine Bilder und Assoziationen sind meisterhaft
poetisch zugespitzte, bissig melancholische Reflexionen über
zivilisatorische Verfehlungen, historische Verwerfungen und Kulturbrüche,
über menschliches Leid oder die bedrohten Heilkräfte der Natur. Eingehüllt
ist dies alles in eine wohltuend asketische Sprache, durchsetzt von
einfallsreichen Pointen und bezaubernder Magie des Augenblicks. Man fühlt
sich beinahe genötigt zu behaupten, dass Steiningers tiefblickende Reise
durch die Welt heutzutage umso mehr gerechtfertigt ist angesichts der
steigenden Zahl menschengemachter ökologischer Krisen.
Gerade
wo man als Leser und Kritiker oft mit der Frage konfrontiert ist, worin der
Sinn unzähliger neu erscheinender geschwätziger Bücher besteht, wirkt die
Lektüre von Gedichten René Steinigers geradezu beglückend. Er schafft es –
apodiktisch klingender in seinen Gedichten als in der thematisch
vielfältigen, nicht weniger kritischen und auch sprachlich erfinderischen
Prosa –, uns die in der Erinnerung aufgehobene, vergängliche Erdenwelt in
einem kunstvoll gewobenen Sprachnetz synchroner und diachroner Blickwinkel
vor Augen zu führen. Mit einer gedanklichen und poetischen Anmut, die
ästhetischen Anspruch und ethischen Ernst gekonnt zusammenzuführen vermag.