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Mutmaßungen über Puppen
Beim Betrachten des Spiels von Roman
Paska
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Puppenleben
Das Gesicht der Puppe trägt ein entgeistertes Lächeln, das vieldeutig wird
im Lichtwechsel zwischen Spiel und Schatten. Das Holz ihres Körpers ist hell
und elfenbeinfarben lackiert: Sie scheint anwesend und ist
doch engelsgleich.
Puppenmensch
Die Figuren besitzen ein Drittel an Menschengröße, ein zweites Drittel
machen sie wett durch die Höhe der Bühnenrampe, ein drittes durch das
Möbelchen, auf dem sie thronen. So sitzt ihnen im erhöhten Zuschauerraum die
Betrachterin auf Augenhöhe gegenüber. Ihr wird innerhalb dieser
Konstellation von Puppe, Puppenspieler und Publikum das die anderen
überragende Maß an Starrheit abverlangt, im Dunkel regungslos ihrer selbst
nicht mehr gewärtig.
Menschenpuppe
Der Puppenspieler arbeitet nicht wie beim Marionettenspiel mit dem
Hilfsmittel der unsichtbaren Fäden, sondern führt die Figur in der Berührung
von Haut und Holz direkt mit seinen Händen. Die Schnürchen, die die
vermeintliche Illusion des Lebenden auf Zug halten, fehlen.
Doch scheint es, während bis zu drei Menschen in schwarzer Kleidung die
Bewegungen der Figur lenken und hierbei zur sechshändigen Unperson werden,
als erlange da die Figur Eigenständigkeit wie Leichtfüßigkeit, ja
Menschennähe. Je lebendiger die Puppe, desto gehilfenhafter wirken die
Puppenführer; ja, mehr von den Bewegungen der Puppe geleitet denn umgekehrt.
Mensch, Puppe, Tod, Leben
Des Puppenspielers "Dead Puppet Theatre" (Paska)
birgt an der Stelle einer rhetorischen Tautologie tatsächlich – in der
Performanz – eine Vielzahl an Varianten zwischen Lebendigkeit und Tod,
zwischen Persönlichkeit und Funktionalität: Es gibt Puppen und Puppenteile
und zugleich Menschen und Menschenausschnitte, sichtbar als Mechanik aus
Einzelteilen: Hände im Licht, Wangen; ein Hut. Plötzlich greift sich eine
Puppe einen zweiten, in der Mitte durchtrennten Puppenkörper und spielt mit
ihm, als wäre er der verletzte Rest, der von einer Liebe übrig geblieben ist.
Später nimmt sie deren lose Beinchen in die Arme und hantiert damit wie mit
einer Gerätschaft; puppentotes Menschending.
Erst hier bemerkt die Zuschauerin, wieder einer Illusion aufgesessen zu sein
und sich im Gegenüber das Lebende gewünscht zu haben.
Sie ist, indem sie spielt zu sein (ein kleiner Puppengott).
Anmerkungen:
"Engel und Puppe: dann ist endlich Schauspiel"
schreibt Rilke in der vierten Duineser Elegie. (O. E. sei gedankt für
den Hinweis.)
Die Puppe ist nicht, wie der Mensch, lebend, aber
lebendig. Sie ist daher nicht wie lebendig, sondern wie
lebend.
Zwischen den Extremen von Leben und Tod sind Lebendigkeit und Starre
graduell, Varianten. Ist die unbewegte, unbelebte Puppe nun tot
(innerhalb eines Puppenlebens)? Oder ist sie ein Gegenstand, ein Ding –
oder "nicht mehr" und "noch
nicht"?
Teresa Präauer,
im Februar 2007
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