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Der DJ verbeugt sich und knickst
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Die Uraufführung von Bernhard Langs Oper "I hate Mozart" im Theater an der
Wien geriet zum umjubelten Erfolg. Eine beeindruckend intensive Produktion, die
sich im allgemeinen Opernrepertoire halten wird.
 
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V
on Kristina Werndl
(10. 11. 2006)

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Kristina Werndl
kristina.werndl [at] gmail.com

ist Redakteurin des
Aurora-Magazins.


 

 


Bilder: Theater an der Wien

 

 

 


 

 

 

 


 

 

 

 

"Die süßen Triebe mitzufühlen, Ist dann der Weiber erste Pflicht"

 

 

 

Linktipp

www.theater-wien.at

 

 

 

Aurora-Tipp

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Theaterbesprechungen

   Ohne Liebe Mozart zu singen ist unmöglich, heißt es in "I hate Mozart", der ersten Zusammenarbeit des Autors und Regisseurs Michael Sturminger und des Komponisten Bernhard Lang. Um Liebe und Hass, die beiden stärksten Triebkräfte unseres Lebens, dreht sich dieses zweiaktige Musiktheater in deutscher und englischer Sprache.

Das Thema Liebe wird auf vielen Ebenen verhandelt: die Liebe zur Musik, alte Liebe, junge Liebe, Macht und Liebe, die Hassliebe auf den großen Komponistenübervater. Das Stück funktioniert als Metakommentar zu Mozart und zum Mozartrummel, als bissiger Seitenhieb auf Preisverleihungen und den Theaterbetrieb, der stilsicher aufs Korn genommen wird. Auch die Wiener Regietheater-Gegner bekommen ihr Fett ab. Schließlich handelt "I hate Mozart" vom Scheitern an Idealen.

   Die Handlung verläuft entlang der Vorbereitungen zu einer "Zauberflöte", die anlässlich Mozarts 250. Geburtstag aufgeführt werden soll, bis zur Inszenierung der Oper und anschließenden Premierenfeier. Mozart ist omnipräsent, jedoch bekommt man keine simple Parodie zu sehen. Die Fragestellungen und Probleme seiner Opern werden weiterentwickelt auf zeitgerechte Art und Weise.

Michael Sturminger nennt "I hate Mozart" ein "dramma giocoso", und das ist es in der Tat. Komisch-realistisch, mitunter auch ironisch-bissig erzählt es von einem begabten, selbstverliebten und bisweilen zynischen Dirigenten (Florian Boesch), der seine alternde Ehefrau (Dagmar Schellenberger), eine berühmte amerikanische Operndiva, betrügt und eine Liaison mit einer jungen Sopranistin (Andrea Lauren Brown) beginnt.

Die aufsteigende Sängerin ist sich über den Charakter dieser Beziehung im Klaren. Ähnlich wie Susanna im "Figaro" durchschaut sie die asymmetrische Machtposition, handelt jedoch auf ihre Weise klug und gibt dem Drängen des Dirigenten nach, von dem sie sich Protektion und Hilfe für ihr musikalisches Vorankommen erwartet. Wie alle Figuren des Stücks der schwule Tenor (Mathias Zachariassen), die einsame Mezzosopranistin (Salome Krammer), der Agent des Dirigenten (David Pittman-Jennings), der Intendant (Rupert Bergmann) ist sie komplex, nuancenreich und psychologisch versiert gezeichnet.

Diese psychologische Tiefenschärfe verträgt sich wunderbar mit dem Soap-Opera-Plot, der mit unserem realen Leben oft mehr gemein hat, als man sich wünschen würde.

   Der Kunstgriff vom Theater im Theater eröffnet Raum für Humor und effektvolle Ebenen-Verschränkung. In der technisch aufwendigen Produktion mit hervorragenden Sänger-Schauspielern passt einfach alles. Regisseur Michael Sturminger gelingen im Verein mit Renate Martin und Andreas Donhauser (Austattung), Kurt Schöny (Licht) und Hamid Reza Tavakoli (Video) beeindruckende Bilder. Die Traumszenen mit Rokoko-Zombies, die den schlafenden Maestro heimsuchen, sind da zu nennen, oder eine Straßencafészene, wo die Mezzosopranistin das Rezitativ in Richtung Rapgesang fortentwickelt, während sie einen Kollegen beschimpft: Das ist ein Arsch ... Jetzt sahnt er ab."

Bernhard Lang, der jahrelang an der Erstellung einer umfassenden "Loop-Grammatik" gearbeitet hat, amalgamiert auf den ersten Blick weit auseinander liegende Musikrichtungen. Zwei DJs hat er vorgesehen, die von den Seitenlogen Lounge-Musik und Stimmsamples beisteuern (Dieter Kovacic, Wolfgang Fuchs). Diese mischen sich zwingend und mühelos mit den Klängen der Solisten, des Vokalensemble Nova und des Klangforum Wien (musikalische Leitung: Johannes Kalitze). Bisweilen ist Langs Musik berückend schön. Mozart-Musikzitate sind schlüssig in die Handlung integriert, sie dekonstruieren das Original durch fortgesetzte Wiederholung und führen doch zu neuen Ufern.

   Etwas Eigenständiges entsteht, das streckenweise klingt, als würde man eine Klassik-Platte rückwärts abspielen. Erfreulicherweise entfaltet sich mitunter ein sublimer Witz: "Bald soll der Aberglaube schwinden, / Bald siegt der weise Mann", singen die drei Knaben im Traum des Agenten; dabei wird musikalisch deutlich gemacht, wie deplatziert das Wort vom "weisen Mann" ist das Publikum bog sich vor Lachen.

An anderer Stelle übt der Dirigent mit der jungen Sopranistin das Pamina-Papageno-Duett: "Die süßen Triebe mitzufühlen, Ist dann der Weiber erste Pflicht" die Worte sind zugleich auf einer persönlichen Ebene lesbar.

"I hate Mozart" wird Kindern und Erwachsenen, Opernlaien und Anhängern traditioneller Opernregien gefallen. Hier wird nämlich nichts gewaltsam ins Heute gezerrt, die Figuren in Anzüge gesteckt und nur oberflächlich in unsere Gegenwartswelt eingepasst, sondern das Stück ist in seiner Vielsprachigkeit und Explizitheit, in der spezifischen Ausgestaltung universell menschlicher Probleme heutig. Und das ist ganz in Mozarts Sinn.

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