Ohne Liebe Mozart zu singen
ist unmöglich, heißt es in "I hate Mozart", der ersten Zusammenarbeit des
Autors und Regisseurs Michael Sturminger und des Komponisten Bernhard Lang.
Um Liebe und Hass, die beiden stärksten Triebkräfte unseres Lebens, dreht
sich dieses zweiaktige Musiktheater in deutscher und englischer Sprache.
Das Thema Liebe wird auf
vielen Ebenen verhandelt: die Liebe zur Musik, alte Liebe, junge Liebe,
Macht und Liebe, die Hassliebe auf den großen Komponistenübervater. Das
Stück funktioniert als Metakommentar zu Mozart und zum Mozartrummel, als
bissiger Seitenhieb auf Preisverleihungen und den Theaterbetrieb, der
stilsicher aufs Korn genommen wird. Auch die Wiener Regietheater-Gegner
bekommen ihr Fett ab. Schließlich handelt "I hate Mozart" vom Scheitern an
Idealen.
–
auf zeitgerechte Art und Weise.
Michael Sturminger nennt
"I hate Mozart" ein "dramma giocoso", und das ist es in der Tat.
Komisch-realistisch, mitunter auch ironisch-bissig erzählt es von einem
begabten, selbstverliebten und bisweilen zynischen Dirigenten (Florian
Boesch), der seine alternde Ehefrau (Dagmar Schellenberger), eine berühmte
amerikanische Operndiva, betrügt und eine Liaison mit einer jungen
Sopranistin (Andrea Lauren Brown) beginnt.
Die aufsteigende Sängerin
ist sich über den Charakter dieser Beziehung im Klaren. Ähnlich wie Susanna
im "Figaro" durchschaut sie die asymmetrische Machtposition, handelt jedoch
auf ihre Weise klug und gibt dem Drängen des Dirigenten nach, von dem sie
sich Protektion und Hilfe für ihr musikalisches Vorankommen erwartet. Wie
alle Figuren des Stücks –
der schwule Tenor (Mathias Zachariassen), die einsame Mezzosopranistin
(Salome Krammer), der Agent des Dirigenten (David Pittman-Jennings), der
Intendant (Rupert Bergmann) –
ist sie komplex, nuancenreich und psychologisch versiert gezeichnet.
Diese psychologische
Tiefenschärfe verträgt sich wunderbar mit dem Soap-Opera-Plot, der mit
unserem realen Leben oft mehr gemein hat, als man sich wünschen würde.
Der Kunstgriff vom Theater
im Theater eröffnet Raum für Humor und effektvolle Ebenen-Verschränkung. In
der technisch aufwendigen Produktion mit hervorragenden Sänger-Schauspielern
passt einfach alles. Regisseur Michael Sturminger gelingen im Verein mit
Renate Martin und Andreas Donhauser (Austattung), Kurt Schöny (Licht) und
Hamid Reza Tavakoli (Video) beeindruckende Bilder. Die Traumszenen mit
Rokoko-Zombies, die den schlafenden Maestro heimsuchen, sind da zu nennen,
oder eine Straßencafészene, wo die Mezzosopranistin das Rezitativ in
Richtung Rapgesang fortentwickelt, während sie einen Kollegen beschimpft:
Das ist ein Arsch ... Jetzt sahnt er ab."
Bernhard Lang, der
jahrelang an der Erstellung einer umfassenden "Loop-Grammatik" gearbeitet
hat, amalgamiert auf den ersten Blick weit auseinander liegende
Musikrichtungen. Zwei DJs hat er vorgesehen, die von den Seitenlogen
Lounge-Musik und Stimmsamples beisteuern (Dieter Kovacic, Wolfgang Fuchs).
Diese mischen sich zwingend und mühelos mit den Klängen der Solisten, des
Vokalensemble Nova und des Klangforum Wien (musikalische Leitung: Johannes
Kalitze). Bisweilen ist Langs Musik berückend schön. Mozart-Musikzitate sind
schlüssig in die Handlung integriert, sie dekonstruieren das Original durch
fortgesetzte Wiederholung und führen doch zu neuen Ufern.
Etwas
Eigenständiges entsteht, das streckenweise klingt, als würde man eine
Klassik-Platte rückwärts abspielen. Erfreulicherweise entfaltet sich
mitunter ein sublimer Witz: "Bald soll der Aberglaube schwinden, / Bald
siegt der weise Mann", singen die drei Knaben im Traum des Agenten; dabei
wird musikalisch deutlich gemacht, wie deplatziert das Wort vom "weisen
Mann" ist
–
das Publikum bog sich vor Lachen.
An anderer Stelle übt der
Dirigent mit der jungen Sopranistin das Pamina-Papageno-Duett: "Die süßen
Triebe mitzufühlen, Ist dann der Weiber erste Pflicht"
–
die Worte sind zugleich auf einer persönlichen Ebene lesbar.
"I hate Mozart" wird
Kindern und Erwachsenen, Opernlaien und Anhängern traditioneller Opernregien
gefallen. Hier wird nämlich nichts gewaltsam ins Heute gezerrt, die Figuren
in Anzüge gesteckt und nur oberflächlich in unsere Gegenwartswelt
eingepasst, sondern das Stück ist in seiner Vielsprachigkeit und
Explizitheit, in der spezifischen Ausgestaltung universell menschlicher
Probleme heutig. Und das ist ganz in Mozarts Sinn.