Wie soll man angesichts der
langfristigen Schäden an Mensch und Umwelt oder gar im Hinblick auf die
vielen Verletzten und Toten, die die Nutzbarmachung der Kernspaltung bereits
gefordert hat – man denke allein an Hiroshima, an Tschernobyl, an die
zahlreichen Atomtests oder an den ständig strahlenden Müll der KKWs – heute
noch mit halbwegs gutem Gewissen für die Atomkraft eintreten?
Das ist seit vielen Jahren ein
in Frageform gegossenes, zentrales Argument von Kernkraftgegnern in aller
Welt. Und es ist ein starkes Argument, dem man – zumindest auf den ersten
Blick – nicht leicht widersprechen kann. Es wiegt viel schwerer als jeder
noch so gute Einwand etwa gegen die Gentechnologie, die auch schon
Menschenleben gekostet hat, zum Beispiel im Bereich der Gentherapie, und die
genauso zu jenen zwiespältigen Erfindungen des 20. Jahrhunderts gehört, mit
denen starke Emotionen geweckt werden und die das Zeug dazu haben, die
Menschen immer wieder in vehemente Befürworter und strikte Gegner
aufzuspalten.
Die Angst vor dem
Außer-Kontrolle-Geraten einer nicht ganz durchschauten oder nicht ganz
durchschaubaren Technologie steht dann oft im scharfen Kontrast zu
Beschwichtigungs- und Verheimlichungsversuchen einer einflußreichen Lobby,
die auf diese Technik ihren Monopolanspruch erhebt und die in erster Linie
darauf bedacht ist, ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen – oft auf
Kosten der Gesundheit von Natur und Bevölkerung. Trotz aller Gemeinsamkeiten
unterscheidet sich die Kern- von der Gentechnik doch in einem wesentlichen
Punkt: Uran und vor allem Plutonium sind und bleiben in jedem Fall
hochgiftige Substanzen und potentielle Massenvernichtungsmittel – und zwar
auch dann, wenn AKWs in Zukunft einmal "ultrasicher" sein oder wenn das
Problem des nuklearen Mülls irgendwann halbwegs zufriedenstellend gelöst
sein sollte (z.B. mit Hilfe der "Transmutationstechnik").
Gerade weil diese Substanzen
derart gefährlich sind, werden schon seit Jahren immer wieder kleinere bis
größere Mengen an Uran oder Plutonium aus atomaren Anlagen gestohlen und –
mehr oder weniger erfolgreich – an Terrororganisationen weiterverkauft, die
letztlich nichts lieber sähen als eine nukleare Explosion über einem der
Ballungszentren des Westens.
Trotzdem
bringt es nichts, sich irgendwelchen Schreckensvisionen hinzugeben.
Information tut not: Wer genau weiß, wovor er sich fürchtet, kann die
verantwortlichen Stellen schneller darauf hinweisen, wo der Fehler liegt.
Oder erkennt, daß die Angst vielleicht nur dem fehlenden Wissen
zuzuschreiben war. Unabhängig davon, für wie gefährlich oder nützlich wir
die Kerntechnik im allgemeinen halten, sollten wir uns deshalb zunächst ein
Bild darüber machen, womit wir es eigentlich zu tun haben.
Vielleicht tauchen dabei
neue Bedrohungsbilder auf, wie etwa das des neuen Terrorismus, aber
genausogut kann der Leser unseres Schwerpunktes auch erfahren, daß die
meisten der heutigen Kernreaktoren prinzipiell nicht zu einem "zweiten
Tschernobyl" werden können oder daß ein einziges Kilogramm Uran 235 dem
Heizwert von 2000 Tonnen Heizöl entspricht, wodurch eine nicht unwesentliche
Menge des Treibhausgases CO2 eingespart
werden könnte.
Zwar hat die Geschichte
wiederholt gezeigt, daß die nukleare Bedrohung ein Faktum ist, das nicht
einfach von heute auf morgen wegdiskutiert werden kann, aber wir sollten
trotz allem auch der Technik selbst eine Chance geben, sich
weiterzuentwickeln. Verbesserungen sowohl im Bereich des Anlagenschutzes
(Stichwort Terrorismus), aber auch technische Neuerungen wie etwa der
"Rubbia-Reaktor" könnten hier ein Schritt in die richtige Richtung sein. Auf
jeden Fall aber werden Kernkraftwerke in der einen oder anderen Form – und
ob wir es wollen oder nicht – sicher noch über Jahrzehnte hinweg Teil
unseres Alltags sein.
Auch wenn wir in Zukunft
eine ausschließlich solare Energieerzeugung wünschen, sollten wir nicht
übersehen, daß derzeit noch immer 30% des in Europa erzeugten Stroms aus
nuklearer Produktion stammen. Auch hier gilt eben wieder: Wer in Europa
schon den totalen Ausstieg aus der Kernernegie heraufdämmern sieht, sollte
zunächst darüber informiert sein, daß die Kernkraft – die Zahl der weltweit
geplanten neuen AKWs spricht hier für sich – keineswegs eine "aussterbende
Technologie" ist, wie es Helmuth Böck, der Leiter des österreichischen
TRIGA-Forschungsreaktors formuliert. Genaueres – siehe unten.....
Franz
Wagner
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