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Vorwort
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Franz Wagner
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Lise Meitner und Otto Hahn spalten das
Atom
Am 6. August 1945 explodiert eine Uranbombe mit der
Sprengkraft von 12,5 Kilotonnen TNT über Hiroshima. Mehr als
100.000 Menschen sterben unmittelbar an den Folgen der
Detonation, weitere hunderttausend in den darauf folgenden
Jahren und Jahrzehnten. Schon einen Tag nach Bekanntwerden
der schrecklichen Ereignisse, die das japanische Kaiserreich
kurze Zeit später zur Kapitulation zwingen sollten, fielen
Reporter und Fotografen in den kleinen schwedischen
Ferienort Leksand ein und belagerten dort das Hotel von Lise
Meitner, einer 67jährigen Physikerin aus Österreich, die
schon 1938 vor den Nazis nach Schweden geflüchtet war und
seitdem in der physikalischen Abteilung des neu gegründeten
Nobel-Instituts in Stockholm arbeitete.
(01.
10. 2003) |
Cathryn Carson
Nuklearpolitik im Zeichen des Kalten
Kriegs
Schon einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg beschloß die
Regierung Adenauer, ein bundesdeutsches Atomprogramm in die
Wege zu leiten. Als einer der verantwortlichen Physiker
setzte sich Werner Heisenberg von Anfang an für eine
unabhängige Kontrolle dieses Projektes ein und verlangte von
der Regierung das Versprechen, darüber hinaus keine
militärischen Absichten zu verfolgen. Unter dem Eindruck
einer neuen NATO-Strategie schwenkte Adenauer jedoch bald
auf den Gedanken um, daß es für Deutschland notwendig werden
könnte, eigene Nuklearwaffen zu produzieren. Die Furcht vor
einer solchen Entwicklung führte schließlich zum
geschlossenen politischen Protest einer Gruppe von deutschen
Atomphysikern, die sich in ihrer berühmt gewordenen
"Göttinger Erklärung" vehement gegen die militärische
Nutzung der Atomkraft in Deutschland aussprachen.
(01.
10. 2003) |
Helmuth Böck und Helmut Rauch
Gegenwart und Zukunft der Kernenergie
Die Diskussionen über Kernenergie in Österreich hat
Eigengesetzlichkeiten angenommen, die weder der
internationalen Entwicklung noch dem nationalen Interesse
entsprechen. Mit Fakten zur Kernenergie versuchen die
Autoren zu zeigen, daß Kernkraftwerke auch weiterhin einen
beachtlichen Beitrag zur Energieversorgung liefern werden.
Weitere Fortschritte im Bereich der Sicherheitstechnik
werden ebenso angesprochen wie positive Effekte für die
Umwelt, so etwa die Möglichkeit der ständigen Kontrolle des
Abfalls und die Reduktion der CO2-Emissionen.
(01.
10. 2003) |
Antonia Wenisch
Trügerische Sicherheit
Um den ständig steigenden Energiebedarf der USA zu
befriedigen, wird von seiten der US-Regierung erstmals nach
30 Jahren wieder an den Neubau von zusätzlichen
Kernkraftwerken gedacht. Auch in Europa macht sich die
Atomlobby – 17 Jahre nach Tschernobyl – daran, die
Kernenergie zu rehabilitieren. Zugute kommen ihr dabei neue
technische Entwicklungen wie der angeblich "absolut sichere"
Rubbia-Reaktor oder das sog. "Transmutationsverfahren", mit
dem eine endgültige Lösung des Atommüllproblems in Aussicht
gestellt wird. Berücksichtigt man jedoch den gesamten Prozeß
der nuklearen Energieverwertung, kann letztlich niemand die
Gefahr eines Atomunfalls und der Umweltverseuchung
ausschließen.
(01.
10. 2003) |
Erwin
Häckel
Deutscher Ausstieg aus der
Kernenergie?
Es ist schwer
vorhersehbar, wie sich der deutsche Ausstieg auf die
Energiepolitik anderer Länder auswirken wird, aber kaum
vorstellbar erscheint, daß der Vortritt des mächtigsten
Industriestaats in Europa andere Länder oder auch
internationale Institutionen wie IAEO oder EURATOM in ihren
Planungen unbeeinflußt lassen kann. Es kommt aber nicht
zuallererst darauf an, den Ausstieg unbedingt zu verhindern,
sondern ihn, wenn er denn sein soll, verantwortungsvoll zu
gestalten. |
Aurora-Interview mit Helmuth Böck
"Es
gibt keine weltweiten Sicherheitsstandards"
Helmuth Böck, der Reaktorbetriebsleiter des österreichischen
TRIGA-Forschungsreaktors, im Aurora-Gespräch über atomare
Sicherheit, die Energieversorgung der Zukunft, Temelin und
die Gefahr durch den Terrorismus.
(01.
10. 2003) |
Chaim
Braun, Friedrich Steinhäusler, Lyudmila Zaitseva
Gefährdung nuklearer Einrichtungen
durch den internationalen Terrorismus
Bloß einige Beispiele: Im Rahmen eines Sicherheitstests
konnte eine militärische Spezialeinheit aus einer
Nuklearanlage in den USA genug waffenfähiges Uran für den
Bau mehrerer Atombomben stehlen. Oder: Die italienische
Mafia hätte es fast geschafft, einen im Kongo gestohlenen
Nuklearbrennstab in den Mittleren Osten zu verkaufen. Und:
Aus der Electrostal-Maschinenbau-Fabrik, Rußlands größtem
Hersteller von nuklearen Brennstoffen, wurde schon
mindestens dreimal atomwaffenfähiges Uran entwendet.
Außerdem: Russische Kommandotruppen waren im Zuge eines
Übungsszenarios in der Lage, sämtliche Sicherheitsbarrieren
der gesperrten Atomstadt Sarov zu überwinden und den
dortigen Reaktor zu besetzen. (01.
10. 2003) |
Wendell Berry
Der Reaktor und der Garten
"Irgend jemand", schreibt der Autor, "wird bestimmt die
Frage stellen, wie ich auf die Idee komme, ein Garten,
'nicht mächtiger als einer Blume Kraft', wie Shakespeare
sagt, könne sich mit einem Atomreaktor messen. Nun, ich
denke, dass man die Kraft eines Gartens möglicherweise zu
leicht unterschätzt. Ein Kernreaktor wird als 'Lösung' des
'Energieproblems' ausgegeben. Aber wie alle
großtechnologischen 'Lösungen', so 'löst' auch diese ein
einziges Problem, indem sie viele schafft."
(01.
10. 2003) |
Daten &
Fakten: URAN
Uran,
das schwerste in der Natur vorkommende Element (Ordnungszahl 92) ist ein
Metall, das zwar relativ weit verbreitet ist, aber nur selten in hoher
Konzentration vorkommt. Das Uranerz enthält deshalb meist nur 0,1 - 0,5%
des Metalls. Gefördert wird Uran in mehr als einem Dutzend Ländern,
darunter zum Beispiel Australien, Kanada, Südafrika, Namibia, Niger, USA
usw. Auch Deutschland verfügt über – allerdings sehr geringe –
Erzvorkommen im Schwarzwald, im Bayrischen Wald und im Fichtelgebirge.
Die Bergwerke werden, je nach Lagerstättentyp, entweder im Tagebau oder
auch im Untertagebau betrieben, wobei die benutzten Techniken anderen
Förderarten ähnlich sind: Sprengen, Einsammeln des Materials und
anschließende Zerkleinerung. Das gebrochene Erz wird fein gemahlen, vom
Gestein mittels Säure getrennt, gereinigt und gefiltert. Das dabei
entstehende Pulver (mit der chem. Formel U3O8
– Uranoxid) hat eine leuchtend gelbe Farbe und wird deshalb auch als
"Gelbkuchen" (engl. yellowcake) bezeichnet. Wegen dieser
hervorstechenden Eigenschaft wurde das 1789 vom deutschen Chemiker
Martin Heinrich Klaproth entdeckte Element im gesamten 19. Jahrhundert
fast ausschließlich zum Färben von Glas und Keramik benutzt.
Um
Uranoxid als "Kernbrennstoff" in heutigen Atomkraftwerken
einsetzen zu können, sind weitere umfangreiche
Umwandlungsschritte notwendig. Zunächst muß der Gelbkuchen
von allen noch immer vorhandenen Verunreinigungen befreit
und in einen "nuklearreinen" Zustand gebracht werden. Das
ist deshalb notwendig, weil das verschmutzte Uran als
"Neutronenfänger" wirkt: Neutronen sollten eigentlich die
Urankerne spalten anstatt bloß eingefangen zu werden. In
sog. Konversionsanlagen wird das Uranoxid deshalb zunächst
in Salpetersäure aufgelöst und anschließend mit einem
organischen Lösungsmittel von den Verunreinigungen getrennt.
Das vorläufige Endprodukt des Reinigungsprozesses ist eine
Lösung aus Uranylnitrat, welche durch einen weiteren
Verfahrensschritt in Uranhexaflourid (UF6)
umgewandelt wird.
Natururan
ist eine Mischung aus zwei Uranisotopen – U 238 und U 235. Beide Isotope
unterscheiden sich lediglich durch ihr unterschiedliches Gewicht, wobei
Natururan nur zu 0,7% aus U 235 besteht. Damit bei solchen Reaktoren, die
angereichertes Uran verwenden, eine dauernde Kettenreaktion aufrecht erhalten
werden kann, muß der Anteil an U 235 auf 2 bis 5% erhöht werden. Dieser Prozeß
wird als "Anreicherung" bezeichnet. Alle heutigen Isotopanreicherungsverfahren
benötigen als Ausgangssubstanz das vorher angesprochene Uranhexaflourid. Das
Besondere an dieser Uranverbindung ist, daß diese bereits bei 56° C in den
gasförmigen Zustand übergeht. Wichtig ist dies insofern, als nur gasförmiges
Uran industrietechnisch in seine beiden Isotope zerlegt werden kann. Für diese
Trennung stehen gegenwärtig zwei Methoden zur Verfügung: Die
Diffusionsanreicherung oder die Anreicherung mittels Zentrifugen. Im Prinzip
passiert etwa bei der Zentrifugenmethode nichts anderes als bei der Trennung von
Milch und Rahm: durch die Beschleunigung der zu trennenden Substanz in der
Schleudertrommel lagert sich das schwerere Material (U 238) bevorzugt an den
Außenwänden der Zentrifuge ab, während das leichtere Isotop (U 235) mehr nach
innen wandert. Das Problem bei Uran ist jedoch, daß der Gewichtsunterschied
zwischen beiden Isotopen äußerst gering ist, weshalb die Drehgeschwindigkeit der
Zentrifuge extrem hoch sein muß (etwa 500 m/s) und die Ausbeute pro einzelnem
Schleudervorgang außerordentlich gering ist (weshalb heute immer eine große
Anzahl an Zentrifugen in Serie geschaltet, d.h. hintereinander angeordnet sind).
Schon im Zweiten Weltkrieg war einer der Haupthindernisse zum Bau einer
Uranbombe (insbesondere für Hitler-Deutschland) eben dieser Anreicherungsprozeß,
da zur Herstellung einer solchen Bombe besonders hoch angereichertes Uran
notwendig ist.
Nach der Isotopentrennung wird das angereicherte
Uranhexaflourid noch im gasförmigen Zustand in spezielle Behälter gefüllt,
verfestigt und zur Brennelementefabrik transportiert. Dort wird das UF6
in Uranoxid-Pulver (UO2) umgewandelt. Das Pulver wird danach zu
kleinen Brennstofftabletten von 2-3 cm Länge und etwa 1 cm Durchmesser gepreßt
und schließlich bei einer Temperatur von 1700° C zu keramischem Material
gesintert. Die Pellets werden nach diesem Prozeß an ihren Enden verschweißt und
in 4 bis 5 Meter lange Hüllrohre aus Edelstahl oder Zirkonmetall eingefüllt. Die
Hüllrohre halten das Uran an Ort und Stelle und verhindern dessen Korrosion.
Anschließend wird eine größere Zahl dieser Einzelstäbe (bis zu 250) zu einem
Brennstabbündel mit einer Kantenlänge von etwa 20 cm zusammengebaut
("assembliert"). Die meisten Reaktortypen arbeiten heute mit einer größeren
Menge solcher Brennstabbündel. Nachdem der Kern des Reaktors mit den Bündeln
beladen wurde, beginnt dessen Betrieb, wenn die Steuerstäbe (deren Aufgabe es
ist, Spaltneutronen zu absorbieren und so eine Kettenreaktion zu unterbinden)
aus dem Kern herausgezogen werden. Dadurch setzt die Kettenreaktion ein und es
entsteht Wärme, die mit einem Kühlmittel (z.B. Wasser) an einen Dampferzeuger
abgeführt wird. Der Dampf treibt schließlich eine Turbine an, die elektrischen
Strom produziert.
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