Passt? Denn ohne Luft kann
ich nicht reden. Ist ja klar. Hob i vom Dichter – und bin so klug als wie
zuvor.
Lasst mir ein Stück Linzer, dass ich meine ureigene
Identität mit allen Sinnen wahrnehmen kann! Und einen Doppellutscher. Damit
ich euch von der Doppelmonarchie erzählen kann! Den kaufte man sich früher
beim Ring. Gemeinsam mit Jolly, Twinni und Cornetto.
Ach! Des worn Zeiten! Und Räume. Und kunterbunte Träume.
Oberösterreich: der Mittelpunkt der Welt. Das haben schon
die alten Kelten gemerkt. Und Tacitus, von dem übrigens, das weiß ich von
meinem guten Freund Bernd, die erste wissenschaftliche Beschreibung der
Linzer Torte stammt, berechnete sowohl die erste als auch die zweite
Ableitung der Krümmung, die die Donau bei Linz zeitigt, ganz im Sinne der
Leibnizschen Differential- und Integralrechnung der Neuzeit, der Moderne,
der Postmoderne.
Oberbreitenstraße: Traun. Lunzerstraße: Linz. Die
Schleife der Einser. Da: unmittelbar am Tatort. Mitten drin in der Kindheit.
In der Traunau. Auf dem Gelände der ESG. Die Wiener Straße entlang. Oder gar
Richtung Sankt Florian?
Ombilico del mondo! That’s
for sure.
Lentos. Lentia. Linz. Die beste Torte; die besten Worte.
Oberösterreichisch: Das ist, für diese Binsenwahrheit
muss ich mich allerdings schon im Voraus bei der hochverehrten Leserschaft
entschuldigen, was oberösterreichisch lebt und leibt. Weit weg: alles, was
sich platt anhört.
Oberdeitsch? Goanz oben.
Niederdeusch? A bisserl unten.
Und ganz nah? Die Story. Die echte, ungeschminkte Story
des Zeitgeistes. Da liegt das sozusagen in der alten Bande seiner Kindheit
(als "the gang") die zeitlosen Bande seiner Kindheit ("the
bonds")ausfindig machende auktoriale Ich (des i nu mal bin) vollkommen
richtig.
Der bescheidene Ich-Erzähler spannt hierin einen Bogen,
dessen Besitzer das kleine Ich ist.
Den
Zauber der Linzer Siebziger kann man nicht einfach nur so mit einem
Fischernetz einfangen (wiewohl es ein gewisser Professor Fischer aus dem
Ländle angeblich mehrmals, Stichwort "Semantisches Netz", versuchte). Dazu
muss einer schon den Zeitgeist bemühen.
Zeitgeist, komm her!
Das Gute dabei ist: Der Zeitgeist hilft gerne. Das wissen
wir schon spätestens seit Hegel. Amtlich. Ist ja klar. Und Adalbert Stifters
Stilles Gesetz hat’s zusätzlich bekräftigt. Und zufälligerweise befand er,
der Zeitgeist, sich damals, in den guten alten Siebzigern, an Ort und
Stelle: in good old Kleinmünchen.
Made of steel, made of soul, wie mein Ich
in seinem Essayband
Europe on one Roll of the Dice schreibt.
"Wir waren Österreicher. Sind’s immer noch. Zuallererst.
And that’s all I’ve got to say." So hab ich’s mal (in meinem
Aurora-Artikel "Unlogisch-philosophisches
Traktat") auf den Punkt gebracht." And when I’m right, I’m right. Right?
Es geht um ein Erbe, ein Vermächtnis, ein Sinnbild: um
ein Bild. Es geht um ein Bekenntnis. Zur Sprache. Und zur Familie. Zur
Hoamat. Zur Bande der Kindheit. Zu den Banden der Kindheit. Zu allem, was
der Fall ist.
And that’s all there is to say.
Vorwort des kleinen Ich
Das
sogenannte "Ich über mir" hab ich bereits ziemlich ausführlich in meiner
Erzählung
Die Ermordung von Manfred Schnitzel. Eine
Campus-Geschichte in deep Toronto und im Sammelband
Das Erbe von
Bayview Village aus mehreren Richtungen her behandelt.
Jetzt ist es an der Zeit, ausnahmsweise mal dem kleinen Ich auf die Schliche
zu kommen.
- Kleines Ich, bist du da? Hat es dich je gegeben? Wurdest du
aufgehoben? Ist dein Narrativ echt? Gibt es dich auch wirklich noch voll
und ganz? Wieviel Bestand hast du?
- Natürlich bin ich da. Man muss nur hinschauen. Ich bin in deiner
Kindheit. Fest in demjenigen eingebunden, was du, großes Ich, geworden
bist, was du immer noch wirst.
Die Bande des kleinen Ich, ja die Bande meiner Kindheit
haben ein Netz um mich herum gewoben, weben, ohne dass ich mir dessen so
richtig bewusst werde, immer noch ein Netz um mich herum, machen eine
Geschichte aus, die nicht erst mit meiner Kindheit anfängt und nicht mit ihr
aufhört. Und in diesen quasi durchsichtigen Banden, den Banden meiner
Kindheit, steckt selbstverständlich auch sie mit drin: die Bande
meiner Kindheit. The gang, wie wir es im Nachhinein global pauschal
berichtigend adäquat auf dem Begriff bringen wollen.
Singular, Plural
das Band, die Bande
die Bande, die Banden
Die
Bande meiner Kindheit schließen also auch die Bande meiner Kindheit ein, mit
der ich einst das heimische Revier up and down the Lunzerstraße
unsicher machte. Im guten alten Kleinmünchen lief alles bestens. Die weit
über die Wiener Straße hinweg berüchtigten Brüder Krauss (tja, heutzutage
würde man wohl the Krauss Brothers sagen; aber bitte nicht mit the Krauts
verwechseln; die hausen nördlich des Limes) gehörten selbstverständlich
dazu: Robert, Toni und Albert; manchmal radelten die drei bis zur
Dreifaltigkeit-Säule. Und Bernd, ein mächtiger Indianerhäuptling, der die
Schulbank mit Albert drückte und sein Zelt im Tunnerweg aufgeschlagen hatte.
Und Jürgen. Und Peter. Und Paul.
Das kleine Ich hat viele Freunde. Und ich, der Autor,
will es sein, der in die große Rolle des kleinen Ich (wollen wir es "das
niedliche Ich" nennen?) schlüpft.
Ich, so wie ich die Gewachsenheit der vielen kleinen
Dinge erlebte, die meine glückliche Kindheit in Oberösterreich in den Fluss
des Seins, in den Fluss der Sprache rettete, ja so wie ich sie immer noch
erlebe. Drei Flüsse wohnen, ach! in meiner Kindheit: Der Mühlbach, die Traun
und unsere schöne blaue Donau. Und ich gehe zum Ring, den es nicht mehr
gibt; und ich kaufe mir einen Doppellutscher, der mittlerweile freilich
längst geschmolzen ist. Aber nur halb.
Und das ist es denn auch, was mir das kleine Ich
beibringt, das kleine Ich, das sozusagen back in the day in meiner
Brust weilte und mich eigentlich nie voll und ganz verlassen hat, wenn’s man
recht bedenkt.
Halbwegs war schon damals alles vollbracht, was noch mal
kommen sollte. Und nichts ist hundertprozentig weg. Und alles ist
aufgehoben. Irgendwo.
Denn der Doppellutscher ist nur halb geschmolzen, was ja
auf der Hand liegt; deswegen heißt er auch Doppellutscher und nicht
etwa Einfacher Lutscher bzw. Single Lutscher. Aber die
Philosophie an sich und für uns? Ein weites Feld in orbe ultima.
Wiewohl freilich nicht ganz so weit wie meine Kindheit im
guten alten Oberösterreich. Nicht so weit wie die Bande meiner Kindheit.
And that’s only half the story.
Gangs of Urfahr
Eines
Tags, es war noch Sommer, ging ich ganz bewusst an meinem schmucken Dreirad
vorbei und stieg aufs Fahrrad eines meiner Brüder. Und sieh einer an! Es
klappte schon beim ersten Versuch. Glücklich radelte ich davon. Meine Bande
konnte stolz auf mich sein. Ich war nun ein großer Junge. Ein Abenteurer.
Ja, mehr, ein waschechter Indianer. Auf mich warteten offensichtlich
kolossale Heldentaten. And big boys don’t cry.
Außer beim Zahnarzt und so. Als mir dann später nämlich
einmal die Zahnarzthelferin während einer Untersuchung in der Schule auf den
Zahn fühlte bzw. stocherte und ich ein diskretes "Au! …" von mir gab,
herrschte mich die strenge Dame unwirsch an:
"Scham di!"
Nur, dass ich mich hätte schämen sollen, das wollte mir
partout nicht einleuchten. Aber das ist eine philosophische Frage.
Existentialismus und Scham. Oder: dialektale Scham in Oberösterreich. So
muss das Leben wohl sein. Es holt alle Verlierer mal ein.
And so on.
Unsinn. Das ist jetzt Andy Borg. Ich will aber mein
eigenes Zeug zusammenreimen. Zum Besten geben. Als leidliches Gestell einer
Welt aufrichten. Inbrünstig dichten.
Und dies ist ja die Wahrheit, die volle Wahrheit und
nichts als die Wahrheit.
Und
eines Tags, im schönen Monat August, wurde unser Vater im Ferienlager
vorstellig. Er kam allein. Ohne unsere Mutter. Das war ungewöhnlich. Meine
Brüder waren schon im Vorjahr im Ferienlager in Sandl gewesen; für mich
war’s das erste Mal. "Okay, Jungs! Neuer Plan. Auf geht’s! Was würdet ihr
sagen, wenn wir schon heute nach Italien fahren könnten?"
Und er fuhr uns nach Hause. Unterwegs lagen entwurzelte
Bäume am Straßenrand. Ein heftiges Gewitter wütete weit und breit. Aber wir
ließen uns keine Angst einflößen.
Unsere Mutter hatte bereits die Koffer gepackt. Es konnte
losgehen. Frau Dorner kam raus und winkte uns zu. "Ich wollte euch noch mal
alle sehen, bevor ihr in Urlaub fahrt. Es geht wohl schon wieder mal nach
Italien. Oder?"
Genau. Forza Italia! Italien ist ein schönes Land. Doch
wir wollen die Feste feiern, wie sie fallen.
Wahrhafte
Geschichten, die wir, meine zwei Brüder und ich, uns an Ort und Stelle haben
einfallen lassen. In der Mitte des Seins. Im Kern unserer Kindheit. Am
Stadtrand. Alles war super. Wir hatten was zu sagen. Und uns fehlte auch
nicht der Mut, das zu sagen, was wir zu sagen hatten.
Im Sommer die Italienreisen. Im Winter das Schifoan.
Mal hier, mal da, aber in der Regel natürlich in Kirchschlag. Am Wochenende
fuhren wir oft in die Berge. Mein Vater war ein Wandersmann, und ich hab’s
auch im Blut … Und meine Mutter war ebenfalls eine gute Wanderin.
Oder einfach mal hin zum Mostbauer. Na ja, frische Eier.
Frische Luft. Schlichte Hausmannskost. Gegacker im Hof. Oberösterreichische
Hühner. Und ein oberösterreichischer Hahn. So war das früher.
Mit dem Fahrrad sind wir (das waren dann also nur wir
Kinder und unser Vater, denn fürs Radfahren hatte die Mutter gar nicht so
viel übrig) auch gerne herumgefahren, etwa bis St. Florian oder so. An einem
Sonntag schafften wir, darauf war die ganze Familie besonders stolz, volle
vierzig Kilometer.
- Und ich war damals noch recht klein. Right, kleines Ich?
- Jawohl. Aber immerhin schon umfangreich genug, um dann bald das
Große Ich rausschlüpfen zu lassen.
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