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Frau Kriegsteinsauf'nDeckel und Al Capone im Land der Oos

Eins vorweg, meine hochverehrten, überdurchschnittlich belesenen Online-
Scharen im Dickicht unserer Stick-and-Stones-Simulationfauchen des Daseins und der
bisweilen damit sporadisch verbundenen Gedankenzüge. Es ist dies eine Geschichte, so
wie sie, die Geschichten, heutzutage kaum je mehr erzählt werden. Sie stammt aus jenen
fernen Zeiten, da Mythos und Wirklichkeit noch tief ineinander drangen. Jetzt läuft’s
bekanntlich ungleich drastischer. Wirklichkeit ist das, was wir sagen, und
Mythos, oh well, des is des, wos die anderen sog’n.

Und nun mal gut zuhören!

Von Vasile V. Poenaru
(26. 11. 2023)

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Vasile V. Poenaru
bardaspoe [at] rogers.com


geboren 1969, zweisprachig
aufgewachsen, Studium der
Germanistik in Bukarest,
darauf Verlagsarbeit und
Übersetzungen. Lebt
in
Toronto.

 

 

 

 

 

 

   Eines Tages, die Zweite Lautverschiebung war allem Anschein nach noch nicht voll und ganz dabei, zum göttlichen Entzücken kommender Generationen sprachwissenschaftlich rechtskräftig gezeitigt zu werden, machten sich Frau Kriegsteinsauf’nDeckel und ihr g’schätzter Geschäftspartner Al Capone in aller Gemütlichkeit auf den Heimweg. Sie hatten im Unterricht Großartiges geleistet, eine Reihe von Lückentexten als Lügentexte enttarnt, am Handy Vokabeln gecheckt und "Last Day" gespielt, reichlich Cappuccino, Frappuccino, Espresso Doppio und Irish Coffee geschlürft und dabei selbstredend ein zur Erläuterung des Prinzips der Transitivität zweckmäßig herangezogenes Stamperl durchaus nicht gescheut. 

"I trink wos. Wos trink i? A Stamperl trink i!" q.e.d.

Ort der Handlung (woin ma Standort der Handlung sog’n?): Oos, der geilste Stadtteil von Baden-Baden.

Zu unseren Helden: Al Capone war früher Präsident des Ethikrats Chicago gewesen und Frau Kriesgeinsauf’nDeckel hatte sich drei internationale Preise für Diplomatie und Toleranz zustecken lassen.

   Und da gingen sie also nun des Weges. Die Oos entlang. Sturm und Drang. Al Capone nahm sich wie immer aus seiner sprachlichen Umgebung, was ihm gefiel, und Frau Kriegsteins sang nonchalant ihr Lieblingslied: "Bum bumm bumm bum bum bumm bum ..."

Unterwegs trafen sie auf Frau Müller, der gerade das Wandern eingefallen war. Gut so! Frau Müller hat eine sehr musikalische Stimme. Allerdings ist nicht nur das Wandern, sondern auch das Joggen Frau Müllers Lust.

Bald gesellten sich ihre guten Freunde aus dem Hinterland hinzu, die ursprünglich aus Detroit, Kansas City und Memphis stammten, sich jedoch mittlerweile ganz leidlich im Land ob der Oos  eingelebt hatten. Genauer gesagt, im Hinterland ob der Oos.

"Leute!", meinte Al Capone. "Bald kommt der Deutschtest für den Beruf. Wollen wir uns darauf vorbereiten?"

Frau Kriegsteinsauf’nDeckel reagierte prompt: "Psst! … Du machst diesen schönen Abend mit deinem blöden Geschwätz zunichte."

"Aber! … Aber! … Aber! … "

"Kein aber! Sonst kriegst du eins auf’n Deckel!"

   "Aber unser Ziel befindet sich in Reichweite. Ich kann es sogar ohne Fernrohr sehen. 144 Punkte von insgesamt 240 möglichen. Sechzig Prozent."

"144 Punkte insgesamt?", wollte Frau Kriegsteins wissen. "Gemeinsam?"

"Nope. Pro Schnauze. Aber keine Sorge. Alles wird gut. Ich wittere schon förmlich das Ergebnis: B2 für jedermann! While supplies last."

"Pro Schnauze?" , schrie Frau Kriegsteins laut auf.  "Also … verdammt nochmal, Leute! … Ich ruf das Bundesverfassungsgericht an. Und wenn du was dagegen hast …"

"I hob nix dagegen!"

"O je, o je!", klagten die redlichen Hinterland-Recken wie auf Kommando. "Nicht insgesamt, sondern pro Schnauze? Mission impossible. Foan ma nach Karlsruhe! Richtung Bundesverfassungsgericht. Hissen wir die Segeln! Anker rauf, Kanonen vollg'stopft. Die Pfeife ebenfalls. Eine Havanna im rechten Mundwinkel. Das Recht auf unserer Seite. Den Solidaritätspakt intakt. Die Schischa in Stellung. Achtung! … Fertig! …"

   "Ein neues Prüfungsformat, ein bess'res Prüfungsformat, Freunde, werd ich euch dichten!", versprach Al Capone. "Ihr könnt mir vertrauen. Deutschland. Ein Wintermärchen. Heinrich Heine. Leicht revidiert. Not a joke."

"Also … Plan B? …", räumte Frau Kriegsteins – mit einem großen Fragezeichen in der Stimme – ein. "Wir bereiten uns auf die Prüfung vor. Oder …"

"Plan A! Immer der Nase nach! Yapadapadu! … Segeln wir nach Karlsruhe!", ertönte es darauf unverzüglich aus dem gesamten Hinterland.

"Alle Mann an Deck!", gab Al Capone das Kommando, ohne mit der Wimper zu zucken. "Wir stechen in See! Okay, in den Fluss. In die  Oos. Egal. Wie gesagt, alle Mann an Deck! What the heck!"

   Und auf einmal, die traute Abenddämmerung war bereits eingebrochen, wurde wenngleich nur einen winzigen Augenblick lang das innig ersehnte B2-Zertifikat am Horizont sichtbar. Und dann –

Ach! … Wie schön!

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