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Das Erbe von Bayview Village
In einer
kleinen Fabrik im nördlichen Teil von Toronto werden Träume konserviert. Der Jahresumsatz beträgt volle sieben Milliarden
Dollar. Davon gehen
drei Milliarden an Electronic Dreams, die
berühmte Firma aus Los Angeles, die per
Eilpost Empfindungen und Gefühle in Binär Codes verwandelt, um
aus diesen wiederum
freundlicherweise in trauter Form von Lust und Unlust mehr Wert
für die Menschen
zu schöpfen. Mehr Genuss. Mehr Zeit. Mehr Sinn. Mehr
Glückseligkeit:
höhere Umsätze für Herz und Geschäft.
(Vasile
V. Poenaru,
24. 12. 2022) |
Im roten Meer der Liebe
Mit einer
Aufzählung, welche Arten des Liebens es gibt, regt Pippo Delbono in seiner neuesten
Produktion Amore zur Liebe an. Delbono
ist dabei selbst eine Welt für sich. Eine Welt, die er mit Großzügigkeit
auf der Bühne offenbart. Jede Wunde, jeder Schmerz, das
Leiden, die Depression, der Tod, die Intimität. All das
wird in einer zugleich ausgefallenen und wunderschönen
Performance über Leben und Tod auf die Bühne gebracht.
Das Publikum wird Zeuge einer in die Geschichte
verstrickten Biografie. Der Künstler schafft es, den
Zuschauern ein Gefühl von Freiheit, Improvisation,
Unberechenbarkeit zu vermitteln.
(Irina
Wolf, 15.
12. 2022) |
Trends im zeitgenössischen rumänischen
Theater
In seiner 32. Ausgabe
zeigte das Nationaltheaterfestival Bukarest (NTF) vom
5. bis 13. November die besten Produktionen der letzten Saison
sowie mehrere
aus dem Ausland eingeladene Performances. Das
Kuratorenteam um Mihaela Michailov, Oana Cristea Grigorescu und Călin
Ciobotari brachte frischen Wind ins Programm
–
zum einen mit der Sektion "Fragile Grenzen", in deren Fokus die Thematisierung hybrider Ästhetiken
stand. Zum anderen mit dem Themenkomplex der "Fließenden Übergänge".
Dieser sollte unser Verhältnis zur Geschichte neu beleuchten und die Gegenwart in Frage
stellen. Dabei wurden kollektive und familiäre Erinnerungen aus subjektiven Blickwinkeln
betrachtet und kontroverse Episoden der 'offiziellen' Geschichte
hinterfragt. (Irina
Wolf, 25.
11. 2022) |
Angekratzte Zukunft: The Toronto
Connection
Einen Handschlag. Ein freundliches Gesicht. Einen offenen
Blick würde jeder gern erleben. Wir sind zivilisiert, verbergen unsere
Gefühle. Wir sprechen verschiedene Sprachen, verwenden stets die eine. Wir
lieben uns nicht. Wir hassen uns nicht. Wir fahren auseinander.
Wir gehen ineinander. Immer wieder. Vor uns liegt die spontane
Zusammenfassung einer gewagten Deutung der weltoffenen
Gesinnung, die den Begriff Großstadt ziert. Mitunter kommt es
wie andernorts auch in Toronto vor, dass
sich der Mensch
kurzfristig zum Mitmenschen entwickelt. Dann entsteht so etwas wie ein Gefühl,
dass man dazugehört, wo man nicht zugehört... (Vasile
V. Poenaru, 18.
11. 2022) |
Bunter Stoff für offene Herzen
Mit
genial-verschrobenen Kunststücken wie dem Auftritt eines
Drachen lud die 15. Auflage des Internationalen
Theaterfestivals für junges Publikum
vom 1. bis 9. Oktober in Iaşi
zur Zusammenkunft ein. Unter dem Motto
"Konflikt-Konfrontation" startete Kuratorin Oltiţa
Cîntec ein "Abenteuer der Rezeption unterschiedlichster
Kunstformen". Das vielfältige Programm umfasste
Schauspiel- und Straßentheater, Tanz, Performances,
Clown-Shows, Virtual-Reality- und Radiotheater, Shows
auf TikTok, Konzerte, Filme und Installationen. Ein
dichtes Rahmenprogramm von Ausstellungen und Workshops,
Konferenzen und Buchpräsentationen bis hin zu Debatten
rundeten das abwechslungsreiche Angebot ab.
(Irina
Wolf, 02.
11. 2022) |
Panta rhei
–
Wasserkraft und Sprachgewalt for future
Der Main: "Das unentdeckte
Österreich ist eine reine Erfindung. Das hat sich der Dichterling
zusammengereimt, wie hieß er denn gleich, der Menasse."
Vater Rhein:
"Nein. Der Gauß."
Die Donau: "Johann Strauß? Ach! Ein fescher Mann."
Die Seine: "Sehr musikalisch veranlagt."
Vater Rhein: "Gauß."
Die Donau: "Ach so! …"
Der Main: "Stimmt. Der Gauß.
Ich glaube, die Salzach erzählte einmal auf irgendeinem Hydraulik-Kongress,
er sei der beste Schwimmer weit und breit."
Vater Rhein: "Und ein redlicher
Europäer."
Die Donau: "Unseren Gauß lese
ich immer gerne. Der ist nämlich ein ganzer Kerl."
Die Seine: "Ja, weil er mal von Ihnen behauptet hat,
Sie seien der intelligenteste Fluss Europas."
(Vasile
V. Poenaru,
23. 09. 2022) |
Die Liebe, die kreisen macht Sonne und
Sterne
"Was ist das
Paradies? Wer lebt dort? Gibt es Bauern? Pflügen sie die Erde?
Wissen
sie, dass ich auch kommen werde?" All diese Fragen und mehr
stellt ein in weiß gekleidetes
Mädchen, das sich im Garten Eden befindet. Tatsächlich handelt
es sich um den Volksgarten in
Ravenna, einen zauberhaften Ort, ausgewählt von Ermanna
Montanari und Marco Martinelli für
ihre Umsetzung von Dante Alighieris Das Paradies. Mit dem
letzten Teil der Göttlichen Komödie
endet die Reise, die das 1983 von Martinelli und Montanari
gegründete Teatro delle Albe
2017 mit der Hölle begonnen und 2019 mit dem Fegefeuer
fortgesetzt hat. (Irina
Wolf, 24.
08. 2022) |
Bande meiner Kindheit
Ach! … Freunde! Gebt
mir einen Stützpunkt, und ich hebe euch den Pöstlingberg aus den
Angeln. Gebt mir ein Foto, ein Klassenfoto, und ich erzähle euch
die Geschichte einer Kindheit. Lasst mir Luft, dass ich reden
kann! Oberösterreich: der Mittelpunkt der Welt. Das haben schon
die alten Kelten gemerkt. Oberbreitenstraße: Traun.
Lunzerstraße: Linz. Die Schleife der Einser. Da: unmittelbar am
Tatort. Drei Flüsse wohnen, ach! in meiner Kindheit: Der
Mühlbach, die Traun und unsere schöne blaue Donau. Und ich gehe
zum Ring, den es nicht mehr gibt; und ich kaufe mir einen
Doppellutscher, der mittlerweile freilich längst geschmolzen
ist... (Vasile
V. Poenaru, 14.
08. 2022) |
Im Labyrinth unserer eigenen
Verwundbarkeit
Die 50. Ausgabe der
Theaterbiennale von Venedig präsentierte vom 24. Juni
bis zum 3. Juli einige der renommiertesten Namen der
zeitgenössischen internationalen Szene. Im zweiten Jahr
seiner Intendanz setzte das Kuratorenduo Stefano Ricci
und Gianni Forte seinen auf Farben basierenden Ansatz
fort.
Auf
das Motto "Blau" von 2021 folgte dieses Jahr "Rot", um 2023 mit "Grün" und
schließlich ein Jahr später mit "Schwarz-Weiß" fortgeführt zu werden. Laut
ricci/forte ist "die deutsche Sprache am besten geeignet, um das zentrale
Thema auszudrücken", denn "ROT hat einen harten Klang."
(Irina
Wolf,
24. 07. 2022) |
Theater in Kriegszeiten
Mit der russischen
Invasion der Ukraine am 24. Februar wurden alle
Kulturveranstaltungen
abgesagt. In den ersten Wochen versuchten die Künstler
ehrenamtliche Arbeit zu leisten, doch
mit der Zeit wurde ihnen bewusst, wie wichtig es ist, "die
künstlerische Front" wiederherzustellen:
"Wir hatten alle Pläne. Nach dem 24. Februar kam es gar nicht in
Frage, irgendetwas mit Theater
zu machen. Das Schlimme daran war, dass wir nicht wussten, wie
lange dieser Zustand dauern
wird", sagt Theatermacher Dmytro Naumets. Doch dann fing er an,
Schauspiel-Trainings
an der Ukrainisch-Katholischen Universität in Lemberg zu
organisieren...
(Irina
Wolf,
14. 07. 2022) |
Eine duale Perspektive der Karpatenseele
Münzen
weisen jeweils zwei Seiten auf, Teilchen bestehen nur in
Zusammenhang mit einer entsprechenden elektromagnetischen Welle,
und eine deftige
Karpatensuppe ist
ohne die dazugehörige Karpatenseele nicht zu denken. You can
take the girl out of the
Carpathian
Mountains, but you cannot take the Carpathian
Mountains out of the girl. Dies
ist die
Geschichte einer großen Liebe am Berg. Ein
Kristallisationspunkt des Seins.
A poetic discharge. Dessen bin ich mir sicher. Ich war an Ort
und Stelle.
(Vasile
V. Poenaru,
18. 06. 2022) |
Super-Karpaten-Kartenspiel
Ja, gepokert wurde auch mal gerne. Aber nur so zum Spaß. Um
symbolische Einsätze. Der Stimmung wegen.
Und möglicherweise wenigstens zum Teil auch der guten alten
Wahrscheinlichkeitslehre zuliebe, was sich jetzt aber – nach all
den vielen Jahren – freilich kaum mehr
mit unerschütterlicher Bestimmtheit feststellen ließe, wenn
man's recht bedenkt. Ja, möglicherweise;
oder besser gesagt: wahrscheinlich. Aber was kann einer
heutzutage, wo es ja bekanntlich eh zunehmend einzig und allein
aufs Approximieren ankommt, denn überhaupt noch mit Bestimmtheit
behaupten bzw. eruieren? Was darf heutzutage wirklich als
"gecheckt" gelten?
(Vasile
V. Poenaru,
10. 06. 2022) |
Eine dünne Linie trennt das
Mögliche vom Unmöglichen
Als ich Mitte Februar in Udine
eintraf, um eine Theateraufführung über die
Arbeit von humanitären Organisationen zu besuchen, dachte ich
nicht, dass diese nur eine Woche später von großer Aktualität
sein würde. Dass Vertreter von Hilfsorganisationen wie
Ärzte ohne Grenzen oder das Internationale Komitee vom
Roten Kreuz (IKRK) romantische Charaktere sind oder Helden, die tatsächlich eine
Veränderung in der Welt bewirken
können, das dachte sich Tiago Rodrigues, bevor er die Arbeit an
Im Rahmen
des Unmöglichen ("Dans la mesure de l'impossible") begann.
(Irina
Wolf,
26. 05. 2022) |
Ist das Leben Gottes Geschenk?
Er ist 78
Jahre alt, hat zwei erwachsene Kinder und drei
Enkelkinder. Körperlich und geistig ist er kerngesund.
Trotzdem möchte er – Gärtner ist sein Name – vorzeitig
sterben. Lebensfreude und -mut sind seit dem Tod seiner
Frau vor zwei Jahren verschwunden. Obwohl ihn seine
Kinder von seinem geplanten Selbstmord abbringen wollen,
haben sie es nicht geschafft, ihren Vater umzustimmen...
Dem sensiblen Thema des assistierten Suizids nimmt
sich Ferdinand von Schirach in seinem neuen Theaterstück
GOTT an.
(Irina
Wolf,
01. 05. 2022) |
Müller & Sohn: Eine Super-Gedankentour an der Rur
Dieses Gespräch wurde Anfang 2022 von einer meiner sprachlich
begabten Assistentinnen back in the hood aufgezeichnet.
Right! In the old neighbourhood. Ich setze jetzt wie
branchenübergreifend üblich noch kurz meinen Namen drauf, soweit
es der g’schätzten Leserschaft nichts ausmacht, und gelte ab
sofort, thank your very much, als rechtmäßiger Urheber ever
after – oder doch jedenfalls solange das Copyright Bestand
hat. Click, click, click. Copy and paste. Supi! …
(Vasile
V. Poenaru,
13. 04. 2022) |
Von den Grenzen in unseren Köpfen
Seit 2018 werden mit
der Reihe "Drama Panorama" des Berliner Neofelis Verlags Zugänge
zu zeitgenössischen Theatertexten aus anderen Sprachräumen
eröffnet. Die im November 2021
als fünfter Band in der Serie erschienene Anthologie Mauern
fliegen in die Luft der
Herausgeberinnen Franziska Muche und Carola Heinrich versammelt
neun
Stücke aus dem iberoamerikanischen Sprachraum.
(Irina
Wolf,
20. 03. 2022) |
Malagola
– berauschender Innovationsraum
Konzipiert und geleitet
von Ermanna Montanari, ist Malagola eine Stimmtrainingsschule.
Das Projekt
hat seine Wurzeln in Montanaris vierzigjähriger, mehrfach preisgekrönter
Forschungsarbeit zur Poetik der Stimme sowie in den über die Jahrzehnte
kreierten soliden Partnerschaften auf nationaler und internationaler Ebene.
Neben Montanari, Mitbegründerin und künstlerischer Leiterin des Teatro delle
Albe/Ravenna Teatro, ist Enrico Pitozzi, Wissenschaftler und Professor an
der Universität Bologna, der stellvertretende Direktor.
(Irina
Wolf,
10. 03. 2022) |
Karpatensuppe for future
Ort der
Handlung: deep Romania; etwa 20 km von der Bahnhaltestelle
Bologa (unweit Großwardein) entfernt.
Zeitraum der Handlung: traumhafter Hochsommer im Vorfeld der
Wende. Und die Handlung selbst? A bisserl
lesen, a bisserl latschen, a bisserl klettern, a bisserl
quatschen.
So fing eine
der zentralen Wanderungs-G’schichten meiner Jugend an: die Durchquerung des
Apuseni-Massivs. Achtzig Kilometer. Eine Berghütte.
Ein paar wenige Wanderer. Ein paar Schäfer. Und viele Höhlen. Die
sogenannten Apuseni-Höhlen. Und wir? Drei Höhlenmenschen, die Taschenlampe
stets zur Hand. How about it?
(Vasile
V. Poenaru,
28. 02. 2022) |
Rettung für Mutter Erde
Mutter (Madre) heißt Marco
Martinellis neues zweiteiliges Theaterstück. Auf den
ersten Blick scheint es sich um einen Generationenkonflikt zu handeln:
Nachdem die in die
Jahre gekommene Mutter in einen Schacht gefallen ist, plant ihr Sohn, sie
aus dem Loch
herauszuziehen, oder zumindest äußert er diese Absicht. Wer aber mit
Martinellis Werken
vertraut ist, weiß, dass seine Texte mehrere Ebenen aufweisen und das
Publikum
vor unterschiedliche intellektuelle Herausforderungen stellen.
(Irina
Wolf,
07. 02. 2022) |
Showcase aus Rumänien: Vorhang auf!
Als erster
rumänischer Showcase des vergangenen Jahres präsentierte sich
INDEPENDENT EXTERIOR ausschließlich online. Vom 3. bis 7.
November 2021 stellte es fünfzehn herausragende Theater- und
Tanzproduktionen der Bukarester unabhängigen Szene vor. Ein
weiteres Vorhaben der Organisatoren war es, zehn
Veranstaltungsorte und -institutionen der Freien Szene einem
internationalen Publikum bekannt zu machen.
(Irina
Wolf,
18. 01. 2022) |
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