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Dreißig Jahre
Theaterfreiheit
Die 29. Ausgabe des Rumänischen Nationaltheaterfestivals, welche
vom 18.
bis 27. Oktober in Bukarest stattfand, firmierte heuer
unter dem Motto "Magische
Momente der Geschichte". Präsentiert wurden die besten
rumänischen Produktionen der
letzten Theatersaison sowie vier internationale Gastspiele.
Zusammen mit Buchvorstellungen,
Workshops, sieben Ausstellungen, zahlreichen Radiosendungen und
Konferenzen wurde
ein umfangreiches Panorama der in den letzten dreißig Jahren
seit dem Fall
des Kommunismus gewonnenen Freiheit geboten.
(Irina Wolf,
15. 12. 2019)
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"Wo wir stehen"
oder "Unsere Standortbestimmung"
Dass die
kürzlich im Suhrkamp Verlag erschienene Rede Barack Obamas nicht gerade sinngemäß
adäquat übersetzt wurde, passt zum gegenwärtigen Trend, aus der
anspruchsvollen Tätigkeit des Übersetzers ein mechanisches Wörter-Pingpong
zu machen. Bereits 2008 wurde dessen "Yes, we can!" genau so in die
deutschsprachige Öffentlichkeit geschmissen, wie es die eben mal
nicht perfekten Übersetzungsprogramme ausgespuckt hatten. Und
auch jetzt kann einer neuerlich fragen: Wo sind die
verlässlichen Übersetzer geblieben? Legen sie allesamt wieder mal
eine kurze Pause ein? Oder wurden sie durch billige Copy-and-Paste
Toy Soldiers ersetzt?
(Vasile V. Poenaru,
01. 12. 2019) |
"Ich spreche nicht, wenn ich etwas
ausdrücken will"
Aurora-Interview mit Andrea
Gavriliu: Die junge Rumänin hat es geschafft, ihren Namen bereits in den ersten Jahren
ihrer Karriere bekanntzumachen. 1985 geboren, absolvierte sie 2008 die
"Babeş
Bolyai" Universität (UBB) in Klausenburg. Sie hat einen Master in
Choreografie an der Nationalen Universität für Theater- und Filmkunst in
Bukarest gemacht (2013). Ihre Abschlussarbeit, Zic Zac, eine
Theater-Tanz-Produktion, ist im In- und Ausland rasch bekannt geworden.
Derzeit ist sie außerordentliche Professorin an der Fakultät für Theater
und Film der UBB und Choreografin am Nationaltheater "Lucian Blaga" in
Klausenburg. Am meisten interessiert sie sich für "physisches" Theater.
(Luana
Pleşea,
13. 11. 2019) |
Herzliche Grüße an das Luceafărul-Theater
in Iaşi!
Liebes Festival für
Junggebliebene,
Du hast immer großartig ausgesehen, aber in diesem Jahr hast Du
Dich wirklich
selbst übertroffen. Seit einem halben Jahrzehnt gehöre ich zu
Deinen treuesten Besuchern,
aber noch nie hast Du mich so begeistert. Puppentheater für
Kinder und Jugendliche, Performance
und Sprechtheater für Erwachsene, eine Showcase des
gastgebenden Theaters, Konzerte,
Tanz- und Zirkusaufführungen, szenische Lesungen,
Buchpräsentationen,
Ausstellungen und vieles mehr. Eine fantastische Programmauswahl
mit einem restlos neugierigen Publikum!
(Irina Wolf,
01. 11. 2019) |
"Wenn die Kultur spricht, verschwindet der
Hass"
Interview mit der rumänischen Regisseurin und
Multimediakünstlerin Carmen Lidia Vidu: "Ich war immer eine Außenseiterin sowohl im Theater als auch im Film. Aus
meiner Position als freischaffende Künstlerin beobachte ich, dass
Rumänien seit Jahren versagt hat, eine europäische Stimme zu werden. Es
gibt eine chronische Isolation und ich kann sie mir nicht erklären.
Dabei möchte ich doch in einer Welt ohne kulturelle Grenzen
leben. Es sollte keine Grenze zwischen Rumänien und dem Rest der
Welt geben, zwischen dem Publikum und den Künstlern, zwischen
mir und dem Theater. Mein Wunsch ist es, eine internationale
Künstlerin zu sein, die Rumänien in die europäische Gegenwart
versetzt."
(Irina Wolf,
25. 10. 2019) |
Waschechte Kanadierin im Dickicht
Meine Tochter Lavinia ist die einzige gebürtige
Kanadierin in der Familie. The real deal. The one and only. From coast to
coast to coast gibt es keinen einzigen Grizzly, keinen Bieber, keinen
Moose, keinen Ahorn und keinen Fluss, der so sehr kanadisch sei
wie meine Lavinia. Als sie geboren wurde, wohnten "wir anderen"
schon seit fast zehn Jahren in Toronto. Anno 1998 hatte es mich
nämlich mit Frau und Kleinkind nach Kanada verschlagen...
(Vasile V. Poenaru,
19. 10. 2019) |
Ein Jugendtheater, das sehr erwachsene
Fragen stellt
Strategisch
bestens
platziert in unmittelbarer Nähe des historischen Stadtkerns, bietet das
Jugendtheater Piatra
Neamţ einen wichtigen Bezugspunkt für Besucher und Einheimische zugleich.
Seit über
sechzig Jahren ist es das Wahrzeichen der von beeindruckenden Bergen und
Wäldern umgebenen Stadt im Osten Rumäniens.
Unter dem postkommunistischen Motto "Erfolg!" fand in der
traditionsreichen Spielstätte vom 18. September bis 2. Oktober
die 31. Auflage der
Piatra Neamţer
Festspiele statt.
(Irina Wolf, 12. 10. 2019) |
"Wir
dachten nicht, dass wir den Sommer überleben würden"
Eines der weniger bekannten privaten Spielhäuser Bukarests ist das
sogenannte "Unteatru",
was sich schlicht mit 'Ein Theater' übersetzen lässt. Gegründet wurde
es vor beinahe
zehn Jahren von Andreea und Andrei Grosu. Beseelt vom starken Willen "das zu
tun, was
wir tun wollen", hat das Paar erfolgreich Krisen überstanden, dem
berüchtigten
rumänischen Behördenirrsinn getrotzt und sich als feste kreative Größe
in der freien Bukarester Theaterszene etabliert.
(Oltița
Cîntec,
05.
10. 2019) |
Liebe
–
Scheitern
–
Gott
Auch heuer
wurde in Venedig wieder groß aufgekocht, pardon: Theater
gespielt. Der Vergleich zwischen Küche und Bühne liegt
im Genussland Italien zwar immer nahe, für
Antonio
Lattella, zum dritten Jahr in Folge künstlerischer
Leiter der Biennale, gibt es anlässlich des heurigen
Mottos "Dritter Akt: Dramaturgien" hingegen eine
spezielle Verbindung: "Die Hand des Kochs kann,
metaphorisch betrachtet, mit der eines Dramatikers
verglichen werden, der beim Schreiben eines
Theaterstücks seine Inspiration dosiert, bevor er sie
der Öffentlichkeit serviert." Zur Erklärung:
Nachdem die
beiden vorangegangenen Treffen den Regisseuren und
Schauspielern gewidmet waren, fand die heurige 47.
Ausgabe
unter dem
Generalthema "Dritter Akt: Dramaturgien" statt. Unter
dieser Vorgabe wurden vom 22. Juli bis zum 5. August
insgesamt 23 neue Stücke in 28 Inszenierungen, darunter
sechs Weltpremieren, gezeigt.
(Irina Wolf,
04.
09. 2019) |
Autoreifen + Schokolade = Politik! Ob es wohl einen Zusammenhang gibt zwischen Orgasmus und Umweltschutz?
Oder zwischen Selbstbefriedigung und Afrika? Tatsächlich lässt sich eine
kausale Beziehung nicht nachweisen. Dennoch gelingt es Martin Grubers neuester
Inszenierung "Wie
geht es weiter – die gelähmte Zivilgesellschaft", das scheinbar
Gegensätzliche auf ebenso humorvolle wie kritische
Weise zu verbinden. Gleichauf mit dem 30-jährigen Jubiläum des aktionstheater
ensemble
fand die Premiere zwischen dem 12. und 16. Juni im Meidlinger Werk-X
statt.
(Irina Wolf,
03.
08. 2019) |
Turin in Festkleidung
Vierundzwanzig Produktionen, einundsechzig Vorstellungen, davon
acht Erstaufführungen,
neunzehn Tage volles Programm. So zeigte sich heuer das Turiner
Festival
delle Colline Torinesi in seiner vierundzwanzigsten Auflage.
"Strömungen,
Deklinationen der Reisen" lautete das diesjährige Motto. Es gibt viele Gründe, weshalb man das Festival besuchen sollte. Hier
werden zehn davon vorgestellt, die vielleicht die
Neugierde für die nächsten Jahre wecken werden.
(Irina Wolf,
15.
07. 2019) |
Thirty years a zombie
Diesen Brief hab ich Anfang Juni in "Area 51" gefunden. Ich
glaube natürlich kein Wort von dem, was drin steht, doch es ist
meine patriotische Pflicht, diese sogenannte Dracula-Bulle
zwecks ihrer ja hoffentlich bald zu erfolgenden
wissenschaftlichen Widerlegung in den so wundersam kreativen
Raum unserer Geschichtsschreibung zu stellen.
(Vasile V. Poenaru,
01. 07. 2019) |
Vorgetäuschte
Vergangenheitsbewältigung
Verwanzen von
Wohnungen und Folterung der Regimegegner standen bei Dominik
und Alex auf der Tagesordnung. Die beiden waren Mitarbeiter des
berüchtigten Geheimdienstes
Securitate und schreckten auch nicht davor zurück, schwangere
Frauen zu verprügeln. Eine dieser
Schwangeren brachte damals eine behinderte Tochter zur Welt:
Liza. Durch einen Zufall tritt die
junge Liza heute plötzlich in das Leben von Dominik und Alex −
und verändert es auf grundlegende
Weise. "Ich bereue nichts", ein Stück unter der Regie von
Lendvai Zoltán, ist ein couragierter,
emotional bewegender Versuch, über Gerechtigkeit zu reflektieren
in einem Land, das
noch immer an den Spätfolgen seiner kommunistischen
Vergangenheit leidet.
(Irina Wolf,
02.
06. 2019) |
Unlogisch-philosophisches Traktat
Herrschaften! Zeit
zum Auftauen. Die Eiszeit hat’s jetzt auch schon hinter sich. Kein Frost
mehr in österreichischen Landen.
Es ist toll, wieder so richtig da zu sein. Auf allen vier
Buchstaben. Da: innerhalb der Sprache, innerhalb des Seins und
all der wundersam artikulierten Dinge, die nun mal dazu gehören.
Denn, jetzt
mal Hand aufs Herz:
Es geht um die Sprache.
Um meine Sprache. Um die volle Sprache und um nichts als die Sprache. (Vasile V. Poenaru, 08. 05. 2019) |
Der Urschrei der
Freiheit
"wir gingen weil alle gingen" – so heißt die erste
Geschichte im gleichnamigen Band von Thomas Perle. Weihnachten
1989: Es ist die Zeit der Revolution in Rumänien, die Tage, in
denen das Ceauşescu-Ehepaar entmachtet und hingerichtet wird.
Wie gehen die Menschen mit der gewonnenen Freiheit um? Wie
blicken sie auf das Leben während der kommunistischen Diktatur
zurück?
(Irina Wolf,
15. 04. 2019) |
Lebensdokumentationen und Libertinage im
Folk
Crosby Tyler: perfekte Bläserarrangements und manch markante
Trompeten- und schwermütige Violinmelodie, ein Gespür für
erstklassige Balladen; jeder Song ein Kleinod. Meiko: zuckersüß
klingende Variationen fremder Stücke, sparsam arrangiert;
melodisch-schwere Bassmelodien und swingend-leichte Drums,
sporadisch durchdrungen von fiepend-melancholischem Synthesizer.
Lindi Ortega: Stilmischung aus Country, Folk, Rock, Jazz,
Vaudeville, mit flatterhaften und traditionalistischen Facetten.
(Tina Karolina Stauner, 01. 04. 2019) |
Orientalische Impressionen aus einem
untergegangenen Land
Er hat mehrere Gläser
an den Gürtel geschnallt. Am Rücken trägt er eine riesige
orientalische Teekanne. Durch seinen roten Fez ist er schon von
Weitem sichtbar: der Teeverkäufer, eines der Markenzeichen von
Damaskus. Sabah el noor: "Ich wünsche dir einen Morgen
voller Licht, Schönheit und Blumen." Vor dreizehn Jahren, am 29.
April 2006, war in Syrien die Welt noch in Ordnung.
(Irina Wolf,
09.
03. 2019) |
Diese Frauen setzen ein Zeichen!
Gesellschaftskritische
experimentelle Arbeiten sind das Spezialgebiet von Carmen
Lidia Vidu. Die bekannte rumänische Regisseurin hat 2016 ein Dokumentar-Theaterprojekt
namens Tagebuch Rumänien ins Leben gerufen, in dem sie
mit viel Engagement und
Wahrheitsliebe über ihre Heimat berichtet, einem Land, das noch
immer geprägt ist
von ethnischen Spannungen, Korruption, politischen Machtkämpfen
und vielfältigen sozialen Problemen.
(Irina Wolf,
07.
02. 2019) |
Die mediale Blendung der rumänischen
Wendung
Die im August 2018 zur Schau getragene Zerrissenheit der rumänischen Gesellschaft, die
repressive "state of mind" der Ordnungskräfte, die tiefgreifende moralische
Unbeholfenheit, das ist alles auf die in den
letzten drei Jahrzehnten
– trotz aller demokratischen Bestrebungen eines Teils
der Gesellschaft
– nicht zur Reife gekommene Wende zurückzuführen. Schuld
daran ist die Große Lüge der glorreichen Revolution, ja die Annahme,
dass überhaupt eine glorreiche Revolution stattgefunden habe bzw. dass diese
siegreich gewesen sei.
(Vasile V. Poenaru,
23.
01. 2019) |
Rumänische Geschichte im
Kleinformat
Ein Land, vorgestellt als die Summe seiner Menschen: Unter dem
Motto "Geschichte in Kleinschreibung" gestaltete Cristina
Modreanu die Landkarte Rumäniens neu. Das von ihr kuratierte
Festival "Oh Europa" präsentierte anlässlich des hundertsten
Jubiläums des modernen rumänischen Staates Geschichten einfacher
Bürger, die auf wahren Schicksalen verschiedener Minderheiten
oder Ethnien basieren.
(Irina Wolf, 12. 01. 2019)
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