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Lebensdokumentationen und Libertinage im Folk

Crosby Tyler. Meiko. Lindi Ortega.

Von Tina Karolina Stauner
(01. 04. 2019)

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Tina Karolina Stauner
tkstauner [at] arcor.de

Tina Karolina Stauner
lebt in München und veröf-
fentlicht nach Ausbildung
beim Werkbund, im Theater
und in Kulturwissenschaften
als freie Autorin und Künstlerin.
Die Absolventin der Münchener
Journalistenakademie schreibt
journalistische und literarische
Texte und arbeitet als visuelle
Künstlerin in/mit mehreren
Medien. Im Bereich des
Kultur- und Musikjournalis-
mus liegen ihre Schwerpunkte
unter anderem bei Themen
wie Free Jazz, Improvisation,
experimentelle Musik, Neue
Musik, Neues Musiktheater,
Avantgarde und Songwriting.

Homepage

memoryvision.tumblr.com

Blog

tkstauner.blogspot.com

 

 

 

"10 Songs Of America Today"
Crosby Tyler.
Bohemia Music, 2008.
ASIN: B001I4B2PE

 

 

 

"It's always challenging to
delve into your soul and
psyche and dare yourself to
release the comfort-ability
that mocks most of us.
"
(Crosby Tyler)

 

 

 

"Lectric Prayer"
Crosby Tyler.
Bohemia Music, 2010.
ASIN: B01KAUML8I

 

 

 

"There's only one reason
for my new release 'Lectric
Prayer' ... It's to raise spirits.
A spirit of belief, a spirit of
I can, a spirit of I will, a
spirit of I must. I'm a living
example of it. I dived
into a dark lagoon.
"
(Crosby Tyler)

 


 

 

"Playing Favorites"
Meiko.
Chesky Records, 2018.
ASIN: B07C7PDP2G

 

 

 

Unter Meikos klug ausge-
tüftelten Saitenspielereien
verbergen sich in den
Tiefen melodisch-schwere
Bassmelodien und swingend-
leichte Drums, sporadisch
durchdrungen von fiepend-
melancholischem
Synthesizer.

 

 

 

 

"Liberty"
Lindi Ortega.
Shadowbox Music, 2018.
ASIN: B078RWVH3X

 

 

 


"Wenn man dunkle Erfah-
rungen gemacht hat, kann
man immer gut durch die
Erinnerungen daran weiter
schreiben. Man vergisst sie
nie. Man kann es nicht aus-
radieren – Ich will es gar
nicht ausradieren, da es
mich zu der macht,
die ich heute bin."
(Lindi Ortega)

Way of a Jingle Jangle Man Crosby Tyler

"…but to understand the future of America,
one needs to understand Los Angeles." (Crosby Tyler)

Tyler who? Was Crosby Tyler gerade tut, weiß ich nicht. Vermutlich ist er mit seiner Gitarre unterwegs oder geht irgendwo im Bay in einen Supermarkt einkaufen. Oder steht in seiner Küche. Ich weiß nicht genau, wo er herkommt. Keine Ahnung, was für einen Lebenslauf er hat. Wo er hingeht, das weiß ich schon gleich gar nicht. Ich mutmaßte so manches. Ich weiß nur, dass ich eine seiner CDs vor Jahren beachtete. Und rezensierte, weil sie mir gefiel. Obwohl Crosby Tyler in Deutschland kein Label hat. Und ihn hierzulande nicht allzuviele kennen. Er ist für mich Protagonist für eine typische amerikanische Songwriterexistenz. Ich mag rein zufällig seine Songs. Heute schaute ich mal wieder nach, wo er derzeit zu finden ist. Und es lässt sich nicht genau sagen. Da sind nur seine veröffentlichten Lieder. Vor Jahren kamen diese einmal bei mir an, als ich sie in einer Laune raussuchte. Es ging mir noch nie nur um irgend einen Celebrity Cult. Auch nicht bei Creedence Clearwater Revival, Doobie Brothers und anderen Bay Music Giganten.

Tyler where? Das Album "10 Songs Of America Today" gebe ich immer noch weiter. Ich habe es schon 2009 zum souveränen Bay-Songwriting gezählt. Crosby Tyler ist ein hierzulande fast unbekannter Songwriter, der Größe ausspielt. Dass ihm dies gelingt, verdankt er aber wohl einer weiteren, keinem breiten Hörerkreis vertrauten Songwritergröße der L.A.-Szene: Peter Case. Er hat Tyler produziert. Mit "10 Songs..." hat Tyler die besten Karten in der Hand. Jeder Song ein Trumpf, ein Stich klassischen Songwritings. Hinein spielt exzellentes Tex-Mex-Flair und perfekte Bläserarrangements, manchmal mit Mariachi-Touch. Und manch markante Trompeten- und schwermütige Violinmelodie. Das Entscheidende ist selbstverständlich, dass Tyler in jedem Moment zu akustischer Gitarre und Lyrics der besonderen Art fähig ist. Sein Gespür für erstklassige Balladen spiegelt besonders "Warmth Of My Tears" wider. Aber ein Kleinod ist jeder Song der CD. Eine Lobeshymne auf Taylers "10 Songs…" also. Weil in sich total stimmig und völlig ohne Schwächen. Vielleicht eine Idee zu eingängig durcharrangiert und durchdacht, zu wenig sperrig. Und doch wird Tyler nicht vom Mainstream aufgesogen werden, als Ausnahmeaußenseiter-Songwriterexistenz, die er darstellt. Elitär als eigenwilliger, spezieller Charakter.

Tyler how? Vor Jahren fand sich seine Spur on the road. Crosby Tyler als One-Man-Band. Show oder Alltagsrealität. Ich weiß das nicht. Meine damalige Notiz dazu: Mit seinem Roots-Rock, in den ein gutes Maß an Bluegrass, Blues und Folk hineinspielt, trifft Crosby Tyler hundertprozentig ins Schwarze. Mit dem von John Chelew (der u.a. auch für Richard Thompson arbeitete) produzierten "Lectric Prayer" gelingt Tyler ein superbes Nachfolgealbum des starken "10 Songs Of America Today". Traditions- und zukunftsbewusst gleichermaßen teilt Tyler seine Beobachtungen als Songwriter mit. Exzellente Mitmusiker sind Sara Watkins, Sean Watkins, Sebastian Steinberg, Don Heffington. Tyler sagt von sich: "It's always challenging to delve into your soul and psyche and dare yourself to release the comfort-ability that mocks most of us ... There's only one reason for my new release 'Lectric Prayer' ... It's to raise spirits. A spirit of belief, a spirit of I can, a spirit of I will, a spirit of I must. I'm a living example of it. I dived into a dark lagoon." "Lectric Prayer" wurde 2010 veröffentlicht und ist über Bohemia Music erhältlich. Ein Video hat Tyler 2011 mit dem sehr hübschen, soloakustisch gespielten Song "It Ain't Easy" folgen lassen.

Tyler when? Die "Hillbilly Stomp Tour" soll 2015 – featuring Crosby Tyler One Man Band auf Konzertreise gewesen sein. Einige Interviews der vergangenen Jahre gibt es in den Zeitungen zusammenzusuchen. Ich weiß nicht alles über ihn. Ich kenne nur ein paar seiner Songs. Ein Film, "Introducing Crosby Tyler", wurde 2009 veröffentlicht. Und ich glaube, dieses Jahr hat Crosby Tyler in Ashbury geklampft. Ein weiteres Studioalbum ist noch nicht erschienen. Kürzlich war Los Angeles sowieso nicht mit seiner Musikszene in den Headlines, sondern mit Katastrophenberichten. In den Medien wurde auch das sogenannte Woolsey Fire gezeigt. Eine von Neil Youngs Villen existiert schrecklicherweise seitdem nicht mehr. Vermutlich ist den Songwritern der Bay Region sonst nichts passiert. Und neue Stories tauchen wie gewohnt mit aktuellen Songs auf. Auch von Crosby Tyler. Ich nenne ihn nur stellvertretend für zahlreiche Musiker, die ohne Major Deal tingeln. Es gibt viele tausende Wege mit vielen unzähligen Worten und Melodien in Folksongs. Auch die Folkies Secondhand Serenade und Sweetbay sind unterwegs.


Way of a Mrs. Tambourine Woman Meiko who, how, where, when?

   Ü
ber ein Jahrzehnt verstreut Meiko schon ihre sehr, sehr hübschen Lieder aus ihrem reizend existenzialistischen Bohèmeleben in L.A, wo sie auch als Barkeeperin Drinks servierte. Sie war jedenfalls im Hotel Café in Hollywood eine Waitress. Inzwischen gibt es mehrere feinsinnige Alben von ihr. Eigentlich habe ich schon seit einer Weile vor, diese kapriziöse Singer-Songwriterin zu nennen. Dieses Mal tue ich es. Einem Video zufolge saß sie kürzlich einer skurrilen Puppenbüste gegenüber, und zwar in einem Raum, der wie eine alte Kirche aussieht. Die junge Frau redete. Und spielte dorte ein paar Folksongs und ein Stück Lebensgeschichte. Zu erfahren sind dabei auf einmal die Lieblingssongs der Mitdreißigerin. Altgewohnter Rock und Pop jetzt als neuer Folkpop. Und so zu den typischen Meiko-Songs passend. An den Coverversionen "Playing Favorites" sind die Musiker Ed Maxwell (Bass & Synth), Casey Abrams (Bass) und Josh Day (Drums) beteiligt, und die Sängerin spielt wie immer akustische Gitarre.

Meiko führt die eine oder andere zuckersüß klingende Variation eines fremden Stücks auf, sparsam arrangiert. Unter ihren klug ausgetüftelten Saitenspielereien verbergen sich in den Tiefen melodisch-schwere Bassmelodien und swingend-leichte Drums, sporadisch durchdrungen von fiepend-melancholischem Synthesizer. Bedeutend gemacht hat sich die Musikerin auch mit Tracks für die TV-Shows "Grey's Anatomy", "One Tree Hill" und "The Vampire Diaries". Im The Hirsch Center in Brooklyn hingegen wurde "Playing Favorites" in einfachem Realismus mit einem einzigen Mikrofon im Raum aufgenommen.

Meiko zeigt ihre Eigenart und Persönlichkeit überlegen auf jeder Bühne. Die aus Georgia stammende Musikerin verbrachte viele Jahre in Kalifornien und lebt jetzt in Tennessee, etwas entfernt von schillernden Metropolen-Freaks, megalomanen City-Zombies und überdrehten L.A.-Großstädtern. Und hat sanfte Akustikadaptionen von Kompositionen von Bekanntheiten wie The Cranberries, Erykah Badu, Duran Duran, Blind Melon, Otis Redding und Rick James mit im Eigenmaterial dabei. Sie stellt schon immer einen "Wandering Star" dar mit ihrer Gitarre: "For its such a lovely day / To have to always feel this way...": Simply some Bay Entertainment – Songs to the sweet, hello! Über Hollywood wurde so mancher "Wandering Star" bekannt: "Home is made for comin' from, for dreams of goin' to...". Das hat schon Lee Marvin gewusst.


Way of a Libertin
Lindi Ortega

"Don’t come any closer to my heart/ If you’re afraid
of the dark." (Lindi Ortega)

   Ich habe als Künstlerin und Autorin die kulturellen Veröffentlichungen und die künstlerische Situation internationaler Kulturschaffender auf dem Schreibtisch und erlebe sie in unseren Kulturzentren und Kunsttempeln. Auch in Liedern spiegeln sich Grenzsituationen wider. Und in manchem familiären und musikalischen Stammbaum. Dort geht es mehr um die persönlichen Innenwelten von Menschen und nicht nur um politische Außenwelten. Die Songwriterin Lindi Ortega kennt in sich den Süden und den Norden. Sie hat in Zentralamerika und Nordeuropa Verwandte, lebte in den Südstaaten der USA und wohnt jetzt in Kanada. Es gab in der Geschichte immer wieder Diskussionen über die Grenzlagen zwischen Süden und Norden, Westen und Osten. Und die derzeitige Flüchlingspolitik ist kontrovers. Focus online meldet am 16. Dezember 2018: "Die Flüchtlingskrise beschäftigt Politiker und Gesellschaft in Deutschland seit 2015 und ist immer wieder Mittelpunkt von Diskussionen. Auch europaweit ist das Thema beherrschend. Malta hat zuletzt ein Fischerboot mit 11 Flüchtlingen aufgenommen." Im Jahr 2018 rechnet Deutschland mit 166.000 Asylanträgen. Auch das Flüchtlingsprogramm der USA wird diskutiert. Zeit online veröffentlichte am 18. September 2018, dass 30.000 Flüchtlinge im Jahr 2019 in den USA aufgenommen werden sollen. Man kann zur Flüchtlingsproblematik geteilter Meinung sein.

Schwerlastige Sätze kündigen "Liberty" von Lindi Ortega an. Sie möchte, dass dieses Album den Menschen durch die Dunkelheit hilft. Und Cineastisches ist großspurig gleich mit angesagt. Über schwere Zeiten und Düsternis der Vergangenheit: "Wenn man dunkle Erfahrungen gemacht hat, kann man immer gut durch die Erinnerungen daran weiter schreiben. Man vergisst sie nie. Man kann es nicht ausradieren Ich will es gar nicht ausradieren, da es mich zu der macht, die ich heute bin", teilt Ortega mit. Die auch "Indie Lindi" genannte Musikerin ist derzeit Kanadierin, ist vom Süden in den Norden gezogen, von Nashville nach Toronto, und travelt mit ihren Shows quer durch die Staaten. Dabei sind mittlerweile sieben Alben entstanden. Ortegas Stilmischung aus Country, Folk, Rock, Jazz, Vaudeville, mit flatterhaften und traditionalistischen Facetten, lassen ihren von sich eingenommenen Songwriter-Charakter erscheinen.

Lindi Ortega bezieht sich mit ihrem neuen Album auf Mexiko und Irland, wo sie ihre Vorfahren hat. Familiäre Wurzeln und musikalische Verwandtschaften sind ihr wichtig. Die Musik von Ennio Morricone hatte starke Wirkung auf die Entwicklung von "Liberty". Und zu favoritisierten Songs von Ortega zählen Stücke von Dolly Parton, Linda Ronstedt, Willie Nelson. In der Fokussierung auf Südamerika stellt die Liedermacherin auch eine Songadaption von Violeta Parra aus Chile vor. Nashville-Produzent Skylar Wilson, der schon den Sound von Justin Townes Earle mitprägte, arbeitete am Album mit. Als Gemeinsamkeit von beiden findet sich das Cineasteninteresse an Filmen von Quentin Tarantino. Lebenserfahrung, Lebensgeschichte und Kino sind der Stoff fürs Songwriting, wie so oft: "As the narrative unfolds in this concept album, a central character emerges – one who finally sheds the darkness of her past and emerges into the light. As melodies and tempos change throughout Liberty, her journey carries her steadily forward."

Bei den genannten Songwriteralben ist zwar nicht jeder Satz eine Geschichte. Aber so mancher.

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