Bayview Village wird
selbstredend mit beträchtlichen Gewinnen an der Börse gelistet. Noch vor
wenigen Jahren war da nichts, und jetzt ist da was. Ein schlafkundiger
Italiener, Don Torontone, Stammgast bei Ristorante, kam irgendwann einmal an
einem frühen Vormittag auf die Idee, als er merkte, dass die meisten Leute
schon bald nach der Einwanderung in das Land der Großen Seen all ihre vielen
entsprechend großen oder eben kleineren hausgemachten Träume aus der lieben
alten Heimat prompt aufgeben und dafür ohne weiteres und so ganz und gar
vorbehaltlos kaufen, was immer ihnen an modernen Nahrungsmitteln des Gemüts
dargeboten wird. Überregional zusprechende Ideale, verschwommene oder aber
ganz klare Maßstäbe, vernünftige Erwartungen, einfühlungsreiche Utopien und
vielfältig offenbarende Ontologien wurden in Hülle und Fülle
über das Land, ja über den gesamten Kontinent vertrieben, egal ob
bekömmlich oder unbekömmlich. Das lässt sich womöglich ändern, hatte sich
der schlafkundige Italiener gedacht.
Gesagt, getan. Kaum war sein Frühstück verdaut,
sah er sich nach zumutbaren Sinnen um, und zwar nicht nur im Bereich des
Sinnlichen. Bald entwickelte er aus ein paar wenigen herumliegenden Semen
nur dürftig interpretierter Traumstrukturen seine neue Werkstatt für
individuell zurechtgeschnittene Halbschlaf-Semantik. Unmittelbar neben dem
Restaurant. Denn Essen hat ja auch immer so was auf sich, meinte der
Unternehmer. Von dem, was sich tut, wenn einer nicht wacht, lässt sich ein
guter Teil in dasjenige integrieren, was einer tut, wenn er wacht.
The rest is
history. Die vielversprechende Vorstellung greifbarer Transzendenz, das
großzügig daliegende Rohmaterial, die billige Arbeitskraft und die reichlich
vorhandenen Absatzmärkte sorgten für Schlagzeilen. Und dann gelang auch bald
der Durchbruch in die Chamber of Commerce. Jetzt ist das Traum-Business voll
etabliert, wo es doch ganz am Anfang noch durchaus unwahrscheinlich klang.
Selbst in konservativen Reihen lässt man sich nun die technologische
Phantasie von Don Torontone gerne gefallen. Die Automaten bieten eine breite
Auswahl an Optionen. Und die Verbraucher nehmen sie wahr. So wie die Leute
in Japan etwa Luft kaufen.
Die Träume von Bayview
Village dauern nicht lange, doch sie sind immerhin mehr als fünf Jahre lang
haltbar. Das heißt, man kann sich eine Traumkonserve jetzt kaufen und erst
in fünf Jahren öffnen, um etwas zu genießen, was streng genommen nicht da
ist. Meist handelt die Traumware von einer besseren Welt. Deswegen wollen
sie die Kunden in der Regel natürlich sofort. Als Konservierungsmittel
dienen fingierte Elemente der Wirklichkeit, die aber dem virtuellen Inhalt
der Träume nichts anhaben, so der Hersteller.
Was die Herstellungsprozedur anbelangt, besteht
eigentlich so gut wie kein Problem. Die Träume werden immer früh am Morgen
aufgefangen und gleich verarbeitet. Im Handumdrehen legen sie den Weg von
Human Dreams zu Silicon Dreams zurück. Dann hat man sie immer frisch zur
Hand, wenn sie vonnöten sind. Dann kann man sie langfristig aufbewahren.
Dann kann man sie kurzerhand verkaufen. Die Nachfrage lässt nie ab, wobei es
freilich mit der ganzen Sache immer ein bisschen nach oben oder nach unten
geht. Wenn zum Beispiel der Krieg ausbricht, bestellt das Militär einen
ganzen Haufen. Und wenn die Wahlen kommen, dann können die Kandidaten nicht
genug davon kriegen.
The Great American Dream; The Self-Made Man; Universal
Happy End; Small Business is Small Business is Small Business; Einstein the
Easy Way; The Meaning of It All: Das kann man auf vielen
Konserven lesen. Das sind die markanten,
dieimposanten Großprodukte. Behörden und Körperschaften haben dafür viel
übrig. Doch es sind die Träume hübscher Frauen, die sich am besten
verkaufen. Jede Frau möchte da gerne mit drin sein, sozusagen im Mittelpunkt
der Begierde, wenigstens im Nachhinein. Jeder Mann will es gerne gewesen
sein, wenn eine Frau davon träumt. Kraftkerle und Nostalgiker lassen
gleichermaßen den Beutel zucken, sobald es darum geht, bewährte Erlebnisse
neu zu erleben. Aber manchmal sind sogar Albträume durchaus gefragt. Auch
gibt es zum Beispiel Extra-Träume für Schlafwandler.
Als das lukrative Geschäft
mit der Phänomenologie der Psyche internationale Aufmerksamkeit erregte,
zogen die Journalisten in Schwärmen her. Einer von ihnen ließ sich sogar in
der Gegend nieder, um die muntere Produktion in all ihrer Weite Schritt für
Schritt zu dokumentieren. Er schrieb darüber eine wohldokumentierte
Dissertation, in der alles in Zusammenhang mit Jung gedeutet wird. Don
Torontone aber beteuerte, weder er noch irgendeiner seiner Mitarbeiter habe
irgendetwas mit Jung zu tun, was freilich an der These selbst wenig änderte.
Dream the dream. Was könnte
schöner klingen? Recht und billig erscheint diese Begierde
selbstredend einem jeden. Verhältnismäßig preiswert waren schon von Anfang
an etwa die Träume von einer besseren Zukunft, denn ihre Herstellung
erfolgt gewöhnlich reibungslos und beansprucht nur wenig Material.
Einen wichtigen Absatzmarkt für integrierte Träume macht vor allem Europa
aus. Die Zeit verläuft in der neuen Welt nämlich anders als in der alten
Welt. Wenn zum Beispiel die Leute in Deutschland gerade erst aus dem milden
Abendschlaf des alternden Kontinents aufwachen und, die Börse im Sinn, zu
einer tüchtigen Portion Haferflocken (oder lieber Spiegeleier mit Schinken?)
greifen, dann stürzt man sich in Kanada schon mit voller Wucht auf ein
reichliches und leider keineswegs kalorienfreies Mittagessen, und die
wohldurchblätterte Zeitung, aus der das komprimierte Weltgeschehen der
vergangenen sechs Stunden verstohlen durchblickt, liegt bereits längst im
Papierkorb – mitsamt ihren
ansprechenden Leitartikeln über gut vermarktete Illusionen und Revolutionen.
Das richtungsweisende Wirrwarr an der Wall Street ist
schon fast zu Ende. Auf der Autobahn nach Buffalo beginnt sich der Stau zu
bilden. In Queens Park gähnt man, all die politischen Täuschungsbilder und
privaten Alltagsträume sind längst fertig geträumt. Einfache Ideen wurden
bereits zu Ende gedacht, wichtige Entscheidungen präventiv getroffen, noch
bevor es sich die Welt träumen ließ. Das nennt man internationale
Konjunktur.
Don
Torontone ist jetzt tot. Bevor er aber starb, hatte er noch gerade
rechtzeitig seinen letzten Traum konservieren lassen. Da er im Schlaf
hinschied, meinen viele, sein letzter Traum sei mehr als nur ein Traum, und
in der Tat war die Datei ziemlich groß. Die Leute von Electronic Dreams
mussten sie so sehr komprimieren, dass die realen Konservierungselemente aus
der Wirklichkeit mit den virtuellen Traumelementen aus der Einbildungswelt
spontan verschränkt wurden, was irgendwie den Tod des Italieners bis auf
Widerruf aufhebt, weil ja nun sozusagen sein mutmaßliches Ende aus
mehrfacher Perspektive voller Lebendigkeit in der Konserve steckt.
The Philosophy of Canned Dreams: Heute ein Thema für
den Massentourismus und zugleich zum ausgesprochen dankbaren Fach der
Traumbewältigung. Wenn der Fünfundachtziger die Sheppard Avenue East
entlangfährt, steigen fast alle Insassen bei Bayview Station aus. Sie wollen
sehen, wo ihre Träume herkommen. Sie wollen sehen, woraus sie gemacht
werden. Sie wollen sehen, ob bzw. inwiefern Wirklichkeit und
Einbildungskraft einander generieren.
In einem Penthouse bei Bayview Mews wohnte früher einmal
eine junge Polin. Sie genoss das Leben in der wohletablierten Nachbarschaft
aus vollen Zügen. Eines Tages aber öffnete sie gleich zwei Träume auf
einmal. Die Polizei suchte vergeblich nach Anhaltspunkten ihres Verbleibs.
Doch die griechische Wahrsagerin an der Ecke wusste zu berichten, sie sei
der Polin neulich während der Meditation mehrere Male "drüben" begegnet, als
sie die Träume von Männern interpretierte, die wissen wollten, was Liebe
sei.
Ein
Inder mit dem Laptop unterm Arm meinte, dass die Frau ganz einfach deswegen
nicht mehr da ist, weil unsere Wirklichkeit keinen ontologischen Bestand
hat. Auch der Chinese aus dem Reisebüro nebenan vertrat diese Idee, indem er
zu bedenken gab, sie sei bloß aufgewacht (Gibt es uns denn überhaupt?), aus
dem nur erträumten diesseitigen Reich geschieden, um "drüben" wirklich zu
sein. Wir haben eben zu viele Konserven hergestellt, fügte er gelassen
hinzu. Das Gleichgewicht zwischen Traum und Realität sei geschädigt.
Ein spanisches Liebespaar drängte sich zum Factory
Outlet, um volle drei Kisten zum ermäßigten Preis zu erstehen, die der Mann,
ein stattlicher Don mit Vollbart (und natürlich auch voller Schulden), dann
prompt in seinem Kombi verstaute. Ein Deutscher hatte seinen Traum noch kaum
zu Ende erlebt, und schon wollte er, das Würstchen in der Hand, den nächsten
öffnen. Ein Schweizer schaffte sich im Handumdrehen eine Franchise an, um
Zeit zu konservieren. Und Geld. Der Schweizer vermarktete seine Uhren nun
schon seit mehr als fünfundvierzig Jahren. Den Puls der Zeiten hatte er
folglich seit je gleichsam unwillkürlich gemessen, und immer war dann alles
in einem allmächtigen Augenblick eingefangen.
Wie sich später herausstellte, hatte die Polin den
letzten Traum des Italieners gekauft. In seinem letzten Traum aber hatte der
Italiener geträumt, er sei der Vater eines unehelichen Kindes, und dieses
Kind würde die Fabrik von ihm erben. Zwar war die Polin selber kein
uneheliches Kind, doch nachdem sie den Traum öffnete, war sie sich dieses
Umstandes nicht mehr vollkommen bewusst, so dass sie unwillkürlich einem
Prozess der Identifikation mit dem Traumkind des Italieners erlag. Als sie
dann nicht mehr aufwachte, wollte sie die Fabrik. Und als sie dann
schließlich doch wieder aufwachte, wollte sie die Fabrik umso mehr.
Freilich
war sie aber weg, als sie aufwachte. Im Eiltempo kamen die Ermittler direkt
aus Ottawa. Ein Inspektor mit virtueller Erfahrung, drei sprachlich begabte
Linguisten und fünf besessene Psychoanalytiker machten sich ans Werk. Alle
Bedeutungsstrukturen wurden in Seme zerlegt, die Seme gefiltert und
ordentlich archiviert. Dann begann die Interpretation.
Der Inspektor sah sich die Traumszene an. Es war nichts
mehr da, was auf einen Anhaltspunkt gedeutet hätte. Am Boden der Konserve
klebten noch ein paar Erinnerungen, doch sie waren eher vage. Im Süden der
Stadt glänzte ein CN-Turm, der ziemlich echt aussah. Nebenan wucherten
Kräne, eifrig daran bestrebt, eine neue Stadt zu errichten: SuperCity sollte
ein senkrechtes Modell aus Spiegelkraft und Silikon-Glut werden. Der
Inspektor schrieb sich auf, was ihm wichtig schien, und wanderte durch die
noch nicht existierende SuperCity. Es war wie gesagt nicht das erste Mal,
dass er virtuelle Umstände recherchierte. Am nächsten Tag ging er aufs
Revier und registrierte alle normalen Befunde unter der Rubrik Normal. Die
seltsamen Sachverhalte aber bekamen den Vermerk Merkwürdig darauf
gestempelt.
Die Linguisten stellten bemerkenswerte Zusammenhänge
fest, welche die computergesteuerte Bearbeitung des Testaments nahelegte.
Sie staunten lange, denn im Text gab es Leerstellen, die immer wieder neu
interpretiert werden konnten. Dann machten sie sich daran, Begriffe zu
erläutern. Es dauerte eine ganze Weile, bis alle Begriffe erläutert wurden.
Don Torontone war übrigens ein ausgesprochener Stilist gewesen.
Die
Psychoanalytiker analysierten den Traum. Bald kam ein Krankenwagen, der sie
in die Anstalt bei Wonderland einfuhr, da die Speicherkapazität ihrer
ungenügend vernetzten Gehirne überfordert war. Sie erholten sich aber
schnell und schrieben darauf gleich sehr lange Beiträge für internationale
Kongresse, weil sie spürten, dass sie nun sozusagen
hands-on experience mit dem ganzen Ding hatten, ohne davon streng
genommen mehr zu begreifen als vor ihrem kollektiven Nervenzusammenbruch.
Die Beiträge der Psychoanalytiker wurden in Großauflagen
herausgegeben und mit stattlichen Preisen versehen. Die Linguisten durften
an der Festschrift zu Ehren des epochemachenden Italieners mitwirken. Der
Inspektor wurde befördert, geadelt und pensioniert. Er war dem Objekt der
Ermittlung sehr nahe gekommen. Und er hatte einen ganzen Haufen sonderlicher
Prinzipien sauber klassifiziert.
Wahrheiten kann man nicht zählen, vor allem weil sie ja
schon aus ihrer rein begrifflichen Veranlagung heraus in der Regel so
unbestimmbar sind und einen jedweden überindividuellen Ansatz der
Beständigkeit scheuen. Historische Wahrheiten aber lassen sich angesichts
ihrer überwältigenden Ausstrahlungskraft ungleich schärfer anpacken, und
deswegen gibt es denn schließlich auch so viele Historiker, deren
Steckenpferd es ist, die großen, meist verdammt detailreich überlieferten
Momente der Weltgeschichte zu zählen, von denen sie dann oft genug mit
Begeisterung, mitunter sogar mit bemerkenswerter kreativer Begabung
erzählen. Auch bei Bayview Village wurde ein interdisziplinär ausgebildeter
Historiker angestellt, der die Größe der ontologisch-semantischen
Produktionsstätte in ihrer unheimlichen Immanenz und zugleich in ihrer
irgendwie ausgesprochen erbaulich stimmenden Transzendenz erfassen sollte.
Der Historiker interpretierte die Ausweglosigkeit der Vergangenheit und
entwarf mögliche Wege in die Zukunft. Seine Anschauungen wurden unter
Berücksichtigung sämtlicher vorliegender philosophischen Systeme behutsam
verpackt und mit einem entsprechenden Gütesiegel versehen.
Ein
Traum Club wurde gegründet. Die Fans besuchten Bayview Village jeden
Dienstag, weil es dann immer auch Veranstaltungen mit bedeutenden Träumern
gab. Sie stellten Fragen. Sie lasen Antworten. Sie kauften sich die
Festschrift zum ermäßigten Preis. Am Lautsprecher wurde gesagt: "Vorurteile
ab! VR-Mindset on! Das ist eine andere Welt. Falsch eingestiegen?"
Das Testament des Italieners hing lange Zeit groß vor dem
Eingang. Manche behaupteten freilich, es sei ja gar kein Testament, sondern
bloß ein Manifest. Andere wiederum wollten darin grundlegende hermeneutische
Sachverhalte erkannt haben. Hier ist der vollständige Text:
"Mit Wahrheiten kann man jederzeit handeln. Ich zum
Beispiel habe mir gestern drei Wahrheiten gekauft, weil man ja sagt, drei
sei eine wichtige Zahl, mehr noch, die Zahl aller guten Dinge. Der erste
Satz besagt, dass es mich gibt. Der zweite, dass es mich gegeben hat. Und
der dritte, dass es mich geben wird. Von meiner kleinen Subjektivität als
individuelle Gefühls- und Gedankenfabrik bis zur großen kollektiven
Subjektivität kategorischer Imperative der Vernunft gibt es darüber hinweg
nicht mehr viel.
Natürlich
weiß ich inzwischen, dass es mich strenggenommen nicht gibt, dass es mich
nie gegeben hat, dass es mich nie geben wird. Aber angesichts all der vielen
heutzutage ziemlich preiswert verfügbaren Schichten des Seins ist auch
dieser tragisch-faktische Umstand nur vorübergehend. Wichtig bleibt eins.
Ich habe die Gleichung gefunden, aus der die Dinge hervorgegangen sind. Sie
ist sehr einfach. Alles, was ist, ist sehr einfach.
Mit dieser Erkenntnis scheide ich hin, gleite ich über in
die unsagbare Pluralität von Zusammenhängen, die wir ja ansonsten gewöhnlich
unser nannten. Ich weiß: Wenn ich auf die Waage gehe, wird jeder Trieb
gewogen, der mir je hätte widerfahren können, jeder Gedanke, den ich je
hätte hegen können, jeder Traum, den ich je hätte träumen können. Die
bestmögliche Wahrheit muss immer die vollständige Statistik aller
individuellen Ereignisse an sich und für uns bedenken. Ich werde aber jetzt
meinen Gedankenzug nicht zu Ende bringen, sonst wäre ja alles eins. Denn in
jedem Wort steckt Liebe. Und in jeder Liebe steckt das Wort.
Wer wir sind. Was wir werden. Diese unwesentlichen Fragen
gehen mich herzlich wenig an. Dass sie überhaupt gestellt werden, finde ich
ehrlich gesagt ausgesprochen überflüssig. Was wir wollen, darauf kommt es
an. Unser Wille zur Existenz hat diese Welt ermöglicht, die wir schöpfen.
Die
Idee einer Selbstsetzung des Daseins finde ich freilich untragbar. Es ist
vielmehr so, dass die Spontaneität an sich den sogenannten Dingen inne liegt
und dass die schiere Unwahrscheinlichkeit unserer sogenannten dinglichen
Existenz im Schatten großartiger mathematischer Relationen der
aufschlussreicheren Identitätsparadigmen harrt, die wir ahnen."
Alles klar.
"Warum sollten wir vor dem Tod zurückschrecken, wo doch
das Leben so schön ist?", hatte Don Torontone einst auf einem Kongress in
New York, New York von sich gegeben. "Gut so!" jubelte ihm die Menge
entgegen, obwohl die meisten den Widerspruch erfassten. An dem Tag
ging der kanadische Dollar nach oben. Die Börse reagiert nämlich empfindlich
auf solche Dinge.
Don Torontone hatte natürlich alles ursprünglich auf
Italienisch geschrieben. Durch vollautomatisierte Weisheit-Algorithmen wurde
es dann jedoch gleich ins Englische übertragen. Allem Anschein nach ist der
Sinn des Ganzen immerhin weitgehend beibehalten worden. Verloren ging
lediglich die Gleichung. Nur war die eben leider sehr wichtig.
Meist las jedoch sowieso keiner das Testament. Das ging
wie bei Schillings Werken. Tagsüber träumte man vor sich hin. Abends stürzte
sich immer ein Haufen Menschen in die Sheppard-Busse, um zurückzugelangen:
in die Alltagswelt. Oder aber sie drängten zur U-Bahn, den wohlpräparierten
Mythos von der Unsterblichkeit der universalen Konservenseele im Rucksack.
Irgendwann legte sich dann schließlich der Wirbel.
Die
Fabrik wurde umgebaut. Ein Neffe der hübschen Polin führt jetzt das
Geschäft. Der neue Erbe, President & Chief Executive Officer, ein gewisser
Pan Roncesvalles, hatte einst in Las Vegas gearbeitet. Er wusste, dass man
im Leben halt immer auf sein Glück bauen muss, um voranzukommen. Er wusste
aber auch, dass sich das Glück eines jeden irgendwann einmal wendet. Die
Opportunität lag da, und er hat sie wahrgenommen. So leicht werden Geschäfte
gemacht. Seine Rechtsanwälte haben die Richter davon überzeugt, dass er der
rechtmäßige Erbe des Italieners sei. Er hatte ein terminologisch treffendes
Protokoll erstellen lassen, das unter anderem in Zukunft dem Verschwinden
von Träumern vorbeugen soll. Die Rechtsanwälte des Italieners freilich
vertraten die Meinung, dass Don Torontone rechtmäßig gar nicht gestorben sei
und folglich keine Erben haben könne, weil im Schlaf Erlebtes eben keine
legale Wirksamkeit habe. Aber der neue Inhaber ließ sich da nichts
vormachen, zumal der alte Inhaber ja nicht mehr da war.
Er hat sogar eine Pressekonferenz veranstaltet. Das
Thema: "Bayview Village – die SuperCity im nördlichen Teil von Toronto. Drah
di amoi um!" Ab und zu spricht der neue Gemütshersteller auch vor der
Kamera. Sein Traum sei es, eines Tages eine ganz große Denkfabrik zu
gründen, in der grundlegende Gedankenzüge zwecks ihrer ungehemmten
weltweiten Verwendung produziert werden sollen. Wirklichkeit durch
Einbildung erobern: Jeden Tag spiele er mit der Idee. |