Ich erlaube es mir, die
Frage angesichts ihrer Dringlichkeit (und eines einschlägigen kaiserlichen
Erlasses, den ich der g’schätzten Leserschaft auf Wunsch gerne vorzeigen
kann (eine beglaubigte Kopie liegt der Redaktion vor) selbst zu beantworten:
FIX IS NIX.
Let me explain. Des is wia a Kitzel in Kitzbühel. Wia
a Zwicker in Zwickau. Wia a I in I hob recht. Alles schön
oberösterreichisch gefärbt, versteht sich. Sine qua non dialektal verfeinert
… ‘cause you can take the girl out of Upper Austria, but you cannot take
Upper Austria out of the girl.
Alles klar? Yep, yep, yep! That’s what they say.
In diesem Sinne: Chicago. The Kansas Mob. Las Vegas.
We smoked them all. Ach! Die guten alten Zeiten! Vor allem spielten wir
allerdings Whist und Bridge. Mit meinem Bruder Robert gewann ich einst das
Große Bridgeturnier der Cabana Piatra Arsă, und mit meinem Bruder
Toni das Große Bridgeturnier der Cabana Bolboci. Dieses spielte sich
im Winter, jenes im Sommer ab.
Wanderers Logbuch: alles säuberlich über ollen Gipfeln
and in ollen Wipfeln verzeichnet. Properly logged.
BRIDGE AM BERG: TEAM PLAYER EVER AFTER
Und es ist denn nun auch das kollaborative Moment des
Bridge, vornehmlich während des Reizens, das mit unserem Verständnis
gelungener Wanderschaft immer wieder in wundersamer Art und Weise in
Resonanz trat. Bei jedem Ausflug verteilte der Berg gleichsam die Karten
aufs Neue, und es lag am Einzelnen (oder eben am Team bzw. an der Gruppe),
die jeweilige Hand im gegebenen Kontext optimal auszuspielen: to play the
hand we were dealt.
DER REIZ DES REIZENS? O MEI! ZWICKTS MI WACH!
Der Bolboci-See war tiefgefroren, was den Zugang zur
Cabana Bolboci erleichterte. Wir querten einfach den See. Vom
Bucegi-Plateau (Vorentlastung: per Seilbahn von Busteni bis Babele) waren
wir zu viert runtergelascht: Toni, ich, Julică und Gogoasă. Ein kalter Wind
wehte übers Bergland. Den meisten jagt sowas Angst ein. Wir jedoch waren
guter Dinge. Um uns herum? Die Super-Karpaten der Eiszeit! Doppellutscher,
Twinny, Jolly und Cornetto für jedermann! Aus kaiserlichem Befehl. So
stellten wir es uns jedenfalls vor. Den Kaiser kann ich leiden.
Nicht einmal der dicke Dichter aus dem dichten Dickicht,
ja, genau, der von denen, hätte die gefrorene Zeitlichkeit dieser eideutig
geilen Instanz des Erhabenen an sich und am Berg besser erfassen können.
Einbildungskraft pur. Kraftkerl-Demokratie ohne Obergrenze. Yapadapadu! Koa
global warming weit und breit. What’s not to like?
Robert sollte sich aus Zeitmangel erst zwei Tage später
zu uns hinzugesellen. So genossen wir denn zunächst das leise Säuseln des
Windes und die stimmungsvollen Facetten der winterlichen
Bilderbuch-Landschaft rundherum und unsere lockeren Ausschweifungen über das
tiefere Wesen der Schneeflocken wie des Kartenspiels und dessen unser
inwendiges Weltgebilde weiterführenden Bedeutungskonstellationen naturgemäß
ohne ihn.
GENAU: RUNDUMADUM
Es hatte geschneit und geschneit und geschneit. Dem Yeti
sollte es recht sein. Ein rumänisches Wintermärchen aus alten Zeiten lockte
uns ins Reich der Schneepoetik. Das lag auf der Hand. Zwei offensichtlich
recht kundige Feen, die wir im Zwielicht deutlich zu vernehmen meinten,
zeigten uns auf Anweisung des allgegenwärtigen freundlichen Karpatengeistes
den zumutbaren Weg in die nahe Zukunft. Und sie fragten (da bin ich mir fast
ganz sicher): "Are you IN or are you OUT?" Und man spürte es durch alle
Poren: Jetzt werden die Karten gemischt. Der kurze Jänner-Tag neigte
sich seinem bestmöglichen Ende zu. Jede Monade eine Schneeflocke, nein, ein
Schneekristall. Wir hatten keine Angst. In unseren Lungen? Pure
Karpatenluft!
Und in der Hosentasche? A deck of cards.
"Auf dass uns das Schicksal hold sei!" Iulicăs Stimme
klang ein bisschen heiser. Die Sonne war schon längst untergegangen. Im Tal
hörte man die Wölfe heulen. Gott sei Dank von weit weg. Der Mond, die
Sterne, der Schnee, das ferne Licht der Berghütte jenseits des Sees, die
unsere jodelnde Bande dann ein paar Stunden später denn schließlich auch in
der Tat heil und intakt erreichen sollte. Ein besinnliches Aufgehobensein
des Städtischen, des Allzustädtischen, aus dem wir mal wieder kurz
geflüchtet waren, um soweit möglich einigermaßen zu uns selbst zu finden. Zu
einem erweiterten Selbst, das wir anstrebten und erahnten. Out there. And
deep inside.
ES WAR STOCKFINSTER. NEIN, ES WAR SCHNEEHELL.
Gogoasă bahnte den Weg. "Mir nach, Leute! Let’s do this!"
Er war der Größte – oder doch jedenfalls der Massivste – von uns. "Wenn das
Eis nicht unter deinem Gewicht bricht, schaffen wir’s alle safe and sound
durch", postulierte Iulică. Toni und ich stimmten ihm bei. Iulică war gut im
Postulieren. Bei minus 20 Grad a no-brainer.
Alles lief paletti. Bis zum Aufstieg gen Berghütte,
that is. Der Hang war nämlich recht glitschig, und manchmal rutschte
Gogoasă jeweils so an die 20-30 Meter zurück. Da wir anderen ihm nun aber im
Gänsemarsch folgten, riss er uns jedesmal allesamt zwingend mit, wenn’s
schon wieder mal soweit war. Talk about a slippery hill.
ODER AUF GUT DEUTSCH:
Jack and Jill went up the hill
to fetch a pail of water.
Jack fell down and broke his crown
and Jill came tumbling after.
Und dann merkten wir, dass sich die Berghütte wie in der
Befangenheit eines übergeordneten Magnetismus des mutmaßlich besten
Berg-Konstrukts von karpatischer Art und Kunst immer weiter entfernte, wie
sich unser anfangs aller Welt doch so real dünkendes Ziel zunehmend ins
schöne imaginäre Reich des Konjunktivs zu einem winzigen Als-Ob der
Einbildungskraft destillierte. Und die malerischen Sterne des
unwahrscheinlich poetischen Karpatenhimmels stürzten auf uns
Indikativ-Burschen mit beschränkter Einbildungskraft hernieder, und wir
schlitterten und rutschten und purzelten den Hang hinunter und mussten uns
jedes Mal erneut zu Tode lachen. Das perfekte Scheitern.
Was uns jedoch keineswegs störte. Denn mal davon
abgesehen, dass wir mit der Zeit immer durstiger wurden (das Wasser war in
den Feldflaschen gefroren), strotzten wir nur so vor guter Laune. Es hätte
nicht lustiger sein können.
Und irgendwann verwirklichte sich dann unser
Wanderungs-Konjunktiv ungehemmter Potentialität in der konkreten Gestalt
eines erbaulichen Indikativs realer Umstände. Wir erreichten die Berghütte
Bolboci. Der Wirt zeigte uns die Stelle, wo die Stämme lagen, aus denen wir
unser Brennholz schlagen durften. Wir schaufelten etwa zwei Meter Schnee weg
und … sieh einer an! Prächtige braune Karpatenstämme, die wir prompt zu
anschaulichen Klötzen zersägten. "Sturm und Drang!", sag ich doch immer.
Sturm und Drang!
May the force be with you.
Ach! Wie märchenhaft. Wie phantastisch karpatisch!
Like in a lumberjack tale. Dann hackten wir die Klötze zu Scheiten – und
rein in den Kamin damit! Dass die Fensterscheibe des kleinen Fensters, mit
dem unser einfaches, doch stimmungsvollen Stübchen bedacht war, wohl aus
irgendwelchen fensterrechtlichen Gründen fehlte(Fensterläden gab’s natürlich
auch nicht), machte uns herzlich wenig aus. So gut funktionierte die
Heizung!
DENN A STATTLICHER KACHELOFEN IS IMMER NO A STATTLICHER
KACHELOFEN. TACITUS.
Es stand in den Sternen geschrieben, dass dies ein
kolossaler Ausflug werden sollte. Und die vielen Sterne, die man übrigens
bei Nacht sehr gut sehen konnte, sagten immer die Wahrheit, die volle
Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Von unserem dann noch bald genug
errungenen Goldenen Bridge-Pokal hätten wir ganz bestimmt ebenfalls
schon im Voraus in den Sternen lesen können, wenn … tja wenn wenn wenn wir
halt hätten in den Sternen lesen können.
Toni und ich vermochten das (ausnahmsweise) nicht.
Vielleicht bockten’s ja Julică und Gogoasă …? Wir haben sie aber nicht
gefragt. Ob man dazu wohl ein großes Fernrohr bräuchte? Oder ein altes Buch?
Oder eine moderne Rechenmaschine? Oder …?
FRAGEN ÜBER FRAGEN. THE ANSWER WAS HERE ALL THE TIME.
"Der Herrgott würfelt nicht", hatte Einstein im
Zusammenhang der Quantenphysik und der neuen, unscharfen Ontologien, die
sich daraus ergeben, postuliert. Kurz und bündig. Freilich bleibe dabei im
großen Ganzen so ziemlich olles weiterhin relativ, besonders time
and space.
Den Einstein kann ich leiden.
Außer es liegen mal zufälligerweise zwei Würfel herum …
In meinem Essayband "Europe on One Roll of the Dice. My Suspended Stories of
Ideas" (PerNi Publishing, Reihe Zeitkritik, Nr. 1) bedenke ich das
Zeitgeschehen aus der quantum state of mind und der so durch und durch
bedeutungsstiftenden einschlägigen Erscheinungsform des
Paradigmenzusammenbruchs heraus. Und das hat auch mit unserem
Herum-Latschen in den Bergen zu tun. Als Jugendliche quatschten wir über
Heisenberg, Pauli und de Broglie, über Brecht, Dürrenmatt, Antoine de
Saint-Exupéry, Victor Hugo und Canetti. All good people read good books,
sollte Tanita Tikaram ("Twist in my Sobriety") dann zwei Jahre später
singen. Ja. Passt. Und wir hatten leidliches Schuhwerk.
Die Sterne über dem ausgesprochen philosophisch
bestirnten Bolboci-Himmel waren übrigens wie "zum göttlichen Entzücken" so
gut zusammengewürfelt worden, dass man, selbst wenn einem die einzelnen
Sternbilder nicht hundertprozentig geläufig waren, anhand ihrer leicht
tänzelnden Geworfenheit– oder sagen wir ruhig: Gewürfeltheit–
halb bewusst und halb im Traum jenem zauberhaften Konstrukt eines
beglückenden stroke of luck näher kam, das wir out there und
zugleich deep within ahnen, wenn wir uns gelegentlich mal die Frage
stellen, warum denn eigentlich gerade dasjenige, was der Fall ist, der Fall
sei.
Ach so! … Jetzt ist unser Ludwig da. Mit anem Stamperl.
Ein Hoch auf die Hoamat! Sehr anständig. Sehr zeitgemäß. Bruderschaft zum
göttlichen Entzücken. Zur Stärkung. "Guys! Olles, wos der Fall is."Let’s
do this!
Den Ludwig kann ich leiden.
Dabei hat es jedoch mit dem Schweigen streng genommen nie
so richtig klappen wollen – selbst wenn mal keiner was zu sagen hatte. Der
Berg war für uns nämlich immer auch ein Ort der uneingeschränkten Debatte.
Unsere eigenartige Herzkammer-Musik ertönte in den warmen Arien einer
unscharfen Erörterung der Dinge, die, das spürten wir intuitiv, im trauten
Irgendwo zwischen dem Möglichen und dem Wahrscheinlichen angesiedelt zu sein
schien. Jeder Schritt, jeder Gedanke, jede Formulierung, jede Schneelawine
indeed ein grandioser Paradigmenzusammenbruch.
Kurzum, es war heiß in unseren Herzen. Und das Blut des
Braunbären ist noch heißer als dasjenige des Menschen. Und wir
wussten: "Es schneit, also gibt’s uns." Ein angewandter Descartes. Das
Wetter lud zum Winterschlaf ein. Tagelang wütete der Schneesturm – und ich
gewann wie gesagt gemeinsam mit Toni das Große Bridgeturnier am Berg. "Mir
ham’s gewonnen, oisa gibt’s uns!"
DANKE. DANKE. DANKE. PIECE OF CAKE.
Nur einmal wagten wir einen gewaltigen Ausflug ins
ungefähre Weiße, um die Karten des Winters aus dem Mysterium der unerhörten
Tathandlung heraus neu zu mischen. Wir wateten durch den frischen Schnee.
Aufs Geratewohl einen steilen Hügel hinauf. Das Erlebnis der Winterwelt, aus
dem wir dann nach und nach ein wahrhaftes Spracherlebnis werden ließen,
hatte uns fest in Griff. "Erzähl mal, wie’s war! Schieß los!"
PUTTING IT DOWN IN WORDS … ‘CAUSE THAT’S WHAT WE DO.
Es war traumhaft. An der Grenze zur begrifflich in
imaginären Zahlen verpackten Irrealität des Elementaren. "Sei ruhig,
freundlich Element", meinte übrigens einst ein Teil von jener Kraft.
Und nach diesem erbaulichen Imperativ schritten wir voran: immer mit der
Ruhe. Keine Trumpfkarte im Ärmel, doch playing our hand with the big
picture in mind.
Nach unten ging es sehr schnell. Zu schnell, würde einer
jetzt im Nachhinein sagen. Beim Abstieg verrenkte ich mir das linke Knie. Es
tat sehr weh. Am meisten schmerzte dann freilich das Einrenken. Doch was
soll’s … Finis coronat opus. Am nächsten Abend schafften wir den
Großschlemm. Und dies wiederum gehörte unabdingbar zur kolossalen Realität
des Elementaren.
Im Radio? Trio. Herz ist Trumpf. "Da, da da, ich lieb
dich nicht, du liebst mich nicht, aha …"
Robert musste einen Tag früher aufbrechen. Die Route, die
er einschlug (und die wir anderen dann am nächsten Tag ebenfalls
einschlugen) wurde, wie wir zeitnah in Erfahrung brachten, am Tag seiner
Abreise von einer Schneelawine heimgesucht. Doch Robert hatte, so unsere
Berechnungen, die brenzlige Stelle bereits gut zwei Stunden vorher passiert.
Es sollte sich bald genug herausstellen, dass unsere
Berechnungen der Wirklichkeit entsprachen. Und in diesem einen Falle stimmte
die Wirklichkeit mit der Wahrheit überein. Mit der inwendigen Wahrheit des
"unserem Berggeschehen" zugrundeliegenden Narrativs, einer nur da, nur dann,
nur so voll und ganz einleuchtenden essayistischen Urtümlichkeit par
excellence, die schon in jenen – mittlerweile mythisch verklärten – Tagen
des sinnstiftenden Super-Karpaten-Kartenspiels à la Bolboci in der
ganzen Bande, our old gang, steckte und unseren jeweiligen Lebensweg,
jetzt ist’s mir klar, jahrzehntelang weitgehend mitbestimmen und formen
sollte. |