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Das Johannis-Prinzip
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...Wie der Deutsche Klaus Johannis das rumänische Hermannstadt rettet

Schulen mit funktionierenden Heizungen. Beamte, die nicht brüllen und fast so etwas
wie Kompetenz vermuten lassen. Gesunde Stadtfinanzen und eine Arbeitslosenrate,
die gegen null tendiert:
Hermannstadts Renaissance ist mit Händen zu greifen.
Es herrscht eine Atmosphäre des Aufbruchs.

Von Boris Kalnoky
(01. 01. 2007)

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     Gemächlich windet sich der Zug durch die grünen Hügel Siebenbürgens. Wer auf Schienen nach Hermannstadt will, der muss sich von der Haupttrasse und von Expresszügen verabschieden, um im Bummeltempo durch malerische Natur in eine andere Welt zu gelangen eine Welt, die zu verschwinden drohte.

Die historische Metropole der Siebenbürger Sachsen von den meisten dieser Rumäniendeutschen nach der Wende verlassen und von der Regierung vernachlässigt war klinisch tot. Baufällig, bankrott, buchstäblich im Zerfall. Binnen weniger Jahre hat sie sich jedoch wie Phönix aus der Asche erhoben. So eindrucksvoll, dass Hermannstadt 2007 die Kulturhauptstadt Europas sein darf zusammen mit Luxemburg. Ein wahres Wunder, und doch nur das Werk eines Mannes.

Der heißt Klaus Johannis, ist Physiklehrer und seit vier Jahren Bürgermeister und tut eigentlich nur ganz einfache, vernünftige Dinge. Das Wunder besteht eher darin, dass ausgerechnet er Bürgermeister in Rumänien werden konnte. Kaum vier Prozent der Bevölkerung sind noch deutsch, der Rest, bis auf einige Prozent Ungarn, sind Rumänen. Dennoch war es der Deutsche Johannis, der bei den Kommunalwahlen im Jahre 2000 siegte, noch dazu deutlich. "Die erste Wahl 2000, das war eine typische Protestwahl", erinnert sich Johannis. "Die Leute hatten nach der Wende alle anderen Parteien ausprobiert, waren jedes Mal enttäuscht und stimmten nun eben für den Außenseiter."

    Bei der letzten Wahl Anfang Juni konnte jedoch von Protestwahl keine Rede mehr sein. Da stimmten 90 Prozent der Hermannstädter für den Deutschen, weil er ihre Heimatstadt wieder lebenswert gemacht hat. Johannis erscheint vielen wie ein Schutzengel in letzter Not, der gottgesandt vom Himmel fiel. Das jüngste Wahlergebnis, sagt Johannis, "war für die anderen Parteien ein echter Schock. 90 Prozent, das gibt es bei demokratischen Wahlen eigentlich gar nicht."

Was ist es, das man tun muss, um in Rumänien solche Begeisterung zu entfachen? "Ganz einfache Sachen", sagt Johannis. Schulen mit funktionierenden Heizungen. Beamte, die nicht brüllen und fast so etwas wie Kompetenz vermuten lassen. Wenn ihnen der Herr Bürgermeister einfach bloß auf die Finger schaut, dann verdreifacht sich sogar unversehens der Finanzhaushalt. Vor allem aber zählt die Liebe dieses Mannes zu seiner Heimatstadt. Ihn habe deren Verfall derart erschüttert; da habe er kandidiert: "Ich wollte, dass ich selbst und alle Hermannstädter wieder sagen können, wie schön es ist, hier zu leben."

    Drei Beispiele nennt er für den Johannis-Stil. Das erste betrifft die Verwaltung. Vor vier Jahren musste der Bürger, wenn er etwas wollte, bei einer von zahllosen Dienststellen einen Antrag einreichen, wurde dann von Amtsstube zu Amtsstube gejagt und musste endlich, wenn alles erduldet und erlitten war, Ewigkeiten auf eine Antwort warten. Jetzt gibt es nur noch eine Anlaufstelle, das Bürgerzentrum. "Dort warten fünf Kollegen mit Computern. Was immer man will, ob Information, Beschwerde, Steuererklärung, Baugenehmigung - im Bürgerzentrum bekommt man den nötigen Rat, das passende Formular, kann jeden Antrag einreichen. Und egal, worum es geht, nach zwei bis drei Wochen ist die Antwort da." Das ist nicht nur für Rumänien unerhört, so manche bundesdeutsche Behörde könnte einen Johannis gebrauchen.

Das zweite Beispiel betrifft die Grund- und Immobiliensteuer. Daraus finanziert sich die Stadt, und bislang musste der Bürger bei der Behörde Schlange stehen, um einzuzahlen. "Bis zu zehn Stunden", sagt Johannis. Das hat er abgeschafft. Nun kann bei jedem Postamt eingezahlt werden.

Das dritte Beispiel: nette Beamte. Unerhört in weiten Teilen Rumäniens, aber Hermannstadts Beamte sind freundlich, hilfsbereit und bemühen sich um Kompetenz. Die meisten Bürger hätten das nie für möglich gehalten. Wie hat er es geschafft? "Ich habe ein paar Exempel statuiert. Vor allem im Führungsstab. Das sickert dann rasch nach unten durch, wenn die Chefs wissen, dass ein neuer Stil gefragt ist."

    Hermannstadts Renaissance ist allenthalben mit Händen zu greifen. Es herrscht eine Atmosphäre des Aufbruchs, überall wird an den Gebäuden der mittelalterlichen Altstadt renoviert, die einst einsturzgefährdete oder bereits eingestürzte Stadtmauer wird erneuert. All das kostet Geld, Rumänien ist ein armes Land, und Hermannstadt in dieser Hinsicht durchaus eine rumänische Stadt. Aber Johannis hat Geld aus dem Nichts gezaubert. "Es ist eigentlich nur eine Frage der Finanzdisziplin", sagt er bescheiden auf die Frage, wie er denn den Haushalt innerhalb von vier Jahren verfünffacht hat. Und unterstreicht, dass minus Inflation höchstens von einer Verdreifachung die Rede sein könne auf gegenwärtig 40 Millionen Euro.

Wie aber hat Johannis bei seinen Beamten Finanzdisziplin durchgesetzt? Seine Antwort klingt wie eine höfliche Umschreibung für das Zunähen löchriger Beamtentaschen. "Ich bin halt persönlich jeden Tag überall gewesen und habe mir die Dinge angesehen." Solcherlei spricht sich herum, und dies mag erklären, wieso Hermannstadt inzwischen bei Investoren so einen guten Ruf hat. In den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit ist er durch Deutschland gereist und hat viel geredet, um Investoren zu gewinnen. "Das hat überhaupt nichts gebracht." Also blieb er fortan daheim und kümmerte sich um investitionsfreundliche Rahmenbedingungen. Die Stadt erschloss Brachland für ein fünftes Industriegebiet und berechnete Investoren nur die Selbstkosten. Bot eine funktionierende, transparente Verwaltung in Rumänien ein geschätzter Vorteil.

    Die wichtigste Rahmenbedingung ist allerdings Johannis selbst. Inbegriff ernsten Understatements und siebenbürgisch-sächsischer Unaufdringlichkeit, würde er selbst das natürlich nie so sagen. Er sagt vielmehr: "Die Investoren schätzen, dass ihr Ansprechpartner die Stadt ist." Und nicht etwa der rumänische Staat. Die Stadt als Partner schätzen Investoren freilich deswegen, weil sie in der Person von Johannis auftritt. Und so blüht der Arbeitsmarkt auf. Arbeitsplätze werden geschaffen, bis nächstes Jahr 3000, bis 2006 bis zu 6000. In Hermannstadt herrscht jetzt bereits mehr oder minder Vollbeschäftigung (vor vier Jahren gab es noch 20 Prozent Arbeitslose) die Stadt wird zum Magneten fürs Umland. Das wird die Einwohnerzahl anschwellen lassen, und das wiederum könnte eigene Probleme schaffen. Aber, sagt Johannis, "solche Probleme, die durch einen Überfluss an Chancen entstehen, löse ich gern."

Bleibt die Frage, wie Hermannstadt zur Kulturhauptstadt 2007 erkoren wurde. Bei diesem Thema löst sich der ernste Siebenbürger und beginnt, von der Geschichte der Deutschen hier zu erzählen. Viele der ersten Zuwanderer vor 800 Jahren kamen offenbar aus dem Raum des heutigen Luxemburg. Das ist die Basis einer heute sehr engen Beziehung zwischen dem Großherzogtum und Hermannstadt. Der reiche Kleinstaat unterhält ein eigenes Konsulat in der kulturell reichen Kleinstadt. Als dann Luxemburg erneut Kulturhauptstadt werden sollte, schlug man dort vor, sich diese Würde mit Hermannstadt zu teilen. Allerdings wäre es vermutlich kaum dazu gekommen, hätte Johannis die Stadt nicht bereits wettbewerbstauglich gemacht.

     Hermannstadt ist dabei, zu einer echten Erfolgsgeschichte zu werden. Es ist erstaunlich, wie viel ein einziger Mann manchmal bewegen kann. Wenn er kann. Und wenn man ihn lässt.

Dieser Artikel wurde uns freundlicherweise
von www.welt.de
zur Verfügung gestellt.

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