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Captain O'Mei in Laa an der Thaya

"Olala, mir san in Laa!", gab O’Mei wohlgelaunt von sich. Er hatte seinen alten Kumpel,
Captain O’Lala, am Ende der famosen Laaer Ostbahn erkannt. What a day! …

Von Vasile V. Poenaru
(31. 12. 2021)

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Vasile V. Poenaru
bardaspoe [at] rogers.com


geboren 1969, zweisprachig
aufgewachsen, Studium der
Germanistik in Bukarest,
darauf Verlagsarbeit und
Übersetzungen. Lebt
in
Toronto.

 

 

 

 

   Vom Flughafen Schwechat, dem Zentrum der Zivilisation, war hier, im exterritorialen Hinterland, so gut wie nichts mehr zu spüren. Die redlichen Piraten der Sieben Meere mussten bis zu den outskirts of time eine beträchtliche Strecke zurücklegen, weswegen sie nun naturgemäß recht durstig waren und gleich mal jeweils a Stamperl bestellten.

Das traf sich ja gut. Aus der leeren Kaiserloge winkte ein fröhlicher Piratenlehrer, der höchstwahrscheinlich in einem nahegelegenen obligaten Wirtshaus mit denkbar eigener Privatbrauerei logierte und seine Schüler jahraus, jahrein fröhlich an der Nase herum zog. Hopf und Hefe hatte ein schwäbischer Markgraf aus Sărata zur Verfügung gestellt, der an der Mark für Geselligkeit und Solidarität sorgte.

Der g’schätzte Kaiser ließ sich ausnahmsweise mal nicht blicken. Immerhin konnte nun wenigstens vorübergehend Cpt. O’Mei – mit gleichsam altpreußischem Adlerblick und erbaulich kaiserlicher Ettiquette – an seiner statt nach dem Rechten schauen. Und Ober-Kuckuck Glenn, der allen unentwegt mit seinem imposanten Ober-Kuckuck-Blick imponierte? Durchaus anwesend! Mitten drin im Walde.

Warte nur, balde …

   Drei vom Bunten Amt für Piraterie vielfach preisgekrönte Poeten warteten ehrerbietig auf. Das Feuerross keuchte erschöpft. Die letzte Ölung stand bevor. O’Mei gab ihm freundlicherweise einen geilen Hafer-Tschick and a drink. Es war gut.

Ein anstrengender Tag neigte sich seinem Ende zu. Captain O’Lala lungerte natürlich schon seit Stunden in good ol’ Laa-Laa-Land herum – denn es kann einer ja nie wissen, wann der Zug kommt (soweit er freilich überhaupt kommt, was in der Regel, so die Sieben Weisen Piraten der Sieben Meere, eine Sache der Relativität ausmacht).

Und wenn einer nicht da ist, wenn er kommt, dann … Olala! "Konntos wissenos zugos wannos venitos kaanos." Tacitus.

Vieles, nein, alles war grenzwertig. Außer der Wahrheit natürlich. Die hatten die Pandemic Brothers nach wie vor in ihrem großen Pandemic-Brothers-Räubersack auf Lager. Gemeinsam mit einem stattlichen Gewürztraminer von Captain O’Party und dessen bezaubernden Frau Gemahlin. In vino veritas. In schnapsos schnapsitas. La dolce vita! Großer Party Supply Store. Angebot! Angebot! Angebot!

Nichtsdetsotrotz: Something was missing. Something of great importance. Nur … Was?

Wos? Wos?Wos?

   "Veni, vidi, vici!", schrie O’Mei gerade zur rechten Zeit mit einem so sonderlich akademisch-endemisch anmutenden Imponiergehabe, dass ihm sowohl seine eigenen Mannen als auch die feschen Gefolgsleute des g’schätzten Captain O’Lala spontan Beifall zollten und sicherheitshalber gleich a Stamperl für die Hoamat und für den feschen, prächtigen Selfie-Bundesdings (die jüngsten Eigenfotos zur Hand; impfbereit; verunglimpf-reif; ach! … machtgeil-solidarisch)anstießen. "Preschen wir nach vorne, Kameraden. Ahoi, ahoi! Der Horizont ist unser Freund."

Das Bundes-Dingsbums wartete bereits vorschriftsgemäß in Reichweite. Manch einer ging über Bord.

"Ahoi, ahoi!", kam in no time das Echo der Echo-Burschen, die sich nach und nach mit dem Tross einfanden. "Sag uns, wo’s langgeht, und wir folgen dir blindlings! Oh Captain, my Captain!"

O’Mei pirschte sich geschmeidig, doch entschieden an das Ding an sich an. An das Ding an sich in Laa an der Thaya. Und die Mannschaft? Hinterher!

Natürlich hatte O’Mei ja rein piratentechnisch betrachtet längst die Tatsache erfasst, dass das Ding an sich nur für uns da ist. "Kein Mensch muss müssen. O’Shallar! Rrr! … Ihr habt die Wahl. My way or highway."

Und alle fügten sich gedankenlos seiner starken Führung. Dass es war ernst. Und sein Papagei sagte: "O mei! …"

   Diese partout demokratische Ur-Grundeinstellung, dieser unabdingbare Beweis von Neuer Solidarität, von freiem Willen, von Mut, sapere aude, Super-Audi, geiler BMW, Mega-VW und vor allem eben nun auch zunehmend Tesla, just ask Captain O’Musk, von freier Urteilsbildung und strotzender, ja geradezu sprudelnder Urteilskraft erfreute O’Mei geradezu sine qua non. Deswegen sprach er denn nun ausnahmsweise auch mal a bisserl Russisch: "Schto eto? Schto eto? Entkorkt den Masetto! Wenn ich recht hab, hob i recht. Right? Right!"

Captain O’Arhi und Captain O’Medes nickten begeistert. Sowas nennt man die Welt aus den Angeln heben. Und aus den Sachsen.

Aus den Bayern und Schwaben natürlich auch.

"Herrschaften!", hatte der diensthabende Mast-Bursch auf WhatsItGonnaBe gepostet. "Aussteigen, bitte! Laa an der Thaya! Hurry up! Or else." Und eins war den erlauchten Fahrgästen der k. und k. Laaer Ostbahn auf Anhieb klar: The Mastbursch meant business.

Ob der verehrte Gast denn auch hundertprozentig satisfied sei, wollte O’Lala wissen, nachdem O’Mei sich a bisserl in der kleinen, aber feinen Ortschaft am Rande des Seins umgeschaut hatte. Und in der Tat war Laa an der Thaya all Captain O’Mei ever dreamt of in his philosophy.

Und er sagte: "Rrr! …"

   Dass O’Mei schon wieder mal vollkommen richtig lag, braucht an dieser Stelle ja eigentlich – wie die g’schätzte Leserschaft nur allzu gut weiß – nicht mehr extra hervorgehoben zu werden. Auf jeden Fall ließ O’Lala, und das wurde von mehreren Augenzeugen zeitnah säuberlich zu Protokoll gebracht, auf der Stelle den Union Jack und die Totenkopf-Flagge hissen, um sich dann später mal nicht auf der Faktenchecker-Volksverpetzer-Konferenz im dark net sagen lassen zu müssen, er habe, heaven forbid, im Schwung des schönen Augenblicks möglicherweise unzeitgemäß gehandelt.

"Hoch lebe Captain O’Mei! Hoch lebe die Piratenrepublik! Hoch lebe das Land ob der Enns! Stimmtamente?"

"Und ob! Und jetzt essen ma aane Ente! Gemeinsam mit Jens. Nur … Wohin fließt denn meine Thaya? Hmm … O mei, o mei! Leute! Ich hab einen Verdacht. Stichwort Umweltverschmutzung. Passt gut auf die Umwelt auf. Ich hol mir noch einen Tschick."

Jens war der diensthabende Enten-Meister. Hauptberuflich als Gebrauchtwagenhändler, nebenberuflich zugleich als Piratenausbilder, Bräuer, Winzer und Chefkoch tätig.

   Die Thaya floss weiter Richtung March. Und ursprünglich hatte sich O’Mei ja dabei nichts Böses gedacht. Doch irgendwie schien, wie den breiteren Massen allerdings erst viel später offenbar wurde, irgendwo irgendwas nicht gut für die Umwelt zu sein.

Ein paar wenige Eingeweihte, darunter O’Mei, O’Lala, O’Arhi und O’Medes, ahnten es, wahrten jedoch das Schweigen. Denn so isses auf den Sieben Meeren. Maske auf, Klappe zu!

Der Tschick (Wollen wir ihn Umwelt-Tschick nennen?) war as exquisite as advertised. Und die geschmeidige Anna aus Havanna, die bekanntlich ein Piratinnen-Praktikum in Laa an der Thaya machte und deswegen gerade mit ihrem tiefgründigem philosophischen Piratinnen-Blick an Deck herum stolzierte, um in Erfahrung zu bringen, was sich da azubimäßig so alles tat, gab O’Mei freundlicherweise eine Prise Schnupftabak.

"Per favor, El Capitan! Senor!"

O’Mei inspizierte darauf gemeinsam mit dem schicken Ober-Dingsbums von Klums den Tatort – und eruierte kurzerhand: "Des is a Grenzfall." Ober-Dingsbums von Klums nickte bedeutungsvoll-vielsagend, indes sein Assistent, ein Constable aus Kent, vorschriftsgemäß den Grenzschutz verständigte und sicherheitshalber auch gleich mal seinem gut gebauten Cousin whatsappte:

"Hey, buddy, what’s up?"

Denn es handelte sich in der Tat um einen Grenzfall, egal was die Scheiß-Leugner nun sagen mochten. Fast konnte man die Grenzwertigkeit aller Grenzwerte aus dem Geiste der Umwertung aller Werte hervorsprudeln sehen. Ja. Fast.

   But what can you do? Echte Leugner leugnen nun mal alles, vom hygienestaatsrechtlich bekanntlich einwandfreien Ermächtigungsgesetz des El Grande Comandante bis hin zur vorzüglich solidarisch-heldenhaften VerunglimpfApp der geschäftstüchtigen Impf Brothers und dem grandiosen Potato Business Empire der g’schätzten und nicht minder geschäftstüchtigen Hotzenplotz Brothers.

Wie schon Dr. Spritzerle, ein Meister aus Deutschland, einst recht meisterhaft feststellte: "Da hilft nur noch die Spritze." Gegen die sämtliche Tanten und Mutanten mittlerweile freilich längst immun sind. Doch was soll’s.

"Fragt nun nicht, ob der im superschnell telekopierten Zulassungsverfahren zugelassene Hokuspokus-Impfstoff dubios ist, fragt, warum die verflixten Leugner andauernd leugnen, dass das Wasser nass ist!", so O’Mei. Dabei hatten die sogenannten Leugner nur die Rechtschaffenheit der Machtansprüche des Führers geleugnet – und keineswegs etwa die Tatsache, dass das Wasser per Definition nass ist. Per Definition der Nässe, that is.

Chefinspektor Max und Chefinspektor Moritz stellten sich verfassungsgemäß prompt gemeinsam mit ein paar Kollegen von CSI Miami, die zufälligerweise gerade in the Greater Laaer Area zu Besuch waren, im Kerngebiet von Laa an der Thaya ein und machten sich unter Berufung auf das gemächliche alte Wasserschutzgebiet-Gesetz und die neuen Umweltverschmutzung-Eilverordnungen daran, gegen Unbekannt zu ermitteln. Against the unsub.

But the unsub wasn’t home.

   Chefinspektor Max und Chefinspektor Moritz ermittelten dessen ungeachtet so lange und so intensiv weiter, dass sie beinahe tot umfielen. Ober-Kuckuck Glenn trug die Kunde in die vier Winde. Die erhabenen Chefinspektoren räusperten sich wichtigtuerisch.

Ihr Befund war eindeutig: Something was indeed missing.

"Now listen up, people!", sprach O’Mei zu seinen Mannen. "This is Search and Rescue. Get it? Wir müssen unbedingt so schnell wie möglich den Sinn unseres Handelns wieder finden, you know, like, the reason of it all, ja den Sinn des Daseins, den Sinn des Seins schlechthin, verdammt nochmal! An sich und für uns. Also nicht nur beim Pokern, beim Saufen und bei weiblicher Bekanntschaft."

"Gut so! Gut so!" Captain O’Lala fand das gut. "Denn nur wenn wir ganz, ganz genau wissen, was wir suchen, können wir es auch finden. Und hier an der Thaya wissen wir ganz genau, was wir suchen. Le temps perdue. Vous comprenez."

"Oui, oui, oui! Je sais!", fiel ihm O’Mei kongenial ins Wort. "Denn was hier gezeitigt wird, ist mehr als ein leidlicher Zusammenhang-Konglomerat, Leute! Den Schlüssel aller Kreaturen hamma parat. Zahlen und Figuren? Durchaus. Aber eben nicht nur. Ach! … Eine Sinfonie in Dur!

   Und ich sage: Ab mit dem unsub! … 'cause it all starts and ends with the bloody unsub. And if I may say so, ladies and gentlemen: Viele ahnen es, wenige wissen’s with any authority: Der unsub ist ein Leugner. Und der kriegt jetzt eins aufn Deckel.

Und ich sage: Guys! … Mens rea, corpus rea. Beautiful Mind. Jajaja, olala! Und selbstredend immer auch eine entsprechend schöne Seele."

O’Mei atmete einmal ganz tief ein. Und dann wieder aus. Und dann wieder ein.

"Ach! O’Shallar! That’s what I’m talking about. Rrr!…"

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