ERSTES MOTTO:
Wer den Dichter will verstehen, muss in Dichters Lande gehen.
ZWEITES MOTTO:
Oisa gehn ma!
DRITTES MOTTO:
Oberösterreich? Das
bessere Niedersachsen. Olé!
Aller guten Dinge sind drei. Und fünf ist ja auch keine
schlechte Zahl. Es geht nämlich im Folgenden um fünf Freunde und ein Kamel,
um fünf Almani-Kraftkerle (oder sagen wir lieber Almani-Kraft-Herrschaften),
die sich aus dem fernen Irak bzw. aus Algerien oder eben aus dem Sudan auf
den Weg nach Niedersachsen machten, um in Erfahrung zu bringen, ob in
Hannover an der Leine tatsächlich das allerbeste Deutsch weit und breit
gesprochen wird und ob der Brocken (im Harz; freilich bereits
Sachsen-Anhalt, doch immerhin) möglicherweise streng genommen ein wahrhafter
Sprachbrocken sei. Toc de mac! Tandaradei!
Stock und Frack. Alles gut! Und des Schifoan hamma im Blut.
D ies
ist die Geschichte von fünf furchtlosen Superhelden. Es geht hier jedoch
zugleich um eine gemütliche Karawanserei, um eine Karawane des Gemüts, ja um
die Karawane des Gemüts schlechthin: um Shadans super-geheimes
Schokolade-Business, um den Almani-Geist der Al-Taha-Oase, um deep
Schischa-Schifoan in deep Niedersachsen, um Falco und das wahrhaftig
allerbeste Deutsch (Stichwort: Linz an der Donau), um unseren Celan, unsere
Nena, unseren Leonard Cohen und
– last but not least
– um einen gewissen Geheimrat, Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein
auf der Heiden.
Schneeglöckchen, Schneeglöckchen, Schneeglöckchen weiß,
Schneeglöckchen, di kann i leiden. Und gegen Edelweiß hamma bestimmt a nix,
um mal ausnahmsweise zielgerichtet vom Hochdeutschen abzuweichen.
Vive l’Autriche!, lautet übrigens ein Motto der
berüchtigten Al-Taha-Oase. Und wir merken: That’s the spirit.
C’est pas ma faute!, so ein anderes Taha-Motto.
Alles, was der Fall ist. Österreichischer geht’s net. A.E.I.O.U.
Doch ist der Schnee von gestern, auf dem wir allesamt wie
im Traum talwärts fahren, nun Bestandteil einer Erzählung oder vielmehr das
geheime Wesen eines Narrativs? Dreimal darf die g’schätzte Leserschaft
raten.
I. Die wahrhafte
Geschichte der Schokolade
E gal
ob nun bitter, zartbitter oder extra-zartbitter für moderne Ritter:
Schokolade! Schokolade! Das will schon was heißen. Denn, so das
Bundesverfassungsgericht in seinem heutigen Urteil, ohne Schokolade kein
Almani.
Doch feiern wir die Feste so, wie sie fallen.
Eines Tags, die Sonne war gerade aufgegangen, stieg
Shadan auf ihr redliches und stets bestens gelauntes Kamel (Zubehör:
Dünen-Navi, Runflat-Hufen, Klimaanlage am Buckel bzw. am Höcker und
augmented Wasserresorptionssystem inklusive Schischa-Anlage) und machte sich
daran, mit allergrößter Geschwindigkeit durch die Wüste zu reiten.
"Hü-hott, Stampfi!", spornte Shadan dabei ihr Kamel an.
"Vollgas! Es geht Richtung Abendland, mein treuer, superschneller Kumpel!
Richtung Zukunft durch den Tag."
"Jawohl, strenge Gebieterin! Alles klar! Allah, Allah! Zu Befehl!" Und
Stampfi stampfte Richtung Westen. Unterwegs stießen die beiden auf
zahlreiche Almani-Karawanen der arabischen Art und Weise. Da wurde in erster
Linie Bayerisch gesprochen. Was sonst? Salam Basalam Maram Ham!
"Wohin des Wegs?", fragte Shadan neugierig. Streng genommen gab es dort
allerdings überhaupt keinen Weg, sondern lediglich eine imaginäre Linie von
hier bis da bzw. von irgendwoher nirgendwohin.
"Woas i net", erwiderte Häuptling Mukhtar, der große Almani-Karawanen-Führer
aus der bayerischen Oase Al-Nürn-Berg denn auch gleich achselzuckend.
"Ach so! … Alles klar. Arabisch-Bayerische Kraftkerle. Na ja, vielleicht
steht’s ja im Internet", meinte Shadan noch, indes sie wie nebenbei eifrig
an einer Tafel Bitterschokolade naschte.
"I wo, im Internet isses net", murmelte der Almani-Kraftkerl zwischen zwei
kräftigen Zügen aus seiner Wasserpfeife. "Ach! Donnerwetter nochmal!
Schischa! Das höchste der Gefühle!"
"Seltsam", meldete sich Stampfi zu Wort. “Ein Führer, der nicht weiß, wohin
er seine Karawane hinführt."
"Na und?", sagte der Karawanen-Boss darauf. "Des is Politik! Los! Gehn ma! I
muss ja a no koch’n. Oder um's amoa auf gut Bayerisch zu sogn: Wurschtegal."
"Doch ist das wirklich, aber auch wirklich halal?", wollte Stampfi wissen.
"Jo, des is halal", versicherte ihm Mukhtar. "Durchaus halal."
"Und recht dialektal", fügte Shadan hinzu. "Doch in Bayerdistan verhält es
sich wohl nun mal wesentlich anders. Tja, also halal hin und her: Wie dem
auch sei, die Zeit drängt. Auf geht’s!"
Shadan und Stampfi gelangten bald genug zu einer
märchenhaft gemütlichen französischsprachigen Oase namens Al-Taha’ben
TabAHan. Eine reizende Sängerin machte sich gerade am Oasen-Boss zu
schaffen.
"Servus!", grüßte Shadan den schläfrigen Taha-Mann aus
TabAHan. "What’s up?"
"Salut", antwortete Taha. "Grüß Gott! Moin! Howdy. Unser Projekt ist fast
abgeschlossen. Das Thema? Schlafen und Ausschlafen. Innerhalb wie außerhalb
der Oase. Hausaufgaben moch’n ma net!"
"Keine Hausaufgaben?", freute sich Shadan. "Toll! Lernen wir zusammen! Doch
wo ist Mohammed?"
"Warum auch nicht?", freute sich Al-Taha seinerseits. Alles ist super!
Mohamed hat hier Hausverbot. Na ja, Oasen-Verbot. Er wollte die Hausaufgaben
machen. Das ist aber bekanntlich in meiner Oase verboten. Pas de devoirs!
C’est compris? Verstanden? Wir müssen nur mal so richtig am Handy herum
tüfteln. Ohne Spielen kein Almani. O-la-la! Das Leben ist schön! Und ich
such gerade meinen Föhn. C’est nickel. Toc de mac!"
Bald war Shadan schon wieder unterwegs: "Ja dann … Einen schönen Tag noch!
Nie wieder Hausaufgaben. Passt. Toc de mac! Adieu, g’schätzter Monsieur Taha
de Gascogne de LasyJohn Al-Halal im grünen Tal."
Und auf einmal waren Shadan und Stampfi jenseits des
Atlantischen Ozeans. Out of reach. Out of touch. Deep in the US. Stichwort
Washington. The District of Columbia. Let’s make the modal particles great
again!
Jaja! … Oder besser gesagt: Na ja … Wenn wir’s doch bloß könnten…
"Howdy, stranger! Herzlich Willkommen auf unseren Jagdgründen!", grüßte
Scheich Al-Donald ben Nemsi. Er war von seinem Gaul gestiegen und reichte
Stampfi einen Eimer. "Hier! Nimm schon! Eau de Potomac."
"Servus! Wir kommen in Frieden", grüßten Shadan und Stampfi zurück. Dann
atmeten sie tief ein. Freilich war die Luft recht feucht. "Pfui! Was für
eine feuchte Luft! Allah, Allah! Hier kann’s einer ja kaum aushalten. Machen
wir ein Geschäft? Erdöl gegen Schokolade."
"Deal!", antwortete Al-Donald. "Denn Schokolade hamma! Und zwar direkt aus
Ghana. Alles paletti! Hurra! Unser tapferer und gewiefter Almani-Schoko-Lord
Scheich Al-Tayeb kümmert sich darum."
"Genau", sagte Tayeb. "Das einzige Problem: Wir können Ghana nicht mehr auf
der Landkarte finden."
"Egal", brummte Al-Donald. "Hauptsache, Shadan kriegt ihre Schokolade. Und
ich mein Erdöl."
"Ich will die Schokolade aber nicht nur für mich, sondern für alle Kollegen.
Und natürlich auch für unseren lieben Lehrer", brachte Shadan die Diskussion
auf den Punkt.
(and that’s what I call good German)
"Brüder! Landsleute! Bayern! Mir hom g’siegt! … Es lebe die Macht des
Rechts! Und natürlich eben vor allem auch das Recht der Macht! Business is
good." Al-Donald war außer sich vor Entzücken.
"Schokolade und leckere Gewürze für alle!", stieß Mukhtar gleich ebenso
überglücklich aus.
"Vivat Academia! B1! B2! Tandaradei! … Mit links. Wir haben gesiegt!",
frohlockte auch Mohammed.
"Oui, monsieur! Mir hom g’siegt!", schrie Taha seinerseits wie besessen.
Keine Hausaufgaben. Den ganzen Tag nichts als Schoko-Tricks. Les devoirs et
leçons, c'est fini!"
Und sie tranken alle Tee und Kaffee, was das Zeug hielt. Denn starke Männer
trinken starken Kaffee.
"Forever and ever. In aller Ewigkeit." Mohammed fuchtelte selbstbewusst mit
seiner Wasserpfeife herum und weckte dabei versehentlich Al-Taha, der
zufälligerweise schon mal wieder gerade kurz eingenickt war.
"Wos? Wos? Wos Pause?" Eine Tasse Cappuccino, und schon war er bei Sinnen.
Ganz Feuer und Flamme.
"Momentchen! Jemand ruft mich gerade an. Un moment! Qui est la? Lara Fabian?
Passt. Mais oui! Mais oui! Mais oui! Hieven wir die kanadisch-belgische
Schoko-Almani-Flagge auf den Mast! Potomac? Toc de mac!"
Kurz darauf ereignete sich ein kolossales Wunder: Alles
waren sie nunmehr des Schoko-Deutschen mächtig. Hand aufs Herz. Und der
Frühling kam im März. Und Stampfi durfte "auf der Schoko-Wiesn" grasen. Und
die anderen durften in Akademistan singen und naschen. Und wenn sie die
Schokolade noch nicht völlig aufgegessen haben, dann naschen sie noch heute.
II. Almani-Geist der Al-Taha-Oase
S hadan
hatte ihr Zelt im guten alten Niedersachsen aufgeschlagen und sich darin
häuslich
– oder sagen wir mal: "zeltlich"
– eingerichtet.
"Aber Bayern ist
besser", murmelte Häuptling Mukhtar, die Pfanne in der Hand; denn er war
gerade schon wieder mal beim Kochen. Almani-Eierspeise mit frischem
Modalverben-Salat. Lecker! Mukhtar ist der berühmteste Koch weit und breit
(Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung).
"Aber ja doch!", erwiderte Shadan. "Und Österreich ist noch besser;
vor allem Oberösterreich. Upper Austria. In orbe ultima. In unserer Brust.
Vorne nichts anderes, hinten lediglich die Karawane der Followers."
"I concur", mischte sich auch Taha ins Gespräch. "Vive l’Algérie! Vive
l’Autriche! Vive l’Autriche libre! …"
Shadan kostete von Mukhtars Modalverben-Salat. "Passt. Ein klein bisschen
mehr Pfeffer auf "mögen" und "wollen" – et c’est
fini. Ich hab mir übrigens sagen lassen, in Linz werde das allerbeste
Deutsch gesprochen. Aber Stampfi wollte nicht ins Land ob der Enns.
Schlimmes, schlimmes Kamel! Marsch in deine Ecke!"
"Kaum zu fassen! Sowas muss ich mir verbitten!", protestierte Stampfi. Vive
l’Akademistan libre!"
"Di hob i wohl net gnuag zug’ritten", meinte Shadan darauf.
"Beschwerdebrief-Thema: Schlimmes Kamel!"
"Das ist undemokratisch! C’ est pas ma faute!", protestierte Stampfi weiter.
"Ich wurde vorzüglich zugeritten. Hier ist die Bescheinigung von der
Ausländer-Kamelisten-Behörde. Aber in Oberösterreich wird ja ein ganz
komischer Dialekt gesprochen. Nix für mi, muss i amoa sogn. Und in der Ecke
ist es viel zu dunkel. Pfui deivi! … ‘tschuldigung, wollte sagen: Pfui
Teufel! Und viel zu feucht. Ja, fast so feucht wie in beautiful Washington,
DC. Bei Trumpfi. Und der g’schätzte Kollege, ein Dromedar aus Ta-Ha-Ha,
keucht andauernd. Unverhältnismäßig. Un-kamelistisch verfassungswidrig. Ja
geradezu bayerisch."
"Des stimmt", bestätigte Häuptling Mukhtar Stampfis Aussage. "Des woas i von
manem Arbeitskollegen, Häuptling Al-Linz ben DonAu."
"Ja, ja! I woas des a!", schrie Al-Taha. Er war gerade
– schon
wieder mal in weiblicher Begleitung
– aus dem
erstklassigen Schwimmbecken seiner Oase gestiegen und träufelte noch aus
allen Poren. Wie ein Nilpferd, würde einer fast sagen, wenn … ja wenn denn
ein Nilpferd aus allen Poren träufeln würde.
"I a! I a!" Al-Donald hatte sich den debattierenden Herrschaften hinzu
gesellt.
"I a!, i a!, sagt der Esel aus Amerika," fügte Stampfi diplomatisch
– und mit
viel Sinn für Poesie
– hinzu.
"Well, we do have indeed lots of donkeys in our great country. But I’m not
one of them. They’re all in the Opposition", konterte Trumpfi Stampfis
zutiefst sprachanalytisches Axiom.
"Schokolatier’n ma weiter?", wollte Shadan wissen. Sie hatte nämlich Lust
auf Antioxidantien.
"Jawohl! Schokolatieren wir weiter!", freute sich Mohammed von und zu
Süßighausen. Aber "schokolatieren" ist ja eigentlich kein Wort, sondern eine
köstlich zweckmäßige Erscheinungsform des Shadan-Oasen-Geistes."
"Was uns jedoch in keiner Weise daran hindern wird, zu schokolatieren",
stellte Mukhtar fest. "Und zwar aus vollen Zügen! Ich stelle reichlich Zimt
zur Verfügung! Dazu Almani-Curcuma! Machen wir uns ans Werk!"
"Doch … Moment! Herrschaften! Herrschaften! … Wenn "schokolatieren" kein
reales Wort ist, kann man doch gar nicht schokolatieren, oder?", gab Tayeb
seinen einschlägigen Überlegungen Ausdruck.
"Doch. Das geht. Moi, aussi, j’en veux toujours chocolater! Même si le mot
n’existe pas. Jaja! … Und die gute Nachricht? In meiner Oase ist alles
erlaubt. Nichts verboten. Außer Hausaufgaben, versteht sich." Und schon
tüftelte Taha weiter an seinem Handy. "Who can do Almani? The handyman! The
handyman can! …"
"Ein gescheites Wort, egal ob nun real oder nicht." Mohammed stopfte die
Friedenspfeife und ließ sie alsdann in der Runde herum gehen. "Vive
l’Algérie! Vive l’Autriche! Frieden, nicht Krieg! …Ach!"
"Krieg’n ma scho hin". Tayeb war guter Dinge.
"Der Duden verzeichnet dabei immerhin das Verb "schokolieren", meldete von
und zu Süßighausen prompt.
Das kommt: Wir könnten’s ja versuchen. Nur so. Zum Spaß. Für die Heimat. Für
die Wüste. Für Almani! …"
"Gern. Vielleicht ein anderes Mal", lenkte Shadan geschmeidig ein. "Aber
jetzt müssen wir zunächst …"
"Kein Mensch muss müssen. Das hab ich von einem Cousin. Der ist
Derwisch von Beruf und weiß sich immer was Gescheites zusammenzureimen. Sein
Name ist Al Less Ing Maram Schil Ler."
"Der Mensch kann tun, was er will, so Schopenhauer", philosophierte Shadan.
"Und ich will schokolatieren. Klar? Grundrecht pur! Ewigkeitsklausel für
geraume Zeit. I rest my case."
"Ja, aber wollen, was er will, kann er nicht", gab Tayeb zu bedenken. "Das
heißt, wer sich selbst dann dem Schoko-Trieb, was hier heißen will,
dem Trieb zu schokolatieren, nicht widersetzen kann, wenn es den Trieb
erwiesenermaßen gar nicht gibt, da es nun mal dieses sozusagen
kalorienreiche Verb nicht gibt, ist süchtig. Quod erat demonstrandum. I said
my piece."
"On ira où tu voudras quand tu voudras, sag ich immer. Und dies ist die
Definition der Willensfreiheit. Oui! Und zugleich auch meine Parole. Und
mein Oasen-Motto. Ach! …" Taha war so richtig in Schwung geraten.
"Ach! Ach! So ein Krach. Monsieur, would you please shut up." Shadan bohrte
den feschen Oasen-Manager, der sich übrigens, was hier wohl nicht mehr
länger verschwiegen werden kann, in seinen jüngeren Jahren auch als
Steueroasen-Manager einen Namen gemacht hatte, mit ihrem der Lage
entsprechend recht strengen Blick in den sandigen Boden der malerischen
Dünen-Landschaft Niedersächsischer Emirate.
"Ist das eine Frage?", wollte Al-Taha in seiner direkten Art und Weise
gleich mal ohne viel Aufhebens in Erfahrung bringen. "Nur damit ich’s weiß."
"Nein, das ist keine Frage."
"Keine Frage? Olala! C’est comme ça? Ça va?"
"Keine Frage, olala. C’est comme ça. Kein Fragezeichen im Sand, keins im
Sinn. Auf gut Deutsch: Sei doch bitte mal gefälligst still! Oder formell:
Seien Sie doch bitte mal gefälligst still!"
"Ach so! … Alles klar. Veuillez vous taire."
"Genau. Veuillez vous taire."
"Ach, wie gut, g’schätzte Kommilitonen, dass ma S’ hoam!"
"Sagen Sie einfach Kollegin."
"Und wenn ich aber Kommilitonin sagen will?"
"Na dann sogn S’ halt Kommilitonin."
"Denn in den Niedersächsischen Emiraten herrscht Meinungsfreiheit." Mohammed
war’s recht.
"Wow! Genau wie in meiner Steueroase." Taha suchte noch ein passendes Wort
zum Thema Willensfreiheit. "Ach! … Almani-Geist der Taha-Oase! Bist du da?
Gibt es dich auch ganz, ganz wirklich?", fuhr er weiter.
"There’s just one question left", schlussfolgerte Shadan, den
Super-Almani-Riegel naschbereit in der rechten Hand, die Zügel des wüsten
Spracherwerbs in der linken. "San ma Kollegen oder san ma Kommilitonen?"
"Wos? Wos? Wos? Hamma g’wonnen?" Taha wollte dann im Nachhinein nämlich auf
keinen Fall dessen bezichtigt werden, er habe sich im entscheidenden
Augenblick nichts einfallen lassen, weswegen er unbedingt stimmige Fragen
loswerden wollte. Und die Antwort gab er sich, um auf Nummer sicher zu
gehen, selbst, und zwar wohlgemerkt ohne mit der Wimper zu zucken: "Jawohl!
Freunde! Landsleute! Gutbürger! Wutbürger der vierten, ach was, der fünften,
wenn nicht gar sechsten Republik! Mir hom g’wonnen! Alles ist toll! So wie’s
sein soll. Und das heißt Almani-Geist! Mais qui a eu cette idée folle
un jour d'inventer l'école?
III. Deep
Schischa-Schifoan in deep Niedersachsen
"W enn
ich den Hügel des Daseins runter sause", meinte Mohammed von und zu
Schischahausen einst während eines längeren Ausflugs im Harz, "sehe ich den
Fluss der Sprache in seiner ganzen Pracht vor den Augen meines Über-Ich
sozusagen durch die fesche Wüste meines Gemüts, ja was sag ich denn hier,
durch die prächtige Super-Wüste unserer kollektiven unbewussten Psyche
strömen. So wie er ja streng genommen durchaus hätte sein können. Im Ernst.
You’d better believe it."
"Super-gut hätte er sein können und sollen!", stürzte sich Al-Taha
ins Gespräch. Er hatte natürlich seine neue Sonnenbrille an.
"Doch das ist eben nun mal der Unterschied zwischen Soll-Sein und So-Sein.
"Geile Brille!", frohlockte Mukhtar. "Armani?"
"Euroshop. Almani. Mit l, nicht mit r."
"Auch nicht verkehrt. Passt."
"Denn wer den Groschen nicht ehrt …"
"Ist den Taler nicht wert."
"Genau. Vive l’Autriche!"
"Vive l’Autriche! Ein Land mit Gewürzen."
"Lower Saxony ist auch ganz in Ordnung. My two cents." Tayeb schaute sich
die gerade wie rasende Rolande vorbeisausenden Skifahrer an. "Hundert
Stundenkilometer. Klasse!"
"Ja. Fast so schnell wie Stampfi." Mohammed hatte die ihm so liebe und
teuere Wasserpfeife auf den Tisch der Raststätte gestellt. "Hü-hott,
Herrschaften! Top speed!" Dann gönnte er sich noch einen letzten kräftigen
Zug aus der Wasserpfeife. "Auf geht’s! Sausen wir talwärts! Es lebe der
Klimaschutz! Fridays for future!"
"Fridays for future!", brüllten alle. "Ach, wie vergnügt ist doch das Leben!
Schischa für jedermann! Weißer Schnee, grüne Energie! Windschutz,
Feuchtigkeits-Schutz und Temperaturen-Schutz. Kurz: Schifoan-Schutz. Aber
nicht nur so drauf hin. Systematisch."
"Jede Woche", fügte Mohammed hinzu."Jeden Tach."
"Jede Woche. Jeden Tag. Für die Zukunft. Leute! Ach! …"
"Jungs! Jungs! …" Woher Shadan so urplötzlich aufgetaucht sein mochte, hätte
wohl niemand ganz genau sagen können, doch es stand zu vermuten, dass sie
vom Gipfel gekommen war. Denn der Gipfel befand sich, wie Taha unlängst im
Rahmen seiner Top-Bottom-Recherche, einem Quasi-Projekt der
Al-Taha-Steueroase, herausgefunden hatte, oben. Das Tal hingegen, so Taha
auf einem Kongress der Tal-Experten, befand sich eindeutig unten. "That’s
the top-bottom approach." Taha vor laufender Kamera. Der Rest ist
G’schichte.
"Jungs!", spornte Shadan die
– so wollte es im Moment jedenfalls schon fast den Anschein haben
– nur mal so gemütlich herumlungernden Herrschaften an: "Weniger
Klatsch und Tratsch, mehr Almani, bitte! Auf, auf! Wird’s bald? Uns steht
noch ein langer Tag bevor. So … ein Riegel darf’s wohl noch sein."
"Klar! Almani! Almani! … Was sonst?", erwiderte Mukhtar.
"Entweder Almani oder gar nix", beteuerte Taha scheinheilig. "Jeder muss
Deutsch können! Nehmen wir uns diesen noblen Imperativ, den ich mir, fleißig
wie ich nun mal bin, schon im Traum einfallen ließ, zu Herzen. Hier im Harz
können ja sogar die Luchse Almani."
"Und die Sonne. Und der Mond. Und die Sterne. Denn Almani lern ich gerne".
Mukhtar hatte Mohammed die Wasserpfeife zurück gegeben und schnallte sich
die Schier an.
"Na dann. Alles in Stellung?" Shadan verstaute die Tafel wieder in ihrer
geheimen Westentasche.
"Also von mir aus kann’s ja so langsam losgehen. Ich bin bereit. En garde!"
Tayeb griff nach den Skistöcken. "Shadan! Könntest du mir bitte
freundlicherweise einen Extra-Riegel reichen? Heute verbrauchen wir nämlich
mindestens fünftausend Kalorien. Life is good in Lower Saxony!" Tayebwar
offensichtlich bereit.
"Mais oui! C’est ça: La vie est belle." Taha vermochte Tayeb nicht zu
widersprechen.
"Gebt mir Luft, dass ich atmen kann!", entfuhr es Mohammed in diesem
zutiefst inwendig ausgerichteten Augenblick des Sturm und Drang. "Gebt mir
Schnee, dass i schifoan kann!"
"Hier! Nimm schon! Schnee von gestern." Tayeb hatte Mohammed beim Wort
genommen.
"Shukran. Von gestern? Hmm … Ist das aber nun die Vergangenheit, die
Gegenwart oder die Zukunft?"
"De rien. Das ist die Zukunft. Die Zukunft von gestern. Zum Halbpreis. Snow
for future. Umweltschutz."
"For future … Alles klar …" Mohammed schien einen Verdacht zu hegen.
"The future ain’t any longer what it used to be." Taha blätterte eifrig in
seinem Philosophiebüchlein herum. "Moi, par example, quand je me tourne vers
mes souvenirs …"
"Kein Problem", sagte Mukhtar.
"Achtung! Achtung! Herrschaften! … Jungs! Skifahrer in Lower Saxony!
Stichfrage: Wer kennt den Schnee, auf dem wir alle talwärts fahren?", fragte
Shadan noch.
"Jedes Kind!", antworteten die Herrschaften im Sprechchor.
"Right on! Den Schnee, auf dem ma olle talwärts foan, kennt heit jedes
Kind."
"Allah! Allah!", stieß Taha unvermittelt aus. "Mon Dieu! Irgendetwas ist mir
gerade über den Kopf geflogen. Und es war bestimmt kein Schneeball. Denn für
Schneebälle braucht es Packschnee."
"Is it a plane? Is it a bird?", wollte Mukhtar wissen.
"Jungs, es handelt sich um einen Falken", erläuterte Shadan den recht
komplexen Zusammenhang. "Um einen österreichischen Falken deutschsprachiger
Ausdrucksweise. Jetzt ist er zwar tot, aber er lebt in uns weiter."
"Wos? Wos? Wos?", fragte Taha bestürzt. "Mais c’est pas possible!"
"I second that: total unmöglich!", stimmte ihm Mohammed von und zu
Schischahausen freilich einigermaßen geistesabwesend bei
– und widmete sich schon gleich mal wieder seiner Wasserpfeife. "Ach!
… Schischa!"
"Dieser Falke heißt Falco. Und er hat einst die ganze Welt gerockt."
"Gerockt? Wie in rock’n roll?". Taha googelte den Namen Falco. "Aha!
Da ist er ja! Vive l’Autriche!"
"Jawohl! Hoch lebe unser guter Kaiser Franz! Hoch lebe unser guter Kanzler
Kurz! Rock me, Amadeus!"
Mohammed wollte nur eins wissen: "Hat dieser Falco Schischa geraucht?"
"Das will ich hoffen! You bet."
"Toll. Dann war er ein guter Mann."
"Ein guter Mann," sagte auch Taha wie im Halbschlaf. "Guter Mann in
Akademistan. Vive la France! …
Na ja, also abgesehen vom ganzen Kolonial-Scheiß, nichts für ungut, monsieur
de Gaulle."
"Ohne Schischa kein Almani."
"Vielleicht kann man ja auch sagen: You’d better believe it."
"Bravo! Gutes Sprachgefühl!" Shadan strahlte übers ganze Gesicht. Denn sie
freute sich immer von Herzen, wenn das Sprachliche, das Allzusprachliche auf
seine Kosten kam. "Ein harter Brocken Sprache."
"Da! Der Brocken! Harz for future. Im Sturz durch Raum und Zeit."
"Im Sturz durch Gewürz und Gemüt … Mann o Mann! … Aber hat sich hier nicht
jäh etwas aufgetan?"
"Wo denn? Da oben? In den Wolken? Let me download it on the cloud." Tahas
Handy glühte vor Bytes.
"Doch! There is a crack, a crack in everything. That’s how the light gets
in. Licht … Mehr Licht." |