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Bernhard Flieher
geboren 1969 in Schärding (Innviertel). Lebt nach dem Studium in Wien und
Passau
mittlerweile in Salzburg. Seit 1992 Kulturredakteur und Kolumnist der
"Salzburger
Nachrichten", zuständig für Popkultur/Popmusik. Publikationen zum Thema
Popmusik in verschiedenen in- und ausländischen Zeitungen und Zeitschriften.
Arbeit als Musikplattenaufleger ("DJ wäre die Bezeichnung für Künstler –
also nix für mich“).

Lee Hazlewood.
Cake Or Death.
Sony BMG, 2006.
ASIN: B000J10FTG
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Opa
singt mit seiner Enkelin. Das Lied heißt "Some Velvet Morning" und gehört zu
den schönsten Songs, die Opa je geschrieben hat. Berührend klingt das – und
zugleich todtraurig. Tränen kommen. Wir wissen, warum Opa einmal noch singen
will. Lee Hazlewood, "einer der großen Schattenfiguren der Popgeschichte"
(New York Times), hat sein letztes Album aufgenommen.
Noch ist er nicht tot.
Noch verströmt seine brüchige, verrauchte Stimme jene hinter Harmlosigkeit
versteckte Zweideutigkeit, die diesen Mann unverwechselbar und unverzichtbar
macht. Er lebt noch, aber er ahnt, dass es nicht mehr lange dauern wird. Den
Nieren geht's schlecht und der Krebs frisst sich immer weiter in den Körper.
"Cake Or Death" heißt das Album, das er "meinen Schwanengesang" nennt.
Der
77-Jährige schwelgt noch einmal in meist schön traurigen Arrangements.
Unterstützt wird er dabei von Gitarrist Duane Eddy, der ihn seit Jahrzehnten
begleitet, von Chören und Kollegen wie der Jazzsängerin Ann-Kristin Hedmark.
Zu hören ist auch Bela B. von der deutschen Spaßpunkband Die Ärzte. Damit
könnte (endlich und gerechterweise) eine breitere und ganz neue
Publikumsschicht erschlossen werden, die sich von allein niemals in die
dunklen Gassen trauen würde, die Hazlewood seit Mitte der 60er Jahre
beschreitet.
Mit Bela B. sinniert
Hazlewood über "The First Song Of The Day", der ungefragt aus dem Radio
kommt und einem leicht den Tag verdirbt. Was durchaus als Kulturkritik am
Verfall der Medien und besonders der dort gebotenen Billigpopmusikware
gedeutet werden kann, entpuppt sich als tiefes Bekenntnis zur eigenen
Schrägheit. Nein, um einen Tag anzufangen, taugen die Songs von "Cake Or
Death" nicht: "Hoffen wir, dass dieses Lied nie für irgendwen das erste des
Tages sein wird", scherzen Bela und Lee. Songs dieser Art zeichnen die
gesamte rätselhafte Karriere Hazlewoods aus.
Öffentlich
wahrgenommene Höhepunkte erlebte er bei der Zusammenarbeit mit Nancy
Sinatra. "Summerwine" oder "These Boots (Are Made For Walking)" haben längst
Eingang gefunden in das Ewigkeitsbuch des Pop. Es gab aber auch lustlose
Totalaussetzer. Keiner außer Hazlewood schaffte es im New Musical Express
mit einer Ein-Wort-Rezension vernichtet zu werden. Als 1973 "Poet, Fool or
Burn" veröffentlicht wurde, kommentierte die englische Musikbibel das mit
einem Wort: "Burn."
Nun brennt das Herz in
Erinnerung, und Hazlewood verschafft sich – ohne Pathos zwar, aber nicht,
ohne uns wehmütig zurückzulassen – einen großen Abgang. Am Ende einer großen
Karriere reitet er in den Sonnenuntergang. Im Song "The Old Man" erzählt er
die Geschichte von einem eigenartigen Ort namens "Forever". "What will
'Forever' bring?", singt die unvergleichliche Stimme und fragt weiter: "Will
there be any songs to sing?" Die Antwort heben wir uns auf für den Nachruf,
der trotz aller schlechter Prognosen doch bitte noch ein bisschen auf sich
warten lassen möchte.
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