– Woin ma a Buch rezensieren?
– Ja, passt. Moch'n ma!
(Big mistake)
Eins
vorweg: Shame on me! In meinem unverbesserlichen Optimismus in Sachen "Vivat
Academia, Vivant Professores" hatte ich ja eigentlich insgeheim angenommen,
es mit einem doch wenigstens in etwa aktuellen und/oder originellen Werk zu
tun zu haben (vor allem, weil ich mich vom Titel verführen ließ und es –
"Gut so! Immer nur weiter! Es lebe die wissenschaftliche Solidarität! Werde
ich nun als Gegenleistung meinerseits gelobt? …" – gerne mal wieder auf eine
kleine Gefälligkeitsrezension ankommen lassen wollte).
Gefällt mir. Gefällt mir.
Gefällt mir. Klick'n ma's an!
Making sense of history?
Nichts weniger hatte der g'schätzte Autor, so erhoffte ich es mir, im Sinn.
Und ich erhoffte mir eben nun auch, in diesen Seiten über eine zerbrechende
Zeit ein leidlich durchdachtes Werk vorzufinden. Dass hier die Sätze sitzen,
ja dass sie wo hinführen und dem lieben Leser einen möglichst erbaulichen
Sinn erschließen, hatte ich mir dabei, doch dies bleibt unser kleines
Geheimnis, ebenfalls erhofft.
Es ist dem nicht so.
Wurde
das Buch dann wenigstens halbwegs angemessen, kohärent und folgerichtig
geschrieben bzw. gescheit aus vorliegendem Material zusammengereimt? Auch
nicht. Diese im akademischen Gewand zum Besten gegebene
Hokuspokus-Philosophen-Blase legt keinen Sinn und keine Weisheit, keinen Weg
Richtung Räson bzw. Diskurs frei, sondern bloß ödes akademisches
Imponiergehabe. Die armen Studenten und die armen Studententinnen, denen das
Zeug als Höchstes der Gefühle aufgezwungen wird, können einem nur leid tun.
"Bitte schön! Swallow it
all. No returns."
Außerdem entbehrt der Band
einer begrifflich soliden Grundlage. Und dies macht seine gravierendste
Schwäche aus. Denn schließlich werden hier ja beträchtliche Ansprüche auf
Wissenschaftlichkeit erhoben. Nach dem Motto: "Platz da! Beugt euch vor dem
Geschnörkel, das wir Kulturwissenschaft nennen! Guat san ma net. Do gehn
woin ma a net."
A twisted Brecht.
Doch
lassen wir den Verfasser höchstpersönlich zu Wort kommen: "Es bedarf also
einer Rückbesinnung darauf, was Sinnbildung über historische Erfahrung ist."
"Sinnbildung über (…)?"
Really?
(Gutes Deutsch, wo bist
du?)
Und dergleichen mehr. So
beginnt etwa das erste Kapitel mit der gewiss als imposante Aporie
gemeinten, doch ehrlich gesagt ausgesprochen unglücklichen Überschrift
"Sinnloser Sinn der Geschichte". Doesn’t make any sense. Das ergibt keinen
Sinn.
Dass Rüsen ja u. a. mit
dem auch andernorts oft genug im Kontext unstimmigen, irreführenden und
pauschal unreflektiert hingeschmissenen Begriff "Meistererzählung"
vorliebnimmt, ist für sein Wischiwaschi-Bravourstück symptomatisch. Da hilft
kein Weh und Ach, um es mal mit dem Geheimrat zu sagen. Wer den englischen
Begriff
narrative systematisch unreflektiert durch
Erzählung übersetzt, ist nun mal leider
Gottes weit weg vom Sinn der Sache – und plappert leicht allerlei Blödsinn.
"Die Texte dieses Buches
sind knapp 20 Jahre alt", schreibt der Autor im Vorwort zur zweiten Auflage.
Doch immer noch, so die mehr oder weniger zwischen den Zeilen versteckte
mehr oder weniger geheime Botschaft, durchaus in good shape. Was sie
aber eigentlich nie waren.
Schon
im Vorwort versucht sich der Autor wichtig zu geben – und jongliert mit
Begriffen, von denen er wohl hofft, dass sie von allein zu einem zumutbaren
Sinn finden. Gewidmet sei der Band "einem Versuch". Möglicherweise hatte der
Autor eigentlich schreiben wollen, dass er, der Band, einen Versuch
ausmacht. Doch – selbst wenn der breitspurig aufwartende Professor (O mei!
Schaut mal her, wen ich so alles zitiere! Does this make me a great man?)
sich sehr angestrengt haben mag – herausgekommen ist dabei nichts.
"Dieses Buch ist dem
Versuch gewidmet, Kultur als Geschehen von Sinnbildung und dessen Resultate
zu begreifen und im Umgang mit Zeiterfahrungen zur Geltung zu bringen, die
sich auf den ersten Blick als sinnwidrig darstellen. Mit dieser Absicht
dürfen seine Überlegungen auch für die gegenwärtigen Diskurse der
Kulturwissenschaften über ein Verständnis der menschlichen Welt
aufschlussfähig sein." No kidding.
Inwiefern
(bzw. ob) diese eher wichtigtuerisch nichtssagend von der recht
wilhelminisch anmutenden Höhe des Katheders auf die unschuldige
Studentenschaft hingeschmissene Aneinanderreihung von Texten tatsächlich
überarbeitet bzw. aktualisiert worden sein mag, kann man sich aus dem Ende
des Epilogs zusammenreimen. "Der Wechsel zum Jahr 2000 könnte ein Anlass
[zur Deutung der Ereignisse] sein, sonst wäre er wirklich nicht besonders
wichtig."
Kommt das Jahr 2000 denn
bald wieder? Oder wurde das Buch, Stichwort Copy and Paste Copy and Paste
Copy and Paste, sozusagen nicht voll und ganz aus der Perspektive des
schönen Jahres 2020 überarbeitet?
Was dabei im Prozess des
Zusammenklebens dieser eher schlecht gealterten (und, Hand aufs Herz, von
Anfang an eher schlecht geschriebenen) Texte völlig übersehen wurde: Ein
neues Zeitalter ist längst angebrochen. Alles (und nicht zuletzt eben gerade
der Begriffskonglomerat "Sinn" und "Sein") steht längst im Zeichen der
quantum state of mind. Davon spürt man in diesem Buch ganz und gar
nichts. Es ist eine wohl als Unterwerfung gegenüber starren, ja leblosen
akademischen Hierarchien und althergebrachter
Weisheit-Jonglier-Tausendsassa-Dingsbums-Philosophie gequälte, unzeitgemäß
und unnütz verkomplizierte Wiederholung dessen, was war.
Es ist eine ungelenke
Erzählung. Wir brauchen aber keine Erzählung, Wir brauchen ein Narrativ.
Publish or perish!, heißt
es freilich von alters her. Da zieht die Qualität nun mal oft den Kürzeren.
Denn wenn erst mal alle untertänig gedankenlos Beifall klatschen, kommt es
nur mehr selten auf den Inhalt an.
Ein
Verlag ist keine Krämerei, das versteht sich von selbst. Und doch will es
eher schon fast den Anschein haben. "Zerbrechende Zeit. Über den Sinn der
Geschichte." Titel und Untertitel versprechen viel, halten das Versprechen
aber nicht ein. Es ist dies ein Versuch, anhand ziemlich ungeschickt
zusammengebastelter, schlecht gealterter Texte aus dem vorigen Jahrtausend
die ja längst tote Mentalität von vorgestern wieder zu beleben, was aber
nicht gelingen will und nicht gelingen kann. Sprachlich ungeschliffen sind
diese Texte auch noch oft genug.
Let’s recap.
Dieses Buch wurde vor der
Jahrtausendwende geschrieben und zunächst 2001 herausgegeben. Es gibt
einigermaßen Aufschluss über den damaligen Stand der Forschung. Mehr nicht.
Man gewinnt aus diesem
Buch keine Einsichten. Das Vorwort wirkt ebensowenig überzeugend und
ungeschickt wie der Epilog. Blöderweise lobt der Autor als Erstes einen
Gefälligkeitsrezensenten, der ihn seinerzeit gelobt hatte (Sollen wir
lachen? Sollen wir weinen?). Ganz nach dem althergebrachten, nicht nur in
deutschen Landen und nicht nur in den Geisteswissenschaften bewährten
Prinzip
"Lobst du mich, dann lob ich dich".
O mei …