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von Peca Stefan
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Der rumänische Gegenwartsdramatiker gehört zu einer Spezies, die erst vor wenigen Jahren eine aktive Rolle zu spielen begann. Vor dieser Zeit (gemeint ist insbesondere die kommunistische) war der rumänische Dramatiker ein Typ (seltener eine Frau), der viele Stücke schrieb und ab und zu – wenn er Glück hatte oder die richtigen Leute kannte – eine Inszenierung bekam. Seiner Ansicht nach war das, was er schrieb ein fertiges Produkt, das vom Regisseur und den Schauspielern auf die Bühne gebracht wird. Die Änderungen während der Arbeit an der Inszenierung interessierten ihn nicht. Der Dramatiker kam zur Premiere, setzte sich bequem hin und hatte zwei Möglichkeiten: das, was er zu sehen bekam zu mögen – oder eben nicht. Gefragte Themen und Genres waren Boulevardkomödien, historische oder Ideen-Dramen, Gegenwartsgeschichten über Proletarier und die Partei, zum Teil auch sehr metaphorische Stücke, die versteckte Kommentare gegen das System beinhalten konnten – und manchmal, in der Zeit nach der Revolution, sogar absurde Stücke im Ionesco-Stil. Der Dramatiker war ein Schriftsteller. Ein Prosa- oder Gedichte-Schreiber, der nebenbei fürs Theater schrieb. Ende der 1990er Jahre machte sich eine neue Generation von Dramatikern bemerkbar. Es waren Leute, die ursprünglich auch von der Prosa oder Lyrik kamen, Dramatiker, die, wie Saviana Stanescu, Alina Nelega, Stefan Caraman, Radu Macrinici oder Dumitru Crudu, eine neue Ausdrucksweise und neue Themen einführten. Ungünstigerweise erschienen sie alle in einem Moment des Vakuums, als in Rumänien der Status des Dramatikers (und die Nachfrage nach noch lebenden Autoren) gleich Null war. Trotz alledem: In der Zeit unmittelbar nach der Revolution, als die Regisseure weiterhin das taten, was sie am besten konnten, nämlich metaphorisches Theater zu machen, trat eine Sättigung ein (das autoritäre System war ja nicht mehr da), und man begann die Stücke der neuen Autoren zu spielen. Und das entweder in den offeneren Provinztheatern oder in den neuen unabhängigen Theatern in Bukarest. In meinen Augen ist das eine besondere Generation, deren Werdegang von 2000 bis 2008 sehr interessant ist. Saviana Stanescu beispielsweise ging nach New York, und ihre dortige Karriere hat stilistisch nichts mehr mit dem zu tun, was sie in den 90ern schrieb. Ihre Geschichten sind jetzt sehr persönlich und realistisch, und sie werden in verschiedenen New Yorker Theatern aufgeführt. Alina Nelega hat viele Projekte zur Entwicklung des Theaters initiiert, eines davon – dramafest – fand schon Ende der 90er Jahre statt und diente als Grundlage für das Projekt bzw. die Gruppe dramaAcum. Sie war auch Regisseurin ihrer eigenen Stücke, führt zur Zeit ein Theater und feiert ein spektakuläres Comeback als Dramatikerin. Stefan Caraman wurde in den letzten zehn Jahren oft gespielt, auch in Bukarest, und er ist auch einer der Dramatiker, die mich inspiriert und aufgemuntert haben, Theater zu schreiben. Radu Macrinici hat lange Zeit als Literaturmanager gearbeitet und hat verschiedene Festivalprojekte für das Gegenwartstheater geleitet. Dumitru Crudu (aus der Moldau) wurde in Rumänien produziert und auch zu verschiedenen Festivals und Workshops im Ausland eingeladen. Diese Generation, die jetzt um die 40 ist, müsste normalerweise eine zentrale Rolle in der rumänischen Theaterwelt spielen. Tut sie aber nicht. Und das ist unter anderem auch der Tatsache zu verdanken, dass es sich um keine Regisseure oder Schauspieler handelt, das heißt um Personen, die einen wichtigeren Status im rumänischen Theater haben. Eine Gruppe von Regisseuren rief ein Projekt zur Entdeckung neuer Dramatiker ins Leben. Diese Regisseure hatten Kontakt zum Royal Court und waren mit dessen Philosophie vertraut. Das, was sie suchten, waren aktive Dramatiker, die Geschichten über sozial relevante Themen schreiben konnten, Texte für die Bühne also, nicht für die Schublade. So entstand 2002 das Projekt dramAcum. Am Anfang stand ein Wettbewerb für Dramatiker unter 26. Der Preis war die Inszenierung des Stückes, aber auch eine aktive Rolle im Produktionsteam. Diese Regisseure, die jetzt um die 30 sind, waren Andreea Valean, Radu Apostol, Gianina Carbunariu, Alexandru Berceanu und Ana Margineanu. Unterstützt wurden sie von Nicolae Mandea, damals Lektor an der UNATC (Universität für Theater- und Filmkunst) und jetziger Direktor des Theater-Instituts. Diese Generation hat die Mentalität des rumänischen Theaters grundlegend verändert und den Status des Dramatikers beträchtlich gehoben. Obwohl anfangs angegriffen, haben es die neuen Texte – gestärkt durch Produktion und internationale Anerkennung – in nur sechs Jahren geschafft, dass den Dramatikern neuer Respekt entgegengebracht wird. Diese Texte haben schnell ein junges Publikum erobert, auch weil sie vorwiegend in unabhängigen Theatern aufgeführt wurden, beispielsweise vom Teatrul LUNI in Green Hours oder Teatrul ACT, aber auch auf Nebenbühnen von großen Theatern, in denen zuvor kaum etwas los war. Ein Beispiel dafür ist das Teatrul Foarte Mic ("Das sehr kleine Theater") in Bukarest, das wie seinesgleichen populär wurde aus dem Grund, dass es sozial relevante Texte für das neue Publikum zur Aufführung brachte. Wenn auch nur formal, präsentieren jetzt auch die Direktoren der Staatstheater manche ihrer Programme als Unterstützung des jungen Theaters. Doch dies sind Aktionen, die meistens nur darauf hinauslaufen, vom Rathaus mehr Geld für wenig relevante Produktionen zu erhalten. Durch diesen Trend haben sich direkt oder indirekt vier Arten von Dramatikern herausgebildet:
Dieser Auflistung möchte ich gerne einen Anhang hinzufügen. Es gibt nämlich immer noch Dramatiker, die stilistisch tief in der kommunistischen Zeit verwurzelt sind. Manche von ihnen sind weiterhin aktiv. So zum Beispiel Adrian Lustig, der Boulevardkomödien schreibt und erfolgreich am Komödientheater Bukarest gespielt wird. Er ist der wohl erfolgreichste und meistgespielte in dieser Kategorie. Weitere Namen – die allerdings nicht mehr aufgeführt werden – sind Radu F. Alexandru und Horia Garbea. Letzterer ist Schriftsteller und gehört der Nelega-Generation an. Stilistisch und thematisch lässt er sich aber weit eher der hier besprochenen Anhang-Kategorie zurechnen. Ein ganz atypischer Fall für diese Generation ist Denis Dinulescu, dessen Stück O zi in viata lui Nicolae Ceausescu (Ein Tag im Leben von Nicolae Ceausescu) ein echter Publikumserfolg am Teatrul foarte mic wurde. Als Anhang zum Anhang möchte ich einen weiteren atypischen, aber für die rumänische Gegenwartsdramatatik sehr bezeichnenden Fall anführen, den von Matei Visniec. Dieser wurde in Frankreich zum Dramatiker und und ist stark von Ionesco beeinflusst. Nach der Revolution gab es eine richtige Visniec-Mode, die ihn zum meist gespielten Stückeschreiber werden ließ. Später wurde er vergessen, um nach 2000 wieder Beachtung zu finden (soll heißen in Rumänien, denn in Frankreich wurde er viel mehr gespielt). Visniec wurde auch von unabhängigen Theatern aufgeführt. Denkwürdig ist die Inszenierung von Ana Margineanu am Teatrul LUNI in Green Hours, mit Visniecs Stücken Deseuri (Abfall), nach Teatrul Descompus (Das zersetzte Theater). In den letzten Jahren haben ihn die Inszenierungen von Radu Afrim als äußerst wichtigen Dramatiker, ja fast als lebenden Klassiker etabliert. Ich hoffe, ich habe keine wichtigen Namen ausgelassen, was ich aber nicht annehme. Ich finde, als Dramatiker muss man die gegenwärtige Situation kennen, so viele Stücke wie möglich sehen und die Trends erkennen, ohne allerdings das bisher Gewesene außer Acht zu lassen. Eine Schlussfolgerung wird hier notwendig: Man kann erkennen, dass in Rumänien, auch im Theaterleben, alles noch sehr unklar ist. Ich glaube aber auch, dass sich in den nächsten zehn Jahren vieles klären wird. Die Übergangszeit in Rumänien hat diese Entwicklung, in der sehr schnell viele Stufen übersprungen wurden, sehr stark getroffen. Dem wird, glaube ich, eine viel organischere Entwicklung folgen. Andere Themen, Stile und Experimente sind sehr willkommen. Vielleicht auch eine andere Mentalität. Ich glaube auch, dass der Beruf des Theaterautors mit der Zeit mehr Anerkennung erfahren wird. Das ist ein noch sehr schwacher Punkt. Auch wenn der Dramatiker seinen Status teilweise wiedererlangt hat, so ist er nach wie vor der am schlechtesten Bezahlte unter den Theaterleuten – das nur als Beispiel. Obwohl auch die Autoren inzwischen ihre Fans haben (in den Blogs kann man lesen: "ich liebe Carbunariu/Peca/Manolescu" oder "das Stück X hat mir sehr gut gefallen"), so werden sie von den etablierten Theatern noch immer nicht als vertrauenswürdige Partner betrachtet, nicht einmal dann, wenn sie Publikumsmagnete sind. Auftragsarbeiten sind bei uns genauso wenig üblich wie die Einrichtung eines Hausdramatikers. Zugegeben, es gibt Ausnahmen. Aber die bestätigen nur die Regel. Aus dem Rumänischen
von Aranca Munteanu |