Der Zuschauer
findet sich bei der Inszenierung "Gott ist Schönheit" konfrontiert mit einem
spartanisch ausgestatteten Bühnenbild von Riikka von Martens und Kristian
Smeds: An die Rückwand eine großformatige Leinwandmalerei gelehnt. Ein
Porträt. Ein Bild, das aber eigentlich erst Skizze ist. Das auch zum
wechselnd beleuchteten Farbfeld werden kann. Ein Bild, das an eine der
späten Leinwandarbeiten von Francis Bacon erinnert, die von diesem nicht
fertiggemalt wurde und Skizze geblieben ist. Die völlig anderen Bilder des
Malers Lampi zeigen sich im Stück nicht. Aufgeführt werden von Smeds
Ensemble 10 Bühnenszenen, aus denen sich die Malerei Lampis nicht gleich
erschließen lässt. Es bieten sich Teile des Lebens des Künstlers, die seine
Persönlichkeit darzustellen versuchen. Facetten seines Charakters. Seiner
Vorstellungswelt. Seines Tuns. Seines Unterwegsseins. Eine surreal
merkwürdig anmutende Geschichte. Mehr Roman als Biografie. Mehrere
Handlungsorte, Lebenswelten. Sprunghafte Phantasieebenen, Realitäten,
Intentionen, Perspektiven.
Der
Maler ist in diverse Personen aufgesplittet. Die Darstellung von erstrebter
Schönheit präsentiert sich hauptsächlich auch als Grobheit und Kargheit. Die
Handlungsbilder beispielsweise: Bewegung mit kräftigen Seilen, Brennen
funkelnder Lichter im Dunkeln, Schläge mit einer Axt auf einen Eisblock oder
Hiebe auf eine Holzstele. Expressionistische, exzessive Ausbrüche. Manchmal
tänzerisch, manchmal als primitive Vorgänge, manchmal schwerlastig, manchmal
spielerisch. Diverse innere Kräfte und Vorgänge, die für das Schaffen von
Kunst mehr oder weniger unumgänglich sind. Und für die Freiheit der Kunst
und des Künstlers um die es geht. Lampi fühlte
sich wohl außerhalb des Lebens und der Gesellschaft. Wollte auch Gewalt
anprangern und dass jeder Traum unmöglich werden kann. Der Humor des
Ensembles wirkt dabei manchmal wie seltsam in das Bühnengeschehen
untergemischt, scheint nur schwer mit manch grobem Inhaltlichem konform zu
gehen.
Die
Bilder, die Lampi malte, sind sachlich oder expressionistisch, durchaus auch
hart, aber ohne Brutalität, sind mehr als eine Spur sanfter und einfühlsamer
als die Handlung des Stücks vermuten lässt. Wenngleich seine Gemälde
farbkräftig Kompromisslosigkeit wiedergeben. Lampis Malerei spiegelt immer
auch Menschlichkeit und Wärme wider, etwas das den Bühnenszenen häufig fehlt.
In der Musik des Stücks hingegen gibt es diese Wärme. Stark rhythmusbetonter finnischer
Folkrock, von Tomi Rikkola, Tuomo Kuure, Juha Menna live auf der Bühne
gespielt, der Bilderwelt des Malers vielleicht adäquater als das
Theaterspiel. War Lampi
gewalttätig, fragt man sich. Wohl kaum. Er war Künstler. Kein Künstler hat
Gewalt nötig. Lampi dürfte seine inneren Kräfte fokussiert haben und ließ sie
natürlich in sein künstlerisches Schaffen fließen. Ich frage mich aber, ob
Lampi dabei überhaupt Humor hatte. Oder ob der Humor nur zu Smeds Ensemble
gehört.
Der
erste Eindruck, den das Ensemble mit dieser Produktion hinterlässt, ist
irritierend. Kennt man das Werk des Malers noch nicht und sieht die
Aufführung, kann man sich seine Gemälde nicht vorstellen. Auch nicht
durch die Malereiskizze im Bühnenhintergrund. Mich hat ein
Infoblatt und die Vorführung selbst nicht wirklich auf Paavo
Rintalas Buch und die Handlung neugierig gemacht. Ich blieb auf extremer
Distanz. Nur bei Teilszenen war ich dazu motiviert, mich darauf einzulassen.
Dafür aber mich noch ausführlicher mit der Malerei Lampis zu befassen. Sowohl der Maler
Vilho Lampi als auch die Musiker Tomi Rikkola, Tuomo Kuure, Juha Menna – teils der von 1998 bis 2011 existierenden Band Pohjannaula entstammend –,
sind als bereichernd durch die Inszenierung inspiriert zu entdecken.
Die
kaum bekannte Malerei Vilho Lampis dürfte durchaus verwandt mit der Novembergruppe
sein, einer Malergruppe aus dem Redaktionsumfeld von Herwarth Waldens
Zeitschrift Sturm, die von 1918 bis 1935 mit Schwerpunkt in Berlin agierte.
Neben Max Pechstein als ihrem Gründer bestand die Gruppe vornehmlich aus Malern, die an sozialen
Veränderungen interessiert waren und schließlich als bolschewistisch beschimpft von den
Nationalsozialisten verboten wurden. Maler, die an einer Vereinigung von Kunst und
Volk arbeiteten
–
was schwer möglich war. Vilho Lampi jedenfalls gab seinen
Lebensentwurf auf, indem er Selbstmord beging. Über den
41-jährigen namhaften finnischen Regisseur des Stücks, Kristian Smeds mit
Arbeitsbasis Helsinki (einst längere Zeit in einer finnischen Kleinstadt
lebend und Leiter des seit 2007 bestehenden Smeds Ensemble, ein
internationales Künstlernetzwerk) heißt es, seine Lieblingsthemen seien
Liebe, Tod und Gott, garantiert mit Humor, "stark und schwarz – wie guter
Kaffee".
Wie
sich an der Zuschauerzahl
des Stücks zeigte,
braucht die finnische Mentalität des Smeds Ensemble
möglicherweise mehr als nur eine Annäherung.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in:
www.textem.de
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