Dieses
Jahr setzte sie sich mit dem gesellschaftlich besonders wichtigen Thema der
Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern auseinander und trug somit zur
kulturellen Aufarbeitung bei. Unter dem Motto "weiblich – männlich" stellte
sie die aktuelle Thematik der Gleichberechtigung von Mann und Frau ins
Rampenlicht. "Frauen sind in der Dramatik allgemein unterrepräsentiert; in
der Theaterbranche arbeiten im Durchschnitt deutlich weniger Frauen" – so
meine Mutter. Außerdem besagt eine Statistik über Geschlechterungleichheit
in Rumänien, dass vor einem Jahr 42 Frauen an den Folgen häuslicher Gewalt
starben und weitere 40.000 Opfer von Aggressionen wurden.
Kein Wunder also, dass
mein Angebot Titel wie Schmutzwäsche muss in der
Öffentlichkeit gewaschen werden umfasst. Nur drei Zuschauer pro halber
Stunde hatten Zugang zum Raum voller Wäscheleinen, an denen weiße
Kleidungsstücke mit in Rot abgedruckten Aussagen von Opfern aufgehängt waren.
Das kurze Flanieren durch die ausgestellte "schmutzige" Wäsche vermittelte
einen guten Eindruck vom Missbrauch, dem diese Frauen ausgesetzt waren. Das
anschließende Gespräch mit einer der drei Schauspielerinnen gab einen guten
Einblick in die Erfahrungsberichte. Die nur 20-minütige performative
Installation (Regie: Anda Drăgan) der Theatergruppe Amalgam aus Klausenburg,
entstanden in Zusammenarbeit mit dem FILIA-Zentrum, entstand über eine
kollektive Dramaturgie, die von realen Geschichten inspiriert ist.
Von einem realen Ereignis
spricht auch das 2018 im britischen Breach Theater uraufgeführte Stück Es
ist wahr, es ist wahr, es ist wahr. Dabei handelt es sich um den Prozess
gegen Agostino Tassi wegen der Vergewaltigung der Barockmalerin Artemisia
Gentileschi, der 1612 für Aufsehen sorgte, und in dessen Verlauf Gentileschi
mit Daumenschrauben gefoltert wurde, um die Richtigkeit ihrer Aussage
festzustellen. Die packende Dramatisierung des Breach Theaters verknüpft
Gerichtsprotokolle mit Geschichte, Mythen und zeitgenössischen Perspektiven,
um zu zeigen, wie wenig sich die Gesellschaft in den letzten vier
Jahrhunderten verändert hat. In der rumänischen Produktion des freien
ACT-Theaters aus Bukarest (Regie: Alexandru Mâzgăreanu) tauschen drei
Schauspielerinnen ständig die Rollen und spielen sowohl weibliche als auch
männliche Charaktere. Welcher Film konnte dann mein Programm zur
Geschlechterparität vervollständigen? Claudia Müllers Dokumentarfilm
Elfriede Jelinek – Die Sprache von der
Leine lassen war die richtige Wahl
meiner Mutter.
Epilepsie –
das unerwünschte Tabuthema
Zu
meiner Geburtstagsfeier gibt es immer eine Premiere, und das in meinem
Zuhause: im Kinder- und Jugendtheater "Luceafărul". Diesmal beschloss meine
Mutter, sich einem schwierigen Thema zu nähern. Setz dich hin oder falle
heißt die äußerst informative und zugleich emotionale Show über Epilepsie
nach dem gleichnamigen Roman von Bogdan Munteanu, der selbst an dieser
neurologischen Erkrankung leidet. Cipri, die Hauptfigur, spricht über die
Bedeutung der Wahrnehmung und der Akzeptanz einer Diagnose wie Epilepsie –
ein Tabuthema in der rumänischen Gesellschaft. Sowohl Cipri als auch die
Zeugen seiner Krisen nehmen die Realität verzerrt wahr. Manche wissen nichts
über "Epi" – wie der Autor seine Krankheit zu nennen pflegt, andere wissen
zu viel. Das Ensemble überzeugt mit Wandlungsfähigkeit, Intensität und
Humor. Nichts wirkt statisch in dieser temporeichen zeitgenössischen
Regiearbeit von Cristi Avram, die geschickt Videoprojektionen, Live-Musik,
Choreografie, Licht- und Schattenspiele miteinander verknüpft.
Internationale
Erstaufführungen
Nun
etwas Lustiges – das Leben ist ernst genug! Ich selbst bin ja minderjährig
und freue mich über Kinder- und Jugendtheater. Meine Mutter legt daher jedes
Jahr besonderen Wert darauf, internationale Erstaufführungen für mich
einzuladen. Insbesondere drei davon begeisterten meine Gäste in diesem Jahr.
The Key Theatre aus Israel brachte mit Pocht nicht auf den Bären die
Geschichte eines sanften Riesen, der sein ganzes Leben im Zirkus unter der
Grausamkeit seines Meisters leidet. Ein entzückendes nonverbales Puppenspiel
über Träume, Albträume und Hoffnung auf ein Leben in Freiheit.
Die Geschichtenerzählerin
und Puppenspielerin Bronia Evers und die Komponistin und Musikerin Martina
Schwarz aus Großbritannien widmeten sich dem klassischen Märchen Die
riesige Rübe. Immer wieder haben die beiden auf vielfältige Weise Kinder
und Erwachsene zugleich zum Mitmachen animiert, um Rosie zu helfen, die Rübe
zu pflanzen und zu ernten, aus der sie eine Laterne für das Festival des
Lichts schnitzen will. Eine hinreißende Geschichte in einem handgefertigten
Bühnenbild aus gefilzter Wolle, bestückt mit aus Holz geschnitzten und aus
Textilien gefertigten Puppen.
Schlichtweg bezaubernd
wirkte Der Hotelpage der Hilarilar-Gruppe aus Spanien. Ob im
Theatersaal, Park oder Kaffeehaus, schafften es die menschliche
Rezeptionistin, der eine Glocke auf dem Kopf sitzt, zusammen mit ihren verträumten
Marionetten die Zuschauer in das goldene Zeitalter der großen Hotels, in
der Hotelpagen beim Glockenklang aufsprangen, zurückzuversetzen.
Nationale
Highlights
Ernst
ging es wieder zu in Unruhe von Iwan Wyrypajew. Regisseur Bobi Pricop
nutzt den hervorragenden Text des russischen Dramatikers und konzentriert
sich auf die Charaktere. Die Handlung spielt in New York, in der Wohnung der
berühmten amerikanischen Schriftstellerin polnisch-deutscher Herkunft, Ula
Richter. Die für den Nobelpreis nominierte, zurückhaltende und diskrete
Person gibt dem polnischen Journalisten Krzysztof Zieliński ein wichtiges
Interview. Das Interview hat eine doppelte Bedeutung: Für Krzysztof kann es
ein Sprungbrett zu einer Karriere in New York sein, der Medienhauptstadt der
Welt und dem Paradies für jeden Journalisten, und für Ula stellt es eine
außergewöhnliche Gelegenheit dar, die Wahrheit zu sagen oder vielleicht
Verwirrung zu stiften und so einen persönlichen Mythos zu schaffen.
Unruhe ist eine Show über die Beziehung zwischen Kunst und Leben,
zwischen Liebe und Gott. In dem minimalistischen blauen Bühnenbild wird jede
Reaktion und jede Emotion des bemerkenswerten Ensembles des Odeon-Theaters
aus Bukarest verstärkt.
Ganz anders Seaside
Stories, eine Abfolge von Geschichten mit unterschiedlichen Charakteren
aus Badeurlauben am Meer. Nicht umsonst hat die Produktion des
Staatstheaters aus Constanţa 2023 den UNITER-Preis gewonnen. Regisseur Radu
Afrim schafft es auf der Bühne und auf den riesigen Bildschirmen im
Hintergrund, Fragmente, verfasst von sieben verschiedenen Autoren, sowie zwei
seiner eigenen Texte (Prolog und Epilog) auf wundersame Weise
zusammenzubringen. Es ist gerade die Vielfalt der Autorenansätze und die
Mensch-Meer-Interaktion sowie der Rückgriff auf Erinnerungen und passende
Musik, die dafür sorgen, dass sich die Zuschauer sofort in die Charaktere
hineinversetzen können und in die Konvention der Show eintauchen.
Für
volle Säle sorgte auch das Bukarester Komödientheater mit Die Heirat
von Nikolai Gogol (Regie: Andrei und Andreea Grosu) sowie eine humorvolle
Comedy-Show von und mit Pavel Bartoş. Milchig von Flobo Studio
Bukarest passte perfekt zum diesjährigen Thema "weiblich – männlich". Die
Sammlung von Skizzen über männliche und weibliche Schicksale sorgte für
Lacher, entlarvte aber mit Ironie und Sensibilität Stereotypen, denen wir im
Alltag begegnen: die Rolle von Frauen und Männern in der Gesellschaft,
Beziehungen, Identität. Schwungvolle Liedtexte und Rap-Akkorde, die die
Sketch-Comedy-Show begleiteten, regten zum Nachdenken an.
Musikalisch ging es auch
in der Produktion des Klassischen Theaters aus Arad zu, dessen
Marionettenabteilung mit Die Musikgeschichte für Kinder (und ihre Eltern)
eine unterhaltsame und lehrreiche musikalische Reise von Mozart über David
Bowie bis Amy Winehouse für die ganze Familie zeigte. Unterschiedliche
Musikgenres, stilisierte Disco-Kugeln, Marionetten, die Musiklegenden wie
Elvis Presley, Maria Tănase und Janis Joplin zum Leben erweckten, machten
die Aufführung in der Regie von Cristian Ban zu einem unvergesslichen
Erlebnis.
Seit
sechzehn Jahren bereichere ich das Theaterangebot in unserer Stadt. Durch
beeindruckende Inszenierungen und inspirierende Aufführungen wird Iaşi zum
Schauplatz für spannende Momente und Geschichten, die uns berühren.
Schlichtweg überwältigend war die Show der Fire-Theatre-Mime-Gruppe aus
Bulgarien, die zu später Stunde unter dem Sternenhimmel gezeigt wurde.
Das Erwachen der Seele sprach von den Herausforderungen, Gefahren,
Ängsten, Illusionen, von denen sich die Seele befreien muss. Eine
funkensprühende Feuershow, in der die Kraft des Feuers sich mit
pyrotechnischen Effekten noch steigern ließ. Mit ausverkauften Vorstellungen
und Standing Ovations wurde ich gefeiert. Auf mein nächstes Geburtstagsfest
bin ich schon jetzt gespannt!