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Keine Croissants mit
Marmelade und Tee mehr! Kein Zahlen- und Buchstabenlernen
Von Irina Wolf |
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Papier, Stifte, Scheren, Klebstoff – mit diesen einfachen Mitteln gestaltete Schauspieler Iurașcu seinen lehrreichen und unterhaltsamen Auftritt. Nach und nach wurden komplexere Elemente hinzugefügt: Pop-up-Konstruktionen aus Karton und mit Hilfe künstlicher Intelligenz erstellte Grafiken und Videoprojektionen begeisterten Klein und Groß gleichermaßen. Es kommt nicht von ungefähr, dass das "Luceafărul“-Theater eine Reise nach Tibet in seinem Showcase zeigte. Intendantin Oltiţa Cîntec kuratierte das 75-jährige Jubiläum des Theaterbestehens basierend auf der Idee des Reisens in die Vergangenheit. Das abwechslungsreiche und vielfältige Programm brachte die beliebtesten Produktionen zusammen, die zu nationalen und internationalen Festivals eingeladen und mehrfach ausgezeichnet wurden. So entführte uns die nonverbale Clown-Station über einen alten Mann, der den Zug verpasst, in eine Welt, in der alles schöner wirkt, wenn wir das Kind in uns wecken. Aus der Spielfreude der Clowns, die von allen Seiten auftauchten, entstand eine große Spiellust, während die Zeit auf der riesigen Bühnenuhr stillstand. Das Stück Eine japanische Geschichte war nicht nur von der Folklore, der grafischen Kunst und dem traditionellen Puppentheater Japans inspiriert. Diese Produktion ist ein Beweis für die vom Theater angestrebten internationalen Kooperationen. Die Bühnenversion der charmanten Antiheldengeschichte vom amerikanischen Duo Irina Niculescu Lewandowski (Dramatik und Regie) und John Lewandowski (Bühnenbild und Musik) untersucht auf humorvolle Weise das Konzept der Kraft, die sowohl im Körper als auch im Herzen liegt. Vier der besten Puppenspieler erweckten 26 Faden- und Stabpuppen zum Leben. Dabei wurden sie von einem Schauspieler auf sechs asiatischen Instrumenten musikalisch begleitet. Die allererste Produktion des am 1. März 1950 gegründeten "Luceafărul“-Theaters, die bis heute im Repertoire vorhanden ist, durfte natürlich im Programm des Showcases nicht fehlen: Der goldene Fisch nach Alexander Puschkins Geschichte "Das Märchen vom Fischer und dem Fischlein". Umso bewegender war für mich die Aufführung, der ich beiwohnen durfte mit zwei Schauspielern, die seit fast 50 Jahren an diesem Theater tätig sind. Von den Garderoben durch die Stadt Als Theaterkritikerin verleiht Intendantin Oltița Cîntec des Öfteren kreative Impulse für neue Projekte. Ein Beispiel dafür ist Die Stadt, eine Konzert-Performance, gewidmet der Stadt Iași, die jedoch auf jede Großstadt zutrifft. Stimmlich sehr begabt, verkörperten vier Schauspielerinnen Figur für Figur des überfüllten Ortes, der im Herbst von Studenten gestürmt wird, in dem von Nachhilfe und außerschulischen Aktivitäten überforderte Schüler leben, in der Menschen es immer eilig haben, Sonderangebote ergattern zu wollen. Auf den ironischen Liedtexten von Bobi Dumitraș und der dynamischen Musik, komponiert von Bobo Burlăcianu, nahm das weibliche Quartett in einfallsreichen Solo- und Gruppenmomenten das Publikum mit auf eine imaginäre Reise durch die Stadt. Ein weiterer Höhepunkt des Showcases war In den Garderoben. Ziel war es, den Zuschauern den sonst unzugänglichen Theaterbereich zu präsentieren, in dem sich die Darsteller vor jeder Vorstellung auf ihren Auftritt vorbereiten. Oltița Cîntec hat sich ein Eins-zu-Eins-Konzept ausgedacht: Je ein Zuschauer trifft auf je einen Schauspieler in den vier Garderoben des Theaters. Eine intime Begegnung mit uns selbst und dem anderen. Das Repertoire des Theaters umfasst auch Inszenierungen für die ganze Familie wie Der selbstsüchtige Riese nach Oscar Wilde oder Setz dich oder fall (basierend auf dem gleichnamigen Roman von Bogdan Munteanu) – die landesweit einzige Produktion, die sich mit dem Thema Epilepsie befasst. Eine der mit größter Spannung erwarteten Premieren war Die Farm der Tiere – eine Fabel nach George Orwell. Junggebliebene Erwachsene schätzten den komplexen, hochaktuellen Text und bewunderten gemeinsam mit den Kleinen die gelungenen Kostüme und das dynamische, eingespielte Ensemble aus zwölf Darstellern. Die Kuratorin verstand es besonders gut, das Reisekonzept des Showcases mit großer Sorgfalt zu durchdenken. So machte den Anfang die Produktion Mit dem Flugzeug zwischen den Sternen über die Freundschaft zwischen einem kleinen Jungen und einem Affen, in dem sich Schattentheater, Puppenspiel und Luftballons harmonisch ineinander verflochten. Es war naheliegend, mit Luceafărul, durch das Teleskop fortzufahren – einer interaktiven Veranstaltung, die eine einzigartige Verbindung zwischen Astronomie und Theaterkunst herstellte. Theaterfans hatten die Möglichkeit herauszufinden, woher der Name "Luceafărul" (auf Deutsch "Morgenstern") stammt. Dafür lieferte zuerst ein Physiker Informationen über das Himmelsgewölbe. Im Anschluss durfte jeder Teilnehmer mittels QR-Code eine Anwendung auf sein Mobiltelefon herunterladen, um "am Himmel" herumzustöbern. Zuallerletzt – je nach Wetterlage – schritt man vor das Theatergebäude, wo man durch ein Teleskop den im Volksmund als "Luceafărul" bekannten Himmelskörper (den Planeten Venus) betrachtete. Zu den erfindungsreichen Ideen der Kuratorin gehörte auch
die Gestaltung einer Ansichtskarte mit der grafischen Darstellung des
Theatergebäudes. In Zusammenarbeit mit der rumänischen Post wurde im
Theater-Foyer ein roter Briefkasten – ähnlich denen in London – aufgestellt.
Dadurch hatten Besucher die Möglichkeit, Post direkt vom Theater aus in die
ganze Welt zu verschicken. |