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Auf zur fröhlichen Männerzerstörung!

In Martin Grubers neuester Produktion, die vom 13. bis 17. Juni im Wiener Kosmos
Theater gezeigt wurde, dreht sich alles um die Klischees und Rollenbilder des modernen Mannes.
Humorvoll und polarisierend zugleich begibt sich der Regisseur zusammen mit seinen Akteuren
auf die Suche nach einem neuen Männerbild zwischen Unterhosen, Bärten und Pompons.

Von Irina Wolf
(01. 08. 2018)

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Irina Wolf
irinawolf10 [at] gmail.com

Irina Wolf wurde in
Bukarest geboren. Nach
Abschluss ihres Informatik-
studiums und mehreren
Jobs im Telekommunikations- und Forschungsbereich
wechselte sie 1993 in den
Außenhandelsdienst. Seit
2007 schreibt sie freiberuflich
für mehrere rumänische und
deutschsprachige Kultur-
zeitschriften.



 





(c) Gerhard Breitwieser /
Stefan Hauer

 


Linktipp

aktionstheater.at

   Sie sind zu sechst. Barfuß, in weißen Unterleibchen und Boxershorts kommen sie auf die leere Bühne spaziert. Schon von Beginn an setzt sich einer von ihnen ab. Er ist der Einzelgänger, der die anderen mit weißer Kreide auf dem Boden einkreist. Daraufhin nimmt er auf einen Sessel Platz und beobachtet das Männerquintett. Inzwischen betasten die fünf andauernd ihren Unterhosenbund, verschränken die Arme vor die Brust, nehmen verschiedene Macho-Haltungen ein. Egal wie viel sie versuchen, egal wie sehr sie sich bemühen, sie schaffen es nicht, bedrohlich zu wirken. Dann beginnen sie zu sprechen. Sie erzählen über väterliche Vorbilder, erotische Fantasien, Verhaltensprobleme gegenüber Frauen und vieles mehr.

Passend zur #MeToo-Debatte ist Martin Grubers neueste Produktion Die wunderbare Zerstörung des Mannes erschienen, die vom 13. bis 17. Juni im Wiener Kosmos Theater gezeigt wurde. Der vom Gründer des Vorarlberger aktionstheater ensemble ausgearbeitete Text basiert auf einer Männer-Rollenbilder-Umfrage. Bereichert wurde das Stück zudem durch umfassende Interviews mit den Darstellern. Dazu kommen melancholisch-ironische Fragmente von Wolfgang Mörth und dem Slam-Experten Elias Hirschl. Humorvoll und polarisierend zugleich begibt sich der Regisseur zusammen mit seinen Akteuren auf die "Suche nach einem neuen Männerbild".

   Zu nennen wäre etwa das typische Muttersöhnchen, das ständig nach seiner Identität sucht. Wie Thomas Kolle dabei das 'Mädchen' in sich widerspiegelt, sorgt für schallendes Gelächter im Publikum. "Roter Apfel, schwarzer Kern, liebe Mutti, ich hab dich gern", wiederholt er mehrmals und wird dabei von den anderen ausgegrenzt, ja sogar verprügelt. Dass er die Schläge unentwegt mit einem Lächeln hinnimmt, zeugt jedoch von innerer Stärke. Andreas Jähnert "nimmt sich wichtig, so wahnsinnig wichtig". Zumindest wörtlich scheint der wohlbekannte Schauspieler der Bregenzer Truppe mehrmals die Anführerrolle zu übernehmen. Doch immer wieder mischt der außenstehende Benjamin Vanjek mit. Nicht nur seine Worte, seine gesamte Haltung, ja sogar sein Gesichtsausdruck sind der beste Beweis für eine prägnante Individualität. Mit einer saftigen Portion Selbstironie schaffen es außerdem Sascha Jähnert, Peter Pertusini und Fabian Schiffkorn das Publikum immer wieder zum Lachen wie zur Reflexion zu bringen. Denn auch in dieser Produktion sind die fein eingesetzten politischen Anspielungen von Martin Gruber wiederzufinden.

In gewohnter aktionstheater-ensemble-Manier wechselt die Wortflut mit mitreißenden Musiknummern ab. Die in Wien lebende Nadine Abado, die im Herbst ihr erstes Album herausbringen wird, entpuppt sich als mehr als eine gewöhnliche musikalische Begleitung. Ihre aufwühlende Stimme, gepaart mit am Synthesizer erzeugten Rock- und Balladeklängen (einmal nimmt sie sogar die Gitarre zur Hand) verwebt sich mit den Monologen zu einem einzigartigen Ganzen. Dazu bewegen die Männer im harmonischen Kollektiv Arme oder Beine. Die ebenfalls von Martin Gruber entworfene Choreographie wirkt betörend und verstörend zugleich. Ebenso die Bilder von Schmetterlingen oder bellenden Bulldoggen (mit Sonnenbrille?) der Videokünstlerin Claudia Virginia vom Lichtkunst- und Videokollektiv dORNwiTTCHEN, die auf zwei Fahnen projiziert werden.

   Am Ende dann der Höhepunkt: Alle sechs Akteure schwingen weiße Cheerleader-Pompons. Mit solchen Bildern gelingt dem Regisseur die perfekte "Bestandsaufnahme einer Verstörung" (so auch der Untertitel des Stücks). Die äußerst unterhaltsame Aufführung dauert fünfundsiebzig Minuten lang, die wie im Flug vergehen. In dem zum Brechen vollen Saal des Kosmos Theaters gibt es tosenden Applaus für die hervorragende schauspielerische Leistung ganz zu Recht. Die wunderbare Zerstörung des Mannes sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen!

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