Sie
sind zu sechst. Barfuß, in weißen Unterleibchen und Boxershorts kommen sie
auf die leere Bühne spaziert. Schon von Beginn an setzt sich einer von ihnen
ab. Er ist der Einzelgänger, der die anderen mit weißer Kreide auf dem Boden
einkreist. Daraufhin nimmt er auf einen Sessel Platz und beobachtet das
Männerquintett. Inzwischen betasten die fünf andauernd ihren Unterhosenbund,
verschränken die Arme vor die Brust, nehmen verschiedene Macho-Haltungen
ein. Egal wie viel sie versuchen, egal wie sehr sie sich bemühen, sie
schaffen es nicht, bedrohlich zu wirken. Dann beginnen sie zu sprechen. Sie
erzählen über väterliche Vorbilder, erotische Fantasien, Verhaltensprobleme
gegenüber Frauen und vieles mehr.
Passend zur #MeToo-Debatte ist Martin Grubers neueste
Produktion Die wunderbare Zerstörung des Mannes erschienen, die vom
13. bis 17. Juni im Wiener Kosmos Theater gezeigt wurde. Der vom Gründer des
Vorarlberger aktionstheater ensemble ausgearbeitete Text basiert auf einer
Männer-Rollenbilder-Umfrage. Bereichert wurde das Stück zudem durch
umfassende Interviews mit den Darstellern. Dazu kommen
melancholisch-ironische Fragmente von Wolfgang Mörth und dem Slam-Experten
Elias Hirschl. Humorvoll und polarisierend zugleich begibt sich der
Regisseur zusammen mit seinen Akteuren auf die "Suche nach einem neuen
Männerbild".
Zu
nennen wäre etwa das typische Muttersöhnchen, das ständig nach seiner
Identität sucht. Wie Thomas Kolle dabei das 'Mädchen' in sich widerspiegelt,
sorgt für schallendes Gelächter im Publikum. "Roter Apfel, schwarzer Kern,
liebe Mutti, ich hab dich gern", wiederholt er mehrmals und wird dabei von
den anderen ausgegrenzt, ja sogar verprügelt. Dass er die Schläge unentwegt
mit einem Lächeln hinnimmt, zeugt jedoch von innerer Stärke. Andreas Jähnert
"nimmt sich wichtig, so wahnsinnig wichtig". Zumindest wörtlich scheint der
wohlbekannte Schauspieler der Bregenzer Truppe mehrmals die Anführerrolle zu
übernehmen. Doch immer wieder mischt der außenstehende Benjamin Vanjek mit.
Nicht nur seine Worte, seine gesamte Haltung, ja sogar sein Gesichtsausdruck
sind der beste Beweis für eine prägnante Individualität. Mit einer saftigen
Portion Selbstironie schaffen es außerdem Sascha Jähnert, Peter Pertusini
und Fabian Schiffkorn das Publikum immer wieder zum Lachen wie zur Reflexion
zu bringen. Denn auch in dieser Produktion sind die fein eingesetzten
politischen Anspielungen von Martin Gruber wiederzufinden.
In gewohnter aktionstheater-ensemble-Manier wechselt die
Wortflut mit mitreißenden Musiknummern ab. Die in Wien lebende Nadine Abado,
die im Herbst ihr erstes Album herausbringen wird, entpuppt sich als mehr
als eine gewöhnliche musikalische Begleitung. Ihre aufwühlende Stimme,
gepaart mit am Synthesizer erzeugten Rock- und Balladeklängen (einmal nimmt
sie sogar die Gitarre zur Hand) verwebt sich mit den Monologen zu einem
einzigartigen Ganzen. Dazu bewegen die Männer im harmonischen Kollektiv Arme
oder Beine. Die ebenfalls von Martin Gruber entworfene Choreographie wirkt
betörend und verstörend zugleich. Ebenso die Bilder von Schmetterlingen oder
bellenden Bulldoggen (mit Sonnenbrille?) der Videokünstlerin Claudia
Virginia vom Lichtkunst- und Videokollektiv dORNwiTTCHEN, die auf zwei
Fahnen projiziert werden.
Am
Ende dann der Höhepunkt: Alle sechs Akteure schwingen weiße
Cheerleader-Pompons. Mit solchen Bildern gelingt dem Regisseur die perfekte
"Bestandsaufnahme einer Verstörung" (so auch der Untertitel des Stücks). Die
äußerst unterhaltsame Aufführung dauert fünfundsiebzig Minuten lang, die wie
im Flug vergehen. In dem zum Brechen vollen Saal des Kosmos Theaters gibt es
tosenden Applaus für die hervorragende schauspielerische Leistung
– ganz zu Recht. Die wunderbare
Zerstörung des Mannes sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen!