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Hundertmal Rumänien: Eine spielfreudige Identitätssuche

Klein, aber fein: So präsentierte sich die Internationale Bukarester Theaterplattform, die
im Oktober 2017 in Rumäniens Hauptstadt stattfand. Die vor vier Jahren von der
Theaterkritikerin Cristina Modreanu ins Leben gerufenen Festspiele hinterfragten das
europäische Konzept der Toleranz und Demokratie und untersuchten gleichzeitig die
Position des osteuropäischen Landes auf der kulturellen Karte unseres Kontinents.

Von Irina Wolf
(17. 01. 2018)

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Irina Wolf
irinawolf10 [at] gmail.com

Irina Wolf wurde in
Bukarest geboren. Nach
Abschluss ihres Informatik-
studiums und mehreren
Jobs im Telekommunikations- und Forschungsbereich
wechselte sie 1993 in den
Außenhandelsdienst. Seit
2007 schreibt sie freiberuflich
für mehrere rumänische und
deutschsprachige Kultur-
zeitschriften.



(c) Adi Bulbuoaca

"Good for Export"
(Regie:
Alex Tocilescu)



(c) Adi Bulbuoaca

"Ogres"
(Regie:
Eugen Jebeleanu)
 

   Eines der Hauptthemen der fünf gezeigten Produktionen war die Migration. Grund dafür ist die Tatsache, dass zehn Jahre nach dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union ein Großteil seiner Bürger – vor allem auf der Suche nach besseren Arbeitsbedingungen – das Land in Richtung Westeuropa verlässt. Inspiriert von Liliana Nechits Roman "Sauerkirschen" erkundete Rovegan anhand des rumänischen Volksmärchenklassikers "Die Ziege und die drei Geißlein" das Migrationsphänomen. Mit minimalen Mitteln erzählten drei hervorragend agierende Schauspielerinnen die hochemotionale Geschichte einer Mutter, die ihre Familie verlässt, um Arbeit in Italien zu finden. Geschrieben und inszeniert von Catinca Drăgănescu, nutzte Rovegan die Form des kollektiven "Storytellings" und verwandelte so den Theaterabend in ein mitreißendes Erlebnis. Wie aktuell das Auswanderungsproblem in der heutigen rumänischen Gesellschaft ist, bewies das ebenfalls von Drăgănescu inszenierte Stück Good for Export von Alex Tocilescu. Über Migration sprach auch Exit von Árpád Schilling (eine detaillierte Rezension darüber ist in der Aurora-Magazin-Ausgabe vom 07.08.2017 zu finden).

Der einzige internationale Beitrag kam aus Frankreich. In achtundzwanzig Szenen, die sich weltweit in vierzehn Ländern abspielten, unternahm Ogres eine Reise durch die Welt der Homophobie, und das in einer Zeit, in der von einem Großteil der rumänischen Öffentlichkeit Homosexuelle zunehmend ausgegrenzt werden. Die Produktion der gleichnamigen Künstlergruppe, die 2015 vom französischen Autor Yann Verburgh und dem rumänischen Regisseur Eugen Jebeleanu ins Leben gerufen wurde, entstand nach einer intensiven Dokumentationsarbeit. In einem minimalen Bühnenbild (entworfen von Velica Panduru) und bei entsprechender Lichtstimmung betrachteten fünf Schauspieler Homophobie aus unterschiedlichsten Blickwinkeln. Dabei verkörperten sie nicht weniger als dreißig Personen – Opfer, Aggressoren, Familien und Zeugen.

   Der Höhepunkt der vierten Auflage der Internationalen Bukarester Theaterplattform war jedoch das Projekt Romania 100. Angesichts der Tatsache, dass das Land 2018 sein hundertjähriges Bestehen als moderner Staat feiern wird, haben Kuratorin Cristina Modreanu und Casting-Direktorin Florentina Bratfanof hundert Rumänen ausgesucht, um deren Lebensgeschichten "live" auf die Bühne zu bringen. Personen aus allen sozialen Klassen und Altersgruppen, unterschiedlicher ethnischer Herkunft und Religion, verschiedener Sexualorientierung und Geschlechtsidentität, vertrauten dem Publikum ihre ganz intimen Geschichten an. Es war ein zutiefst emotionaler Abend in der Regie von Peter Kerek, der ein komplexes Bild des heutigen Rumänien vorstellte. Eine ganztägige Ausstrahlung von Hörspielen, gewidmet dem Festivalthema "Europa?", Filmvorführungen und eine Podiumsdiskussion zum Thema "Wie europäisch ist das rumänische Theater heute?" rundeten die Festspiele ab.


 

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