Acht
aktuelle Stücke werden in Übersetzungen von Miriam Denger, Cornelia Enger,
Stefanie Gerhold, Carola Heinrich, Hedda Kage, Franziska Muche, Lea Saland
und Pilar Sánchez Molina für deutschsprachige Leser zugänglich gemacht.
Autoren unterschiedlicher Generationen decken eine breite Palette an Themen
ab, die von Armut (Paco Gámez) und Rassismus (Eva Hibernia und Daniel J.
Meyer) bis hin zur Nazizeit (Juan Mayorga) reicht. Scharfsinnig werden
Vorurteile hinterfragt, die dazu führen, dass Menschen diskriminiert werden,
und neue Auswege aus Hass, Wut und Angst gesucht.
Mehrere der in diesem Band
versammelten zeitgenössischen Autoren eint ihr durchdringender Blick auf
gescheiterte zwischenmenschliche Beziehungen im kritischen Wahrnehmen von
Gesellschaftsstrukturen. In überaus poetischen und zutiefst emotionalen
Texten sprechen María Velasco (Die Einsamkeit der Hundesitter) und
José Manuel Mora (Schattenschwimmer) über Unterdrückung und
Depression, über Identitätssuche und Misshandlung, aber auch über Liebe.
Beide Stücke sind nicht leicht zu verstehen, denn sie brechen mit
Stereotypen. Figuren, wie sie im "konventionellen" Theater bezeichnet
werden, kommen in den Texten nicht vor. Gedankensplitter und Textfragmente
spiegeln eine Welt, in der verzweifelte Charaktere auf der Suche nach einem
Ausweg entweder ins Schwimmen flüchten oder Parallelen zur Beziehung
zwischen Mensch und Hund ziehen. Überhaupt scheinen Liebesgefühle als
Hoffnung und Trost im Mittelpunkt der Anthologie zu stehen. Um die vielen
Facetten des Themas Liebe kreisen auch Die Stunde bevor wir ein Traumpaar
wurden von Denise Despeyroux und A.K.A. (Also Known As) von
Daniel J. Meyer.
Zudem
zeichnet sich der Band durch eine beinahe grenzenlose Formen- und
Stilvielfalt aus. Erzählperspektiven und ihr Wechsel, grandiose Dialoge,
innere Monologe, Rückblenden und direkte Rede gestalten die Dynamik und das
Tempo der Stücke, verschärfen Augenblicke und verleihen den Gefühlen
Nachdruck. So entstehen zugleich realistische Situationen und absurde,
surrealistische Welten, die beim Lesen verblüffen.
Zahlreiche bildliche
Darstellungen ergänzen viele der Texte, lassen Lebendigkeit und
Anschaulichkeit entstehen. Almudena Ramírez-Pantanellas Auskotzen
versammelt Zeichnungen nach Skulpturen Auguste Rodins und Körperbilder
Francis Bacons als dramaturgischen Rahmen. Paco Gámez wartet in Mieter
mit ungeheurem Ideenreichtum auf: Bilder, Fotos, Screenshots und Karten sind
nicht schiere Illustrationen; sie bilden "das kreative Fundament der
Erzählung". Leerzeilen (A.K.A.) oder Schrägstriche (Mieter)
bestimmen den Rhythmus. In den Texten eingearbeitete E-Mails (Mieter)
oder WhatsApp-Nachrichten (A.K.A.) scheinen als Mittel zu dienen, die
junge Generation für das Theater zu gewinnen.
Abgerundet
wird der Band von einem Interview zwischen Carola Heinrich mit den Autoren
José Manuel Mora und María Velasco sowie mit der Übersetzerin Franziska
Muche, in welchem sie in ihren vielschichtigen Recherche-, Arbeits- und
Denkprozess Einblick geben. Außerdem helfen die Stückebeschreibungen von
Miriam Denger in der Einleitung, sich besser innerhalb der Anthologie zu
orientieren.
Hochwertige Übersetzungen
und eine lebendige spanische Theaterszene kennzeichnen die von Carola
Heinrich und Franziska Muche herausgegebene Publikation, die in Berlin, Wien
und Frankfurt am Main vorgestellt wurde. Nach der Präsentation von Stücken
aus dem Band in szenischen Lesungen kann man nur hoffen, dass einige dieser
außergewöhnlichen zeitgenössischen Theatertexte ihren Weg auf
deutschsprachige Bühnen finden werden.