In
unmittelbarer Nähe der Reiterstatue des heiligen Georg, den Drachen tötend,
die den Hauptplatz von Sfântu Gheorghe ziert, befindet sich das
ungarischsprachige Theater "Tamási Áron" (TASZ). Nur fünf Minuten davon
entfernt liegt das rumänischsprachige Theater "Andrei Mureşanu"
(TAM). Die politischen Gräben zwischen den Volksgruppen sind in der
Theaterpraxis in dieser heterogenen Landschaft längst überwunden. Sfântu
Gheorghe (deutsch Sankt Georgen, ungarisch Sepsiszentgyörgy) ist die
Hauptstadt des Kreises Covasna im Osten des Siebenbürger Beckens, im
zentralen Teil Rumäniens. Namensgeber der ältesten Stadt des Szeklerlandes
ist der Schutzpatron Sankt Georg von der ortsansässigen Kirche. Bis 1918
gehörten die Stadt und die Region Siebenbürgen zu Ungarn, ehe sie dem
Staatsgebiet Rumäniens zugesprochen wurden. Dementsprechend machen ethnische
Ungarn 70 Prozent der Bevölkerung aus.
Sakura
Sandwich passt perfekt in
unsere Zeit. In Doru Vătavuluis Text pendelt die Hauptfigur zwischen der
virtuellen und der realen Welt. Mit viel Gefühl und Humor beschreibt der
Autor typische Kennzeichen der digitalen Medien und stellt ihnen ein
klassisches Dorfleben entgegen. Irisz Kovacs' Inszenierung betont den
Unterschied der zwei Welten vor allem durch das erfindungsreiche Bühnenbild:
eine Luftburg umgeben von Erde und Holzabfällen. Musik und Choreografie,
farbenfrohe Kostüme und ein harmonisch abgestimmtes Ensemble
veranschaulichen eindeutig, dass in beiden Welten niemand so ist, wie er
scheint. Spricht Sakura Sandwich weitgehend Teenager an, ist
Möbel und Schmerz vor allem vielsagend für die Generation, die den
Kommunismus erlebt hat. Teodor Mazilus Stück aus dem Jahr 1974 persifliert
aus politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Sicht die
damalige Gesellschaft. Das minimalistische, in
Beigetönen gehaltene Zimmer, stylische Schlaghosen und der Sound erinnern an die
1970er Jahre. Es ist
erstaunlich, wie aktuell der Text 50 Jahre später immer noch ist!
Machtspiele, Korruption, Frauenemanzipation – alles scheint in Cristian Bans
anschaulicher Inszenierung unverändert zu sein. Ganz anders Anatomie
eines Suizids. Darin bittet die Dramatikerin Alice Birch drei Frauen
auf die Bühne: Mutter Clara, Tochter Anna und Enkelin Bonnie. Die Mutter
leidet unter einer schweren Depression, ihre Tochter kompensiert ihr Unglück
mit Drogen, beide nehmen sich das Leben. Die Enkelin versucht diesen
Teufelskreis zu durchbrechen. Gerade durch diese Formen- und Themenvielfalt
präsentiert sich TAM als bahnbrechendes Theater in der nationalen
Kulturszene.
TASZ
stand dem in nichts nach und vervollständigte das hervorragende Programm des
Showcases. Ungarische Theatergruppen sind bekannt für ihre Tradition,
musikalische Stücke in einzigartiger Weise auf die Bühne zu bringen. So konnte
Chicago nur ein Hit werden. Mit einem gewissen Zynismus zeichnet das
legendäre Broadway-Trio Musical von 1975 um John Kander, Fred Ebb und Bob
Foss ein treffendes Bild der heuchlerischen Welt beliebter Stars und
konfrontiert uns auch mit den alltäglichen Erfahrungen von Korruption und
Manipulation. Regisseur Puskás Zoltán gelingt eine packende Aufführung.
Als
außergewöhnlich erwies sich die Tanzvorstellung romeo@julia.com.
Es ist die dritte Zusammenarbeit des ungarisch-französischen Choreografen
Pál Frenák mit dem M-Studio, einer Sektion von TASZ, die 2005 als
"experimentelle Bewegungstheaterwerkstatt" ins Leben gerufen wurde.
Basierend auf Shakespeares bekanntem Text konzentriert sich Frenáks Adaption
auf die innere Tragödie der beiden Protagonisten und nicht auf die sozialen
Konflikte. Der kurzweilige Abend besticht durch klug ausgewählte Musik und
eine mitreißende Choreografie. Der Mensch wird zu einer Marionette, die
seiner Umwelt, seiner Gemeinschaft, seinem Partner und letztlich sich selbst
entfremdet ist. Mit Iwan Wyrypajews
Iran-Konferenz bot
TASZ einen Abend, der intellektuell anregte. Bocsárdi
Lászlós sparsame Inszenierung lässt dem Text in der 130-minütigen Aufführung
viel Raum. Die philosophischen Debatten über Freiheit, Wissen und die genaue
Definition des menschlichen Wesens fanden den Weg zum Publikum nicht zuletzt
dank den brillanten Auftritten sämtlicher Schauspielerinnen und
Schauspieler.
***
Über
das Showcase und das rumänischsprachige TAM habe ich ausführlich mit
Intendantin Anna Maria Popa gesprochen. Popa wurde in Sfântu Gheorghe
geboren und ist dort aufgewachsen. Sie absolvierte die Schauspielabteilung
der Theater- und Filmuniversität in Bukarest. Seit ihrer Ernennung 2015 zur
Intendantin ist TAM zu einem wichtigen Meilenstein in der lokalen und
nationalen Kulturszene geworden. 2017 führte Popa das
Kulturtourismus-Projekt ein, das interessierten Zuschauern aus anderen
rumänischen Städten ein verlockendes Paket, bestehend aus Unterkunft,
Verpflegung, Eintritt zu zwei Aufführungen sowie zu Museen und Kunstgalerien
in Sfântu Gheorghe sowie eine Verkostung traditioneller Produkte bietet. Das
Projekt kam so gut an, dass sich in den letzten Monaten zwei weitere Theater
der Initiative anschlossen. Auch während der Pandemie hat TAM für Neuheiten
gesorgt und ein VR-Theatererlebnis geschaffen, das heute erfolgreich
weitergeführt wird.
Irina Wolf:
TAM ist das einzige rumänischsprachige Theater in der vorwiegend von
Ungarn besiedelten Region. Welchen Platz nimmt es in Sfântu Gheorghe
ein?
Anna Maria Popa:
Im Szeklerland ("Háromszék" oder "Trei Scaune" – zu deutsch "Drei
Stühle", wie wir die Region nennen), gibt es zwei überwiegend ungarische
Kreise: Covasna und Harghita. TAM ist das einzige rumänischsprachige
Theater in beiden Kreisen, was uns sehr verantwortlich macht. "Drei
Stühle" umfasst die drei großen Städte Covasna, Târgu Secuiesc (Szekler
Neumarkt) und Sfântu Gheorghe. Das Szeklerland besteht aus dem Kreis
Covasna und einem kleinen Teil des Kreises Harghita.
In der Stadt Sfântu
Gheorghe gibt es neben dem TAM noch andere Theater, darunter das TASZ,
in dem auch die Timburak-Theatergruppe – ein Puppen- und
Marionettentheater – und das M-Studio – das älteste Bewegungstheater
Rumäniens – vertreten sind. Seit mehr als einem Jahrzehnt übt M-Studio
eine einzigartige Tätigkeit sowohl auf regionaler als auch auf
nationaler Ebene aus. Es gibt also praktisch zwei Theater: ein
rumänischsprachiges und ein ungarischsprachiges. Seit 1986 verfügt TAM
über einen eigenständigen Rechtsstatus. In zwei Jahren werden wir also
40 Jahre Unabhängigkeit feiern.
Irina Wolf:
Unabhängigkeit... ?
Anna Maria Popa:
Das heißt, dass wir bis 1986 noch eine
Sektion des ungarischsprachigen Theaters waren.
Irina Wolf:
TAM wird aber ebenfalls vom Staat
finanziert, oder?
Anna Maria Popa:
Ja, vom Gemeinderat der Stadt Sfântu
Gheorghe. Sowohl wir als auch TASZ sind dem Stadtrat untergeordnet.
Räumlich unabhängig sind wir erst seit 2015, als ich mein erstes Mandat
antrat. Bis dahin teilte sich TAM den Saal mit TASZ. Seit 2015 haben wir
einen eigenen Saal mit einer Kapazität von 100 Plätzen in einem eigenen
Gebäude.
Irina Wolf:
Das Repertoire umfasst verschiedene
Produktionen, gezeichnet von Regisseuren der jüngeren Generation und
deckt abwechslungsreiche Themen ab. Außerdem war ich überrascht, ein
vorwiegend junges Publikum im Theater zu sehen. Wie entsteht das
Repertoire? Und wie viel Prozent der Stadtbevölkerung stellen die
Jungen?
Anna Maria Popa:
Der Prozentsatz ist ziemlich groß. Unser Publikum ist hauptsächlich zwischen 16 und 25 Jahre
alt. Wir haben also ein atypisches, junges Publikum. Wir haben auch
Produktionen für Kinder. Dies ist auch der Grund, warum wir einen neuen
Saal benötigen. Ich produziere alle zwei Jahre ein Kindertheater, was
für die bestehende Nachfrage völlig unzureichend ist.
Irina Wolf:
Geht es da um Kinder unter 10 Jahren?
Anna Maria Popa:
Ich würde "unter 14" sagen, weil dies
eine sehr vernachlässigte Alterskategorie ist, einschließlich der 12-
bis 16-Jährigen. Im Repertoire haben wir Produktionen für Teenager und
Jugendliche. Diese Kategorie ist so weit wie möglich abgedeckt. Unter 12
Jahren jedoch nur etwa ein Mal alle zwei Jahre. Das ist zu wenig.
Betreffend der
ethnischen Zugehörigkeit machen die Ungarn mehr als die Hälfte der
Zuschauer aus. Bei 25 Prozent ethnischen Rumänen in Sfântu Gheorghe wäre es
viel zu wenig, wenn wir uns strikt auf die rumänische Bevölkerung
beschränken würden. In einer ersten Phase spielten wir aus Respekt vor
den ethnischen Ungarn automatisch mit ungarischer Übertitelung, wie wir
es auch im Showcase getan haben. Auf Wunsch der Lehrerinnen, die mit
jungen Ungarn in organisierten Gruppen kamen, haben wir die Übertitelung
entfernt. Unsere Aufführungen gefielen ihnen sehr gut, und da diese die
einzige Möglichkeit eines Zugriffs auf die rumänische Sprache boten,
baten sie uns, die Übertitelung zu entfernen, damit die
ungarischsprachigen Jugendlichen Rumänisch hören und verstehen können.
Das haben wir dann auch gemacht. Es war nicht aus Respektlosigkeit. Die
Übersetzung ist für alle Produktionen vorhanden. Wenn sie gebraucht
wird, setzen wir sie ein; für Festivals sowieso. Bei Letzteren gibt es
Übertitelung auch auf Englisch, aber für unser lokales Publikum lassen
wir diese bewusst aus, um jungen Ungarn dabei zu helfen, Rumänisch
schneller und mit Freude zu lernen.
Was die Abonnements
betrifft, werden mehr als die Hälfte davon in Braşov (deutsch Kronstadt
– Anm. d. Ü.) verkauft. Wir haben also viele Zuschauer, die von dort
kommen. Meine Repertoire-Strategie ist gut durchdacht und wird nach
Alters- und Themengruppen, nach Abdeckung des Massenpublikums bis zu
bestimmten Nischen angewendet. Wenn ich zum Beispiel eine oder zwei
Produktionen aus einer eher unterhaltsamen Kategorie herausgebracht habe
(wie Möbel und Schmerz) – das bedeutet nicht, dass ich einen
Abstrich bei der Qualität mache – achte ich immer darauf, dass ich
anschließend einen sozialen Bereich und ein bestimmtes Nischenthema
angehe. Dann kehre ich wieder zu einem lockereren Bereich zurück, damit
das Publikum insbesondere aus emotionaler Sicht alles gut verkraften
kann. Durch das vom Schriftsteller Radu Macrinici schon in den
90er-Jahren ins Leben gerufene "Atelier"-Festival hatte das hiesige
Publikum Kontakt zu internationalen Trends. Daher sind die lokalen
Zuschauer sehr gebildet. Auch durch Regisseur Bocsárdi László, der seit
Jahren das "Reflex"-Festival veranstaltet, kommen weltweit bekannte
Namen nach Sfântu Gheorghe. All das führte zu einem Publikum, das genau
weiß, was es will, ständig informiert und gefragt werden möchte.
Irina Wolf:
Wie führen Sie die Befragung
durch?
Anna Maria Popa:
Sie wurde auch schriftlich mittels Formular erstellt. Auf allen
Festivals haben wir Freiwillige, die dieses Feedback entgegennehmen,
aber ich verlasse mich sehr auf persönliches Feedback. Ich bin vor jeder
Aufführung am Theatereingang und es besteht eine äußerst enge
Kommunikation zwischen mir und der örtlichen Gemeinschaft.
Irina Wolf:
Übrigens, ein Jahr später, nach dem Antritt ihres ersten Mandats,
gründeten Sie das "DbutanT"-Festival.
Anna Maria Popa:
Ja, weil Radu Macrinici nach Baia Mare zog und das "Atelier"-Festival
mitnahm. Das war normal, es gehörte ihm. Und wir brauchten ein weiteres
Festival, das unseren guten Ruf stärken und gleichzeitig eine Lücke
schließen sollte. Gemeinsam mit Regisseur Cristian Ban kamen wir zu dem
Schluss, dass die Bereiche Jugend und Debüt nicht abgedeckt waren. Im
Schauspielbereich gibt es "Gala Hop" (wird organisiert von UNITER, der
Theatervereinigung aus Rumänien – Anm. d. Ü.), für die anderen Bereiche
gab es aber nichts. Es gab kein Regiedebüt. Erst nach DbutanT erschien
das Festival junger Regisseure in Craiova. In Koproduktion mit Oistat
(International Organisation of Scenographers – Anm. d. Ü.) und in
Zusammenarbeit mit dem Bühnenbildner Adrian Damian begann DbutanT auch
das Bühnenbild-Camp von Constanţa. Mittlerweile findet das Camp jährlich
statt. Das ist also eine weitere Richtung, die wir gestartet haben und
die unabhängig von uns gut läuft. Wir sind aber noch immer die Einzigen,
die ein Festival für Choreografie-Debüt bieten. Das macht kein anderer.
Irina Wolf:
Seit 2020 haben Sie eine erfolgreiche
Zusammenarbeit mit Constanţa.
Anna Maria Popa:
Die Partnerschaft begann in einem Jahr, in dem wir keine Mittel vom AFCN
(die Verwaltung des Nationalen Kulturfonds – Anm. d. Ü.) erhielten. Vom
AFCN haben wir immer die größte Unterstützung seit der ersten
"DbutanT"-Ausgabe 2016 erhalten. Lediglich das Repertoire-Programm wird
von der Stadt finanziert. Für alle meine anderen Projekte wie das
Festival brauche ich andere Quellen. Und für das Jahr, in dem die Pandemie
ausbrach, verloren wir die AFCN-Finanzierung. Wir hätten das Festival
stoppen müssen, weil wir keine anderen finanziellen Mittel hatten. Aber
dann kam uns Erwin Şimşensohn zu Hilfe (Regisseur und Intendant des
Staatstheaters Constanţa – Anm. d. Ü.). Er wollte ein Jugendfestival
starten, aber wir beschlossen gemeinsam, das Geld zu verwenden, um mit
DbutanT als Co-Produzenten weiterzumachen. Ich vergesse nie einen
verlässlichen und treuen Partner. Deshalb laufen die Partnerschaften
langfristig. Nachdem wir diesen Weg gemeinsam beschritten hatten, haben
wir jede Ausgabe von DbutanT mitproduziert.
Irina Wolf:
Es gibt aber auch weitere neuere
Partnerschaften von TAM, zum Beispiel mit dem "Godot"-Theater in
Bukarest.
Anna Maria Popa:
TAM hatte schon früher andere
Partnerschaften. Meine Repertoire-Strategie sieht mindestens eine
Koproduktion pro Jahr vor, mal national, mal international. Wir hatten
auch internationale Koproduktionen, mit denen wir auf Tournee in
Italien, Frankreich, Spanien waren. Und umgekehrt, die koproduzierenden
Theater kamen nach Rumänien. In Italien war unser Co-Produzent für
Hotel Miramare die Gruppe Catalyst. 2018 finanzierte das AFCN unsere
Tournee von Sizilien nach Rom. Die italienischen Partner tourten durch
zehn rumänische Städte. Ihre Finanzierung wurde durch die Vereinigung
Mediterraner Theater gesichert. 2017 haben wir mit dem Théâtre Toursky
in Marseille Le printemps est encore loin (deutsch "Der Frühling
ist noch in weiter Ferne" – Anm. d. Ü.) nach dem gleichen Rezept
koproduziert: mit einer Tournee in Rumänien und Frankreich durch zehn
Städte. Mit dem TAK-Theater aus Berlin gab es weitere Partnerschaften
und Koproduktionen, mit denen wir in Deutschland auf Tournee gingen. In
Österreich ist das TAM mit Hilfe des Rumänischen Kulturinstituts zu
einigen Festivals gereist.
Irina Wolf:
Aus wie vielen Schauspielern besteht das
Ensemble?
Anna Maria Popa:
14 Schauspieler und zwei Regisseure sind bei TAM beschäftigt. Insgesamt
sind wir 42 Personen, einschließlich des gesamten Verwaltungsteams.
Irina Wolf:
Es ist mir aufgefallen, dass die Ensemble-Mitglieder sehr jung sind.
Anna Maria Popa:
Die TAM-Gruppe ist jung, weil das "DbutanT"-Festival dazu seinen Beitrag
geleistet hat. Der gewinnende Schauspieler bzw. die gewinnende
Schauspielerin wird bei uns angestellt. In den anderen Bereichen
funktioniert es ähnlich: Der Regie-Hauptpreis ist eine Inszenierung bei
TAM in der nächsten Saison bzw. der Bühnenbild-Hauptpreis beinhaltet das
Bühnendesign für eine neue Inszenierung. Das funktioniert auch in der
Partnerschaft mit Constanţa. Zum Beispiel gewannen voriges Jahr zwei
Regisseure den Regiepreis. So inszenierte einer am TAM, der andere am
Staatstheater in Constanţa. Das Gleiche gilt für die Bühnenbild-Sparte.
Irina Wolf:
Wie wählen Sie die anderen Regisseure
aus, die am TAM inszenieren?
Anna Maria Popa:
Wenn ich einem Regisseur die Ehre gebe, bei mir zu inszenieren, möchte
ich zunächst einmal wissen, was ihn beschäftigt. Wir kommunizieren viel.
Es ist ein "safe play", das heißt, wer hier inszeniert, hat viel
Freiheit und er soll wissen, dass er experimentieren darf. Gleichzeitig
hat die Art und Weise, wie ich die Regisseure einplane, eine gewisse
Logik, denn wenn ich stark auf ein Experiment mit Bobi Pricop eingehe
(die Produktion Blasted nach Sarah Kane – Anm. d. Ü.), würde ich
dann Alexandru Dabija einladen, um ein Varieté für jedermann zu
inszenieren. So entsteht ein Gleichgewicht. Das beste Beispiel: Im
September 2023 haben wir mit der DbutanT-Gewinnerin im Regie-Bereich,
Iris Kovacs, die neue Saison eröffnet (Produktion: Sakura Sandwich).
Damit war die Jugendkategorie abgedeckt. Unmittelbar danach hatte Teodor
Mazilus Komödie Möbel und Schmerz Premiere (Regie: Cristian Ban).
Damit war ein anderes Publikumssegment abgedeckt. Das funktionierte gut,
denn es war um Weihnachten herum und alle waren glücklich. Anfang 2024
brachte ich Anatomie eines Suizids heraus (Regie: Diana
Mititelu). Jeder Aufführung folgt ein Publikumsgespräch mit einer
Psychologin. Und am Saison-Ende wird Regisseurin Oana Leahu das Musical
Peter Pan als Gegenstück zur Depression bringen. Zu diesen vier
Premieren kommen die zwei Koproduktionen dazu, die ich mit Bukarest
mache: mit dem CNDB (das Nationale Tanzzentrum Bukarest – Anm. d. Ü.),
wo eine Bewegungsproduktion in der Regie des DbutanT-Gewinners für
Choreografie entsteht und mit dem von AFCN finanzierten Godot-Theater
(ein Musical, das auf rumänischen Märchenfiguren basiert). Eine
TAM-Saison besteht aus 12 Produktionen: vier Premieren und acht
Produktionen, die aus dem Vorjahr wieder aufgenommen werden.