Drama
Slam, Sport vor Ort, Der
Prozess, Hamlet sein – das sind nur einige der Höhepunkte des
abwechslungsreichen Repertoirespielplans der Saison 2011/2012 im TAG-Theater
an der Gumpendorfer Straße. Die Wiener Mittelbühne, Nachfolgerin der "Gruppe
80", bietet ein breit gefächertes Programm – von hauseigenen Produktionen über
spannendes Improvisationstheater bis zu äußerst gelungenen Gastproduktionen.
Herzstück der TAG-Arbeit
sind jedoch die Werktage. Seit 2009 werden einmal im Jahr
TheatermacherInnen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum eingeladen, ihre
Konzepte und Ideen zu einem gemeinsamen Thema einzureichen. Bis zu vier
Projekte werden ausgesucht und in mehreren Phasen zusammen mit dem TAG-Team
verwirklicht. Nach den Themen "Zukunftsperspektiven" und
"Lügen/Scheinwelten" waren in dieser Spielzeit Schlagwörter wie "Held",
"Ikone", "Vorbild" an der Reihe. Im vergangenen Dezember
stand das Theater
ganz im Zeichen der Werktage-Schau Rohbau 3, in dessen Rahmen aus 94
Einreichungen zum Thema "Sei mein Held!" die ausgewählten Projekte
vorgestellt wurden. Zu sehen waren in viermal 30 Minuten sehr
unterschiedliche und anregende Aufführungen.
Den
Anfang machte Esther Muschols Inszenierung von Hard Edge, die
tragikomische Geschichte eines Superhelden, der sich im selbstgestrickten
Kostüm aufmacht, die Stadt vom Bösen zu befreien. In einem
rasant-humorvollen Spiel um die mediale Populärkultur stellte Autor Daniel
Wild den Kampf der Figuren gegen ihre Bedeutungslosigkeit in den
Vordergrund. Eine frische Darbietung mit viel Witz und flotten Gags.
Auf schnellstem Wege ging
es nach einer fünfminütigen Umbauzeit des Bühnenbildes zu The Monkey
Wrench Gang, der energiegeladenen Adaption des gleichnamigen
amerikanischen Kultromans von Edward Abbey aus dem Jahr 1975. Darin wird die
Geschichte von vier fanatischen Öko-Terroristen, die für eine unberührte
Natur kämpfen, erzählt. Christian Himmelbauer bezeichnet seine hochkomische
Inszenierung als "lustvolles Experimentieren mit den Mitteln, die die Bühne
auf der Bild- und Tonebene bietet". Eingesetzt wurde dazu eine reichliche
Vermischung von Bild- und Ton-Elementen, was zu mancherlei Verwirrung und
Unverständlichkeit der Handlung beitrug.
Mittels
einer schwungvollen Darstellung des berühmten griechischen Heldendramas vom
Spartanerkönig Leonidas als unterhaltsame "Kriegscomic" ging es nach der
Pause dann zum nächsten Theater-Rohbau. "Wie viel konsequenten Heroismus
vertragen wir heute? [...] Wie gefährlich sind große Geschichten?", stellt
Katrin Hiller ihr Projekt Dreihundert vor. In einem minimalen
Bühnenbild schaffen es vier SchauspielerInnen, den Zwiespalt, die Tragik und
die Diabolik der spartanischen Ideologie aufleben zu lassen. In Hinblick auf
die gegenwärtige politische Entwicklung fragt die Regisseurin auch: "Ist
Leonidas Saddam Hussein oder eben doch Obama?"
Zum Abschluss gab es noch
einmal einen heiteren Leckerbissen: Ja, Brigitte, Ja! Ja! Ja! Hierbei
ging es um Brigitte, die unabsichtlich ihr Portemonnaie vor der Nationalbank
ausschüttet, von einem Passanten gefilmt und durch das allgegenwärtige
Medium Internet unversehens zur Antikapitalismus-Ikone wird. Aus diesem
Handlungsstrang entwickelt Joanna Praml das Bild einer stark
medienorientierten Gesellschaft, die Instant-"Persönlichkeiten" zu
Symbolfiguren erhebt. Katja Hensels Idee wurde durch die derzeitige
Entwicklung in Griechenland mit einer ganz besonderen Aktualität aufgeladen.
Nicht nur im anspielungsreichen, mit griechischen Fahnen bestückten
Bühnenbild, sondern auch durch den Einsatz von Sirtaki-Musik.
Was
diesen Abend neben den modernen, kurzweiligen und temporeichen
Inszenierungen so außerordentlich machte, war das grandios wandlungsfähige
Ensemble, mit acht Schauspielern in zahlreichen Rollen (allein Maya Henselek,
Julian Loidl, Georg Schubert und Agnieszka Wellenger spielen je drei davon).
Am Ende durfte sich das Publikum wünschen, welches der Theater-Rohbauten es
gerne in der nächsten Saison als endgültige Spielfassung sehen wollte. Die
Mitbestimmung mittels Fragebogen stellte sich als schwierige Aufgabe
heraus, denn sowohl die Handlung der meisten Projekte war durchaus
interessant als auch der inszenatorische Stil überaus ansprechend.
Im Anschluss an die
Vorstellung gab es eine kostenlose Jause und das Publikum konnte den Abend
bei einem Glas Sekt gemütlich ausklingen lassen. Anzumerken sei noch: Die
Organisation war perfekt, die Stimmung großartig. Und am Ende fragt man
sich: Sind es die Themen oder das Ensemble, die den Zuschauer immer wieder
ins TAG locken? Beides macht süchtig!