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Mark Zuckerberg und die Empfindsamkeit der Dinge

Negativer Messianismus, Business as usual, Online-Geister, Privatsphäre
und Sweet Deals in der Digitalen R
äuberhöhle.

Von Vasile V. Poenaru
(23. 05. 2018)

...



Vasile V. Poenaru
bardaspoe [at] rogers.com

geboren 1969, zweisprachig
aufgewachsen, Studium der
Germanistik in Bukarest,
darauf Verlagsarbeit und
Übersetzungen. Lebt
in
Toronto.

 

 

 

 

 

 



Ein deutscher Historiker
hat uns in seiner histori-
schen Schlauheit drei Jahr-
hunderte geklaut. Sowas
geht gar nicht; nur, der
Historiker geniert sich in
keiner Weise; am besten,
wir gehen nie wieder zum
Geschichtsunterricht.

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Doktor blickt traurig
durch die Algorithmen:
Raum, Zeit, Sinn,
Senf, Sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

Zum Glück können wir
dann aber noch rechtzeitig
die kaiserliche Finanzkrise
lösen, Hurra Geldschwem-
me, denn ein kleines
Geldproblem lässt sich
bekanntlich nur durch ein
größeres Geldproblem
beseitigen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Es gibt keine Moral.
Jedenfalls nicht in uns.
Deswegen schleich ich
kurz durch das Dickicht
der kanadischen Metro-
pole Toronto, wo ich vor
zwanzig Jahren mein Zelt
aufgeschlagen habe, und
schau mir den bestirnten
Himmel an. Im OMNIMAX
Theatre des Ontario
Science Center.

 

 

 

 

 

 

 

 

Erstens ist aus österrei-
chischer Perspektive be-
trachtet so gut wie alles,
was der Fall ist, leidlich,
und zweitens ist aus öster-
reichischer Perspektive
betrachtet so gut wie alles,
was leidlich ist, ewig.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Geldspur ist breit.
Sie  führt  über gut achtzig
Millionen Konten direkt in
die kurzweilige Unendlich-
keit einer tiefgründigen,
flächendeckenden und
verdammt aufwendigen
Datenverarbeitung und
-Entwendung.

 

 

 

 

 

 

 

 

Es geht ja gerade auch
in Sachen Facebook & Co
um eine an das gute alte
Prinzip Sucht anlehnende
Erscheinungsform virtueller
Selbstverständlichkeit, die
wir im Moment mal einfach
Digitale Hörigkeit nennen
wollen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie weit der gierige kor-
porativistische bzw. macht-
politische Blick dabei nun
wirklich in die Privatsphäre
des Einzelnen eindringt,
das ist dieser Tage die
Zuckerberg-Frage. In den
Vereinigten Staaten
wie in der EU.

 

 

 

 

 

 

 

 

Jede noch so winzige Re-
gung des allerinnersten,
geheimen Selbst wird gesp-
eichert, ausgewertet und
wirtschaftlich zusammen-
hängend auf dem freien
Markt feilgeboten.

 

 

 

 

 

 

 

 

In der Digitalen Räuber-
höhle wird der geheime
Schatz der Neucodierung
gehortet, der Individualität,
Selbstheit, Urteilsvermögen,
Perspektive und Gesch-
mack raffiniert umzu-
schreiben vermag.

 

 

 

 

 

 

 

 

Und ganz am Rande
siechen die Hungerleider
und kriegen nix und
wieder nix. Die gehen
uns aber ohnehin einen
Dreck an.

 

 

 

 

 

 

 

 

Am großen Zauberberg
unseres zunehmend grenz-
wertigen Erfahrungsbe-
reichs liegen sämtliche
Zusammenhänge, die eine
Person, eine Nation, eine
Spezies, ja ein Ding an sich
und für das Urteilsvermö-
gen ausmachen, in einer
horizontalen Lebensweise
befangen, in der immer
weniger zwischen orga-
nischer und anorganischer
Lebendigkeit unterschie-
den wird.

 

 

 

 

 

 

 

Zeit, Freund, Antlitz, Augen-
merk, Geld, Geist: zentrale
Variablen eines langfristig
durchaus zumutbaren Busi-
nessmodells. Stichwort
Konjunktur? Geil!

 

 

 

 

 

 

 

"Und frag nicht, was das
Deep Internet für dich
machen kann, du Depp.
Frag, was du für das Deep
Internet machen kannst."

 

 

 

 

 

   Ein internationaler Devisenhändler namens Mackie Messer wird in allerletzter Sekunde von Seiner Majestät begnadigt und sicherheitshalber auch gleich mal geadelt, ein gefeierter Wunder-Bonus-Knabe und Großpleiten-Kraftkerl der deutschen Wirtschaft (und Hokuspokus-Finanz-Patsche) hingegen wird trotz seines adretten Auftritts verurteilt. Diesen hatte man mit einer Aktie, jenen mit einem Dietrich in der Hosentasche erwischt. "Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?", fragen Staatsanwaltschaft und Richter im Sprech-Chor. "Soviel Geld aus purem nichts? Das ist kein göttliches Zeichen! Das ist Hexerei! Mens rea, corpus rea. Nix Komma nix Corpore sano. Ba-Ba Banküberfall! Hopsnehmen und in den Kerker von Bielefeld! Wird's bald?"

Urteilskraft at its best.

Abmarsch. Dalli. Toll. Die Härte des Lebens. Das epische Moment der neuen korporativistischen Ritterschaft hat uns. Vielleicht machen wir jetzt auch gleich einmal ein Lehrstück daraus. Unsinn. Ein Leerstück. Von Leerverkauf zu Leerverkauf nimmt die G'schichte ihren Lauf (altgriechisches Sprichwort – mittlerweile reibungslos eingedeutscht).

   Und weil wir schon mal beim noblen Thema Verfremdungseffekt, Hexerei und Urteilskraft sind: Eine böse, böse Hexe, die sich am Leiden der Kranken und Sterbenden im fernen Indien ergötzt, die sie, so eine unheimlich dumpfe Stimme der Finsternis in jenem Bereich ihrer Brust, wo eigentlich die Seele hätte sein sollen, unbedingt taufen muss, sonst wird nix aus der ersehnten Kanonisierung, und bist du nicht willig, dann brauch ich Gewalt, wird kurzerhand heilig gesprochen (daraus kann einer nicht klug werden, das nebenbei), ein fast ebenso skrupelloser State Secretary, Trickser und Opportunist bajuwarischen Schlages, dem das Blut seiner Opfer noch an den Händen klebt, kriegt den Nobelpreis zugeschmissen (die Hexe kriegt den übrigens natürlich auch – jaja, beide für Frieden, so ist das nun mal, schlimmer kann's nicht sein), Angela die Vierte sieht genauso aus wie Angela die Dritte, ein deutscher Historiker hat uns in seiner historischen Schlauheit drei Jahrhunderte geklaut, recht hoams, ein stattliches Stück Mittelalter (Wenn Sie mich fragen: Sowas geht gar nicht; nur, der Historiker geniert sich in keiner Weise; am besten, wir gehen nie wieder zum Geschichtsunterricht) und ein berühmter Kanadier entschied einmal total verbindlich: Vorgestern war gestern und heute ist morgen. Also wenn das keine Wunder sind! Und Zeichen. Anzeichen, die über unsere Welt Aufschluss geben.

"www: Das ist dein Web! Das heißt ein Web!", empört sich ein hochgelahrter Doktor aus deutschen Landen, bevor er versehentlich – und allem Anschein nach in einem leider geradezu schrecklichen Sächsisch – den Erdgeist herbei beschwört.  "Habe nun, ach! so einen Krach!…" Der Erdgeist kann dabei natürlich gar kein Sächsisches Hochdeutsch, kein Wunder, wozu auch, damit lässt sich ja nichts anfangen, schließlich wollen wir modern und salonfähig wirken, Lotte und Weimar, das ist weit weg, oisa Ciao – und puff! schon macht sich der Erdgeist von dannen, wie der Chronist aller tollen Dinge, die sich je unter Umständen auch in der tatsächlichen Wirklichkeit ruhig hätten ereignen können, wenn, o wenn, zu berichten weiß. Der Doktor blickt traurig durch die Algorithmen: Raum, Zeit, Sinn, Senf, Sein. Wenn die bloß besser wären!

   Aber dann verabreicht ihm ein überdurchschnittlich menschenfreundlicher Geselle with limited, all too limited liability, von dem übrigens, so die zeitgenössische postfaktische Gesellenforschung, sehr stark anzunehmen sei, dass es sich um einen Österreicher handle, in orbe ultima und der ganze Kram, zunächst mal den obligaten, wundersamen Liebestrunk, klar, Hellenen in jedem Weibe, und der Doktor beruhigt sich schon bald wieder. "Ach, jetzt bin ich auf einmal sooo! cool. Freunde, lasst uns dem Kaiser Sicherheit geloben!" Und in Auerbachs Keller werden Zeichen gesetzt und Wunder vollbracht, was das Zeug hält, so wie wir sie allesamt sehr gerne wahrhaben würden, total geil, das Ganze ist aber leider nicht von Dauer, wie schade. Zum Glück können wir dann aber noch rechtzeitig die kaiserliche Finanzkrise lösen, Hurra Geldschwemme, denn ein kleines Geldproblem lässt sich bekanntlich nur durch ein größeres Geldproblem beseitigen. Gesagt, getan. "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis, puff, Platz da, alles weg!", um es mit Tacitus zu sagen. Wunderbar! Sämtliche Friedensnobelpreisträger machen bitte sofort ein Friedenszeichen!

"Küss die Hand, schöne Frau, ihre Augen sind so blau …" Der Minnesänger is in town. Schnell den Notenschlüssel her! Er ist ein Verführer und bringt seinen Opfern viel Leid. "Von Weinen und von Klagen". Stimmt.  On the other hand ist das freilich nichts als Hörensagen. Veni, vidi, see you soon. Wie dem auch sei: Das Leiden der Mitmenschen ist gut, edel und gerecht, scheint sich Mutter Theresa mit einem diskreten teuflischen Zwinkern ausgeklügelt zu haben, denn das Leiden ist ja wie ein Kuss Jesu. Gell?

Hmm … Dann eben keine Schmerzlinderung. "Könnten Sie bitte Jesu sagen, er möge nich nicht mehr küssen?", versucht es eins der Opfer trotzdem. "Nope! Geht nicht! Die Schmerzen müssen voll und ganz ausgekostet werden! Verstanden?" Wohlgemerkt nur die Schmerzen der anderen. Nicht unsere eigenen. So doof werden wir ja schließlich auch wieder nicht sein. Politik und Religion. Hand in Hand. Schlau, sehr schlau, gnädige Frau.

   Die Moral der Geschichte? Es gibt keine Moral. Jedenfalls nicht in uns. Deswegen schleich ich mal kurz durch das Dickicht der kanadischen Metropole Toronto, wo ich vor zwanzig Jahren mein Zelt aufgeschlagen habe, und schau mir den bestirnten Himmel an. Im OMNIMAX Theatre des Ontario Science Center. "Go online", flüstert mir der Online-Geist zu. Ich füge mich und setze meinen Rundgang als VR-Erlebnis weiter.

Torontos Financial District: The First Canadian Place (298 Meter hoch) und the Scotia Plaza (275 Meter hoch) schießen gemeinsam mit zahlreichen weiteren Wolkenkratzern am Lake Ontario in den Himmel. Reißen einen mit. Ziehen uns hinan. Ewig-leidlich, wie der ehemalige Honorar-Generalkonsul der Republik Österreich in Toronto, Frank Stronach, möglicherweise sagen würde (wenn er jetzt wieder mal zufälligerweise kurz in seiner kanadischen Wahlheimat zugegen wäre), und zwar aus zwei triftigen Gründen. Erstens ist nämlich aus österreichischer Perspektive betrachtet so gut wie alles, was der Fall ist, leidlich, und zweitens ist aus österreichischer Perspektive betrachtet so gut wie alles, was leidlich ist, ewig. Und wahr. Ein umgedrehtes Spiegelbild von Richtbildern.

Hunderttausende Kanadier sind unmittelbar vom Facebook-Skandal betroffen. Das liegt im Wesen der Dinge – und erst recht im Wesen der Dinge, die nun schon seit geraumer Zeit aus den Untiefen des Internets ans Tageslicht kriechen. Und dann kriechen die Dinge natürlich immer wieder brav zurück ins Deep Internet. Denn schließlich handelt es sich ja um ihr Internet, nicht um unseres.

   Spaß beiseite. Wenn's um Digitalisierung geht, ist uns kein Wolkenkratzer, keine Chefetage, keine Stange und kein Himmel zu hoch. Alles, was wir wahrhaben wollen, wird wahr. Der Kasperl ist ein Chief Executive Officer mit Weltenblick und Krawatte. Der Seppel entlarvt sich als erstklassiger Business Manager, der es noch zu etwas bringen wird, eventuell zum nächsten DB-Chef, the sky is the limit, klar, warum auch nicht, soweit es die Gunst der Stunde gestattet. Und die Kartoffeln sind Nutzer-Konten. Um die muss man sich kümmern.

Social Media zwischen Machbarkeit, Gesetz und Anstand. Mann kann sich angesichts der jüngsten Entwicklungen gut vorstellen, wie etwa der Geschäftsführer von Hotzenplotz Analytica bei Gelegenheit scheinheilig vorbeischaut, um möglichst genau zu erkunden, was sich so alles hinter dem FB-Vorhang tut.

"Hallo! Einen schönen guten Tag! Ich bin der Räuber Hotzenplotz. And I really would love to access each and every piece of sensitive data you can get your hands on. Is that a problem?"

No problem at all! Just show me the money.

Wer zahlen kann, ist unser Mann! Auf Neudeutsch: "You're the man!" Das Leitwort? "Yes, the Money Cat can!" After all, someone's got to be calling the shots.

   Sweet. Die Geldspur ist breit. Sie  führt  über gut achtzig Millionen Konten direkt in die kurzweilige Unendlichkeit einer so tiefgründigen, einer so  flächendeckenden, einer so verdammt aufwendigen Datenverarbeitung und -Entwendung (unter ausgesprochen begrenzter Haftung), dass der gelegentlich mit seiner sozusagen Cyber-bedingt hingenommenen, bemerkenswert faktisch, allzu faktisch begründeten Urteilskraft möglicherweise gerade mal "in the squad" herum zappelnde Netz-Philosoph unter Umständen schier meinen könnte, es handle sich hierin nicht nur um das gesamte Dasein der mutmaßlich voll und ganz bis ans bittere Ende des Surfens ausspionierten Nutzer im Getriebe, sondern geradezu um das Digitale Sein schlechthin.

Unzählige Ichs im Sog des Big Business. Das neuartige Rauschgift der virtuellen Wirklichkeit im Blut. Den Rhythmus als Schrittmacher. Die Datenschwemme? Eine Ehrfurcht erregende Sintflut der neuen Religion zwischen ON und OFF. Oder um es mir dem Dichter zu sagen: Sugar Sweet, you've got me rapping to the beat.

Und da steht ja schon alles mit drin. Das Falco-Zitat hab ich jetzt nämlich nicht von ungefähr hingeschmissen. Es geht ja wohlgemerkt unter anderem gerade auch in Sachen Facebook & Co um eine vorzüglich an das gute alte Prinzip Sucht anlehnende Erscheinungsform virtueller Selbstverständlichkeit, die wir im Moment mal einfach Digitale Hörigkeit nennen wollen – und der wir vorzüglich sensationsfreudige Konsumenten digitalen Schlages uns allesamt tagtäglich mehr oder weniger gedankenlos hingeben. Die "Special Places" gibt's halt nicht nur in der U-Bahn, sondern vielmehr zunehmend auch im Broadband. Und im Kopf. Oder im zentralen Nervensystem. Wer das alles wirklich bis hin zu den letzten Konsequenzen begreift, ist schon nicht mehr ganz licht.

"Sie rappen hin, sie rappen her, dazwischen kratzen's ab die Wand."

   Ja doch! Genau! Das lässt sich leidlich nachvollziehen. Das klingt recht vernünftig, wenn ich mich nicht irre. Das klingt so durch und durch zeitgenössisch. In diesem Bild kann sich einer möglicherweise selbst dann wieder finden, wenn er sich gleichsam längst verloren hat. Ergo … ein Menetekel zum Abkratzen. Na ja: Sie, das sind wir. "It's us", wie es so schön im Englischen heißt. Und jetzt wissen wir endlich auch, was die Wolkenkratzer da oben so alles anstellen.

Nichtsdestotrotz macht diese Affäre aber freilich nur die Spitze des Eisbergs aus, der da irgendwo im schönen, wundersam vielfältig gestaltbaren Reich einer irgendwie unheimlichen neuartigen Wirklichkeit postfaktischer Art und Weise treibt. Wie weit der gierige korporativistische bzw. machtpolitische Blick dabei nun wirklich in die Privatsphäre des Einzelnen eindringt, das ist dieser Tage nämlich die Zuckerberg-Frage. In den Staaten wie in der EU, wo es in diesem Zusammenhang allerdings viel strikter zugeht als in the Brave New World. Demzufolge wird denn diese eine überdurchschnittlich brenzlige Zuckerberg-Frage gegenwärtig auch beträchtlich dringlicher im Bund des rollenden Dollars gestellt als in dem des grollenden Euro.

Facebook-Ding: Von Angesicht zu Angesicht. Besser: von Angesicht zu Angesicht zu Angesicht.

"Sesam, öffne dich!" Wer den Zauberspruch richtig hinkriegt, hat Zugang zu vielen Daten. So wie die alten Gottheiten, die unsere Vorfahren ahnten, und die verflixten Spione, von denen wir mit Gewissheit behaupten zu dürfen meinen, dass sie andauernd überall in unseren Siebensachen und in unseren geheimen Konten herumschnüffeln.

Wegelagerer im Netz. Im Büro. Im Schlafzimmer.

   So wie die gewieften Hacker und die ruchlosen Panzerknacker des neuen Sturm und Drang der Dinge (SuDdD). Keine Datei ist vor ihrer allumfassenden Pupille sicher. Kein Click. Kein Like. Kein Hype. Durch Mark und Bein geht sowas. Aber eben Sugar Sweet.

Weit ins Weite reicht diese Erkundung ... Was wohl dahinter stecken mag, that is the question.

Auf Schritt und Tritt querfeldein über alle Bits und Bytes unsere Sinne. Jede noch so winzige Regung des allerinnersten, geheimen Selbst wird gespeichert, ausgewertet und wirtschaftlich zusammenhängend auf dem freien Markt feilgeboten. Jeder Gedanke, jeder unwillkürliche Ruck, den das moralische Netz über uns und die elektromagnetischen Impulse in uns auf dem wundersamen Weg alltäglicher Digitalisierung bewerkstelligen. Jedes niedliche Quäntchen Glück. Jeder Blick total unermüdet.

Trotz des Vorübergehns der Stäbe.

Und alles, was wir sehen, spiegeln wir naturgemäß wider. In der Digitalen Räuberhöhle wird der geheime Schatz der Neucodierung gehortet, der Individualität, Selbstheit, Urteilsvermögen, Perspektive und Geschmack raffiniert umzuschreiben vermag. Dazu den freien Willen, soweit es ihn wirklich geben sollte bzw. je gegeben haben sollte, was namhafte Hirnforscher allerdings ernsthaft bezweifeln.

   Rewriting the Code, darauf kommt es an, n'est-ce pas? Eine Angelegenheit höherer Gefilde. Der Erdgeist, der Facebook-Geist, der Leck-mi-Geist sowie verschiedene andere auch gerne mal weniger versteifte Geister-Kollegen werden allesamt von den internationalen Vorreitern der Digitalisierung auf den Plan gerufen. "Auf den Frauenplan?", fragt ein älterer Schelm und Schreiberling, der's mal mit einem gewissen Erfolg versucht hat. "It's me!  Der Faust! Deinesgleichen, wenn ich mich nicht irre, verdammt nochmal!" Faust ab.

Nein, einfach auf den Plan. Und die Geister kommen (allen voran der Teamgeist, der aber freilich gar kein echter Geist ist, sondern ein bloßer spirit aus angelsächsischen Landen). Und wollen was. Und es passiert was. Und wir, die mutlosen Wellenreiter des schönen Augenblicks, der wohlgemerkt von nun an zuerst und vor allem eben auch ein Augen-Click sein darf, wir, die Vorreiter der selbstverschuldeten neuartigen Unmündigkeit im verheißenen Land allgegenwärtiger Selbsterfüllung, stecken mittendrin. Und ganz am Rande siechen die Hungerleider und kriegen nix und wieder nix. Die gehen uns aber ohnehin einen Dreck an, soweit wir ihre Daten nicht ausbeuten oder, noch besser, ihr Leiden nicht diabolisch geschickt instrumentalisieren können. Ach was, Schwamm drüber. Denn heilig gesprochen ist heilig gesprochen. Howgh!

   The right to be forgotten, zwitscherten früher die Minnesänger um Walter von der Vogelweide. Wir wollen ein Anrecht darauf haben, vergessen zu werden. Das ist so eine Art Vergissmeinnicht. Bloß umgekehrt. Wie denn auch viele Dinge im Leben verkehrt erscheinen, wenn man sie von der anderen Seite betrachtet. Das hab ich von einem großen Mann. Johnny. Johnny aus dem Netz. Yeah … Johnny. Oder war das Jimmy?

Right on! Jimmy. Und sieh einer an! Schon erfreuen wir uns dieses Anrechts. Genauer gesagt, schon seit 2014.

Aber nur in Europa. In den Vereinigten Staaten gilt The First Amendment bekanntlich seit je als unantastbar. Klar: Freizügigkeit der Information. Kann man nichts machen. Will man nichts machen können.

Got it! Schnell noch ein Modalverb hinzu, und die Story wirkt nuancierter.

Facebook: Dieser Begriff greift indeed.

"Wir alle spiegeln mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider." (2. Kor 3,18)

Von Angesicht zu Angesicht dreht sich sozusagen eine neue Beharrlichkeit der Dinge (BdD) um unsere zweckmäßig schief ins Dasein gezauberte Achse der Welt, eine Achse des Guten (Hokuspokus … Ja! Passt! Jedenfalls wollen wir das hoffen), anhand derer ein jeder stets und überall sowohl des breiteren Zusammenhangs als auch der tausend mehr oder weniger privaten Einzelheiten gewahr wird, die sich im Zeitalter des Internet of Things (IoT) zwingend offenbaren.

Offenbarung: ebenfalls ein treffender Begriff.

   Man könnte dazu ruhig das altbewährte Markenzeichen Mysterium verwenden. Am großen Zauberberg unseres zunehmend grenzwertigen Erfahrungsbereichs (Tendenz Richtung VR und AI) liegen sämtliche Zusammenhänge, die eine Person, eine Nation, eine Spezies, ja ein Ding an sich und für das Urteilsvermögen ausmachen, in einer horizontalen Lebensweise befangen, in der immer weniger zwischen organischer und anorganischer Lebendigkeit unterschieden wird.

Aufgehobensein als Geborgenheit.

Information: der Grundstein unserer Gesellschaft. Wen wird es da wundern, dass damit gute Geschäfte gemacht werden? Zeit, Freund, Antlitz, Augenmerk, Geld, Geist: zentrale Variablen eines langfristig durchaus zumutbaren Businessmodells. Stichwort Konjunktur? Geil!

Freilich ist nun aber die Digitale Räuberhöhle zugleich eine Digitale Seinshöhle. Eine Höhle des Seins. Irgendwo im deep Internet versteckt. Was heißen will: überall und nirgendwo.

   Es wird wohl zur Zeit nicht hundertprozentig absehbar sein, ob bzw. wann Mark Zuckerberg heilig gesprochen wird. Fest steht, dass er sich um die neue Empfindsamkeit der Dinge (EdD) mehr verdient gemacht hat als mancher pathetischer Prophet der Digitalisierung. Ein besonnener Haberer weiß: Jede Macht hat ihren Preis. Und die Glückseligkeit eh. "Frag nicht, für wen die Groschen klirren. Sie klirren für dich." Der FB-Fall ist klar, lieber Herr Kommissar, auch wenn Sie anderer Meinung sind. Business as usual.

"Und frag nicht, was das Deep Internet für dich machen kann, du Depp. Frag, was du für das Deep Internet machen kannst." Pfiffiger Dreh. Und schon hamma, Congressmen-Befragung hin und her, wieder den Kopf aus der Schlinge raus.

Weiter geht's. Die Nacht ist vorbei. Digital Business is Digital Business is Digital Business, so die Dichter im Morgenrot. Und wem sollten wir das Geschäft denn anvertrauen, wenn nicht den Experten 'cause the Money Cat knows where the Money Tree grows. That's called Knowledge Management. Wir lassen uns gerne bezaubern. Das ist nun mal so. Das war schon immer so. It just feels right.

Fragen stellen? Of course! Bitte sehr! Kein Thema. Squeezed in between shots. Who's got us rapping to the beat?

Ausdrucken?

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