Ein Tisch, ein paar Stühle, ein alter Sessel, ein alter
Fernseher. Vor allem erkennt man die kommunistische Zeit aber an den dicken
Pullovern und Mützen, mit denen bekleidet sich die Familie in der Wohnung
bewegt. Es ist der 26. Januar 1978, Nicolae Ceauşescus Geburtstag. Sein
Porträt hängt hoch an der Wand, von wo er lächelnd auf die
Familienmitglieder herabblickt. Dünne Wände sind der Beweis der ständigen
Überwachung des Privatlebens durch die Geheimpolizei Securitate. 1978
ist auch der Titel der Performance, die im Ungarischen Staatstheater "Csiky
Gergely" in Temeswar im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas 2023 vom
slowenischen Regisseur Tomi Janežič inszeniert wurde.
Basierend auf
persönlichen Geschichten der Schauspieler und des Regisseurs, erzählt diese
generationsübergreifende Dokumentarfiktion von der kommunistischen Zeit der
1970er-Jahre. Die in einer rumänischen Wohnung beginnende Handlung verknüpft
zahlreiche lokale und globale Ereignisse, die Temeswar mit Janežičs
Heimatstadt Nova Gorica verbinden, wo die Produktion während der
Kulturhauptstadt Europas 2025 gezeigt wurde. Einst gehörten beide Städte zum
selben Land: der österreichisch-ungarischen Monarchie. So reicht die
Geschichte noch weiter zurück bis zum Ersten Weltkrieg und der Schlacht am
Isonzo, in der einst Tausende ungarischer Soldaten kämpften.
Die Inszenierung basiert auf der Identität Temeswars, der
Stadt von großer Bedeutung zur Zeit der Revolution von 1989. Ebenfalls in
Temeswar wurden während des kommunistischen Regimes wegen der Nähe zur
jugoslawischen Grenze illegale Grenzübertritte sowie der Schmuggel von
Produkten wie Seife und Kaffee begünstigt. Es ist eine ambitionierte
Multimedia-Performance, die Schauspiel, Live-Musik und Video umfasst. In
Temeswar findet die Aufführung in drei verschiedenen Räumen des
leerstehenden Gebäudes der ehemaligen Fakultät für Wasserbau statt, wobei
die genaue Raumaufteilung entscheidend ist. Daher konnte der letzte Teil in
Bukarest nicht gespielt werden. Stattdessen griff der Regisseur oft in das
Geschehen ein, gab Anweisungen an die Schauspieler, lieferte Erklärungen und
sang sogar in einer Szene zusammen mit den hervorragenden Künstlern. Dieser
komplex geregelte Mechanismus deckte bedeutende geschichtliche Ereignisse
anhand persönlicher Geschichten auf.
1978 war Teil der vierten Ausgabe des Ungarischen
Theaterfestivals (BukFeszt), das vom 29. September bis 7. Oktober in
Bukarest stattfand. Ziel war es, dem Publikum der Hauptstadt, dessen
Entfernung zu den ungarischen Theatern landesweit beträchtlich ist, die
Möglichkeit zu geben, die Werke dieser künstlerisch anspruchsvollen Theatergruppen zu
entdecken. Die diesjährige Ausgabe wurde vom MASZIN-Verband organisiert, dem
sechs der neun ungarischen Theater Rumäniens angehören. BukFeszt hat sich
die Förderung des interkulturellen Dialogs, die Unterstützung künstlerischer
Vielfalt und die Präsentation der wichtigsten ungarischen
Theaterproduktionen der Saison in Bukarest zur Aufgabe gemacht.
Alle
Aufführungen wurden auf Rumänisch übertitelt. Das Programm umfasste
Inszenierungen klassischer Autoren (Bulgakows Der Meister und Margarita
und Kohlhaas nach Heinrich von Kleist – beide aufgeführt von der
Theatergruppe "Harag György" des Nordtheaters Satu Mare, Kafkas Der
Prozess – aufgeführt vom Theater "Tomcsa Sándor" in Odorheiu Secuiesc)
sowie zeitgenössische Werke von Matei Vișniec, Florian Zeller und Alexandru
Popa.
Ein Fest des Rhythmus
Der vielversprechende junge Regisseur Bélai Marcel ist
zusammen mit Réka Takács auch Autor des Stücks, das auf Heinrich von Kleists
Novelle "Michael Kohlhaas" basiert. Darin wird die wahre Geschichte des
gleichnamigen Pferdehändlers Kohlhaas erzählt, eines ehrlichen
Bürgers, der Anfang des 16. Jahrhunderts von einem anderen Dorfbewohner mit
einer erfundenen Steuer belastet wird. Im Kampf um Gerechtigkeit nimmt
Kohlhaas das Gesetz selbst in die Hand. Das rechteckige Podium in der
Bühnenmitte mit seinem transparenten, mit Neonröhren beleuchteten Boden
verwandelt sich abwechselnd in einen Boxring, in ein Fechtfeld oder in einen
Gerichtssaal. Alle Schauspieler sind stets auf der Bühne präsent, sei es auf
dem Podium oder auf dessen Seitenrändern, wechselt vor den Augen der
Zuschauer ständig Rollen, Genres und Kostüme – mit Ausnahme des
Protagonisten. Die Geschichte wird von zwei Erzählern vorangetrieben.
Passende Musik und kunstvoll choreografierte Tanzeinlagen untermalen gekonnt
die zentralen religiösen, sozialen und politischen Themen. Der Konflikt
zwischen Recht und Gerechtigkeit, Individuum und Kollektiv, Minderheit und
Mehrheit, Held und Masse erscheint aktueller denn je.
Dasselbe Duo – Marcel Bélai und Réka Takács – kreierte
auch eine Adaption von Kafkas Der Prozess. Eine ganze Schar von
Figuren betritt die Bühne durch zwei an den Seitenwänden eingebaute Aufzüge
oder durch Fenster im Hintergrund: ein Angestellter auf Rollschuhen, eine
sadomasochistische junge Frau, Fräulein Bürstner, die Tante, der im
Rollstuhl sitzende Anwalt und Maler Titorelli mit
Laurence-Fishburne-Aussehen. Verschiedene Lichtnuancen signalisieren mal die
traumhafte, mal die groteske oder die karnevaleske Seite der Geschichte oder
verdeutlichen einfach, dass sich das Gesehene ausschließlich in Josef Ks
Vorstellung abspielt. Eine stimmige und überzeugende Demonstration
zeitgenössischen Theaters, voller einprägsamer Bilder und einladender
Musikpassagen, in der Absurdität zum Spiegel der gegenwärtigen Realität
wird.
Auf der Suche nach dem Glück
Mit Das Geheimnis des Glücks führte das Festival
das Publikum auch in intime Gefilde. Mit viel Humor untersucht Autor
Alexandru Popa in seinem viel gelobten Stück die Dynamik in modernen
Paarbeziehungen, in denen der Schein trügt und verborgene Wahrheiten
letztendlich ans Licht kommen. Inszeniert im Udvartér Theater in Târgu
Secuiesc von Árpád Tóth, demontiert der Text auf subtile Weise Klischees
über die perfekte Liebe und unzerbrechliche Freundschaften, um sie in einem
spannungsgeladenen Spiel authentischer Emotionen neu zu erfinden. Eine
Inszenierung in einem klassischen Ambiente, perfekt gespielt von drei
Akteuren, die sich seit ihrem Studium sehr gut kennen.
Die nonverbale Performance Die Glücksjäger des
"Nagyvárad Ensemble" des Szigligeti Theaters in Großwardein war eindeutig
einer der Höhepunkte des Festivals. Basierend auf Darren Aronofskys Film
"Requiem for a Dream" und Milán Füsts Text "Die Unglücklichen" schuf
Regisseur Györfi Csaba eine intensive physische Produktion, die die
Grausamkeit menschlicher Beziehungen thematisiert. Alle Figuren
(Drogenabhängige, Alkoholiker, Prostituierte) sind in einer imaginären Welt
gefangen, aus der sie trotz aller Bemühungen keinen Ausweg finden. Die
beunruhigende Musik und die treffend gewählten Kostüme unterstreichen die
Geschichte, die sich in einer einfachen, dämmrigen Wohnung entfaltet.
Mit diesem Aufführungsmarathon stand der kulturelle
Herbst in Rumäniens Hauptstadt ganz im Zeichen der ungarischen
Theatermacher. Das Festival BukFeszt hat sich Schritt für Schritt einen
festen Platz in der rumänischen Kulturszene erobert, hat an Sichtbarkeit und
Medienpräsenz zugelegt und das Interesse des Publikums gewonnen.