Unter dem Motto "Extreme"
stellten sich Direktor Mihai Măniuţiu und künstlerische Leiterin Ştefana
Pop-Curşeu für die siebente Ausgabe des Klausenburger Treffens die Frage
"wie wir in Zeiten von Krieg, Gewalt, Terror, Manipulation und Schrecken mit
den Extremen umgehen". Widmete sich die von Ştefana und Ioan Pop-Curşeu
kuratierte Ausstellung "Extreme der Bücher" der Literatur, so standen die
Abende vornehmlich im Zeichen der Theater- und Filmbranche.
Die Extreme des Theaters
fanden Ausdruck unter anderem in Romanadaptionen. In einer temporeichen und
stark choreografierten Inszenierung brachte Mihaela Panainte Kafkas Der
Prozess auf die Bühne. Die junge Regisseurin verstand es perfekt,
Bewegungsszenen mit Dialogen zu verknüpfen. Wie Roboter bewegten sich die
weiß geschminkten Gesichter der Darsteller in einer von Helmut Stürmer
entworfenen Metallkonstruktion – ein optisch sehr gut mit Kafkas grotesker
und gespenstisch-bürokratischer Welt harmonierendes Bühnenbild. Panainte
kam hierbei mit wenigen Mitteln aus. Dennoch gelang es ihr, eine eindringliche
Atmosphäre aufzubauen. Eine präzise Lichtsetzung unterstrich die düstere
Stimmung gekonnt. Mit viel Spielwitz und intensiver Bühnenpräsenz verkörperte
Ionuţ Caras Josef K. und wurde dabei vortrefflich vom gesamten Ensemble unterstützt
– alle bloß "winzige Räder des undurchdringlichen Mechanismus der Justiz, die
den Willen der Macht betonen", so die Regisseurin. Wie ironisch passend zum
von Korruption geplagten rumänischen Justizsystem!
Von
Extremen handelte auch Răzvan Mureşans Inszenierung von Anthony Burgess‘
Klassiker Uhrwerk Orange. Der Hausregisseur des Klausenburger
Nationaltheaters zeigte hier auf eindrucksvolle Weise, wie schnell
Grausamkeit zur Realität werden kann. Ludwig van Beethovens neunte Sinfonie
spielte dabei im Stück dieselbe bedeutende Rolle wie in Stanley Kubricks
berühmtem Film.
Dass die Rumänen fast 30 Jahre
nach dem Fall des Kommunismus noch Gefangene ihrer eigenen Geschichte sind,
bekräftigte Playlist von C.C. Buricea Mlinarcic, eine Produktion, die
das Leben einer rumänisch-ungarischen Familie zwischen 1989 und 2008
schildert. Schwungvoll und sehr musikalisch zeigte sich zudem eine
Aufführung mit dem einprägsamen Titel Goldberg
Show – Die Entstehung der Welt und andere Ereignisse, ein opulentes
Tanztheater nach Georg Taboris "Goldberg-Variationen" in der Regie von Mihai
Măniuţiu. Für Erheiterung sorgten Andrea Gavrilius Solo-Tanzperformance
OST (Organic Sound Twist) und God's Playground, ein Konzert mit
Alexandru Bălănescu an der Violine und Ada Milea an der Gitarre.
Besonders extrem ging es an
zwei Abenden vonstatten, als mehrere Experimental- und Horrorkurzfilme
menschliche und strukturelle Grenzen gegenüberstellten. Ein absoluter
Höhepunkt war die Vorpremiere des Films
Zähne nach Matei Vişniecs gleichnamigem Stück. Darin wird die absurde
Geschichte von zwei Männern erzählt, die toten Soldaten die goldenen Zähne
aus dem Mund ziehen. Als den Männern auf dem mit Leichen übersatten
Schlachtfeld ein erschöpfter, taumelnder Soldat entgegenkommt, ist es kaum
mehr möglich, die Grenze zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden. Dem
jungen Filmregisseur Rareş Stoica gelang mit dieser Produktion eine eindrucksvolle visuelle Reise
in eine irreale Welt – eine poetische und schaurige Darstellung des Lebens
unter extremen Bedingungen. |