
Stefan Peca
geboren 1982,
wird zur
Zeit als eine der stärksten
Stimmen der rumänischen
Gegenwartsdramatik betrachtet.
Er studierte szenisches
Schreiben bei der New York
University und zählte 2005 zu
den International Playwriting
Residents des Royal Court
Theater London. Seine Theater-
stücke wurden in Rumänien,
USA, Großbritannien, Irland,
Deutschland, Österreich,
Schweiz, Frankreich, Russland,
Bulgarien, Tschechien, Polen,
Weißrussland und Serbien
aufgeführt. Er hat mehrere
Preise erhalten, unter anderem
den Innovationspreis des
Heidelberger Stückemarktes
(2007) und Das Beste Theater-
stück – Beziehungsdrama
– des London Fringe Report
Awards (2006). Peca ist einer
der Gründungsmitglieder der
BLA Theater Company und
Geschäftspartner der Gesell-
schaft The Internationalists
New York. Weitere Infor-
mationen unter:
www.peca.ro
In Rumänien lassen sich
gegenwärtig vier Arten
von Dramatikern
unterscheiden.
Erstens:
Regisseure, die gleichzeitig
Dramatiker sind und ihre
eigenen Stücke inszenieren.
Dazu zählt zum Beispiel:

Gianina Carbunariu,
geboren 1977, studierte
Rumänische und Französische
Literatur an der Universität
Bukarest und nahm anschlie-
ßend das Studium der Schau-
spielregie an der Nationalen
Theater- und Filmakademie in
Bukarest auf. Seit 2002 führt
sie an verschiedenen Theatern
in Bukarest Regie und hat u.a.
Stücke von Matei Visniec,
Hávar Sigurjónsson und Franz
Xaver Kroetz inszeniert. 2000
legte sie ihr erstes Stück
Unwirklichkeiten aus dem
nahen wilden Osten vor, das
den Ersten Preis beim Natio-
nalen Drama- Wettbewerb
gewann. Ihr zweites Stück
Honey wurde 2002 in Piatra
Neamt uraufgeführt und auch
in der Schweiz gezeigt. 2002
zählte sie zu den Initiatoren
von dramAcum - einem Projekt
für Gegenwartsdramatik in
Rumänien, das mittlerweile
5 Produktionen umfasst. Ihr
Stück Kebab, eine Weiter-
führung von mady-baby.edu,
wurde im Frühjahr 2007 an
der Berliner Schaubühne als
deutschsprachige Erstauf-
führung präsentiert und auch
an den Münchner Kammer-
spielen produziert. (Quelle:
Volkstheater).
Zweitens:
Zur
zweiten Kategorie
gehören Schauspieler,
die auch Dramatiker sind.
Ein
Beispiel hierfür ist:

(c) Odeon Theater
Gabriel Pintilei
geboren 1978. Ausbildung
an der Kunstuniversität
"George Enescu" in Iasi von
1996 bis 2000, Abteilung
Schauspiel. Im Jahr 2004
gewann er den dramAcum-
Wettbewerb
mit
dem Stück
Elevator, das
sowohl im
Teatrul foarte mic als auch
in Teatrul LUNI in Green
Hours gezeigt wurde sowie
in Tschechien. Das Bild oben
zeigt ihn in dem Stück "Mr.
Leonida" am Odeon
Theater, Bukarest.
Drittens:
Zur
dritten Kategorie
gehören Dramatiker, die
keinen unmittelbaren Bezug
zum Theater haben. Man
könnte sie auch professionelle
Dramatiker nennen, das heißt
ihr Metier ist ausschließlich
das Schreiben. Ein Beispiel
hierfür ist:

Maria Manolescu
27 Jahre alt, Schriftstellerin
und Dramatikerin. Master
der Dramatik beim UNATC
Bukarest. 2007 Teilnehmerin
des Royal Court International
Playwright Residency. Debüt
mit Der Gewichtheber aus
Vitan (Verlag Polirom, 2007).
Gewinnerin des dritten
Veranstaltungswettbewerbs
dramAcum mit dem Stück
Sado-Maso Blues Bar,
inszeniert 2007 beim Teatrul
Foarte Mic, Regie Gianina
Carbunariu. Weitere Stücke:
With a little Help from my
Friends (inszeniert 2007
von Radu Apostol beim
Nationaltheater Iasi) und Ich
bin nicht Jesus Christus.
Mitarbeiterin der Zeitschrift
Neue Literatur.
Viertens:
Die vierte Kategorie
betrifft Theaterkritiker
(oder Theaterwissen-
schaftler),
die auch Stücke
schreiben. Zu ihren erfolg-
reichsten Vertretern
gehört
die Kritikerin

Mihaela Michailov
Michailov
ist
Kritikerin
und
Theoretikerin
der Bühnen-
kunst (Theater und
Tanz).
Sie
arbeitet als
Dramatikerin
und
Mitarbeiterin
mehrerer
Periodika, darunter
Suplimen-
tul
de cultura (Kulturzusatz),
Sapte Seri (Sieben Abende),
Noua Literatura (Die neue
Literatur), aLtitudini.
Sie ist
Autorin mehrerer Texte, unter
anderem von Interzis sub 18
ani (Verboten unter 18
Jahren), inszeniert 2008
am Teatrul Foarte Mic,
Bukarest. 2006 gewann sie
das Dramatikstipendium des
dramAcum-3-Wettbewerbs
mit
dem Stück Mi-e frica (Ich habe
Angst). 2007 erhielt sie den
UNITER Preis für das beste
Stück des Jahres - Complexul
Romania (Der Rumänien-
Komplex), inszeniert 2008 am
Nationaltheater I.L. Caragiale,
Bukarest.
Mihaela Michailov
ist aktuell Doktorandin an
der Universität der Theater-
und Filmkunst Bukarest. Seit
2008 ist sie Intendantin des
Festivals der rumänischen
Dramatik Temeswar.
Aurora-Tipp
"Theater
als Eingriff
in den Alltag"
|
Der
rumänische Gegenwartsdramatiker gehört zu einer Spezies, die erst vor wenigen
Jahren eine aktive Rolle zu spielen begann. Vor dieser Zeit (gemeint ist
insbesondere die kommunistische) war der rumänische Dramatiker ein Typ
(seltener eine Frau), der viele Stücke schrieb und ab und zu – wenn er Glück
hatte oder die richtigen Leute kannte – eine Inszenierung bekam. Seiner
Ansicht nach war das, was er schrieb ein fertiges Produkt, das vom
Regisseur und den Schauspielern auf die Bühne gebracht wird. Die Änderungen
während der Arbeit an der Inszenierung interessierten ihn nicht. Der
Dramatiker kam zur Premiere, setzte sich bequem hin und hatte zwei
Möglichkeiten: das, was er zu sehen bekam zu mögen
– oder
eben nicht.
Gefragte
Themen und Genres waren Boulevardkomödien, historische oder
Ideen-Dramen, Gegenwartsgeschichten über Proletarier und die Partei, zum
Teil auch
sehr metaphorische Stücke, die versteckte Kommentare gegen das
System beinhalten konnten –
und manchmal, in der Zeit nach der Revolution, sogar absurde Stücke
im Ionesco-Stil.
Der Dramatiker
war ein Schriftsteller. Ein Prosa- oder Gedichte-Schreiber, der nebenbei
fürs Theater schrieb. Ende der 1990er Jahre machte sich eine neue Generation von
Dramatikern bemerkbar. Es waren Leute, die ursprünglich auch von der Prosa
oder Lyrik kamen, Dramatiker, die, wie Saviana Stanescu, Alina Nelega, Stefan
Caraman, Radu Macrinici oder Dumitru Crudu, eine neue Ausdrucksweise und neue
Themen einführten. Ungünstigerweise erschienen sie alle in einem
Moment des Vakuums, als in Rumänien der Status des Dramatikers (und die
Nachfrage nach noch lebenden Autoren) gleich Null war. Trotz alledem: In der Zeit
unmittelbar nach der Revolution, als die Regisseure weiterhin das taten, was
sie am besten konnten, nämlich metaphorisches Theater zu machen, trat eine Sättigung
ein (das autoritäre System war ja nicht mehr da), und man begann die Stücke
der neuen Autoren zu spielen. Und das entweder in den offeneren
Provinztheatern oder in den neuen unabhängigen Theatern in Bukarest.
In
meinen Augen ist das eine besondere Generation, deren Werdegang von 2000 bis
2008 sehr interessant ist. Saviana Stanescu beispielsweise ging nach New
York, und ihre dortige Karriere hat stilistisch nichts mehr mit dem zu tun, was sie
in den 90ern schrieb. Ihre Geschichten sind jetzt sehr persönlich
und realistisch, und sie werden in verschiedenen New Yorker Theatern
aufgeführt. Alina Nelega hat viele Projekte zur Entwicklung des Theaters
initiiert, eines davon – dramafest – fand schon Ende der 90er Jahre statt
und diente als Grundlage für das Projekt bzw. die Gruppe dramaAcum.
Sie war auch Regisseurin ihrer eigenen Stücke, führt zur Zeit ein Theater und
feiert ein spektakuläres Comeback als Dramatikerin. Stefan Caraman wurde in
den letzten zehn Jahren oft gespielt, auch in Bukarest, und er ist auch
einer der Dramatiker, die mich inspiriert und aufgemuntert haben, Theater zu
schreiben. Radu Macrinici hat lange Zeit als Literaturmanager gearbeitet und
hat verschiedene Festivalprojekte für das Gegenwartstheater geleitet.
Dumitru Crudu (aus der Moldau) wurde in Rumänien produziert und auch zu
verschiedenen Festivals und Workshops im Ausland eingeladen. Diese
Generation, die jetzt um die 40 ist, müsste normalerweise eine zentrale
Rolle in der rumänischen Theaterwelt spielen. Tut sie aber nicht. Und das
ist unter anderem auch der Tatsache zu verdanken, dass es sich um keine
Regisseure oder Schauspieler handelt, das heißt um Personen, die einen
wichtigeren Status im rumänischen Theater haben.
Eine Gruppe
von Regisseuren rief ein Projekt zur Entdeckung neuer Dramatiker ins Leben.
Diese Regisseure hatten Kontakt zum Royal Court und waren mit dessen
Philosophie vertraut. Das, was sie suchten, waren aktive Dramatiker, die
Geschichten über sozial relevante Themen schreiben konnten, Texte für die
Bühne also, nicht für die Schublade. So entstand 2002 das Projekt
dramAcum. Am Anfang stand ein Wettbewerb für Dramatiker unter 26. Der
Preis war die Inszenierung des Stückes, aber auch eine aktive Rolle im
Produktionsteam. Diese Regisseure, die jetzt um die 30 sind, waren Andreea
Valean, Radu Apostol, Gianina Carbunariu, Alexandru Berceanu und Ana
Margineanu. Unterstützt wurden sie von Nicolae Mandea, damals Lektor an der
UNATC (Universität für Theater- und Filmkunst) und jetziger Direktor des
Theater-Instituts. Diese Generation hat die Mentalität des rumänischen
Theaters grundlegend verändert und den Status des Dramatikers beträchtlich
gehoben. Obwohl anfangs angegriffen, haben es die neuen Texte – gestärkt
durch Produktion und internationale Anerkennung – in nur sechs Jahren
geschafft, dass den Dramatikern neuer Respekt entgegengebracht wird.
Diese
Texte haben schnell ein junges Publikum erobert, auch weil sie vorwiegend in
unabhängigen Theatern aufgeführt wurden, beispielsweise vom Teatrul LUNI
in Green Hours oder Teatrul ACT, aber auch auf Nebenbühnen von
großen Theatern, in denen zuvor kaum etwas los war. Ein Beispiel dafür ist
das Teatrul
Foarte Mic ("Das sehr kleine Theater") in Bukarest, das wie
seinesgleichen populär wurde aus dem Grund, dass es sozial
relevante Texte für das neue Publikum zur Aufführung brachte. Wenn auch nur
formal, präsentieren jetzt auch die Direktoren der Staatstheater manche ihrer
Programme als Unterstützung des jungen Theaters. Doch dies sind Aktionen, die meistens
nur darauf hinauslaufen, vom
Rathaus mehr Geld für wenig relevante Produktionen zu
erhalten. Durch diesen Trend haben sich direkt oder indirekt vier
Arten von Dramatikern herausgebildet:
1)
Regisseure, die gleichzeitig Dramatiker sind und ihre eigenen Stücke
inszenieren. Die talentierteste und wichtigste Repräsentantin dieser
Kategorie ist Gianina Carbunariu, die sich gerne als Aufführungsautorin
bezeichnet. Ihre Stücke Stop the Tempo und mady-baby.edu
(bekannt auch als Kebab) waren ein Publikumserfolg und wurden
auch im Ausland aufgeführt. Sie haben einen neuen Trend etabliert: realistisches Sozialtheater.
Dabei handelt es sich um Stücke, die
unverblümt Wahrheiten verkünden und die Haltungen der rumänischen
Großstadtjugend, im Speziellen der Bukarester Jugend Anfang 2000,
charakterisieren. Zu dieser Kategorie gehören auch Andreea Valean und
Vera Ion (die dramaAcum-Wettbewerbsgewinnerin 2004). Ihre
bekanntesten Stücke sind Valeans Eu cand vreau sa fluier, fluier
(Wenn ich pfeifen will, dann pfeife ich) und Ions
Vitamine. Andreea schreibt auch Drehbücher, die zur "Neuen
rumänischen Welle" gehören, so zum Beispiel Cum mi-am petrecut
sfarsitul lumii (So habe ich das Ende der Welt verbracht),
in der Regie von Catalin Mitulescu, ein Film, der zum Meilenstein wurde.
Vera Ion ist die Initiatorin von tangaProject, ein Theater, das
sich kommunitären Belangen widmet und von der dramAcum Gruppe
inspiriert wurde. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen besteht
darin, dass tangaProject keine offene Plattform zum Textaufbau
ist, sondern eine Künstlergruppe, die ein Theater schafft, das tief in
der Realität und der Gemeinschaft verwurzelt ist, vermutlich ein erster
Versuch von devised theater in Rumänien. Das ist kein Theater,
das Langzeit-Vorstellungen anstrebt, sondern eher Performances,
die in einem genau bestimmten Raum- und Zeitrahmen relevant sind.
2) Zur
zweiten Kategorie gehören Schauspieler, die auch Dramatiker sind. Ein
gutes Beispiel hierfür ist Gabriel Pintilei. Er gewann den dramAcum-Wettbewerb
2004 mit dem Stück Elevator, das sowohl im Teatrul foarte mic
und in Teatrul LUNI in Green Hours gezeigt wurde, sowie
in Tschechien. Gabriel erzählt Geschichten, die nicht unbedingt Soziales
behandeln, seine Figuren sind aber sehr lebendig, und sind
schauspielerisch sehr ergiebig. Kürzlich hat er nach diesem Stück auch
einen Film gedreht, der bei der rumänischen Kritik sehr gut angekommen
ist. Ein weiteres gutes Beispiel für diese Kategorie neuer
Schauspieler und Dramatiker zugleich ist Lia Bugnar. Sie ist altersmäßig eher zur
Generation von Nelega, Caraman und Saviana Stanescu zu zählen und
hat keine Bindungen zu dramAcum, so dass sie ein atypischer Fall
ist. Sie hat sich seit 2003 im unabhängigen Theater, vor allem
Teatrul LUNI, einen Namen gemacht. Sie hat, glaube ich, auch die
meisten Stücke vorzuweisen, wohl sieben insgesamt, die aufgeführt
wurden. Ihre Geschichten, – die wiederum schauspielerisch dankbare
Rollen beinhalten –, könnte man fast als moderne Märchen bezeichnen, sie
sind zeitungebunden, unschuldig und spielerisch. Ihre bekanntesten
Stücke sind Aici nu se simte (Omul de zapada) (Hier
spürt man es nicht / Der Schneemann), Oase pentru Otto
(Knochen für Otto), Sta sa ploua (Gleich wird es regnen),
Frimituri (Brösel).
3) Zur
dritten Kategorie gehören Dramatiker, die keinen unmittelbaren Bezug zum
Theater haben. Man könnte sie auch professionelle Dramatiker nennen, das
heißt ihr Metier ist ausschließlich das Schreiben. Sie nehmen aber aktiv
an den Proben und der Entstehung der Inszenierung teil. Maria Manolescu
scheint mir eine sehr gute Vertreterin dieser Kategorie zu sein. Sie ist
außerdem eine gute Prosaschreiberin, die von einem namhaften Verlag
herausgegeben wird. Sie ist die Autorin einiger wirklich guter Stücke, die
beim jungen Publikum beliebt sind. Sado-Maso Blues Bar (Teatrul
foarte mic, in der Regie von Gianna Carbunariu, dramAcum
Preis 2006), With a Little Help from My Friends
(Nationaltheater Iasi, Regie Radu Apostol), oder Re:Re: Hamlet
(Teatrul Bulandra, Regie Radu Apostol). In diese Kategorie gehört
auch Nicoleta Esinencu. Sie kommt von der Philologie und hat ein
Manifest-Stück geschrieben, ein Monodrama mit dem Titel Fuck You
EU.RO.PA (das den dramAcum-Wettbewerb 2004 gewann). Obwohl
das Stück in Bukarest nicht gezeigt wurde, war es im Ausland zu sehen
und wurde von der rumänischen Kritik gelobt.
4) Die
vierte Kategorie – die ich zum Schluss behandle, weil sie die jüngste
ist – betrifft Theaterkritiker (oder Theaterwissenschaftler),
die auch Stücke schreiben. Zu ihren erfolgreichsten Vertretern gehört
die Kritikerin Mihaela Michailov, die sowohl mit dramAcum, als
auch mit tangaProject in Verbindung gebracht werden kann, da sie
durch ihre Leitartikel beide Projekte unterstützt hat, aber auch weil
sie eine der Gewinnerinnen des dramAcum-Wettbewerbs 2006 ist.
Außerdem hat sie für tangaProject-Aufführungen Texte geschrieben.
Mihaela hat den UNITEXT-Preis "Das Stück des Jahres 2006" für
Complexul Romania bekommen, das vom Nationaltheater Bukarest in der
Regie von Alexandra Badea aufgeführt wurde. Ein weiterer wichtiger
Vertreter dieser Kategorie ist der Theaterwissenschaftler Mihai Ignat,
auch er "Stück des Jahres 2007"-Preisträger. Genauso wie Lia Bugnar
gehört er zur Generation Nelega/Caraman/Saviana Stanescu, und er hat
einen interessanten Werdegang aufzuweisen. Sein bekanntestes Stück,
Crize, blieb lange Zeit unaufgeführt, bis es vor zwei Jahren in den
unabhängigen Theatern einen richtigen Boom erlebte. Er gehört zu den
Dramatikern, die lange auf ihre verdiente Anerkennung warten mussten.
Dieser
Auflistung möchte ich gerne einen Anhang hinzufügen. Es gibt nämlich immer
noch
Dramatiker, die stilistisch tief in der kommunistischen Zeit verwurzelt
sind. Manche von ihnen sind weiterhin aktiv. So zum Beispiel Adrian Lustig, der
Boulevardkomödien schreibt und erfolgreich am Komödientheater Bukarest
gespielt wird. Er ist der wohl erfolgreichste und meistgespielte in dieser
Kategorie. Weitere Namen – die allerdings nicht mehr aufgeführt werden – sind
Radu F. Alexandru und Horia Garbea. Letzterer ist Schriftsteller und gehört
der Nelega-Generation an. Stilistisch und thematisch lässt er sich
aber weit eher der hier besprochenen Anhang-Kategorie zurechnen. Ein ganz atypischer Fall für diese
Generation ist Denis Dinulescu, dessen Stück O zi in viata lui Nicolae
Ceausescu (Ein Tag im Leben von Nicolae Ceausescu) ein echter Publikumserfolg am
Teatrul foarte mic wurde.
Als Anhang zum
Anhang möchte ich einen weiteren atypischen, aber für die rumänische
Gegenwartsdramatatik sehr bezeichnenden Fall anführen, den von Matei
Visniec. Dieser wurde in Frankreich zum Dramatiker und und ist stark von Ionesco
beeinflusst. Nach der Revolution gab es eine richtige Visniec-Mode, die
ihn zum meist gespielten Stückeschreiber werden ließ. Später wurde er vergessen,
um nach 2000 wieder Beachtung zu finden (soll heißen in Rumänien, denn in
Frankreich wurde er viel mehr gespielt). Visniec wurde auch von unabhängigen
Theatern aufgeführt. Denkwürdig ist die Inszenierung von Ana Margineanu am
Teatrul LUNI in Green Hours, mit Visniecs Stücken Deseuri (Abfall),
nach Teatrul Descompus (Das zersetzte Theater). In den letzten
Jahren haben ihn die Inszenierungen von Radu Afrim als äußerst wichtigen
Dramatiker, ja fast als lebenden Klassiker etabliert.
Ich
hoffe, ich habe keine wichtigen Namen ausgelassen, was ich aber nicht
annehme. Ich finde, als Dramatiker muss man die gegenwärtige Situation
kennen, so viele Stücke wie möglich sehen und die Trends erkennen, ohne
allerdings das bisher Gewesene außer Acht zu lassen. Eine Schlussfolgerung
wird hier notwendig: Man kann erkennen, dass in Rumänien, auch im
Theaterleben, alles noch sehr unklar ist. Ich glaube aber auch, dass sich in
den nächsten zehn Jahren vieles klären wird. Die Übergangszeit in Rumänien
hat diese Entwicklung, in der sehr schnell viele Stufen übersprungen
wurden, sehr stark getroffen. Dem wird, glaube ich, eine viel organischere
Entwicklung folgen. Andere Themen, Stile und Experimente sind sehr
willkommen. Vielleicht auch eine andere Mentalität. Ich glaube auch, dass
der Beruf des Theaterautors mit der Zeit mehr Anerkennung erfahren wird. Das
ist ein noch sehr schwacher Punkt. Auch wenn der Dramatiker seinen Status
teilweise wiedererlangt hat, so ist er nach wie vor der am schlechtesten
Bezahlte unter den Theaterleuten – das nur als Beispiel. Obwohl auch die
Autoren inzwischen ihre Fans haben (in den Blogs kann man lesen: "ich liebe
Carbunariu/Peca/Manolescu" oder "das Stück X hat mir sehr gut gefallen"), so
werden sie von den etablierten Theatern noch immer nicht als
vertrauenswürdige Partner betrachtet, nicht einmal dann, wenn sie Publikumsmagnete sind. Auftragsarbeiten sind
bei uns genauso wenig üblich
wie die Einrichtung eines Hausdramatikers. Zugegeben, es gibt Ausnahmen. Aber die
bestätigen nur die Regel.
Aus dem Rumänischen
von Aranca Munteanu
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