Direktor
Pál Nagy betonte, dass das Festival im Gegensatz zu den Vorjahren fünf große
Produktionen umfasse, um dem Interesse des lokalen Publikums gerecht zu
werden. Zusätzlich zu den dreizehn abwechslungsreichen Vorstellungen bot
sich für Theater-Interessenten die Gelegenheit, an einer Reihe von
Publikumsgesprächen im Foyer des Kulturhauses sowie an einem interaktiven
Theaterquiz teilzunehmen. Ein runder Tisch über "Die Zukunft unserer
Theater" und ein täglich stattfindender geselliger Ausklang mit Musikbegleitung kurz vor
Mitternacht rundeten das Programm ab.
Die Einzigartigkeit des
dráMA-Festivals liegt in dem ausschließlich auf zeitgenössischen ungarischen
und rumänischen Texten basierenden Angebot. "Jedes Jahr stellt sich die
Frage, ob es genügend hochwertige Produktionen gibt, die sich auf
zeitgenössische Dramatik konzentrieren und mit welchen neuen dramaturgischen
Mitteln sich die Künstler diesem Texten nähern", sagt Réka Dálnoky, die
Hauptorganisatorin der Festspiele. Auf den ersten Blick lautete das von ihr
gewählte Motto "Bist du... zuhause?" (Otthon... vagy?). Doch nach einem
Gespräch mit Réka Dálnoky stellte sich heraus, dass das ungarische Wort
"vagy" sowohl "(du) bist" als auch "oder" bedeuten kann, was zu einem
Wortspiel führte, mit dem das Thema jeder Produktion kurz zusammengefasst
wurde: "Krise... oder?", "Familie... oder", "Frieden... oder?" usw. Namhafte
Regisseure wie Radu Afrim, Visky Andrej, Sebestyén Aba, Tóth Árpád
wagten sich an Texte von Pass Andrea, Visky András, Lackfi János oder Egressy
Zoltán. Gianina Cărbunariu zeigte ihr eigenes Stück Magyrosaurus Dacus
(lesen Sie hier eine ausführlichere Besprechung). Sowohl
staatlich geförderte Theater als auch Gruppen der freien Szene aus den
entfernten rumänischen Städten Klausenburg, Temeswar, Großwardein (Oradea)
und Suceava sowie aus der umgebenden Széklerland-Region reisten nach
Odorheiu Secuiesc an. Neugierig machten ebenfalls die Gastpiele aus Györ und
Budapest.
Doch wie folgt man als
nicht ungarisch sprechende Zuschauerin einer Inszenierung in ungarischer
Sprache? Glücklicherweise boten etliche Produktionen Übertitel auf Rumänisch
oder Englisch an. So zum Beispiel Die jungen Barbaren, eine
Koproduktion des Ungarischen Staatstheaters aus Klausenburg mit dem
Stadttheater aus Gyula. Basierend auf den Biografien der ungarischen
Komponisten Béla Bartók und Zoltán Kodály wird eine Fiktion konstruiert, die
das Schicksal der genialen Künstler zeigt. Die Inszenierung des 29-jährigen
ungarischen Regisseurs Attila Vidnyánszky jr. kombiniert geschickt
Schauspiel, Choreografie, Popmusik und klassische Live-Musik.
Unterschiedliche Stile – Slapstick, Musical, Improvisation, Tanz – fügen
sich in schnell aufeinander folgenden Szenen an- und ineinander, und genau
das macht den Charme dieser Produktion aus. Den Schauspielern gelingt es,
die Geschichte eindrucksvoll darzustellen. Abgesehen von den beiden
Protagonisten verkörpern alle anderen mehrere Rollen. Acht Schauspieler und
vier Tänzer, die auf der Bühne oft von Mitgliedern des Musikensembles
begleitet werden, erzeugen das Bild einer chaotischen Welt des späten 19.
und beginnenden 20. Jahrhunderts. Zwei Holzbretter und
zahlreiche Eierkartons deuten das Bedürfnis der "barbarischen" Komponisten
an, sich von gesellschaftlichen Konventionen und propagandistischen
Versuchen zu isolieren. Originelle Regieideen führen zu einer temporeichen
Abenteuergeschichte mit schnellen Dialogen, bissigem Humor und einem
sicheren Gespür für Timing und Situationskomik.
Mit Die Rückkehr von zu
Hause brachte die Kunstuniversität aus Târgu Mureş Ştefan Caramans
zwanzig Jahre altes Stück dem Publikum in einer packenden interaktiven Show
wortwörtlich nahe. Der für eine einzelne Schauspielerin geschriebene Text
wurde auf drei Darstellerinnen aufgeteilt, die damit erfolgreich ihre
Masterprüfung ablegten. Neben den unterschiedlichen Persönlichkeiten der
drei Protagonistinnen zeigte sich die Handschrift der Regisseurin Dana
Lemnaru – zugleich Professorin des Schauspiel-Trios – vor allem in der
kraftvollen Weise, sich mit den vielen Typologien der Frau künstlerisch
auseinanderzusetzen. Geschickt meisterten die drei Absolventinnen den
Übergang von einem Zustand in einen anderen und schafften es mit
Leichtigkeit, das männliche Publikum zum Mitspielen zu animieren. Obwohl
Themen wie gewalttätige Väter oder Abtreibung für einige Zuschauer etwas
schwieriger zu verdauen waren, herrschten eine lockere Atmosphäre und eine
gute Stimmung. Das machte es leicht für das Publikum, sich selbst mit den
durchaus ambivalenten Figuren in der Inszenierung zu identifizieren.
Passenderweise wurde Matei
Vişniecs Text Die Rückkehr nach Hause in das Festivalprogramm
integriert. (Eine ausführliche Besprechung der Produktion des Stadttheaters
Suceava in der Regie von Botond Nagy
ist hier zu finden.) Ein weiteres Stück des bekannten rumänischen Dramatikers stand auf
dem Programm. Am Einzelschicksal zweier Frauen führt Matei Vişniec in seinem
Einakter Vom Geschlecht der Frau als Schlachtfeld – in der
Koproduktion des gastgebenden "Tomcsa Sándor"-Theaters in Zusammenarbeit mit
dem Nationaltheater in Győr zu EXIT umbenannt – die sogenannten
Randerscheinungen des Krieges vor Augen, schmerzhaft klar, jedoch mit einem
Höchstmaß an Sensibilität. Zwei Frauen, ein Vergewaltigungsopfer, das
schwanger ist, und ihre Therapeutin, die als Psychiaterin in einem
internationalen Hilfsprogramm arbeitet, sind die Charaktere dieser
Geschichte. Die Handlung spielt in Bosnien in den 1990er-Jahren. Vişniec
hatte diesen Krieg sehr gut dokumentiert, da er damals für Radio France
International tätig war. Im intimen Studiosaal des "Tomcsa Sándor"-Theaters
gelingt es beiden Schauspielerinnen glaubhaft, die Traumata der Charaktere
zu schildern. Ihre Rollen sind umso schwieriger, da die Protagonistinnen von
allen vier Seiten von den Zuschauern umringt sind. Eine sehr intensive
Inszenierung von Zalán Zakariás, die zum Nachdenken anregt über ein Thema,
das leider auch heute noch äußerst aktuell ist.
Das gastgebende Theater
präsentierte gleich zwei Produktionen. Ábel. im Wald, eine Adaption
des ersten Teils der Roman-Trilogie des ungarischen Schriftstellers Áron
Tamási stand genau am Tag der ungarischen Dramatik auf dem Programm
(Dramatisierung und Regie Tóth Tünde). Ábel, der Protagonist von Tamásis
bekanntestem Werk ist eine Sancho-Panza-ähnliche Hauptfigur, die auf der
Suche nach Wahrheit durch die Welt von Abenteuer zu Abenteuer rast. Als
einer der wichtigsten Vertreter der Székler-Literatur brachte Tamási einen
neuen sprachlichen und thematischen Ansatz im siebenbürgischen literarischen
Umfeld. "Unser Leben hat ein Ziel: uns in einer Ecke dieser Welt zu Hause zu
fühlen", sagt der Schriftsteller im letzten Teil seiner Trilogie. Was könnte
passender für die diesjährige Ausgabe des dráMA-Festivals sein?